Segrüs-et

1877.

Die TsgeSauSg^e ks^tt sierteljährlich l« Beprk Nagold und NtLberortsseckehr DL 1L5

Laßnhalb Mk. 1.35.

die Wock^aauSgabe (Lchrvarzwälder LorrmagSLlaüj Iskc! Otttcljährltch S0 Vz.

Amtsblatt für

MgemeinesKiyttge-

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»erSetzrvavzrvaldeV Sonntagrblatt"

Sonntags-Anzeiger und Familien-Zeiiung für die Bewohner des Schwarzwaldes.

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TsSgebeort Mtensteig-Gtsdt.

GamStag, ssm 23 . April.

Amtsblatt für Psalzgrasenweiler.

Wochen-Rundschau.

Aus dem Reichstage.

Der Reichstag will am 4. Mai auseinander­gehen und daher beeilt er sich, um mit dem Vor­gesetzten Pensum fertig zu werden. Die erste Le­sung der Vorlage über die Reichsniertzuwachssteuer wurde in einer Sitzung erledigt und zwar natür­lich mit Ueberweifung der Vorlage an die Kom­mission. Diese Sache hat auch um deswillen Eile, weil das Gesetz noch in dieser Session verabschie­det werden soll und muß, damit nicht der Zweck der Steuer durch allerhand Verkäufe und Schiebungen, worin die großen Grundstücksspekulanten äußerst ge­wandt und erfinderisch sind, inehr oder weniger vereitelt werden kann. Ueber den Grundgedanken der Wertznwachssteuer herrscht im Reichstage weitgehend Uebereinstimmung und nur in den Einzelheiten gehen die Ansichten auseinander. Im Ganzen aber hat die Regierungsvorlage den richtigen Weg ge­troffen. Die Steuersätze. bewegen sich unter ver­schiedenen Modalitäten von 25 bis 30 Prozent des erzielten Wertzuwachses. Von dem Erträgnis, das ans vierzig Millionen pro Jahr geschätzt wird, soll ; das Reich die Hälfte erhalten, die Einzelstaaten be- ! kommen zehn Prozent und das Ucbrige fällt den Gemeinden zu. Uebrigens bleibt der Stempel für die Grundstücksübertragnngen eine von den so­genannten Besitzsteuern der Reichsfinanzreform i einstweilen bestehen. Insofern ist also die Wsrtzu- ? Wachssteuer eine niedliche neue Steuer, gewisserma­ßen einekleine Finanzreform", Am Montag die­ser Woche hat der Reichstag die erste Lesung der R e i ch s v e rsi ch e r u n g s-O r d n u n g be­gonnen. Diese Riesenvorlage von 1700 und et­lichen Paragraphen faßt die gesamte deutsche Ar­beiterversicherung, die bisher in verschiedenen Ein- zelMetzen zerstreut ist, unter Neuschaffung eines einheitlichen Unterbaues, der Versicherungsämter, zu j einenp einzigen Gesetz zusammen, und gleichzeitig ! werden durch die Einführung der Witwen- und Wai­senversicherung, durch Ausdehnung der Kranken­versicherung auf die landwirtschaftlichen Hausge­werbetreibenden, Dienstboten usw. weitere sieben Millionen Personen in die soziale Fürsorge ein­begriffen. Außerdem solle durch eine Reformie­rung der Krankenkassenorganisation Gleichstel­lung der Arbeitgeber- und Arbeiterbeiträge bei glei­chen Rechten im Kassenvorstande - den Klagen über den Mißbrauch der Kasseneinrichtungen von sozial­demokratischer Seite, über die Stellung der Aerzte usw. abgeholfen werden. Die Erweiterung des Kreises der Versicherten findet wenig Widerspruch, und auch sonst ist mancherlei an dem Entwurf der Anerkennung wert; aber im übrigen gibt es vieles, was heftig umstritten und bestritten äst. Das gilt namentlich von dem Unterbau der Versicherungs­ämter, von der Stellung der Aerzte - der Deutsche Aerztetag hat gegen die neugeplante Regelung ent­schieden Protest erhoben von der Aenderung in der Krankenkassenorganisation usw. Man hat zwar den Wunsch, das Gesetz vor dem 1. Januar 1911 zustande zu bringen, und das wird ja vielleicht mög­lich sein. Welche Gestalt aber die Bersicherungs- ordnung zuletzt erhalten wird, steht ganz im Un­gewissen. Eine Kommission wird sich auch während der Reichstagstagung damit zu beschäftigen haben.

Die Debatte im Reichstage erreichte keine beson­dere Höhe, obgleich sonst gerade sozialpolitische Er­örterungen gut und mit viel Sachkenntnis geführt werden. Der Beginn der Debatte litt darunter, daß der Staatssekretär Delbrück infolge einer Un­päßlichkeit sich nicht an der Beratung beteiligen konnte. So viel der einführende Bortrag vom Re- gcerungstisch weg, der sonst derartigen Debatten eine geeignete Unterlage bietet.

Vom Landtage.

Die Abgeordnetenkammer hat sich in der letz­ten Berichtswochc bei der Beratung der Bauord­nung hauptsächlich mit den verwickelten Bestim­mungen beschäftigt, die mit der Licht- und Luft­zufuhr zusammen hängen: Zahl der Stockwerke, Ge­bäudehöhe, Hvfräume, Gebäudeabstand u, dgl. Da­bei hat sich das immerhin merkwürdige Schauspiel andauernd ergeben, daß die Sozialdemokratie in ihrer Stellungnahme Forderungen vertrat, denen die Regierung weitgehend zustimmen konnte; aber ebenso weitgehend hatten Regierung und Sozial­demokratie die große Mehrheit des Hauses gegen sich. Diese stellte sich durchweg auf den Bo­den der Anträge des Bauordnungs-Ausschusses, die wesentlich abweichen von der Regierungsvorlage, wie von den Beschlüssen der Ersten Kammer, Lei­der muß man es sagen, daß in der Haltung der Kammermehrheit wenig fortschrittlicher Geist zu spüren ist. Man braucht nicht so weit zu gehen, zu sagen, daß bei ihr vorwiegend Rücksicht auf die Interessen derer genommen wird, denen an der möglichst lukrativen Ausnutzung von Grund und Boden mebr gelegen ist, als an den Bedürfnissen jener, die zur Miete wohnen: solche Borwürfe, die hie und da erhoben worden sind, schießen über das erlaubte Ziel hinaus: so viel ist allerdings richtig, daß die. Forderungen einer gesunden Wvh- nungsretorm nur unvollkommen zu ihrem Rechte kommen. Das ist bedauerlich. Gerade hier wäre für die Volksvertretung ein Feld gewesen, aus dem sie etwas Gutes hätte leisten können, und zwar Hand in Hand mit der Regierung, So aