87. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

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L rs cheinnn gHwrise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamls- öezirk Calw» für d.e ernipalnge Borgi^zcile lO Pig.. außerhalb desselben 12 Pfg.. Ncklamen 2^. Pfe- Ttl-luß für Ins'erorannohnlc 10 Uhr vormittags. Tclrson 9.

Mmim ms das Ealwer TGlatt!

Die englischenKulturpioniere" in Peru.

EinenWust der Ungeheuerlichkeiten" nennen die englischen Morgenblätter den in Form eines Blaubuches veröffentlichten, (schon kurz erwähnten) Bericht des britischen Generalkonsuls, Sir Robert Casement, der im Juli 1910 vom Auswärtigen Amt damit beauftragt wurde, über die Behandlung der eingeborenen Indianer in den Gummiländern derPerruvian Amazon Company Limited" zu be­richten. Diese englische Gesellschaft, deren Aktien an der Londoner Börse gehandelt werden, beschäftigt sich mit der Gewinnung sogenannten wilden Gummis im Distrikt Putunmyo am Amazonenstrom. Sie hat die in den Wäldern wohnenden Jndianerftämme auf das scheußlichste ausgebeutet und in einer Weise be­handelt, daß demgegenüber die bekannten Kongo­greuel verblassen. Sir Rogert sagt u. a., daß in den letzten zwölf Jahren 4000 Tonnen aus Putumayo nach England gegangen seien, die 30000 In­dianern das Leben gekostet hätten. Man habe diese armen Sklaven entweder Hungers sterben lassen, geköpft oder erschossen, oder gar bei lebendi­gem Leibe verbrannt, nachdem man sie vorher den teuflischsten Torturen unterworfen hätte. Um manche der Faktoreien lägen die menchlichen Knochen in so dicken Hau­fen, daß man glaube, ein ehemaliges Schlachtfeld zu sehen. Daß Indianer, Männer, Frauen und Kinder, die nicht genug Gummi einlieferten, bis aufs Blut gepeitscht wurden, ist kaum erwähnenswert neben all den andern, z. T. kaum nennbaren Grau­samkeiten, die von den Henkern dieser englischen Ge­sellschaft an ihnen verübt wurden. In dem Berichte sind einige Beispiele von Hunderten angeführt, in denen junge Weiber derartig geschlagen wurden, daß die Wunden nicht mehr heilen konnten: der Brand trat ein und es bildeten sich Würmer in dem faulenden, wunden Fleische. Manchmal ließ man sie dann erschießen, öfter aber trieb man sie auf den Weg nach ihrem heimatlichen Dorf. Sie starben dann meist unterwegs oder bald nach ihrer Ankunft. Nach der Züchtigung mit dem Ochsenschwanz wurde den Unglücklichen meist noch ein Ohr, die Nase, ein Arm oder Bein, ja selbst die Zunge abgeschnitten. Männer und Frauen wurden an den Haarengefaßt,mitdem Ge sichtauf die Erde geschleudert und dann getreten und geschlagen, bis Gesicht und Körper eine blutige Masse waren. Mütter, deren Kinder nicht die verlangte Menge Gummi eingeliefert hatten, wurden bis aufs Mut gepeitscht, damit sie ihnen das Arbeiten besser beibrächten. Vier junge In­dianer wurden solange unter Wasser gehalten, bis ihre Bäuche und Eingeweide zum Platzen voll waren. Ein Weib wurde mit dem Kopf nach unten an einen Baum gehängt; unter ihrem Kopfe wurde dann ein Feuer angezündet und so die Unglückliche bei l e- bendigemLeibegebraten. Andere wurden mit Petroleum begossen und angezündet. Wenn die Beamten der Gesellschaft eine Orgie feierten, so nahmen sie mitunter einen Mann, der irgend etwas zu verbüßen hatte, aus dem Gefängnis, banden ihn an einen Baum und schossen auf ihn wie auf eine Scheibe. Neunzig vom Hundert der ge­samten eingeborenen Bevölkerung trägt tiefe Narben, die von Peitschenhieben herrühren. Der Bericht führt in allen Fällen den Ort an, wo diese Ungeheuerlichkeiten geschehen sind. Außerdem nennt er 16 der Scheusale, die sie verübt haben, mit Namen. Armando Normand, ein in England erzogener Bolivianer, wird als der Belze- bub in diesem Reiche der Teufel bezeichnet.

Freitag, den 19. 3uli 1912.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, 19: Juli 1912.

Vom Rathaus. Sitzung der bürgerl. Kollegien unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz am Donnerstag nachmittag von 4 Uhr ab. Anwesend waren 7 Gemeinderäte und 8 Büvgerausschußmit- glieder. Zu Beginn der Sitzung erfolgte die A b- hör der städtischen Rechnungen von 1910, die vom Oberamt revidiert worden waren: die Ausstellungen sind erledigt worden. Der Abbruch des Pflü- gerschen Hauses wurde an Bauunternehmer Alber, als dem Meistbietenden, vergeben. Pro­fessor Veurlen spricht dem! Gemeinderat den Dank für die Bewilligung von 50 Mk. für die Jung­deutschlandbewegung aus. Der Ge­meinderat erteilt dem Schuhmachermeister Dongus die Erlaubnis zur Herstellung eines Bürger­steigs an seinem Hause, entlang der Salzgasse. Den Abschluß der Sitzung bildeten Bau- und sonstige, nicht der Öffentlichkeit zu unterbreitende Angelegen­heiten.

Nummer 1v des Kur- und Fremdenblatts ge­langt morgen zur Ausgabe. Außer den Kurlisten der Badeorte Liebenzell und Teinach und der der Kur­plätze von Unterreichenbach und Neubulach enthält sie eine SkizzeSommertage in Bad Liebenzell" und anderes.

Vom Jungdeutschlandbund. Dem Landesver­band ist es gelungen, für die Jugend ein Ferienheim zu beschaffen. Die landschaftlich reizend gelegene Klause in Rottenburg wurde gemietet und ausge­stattet. Es können jeweils 200250 junge Leute während der Ferien ausgenommen werden, und zwar in drei Abteilungen vom 25. Juli bis 8. August, vom 10. bis 24. August, und im Bedarfsfälle noch vom 27. August bis 10. September. Die Kosten betragen für Wohnung und kräftige reichliche Kost in 15 Tagen nur 12 Mk. Außerdem können insbe­sondere Lehrlinge, die nur kurzen Urlaub erhalten, 35 Tage Unterkunft erhalten gegen 1 Mk. für den Tag. Ein Hausverwalter und eine Anzahl Führer werden in der Klause selbst wohnen. Zahlreiche Rottenburger Herren haben sich zur Verfügung gestellt zur Leitung vonWanderungen in die reizvolle nähere und weitere Umgebung. Für Turn- und Badeae- legenheit ist gesorgt, auch für eine Jugendbibliothek, für Beschäftigung mit Hobelbankarbeiten und dergl. bei schlechtem Wetter. Programme sind von Rektor Dr. Barth, Stuttgart, Weimarstraße 26 zu beziehen. Anmeldungen umgehend an Rechnungsrat Jänisch, Stuttgart, Weimarstraße 29. Für das körperliche und geistige Wohl ist in jeder Weise vorgesorgt. Aerzt- liche Überwachung ist da. Alkoholgenuß ist ausge­schlossen, Wirtshausbesuch bei sofortigem Ausschluß verboten. Jnnehaltung der Hausordnung, Kame­radschaftlichkeit und Hilfsbereitschaft ist Vorbe­dingung. Diese Neueinrichtung zum Wohl der Ju­gend hat den rührigen Bund viele neue Freunde und unterstützende Mitglieder zugeführt und sollte es noch weiterhin tun.

»t. Vom mittleren Verwaltungsdienst. Auf

Grund der im April, Mai und Juni vorgenomme­nen Prüfung für den mittleren Verwaltungsdienst sind zu Verwaltungspraktikanten bestellt worden u. a.: Fritz Müller von Neubulach, Gottlob Nüßle von Simmozheim, Heinrich Baeßler aus Altensteig OA. Nagold, Gregor Lutz von Untertalheim OA. Nagold, Eugen Nißler von Weilderstadt.

Die preuß.-süddeutsche Klassenlotterie. Gleich bei ihrer Einführung hat die Staatslotterie in Würt­temberg großen Anklang gefunden. Die Zahl der Lose, die bis zur Ziehung der 1. Klasse der preuß.- süddeutschen Lotterie verkauft wurden, ist wesentlich größer als man ursprünglich erwartet hatte. Man hatte damit gerechnet, es würden etwa 9000 Lose verkauft werden. In Wirklichkeit wurden aber weit

Mk. 1.ZO. Veftrllgtld in'-ttriiibrio :>l> u: Vci'.ntu und 42 Pfg.

über 10 000 Lose bis zum ersten Ziehungstag (10. Juli) abgesetzt. Was die Gewinne anlangt, so hat Württemberg auch hierin bei der erstmaligen Zie­hung Glück gehabt. Die beiden zweitgrößten Ge­winne von je 30000 Mk. kamen nämlich nach Würt­temberg, und zwar einer nach Stuttgart und einer nach Geislingen . Nach Stuttgart kam außerdem noch ein Gewinn von 10 000 Mk.

!->'b. Mutmaßliches Wetter. Der Hochdruck ist noch weiter nach Westen abgezogen. Eine flache Einsenkung bedeckt jetzt ganz Mitteleuropa. Unter ihrem Einfluß nimmt die Gewitterneigung zu. Für Samstag und Sonntag steht deshalb zeitweilig be­decktes und vielfach gewitteriges, auch etwas abge­kühltes, aber bereits wieder aufheiterndes Wetter bevor.

b. Mutterkorn. Zur bevorstehenden Ernte des Mutterkorns schreibt dieSüdd. Apothekerzeitung": Angesichts der hohen Preise für Mutterkorn und der vielfachen Klagen in der Landtwirtschast dürfte es sich empfehlen, wenn die Apotheker die Landleute darauf Hinweisen würden, beim Dreschen des Rog­gens das ausfallende Mutterkorn zu sammeln und in die Apotheke abzuliefern, wobei sie einen nicht unbeträchtlichen Nebenverdienst erzielen können. Die Apotheker können ihrerseits das Mutterkorn an die Eroßdrogenhändler oder an Fabriken, die das Mut­terkorn verarbeiten, verschicken.

ckt. Bad Liebenzell, 18. Juli. Am nächsten Sonn­tag, den 21. d. M. findet in den König-Wilhelm- Anlagen ein Sommernachsfest mit Konzert und festlicher Beleuchtung der Anlagen statt. Einen feenhaften Anblick bietet dann die große Lindenallee mit unzähligen buntfarbigen Lampions, und im See spiegeln sich Hunderte von Lichtlein. Wandelhalle und Pavillon sind neuerdings mit farbigen Glüh­birnen geschmückt. Besucher aus Calw, Hirsau und Teinach seien darauf aufmerksam gemacht, daß kurz nach 10 Uhr für Fahrgelegenheit in der Richtung nach Calw gesorgt ist. Es ist also die Möglichkeit ge­boten, der Veranstaltung bis zum Schluß beizu­wohnen, ohne auf den letzten, erst um "f2 Uhr ab­gehenden Zug warten zu müssen.

G Aichhalden, 18. Juli. Heute mittag kurz nach 12 Uhr schlug der Blitz in das Anwesen des Schult-- heißen Eroßmann in Oberweiler. Wohn- und Oeko- nomiegebäude des Schultheißen, sowie das Nachbar­haus sind vollständig niedergebrannt. Das Vieh konnte bei beiden Besitzern gerettet werden.

Altensteig, 19. Juli. Der Heidelbeerversand ist auf der hiesigen Bahnstation ein recht lebhafter. Täg­lich kommen 350400 Körbe zum Versandt. Der Preis bewegt sich zwischen 15 und 18 Pfg. per Pfund.

Pforzheim, 18. Juli. Gestern nachmittag brach im Packraum der Bijouteriegroßhandlung Fr. Hafer­korn, Durlacherstraße 25, ein Brand aus, der sich mit großer Geschwindigkeit über den Dachstuhl ver­breitete, sodaß dieser ganz niederbrannte. Das Feuer nahm von dem Packraum den Weg über das ganze Dach. Dank dem raschen Eingreifen der Weckerlinie konnte ein Umsichgreifen auf die benachbarten Dächer und Häuser vermieden werden. Wie das Feuer ent­standen ist, ließ sich, obwohl im Packraum zwei Ange­stellte der Firma zugegen waren, bis jetzt nicht er­mitteln. Der Schaden ist jedenfalls nicht unbe­deutend. Er wird sowohl am Gebäude, das Eigen­tum des Fabrikanten Alb. Wenning ist, als an Fahr­nissen der Firma Haferkorn mehrere Tausend Mark betragen.

Mitteltal, 18. Juli. Vorgestern nachmittag halb 5 Uhr wurde beim Heidelbeersammeln ein neun­jähriger Pflegesohn des Schmiedmeisters Sackmann von hier von einer Kreuzotter in einen Finger ge­bissen. Nicht nur die Hand, sondern der ganze Arm schwoll sofort an. Als der Knabe nach Hause kam,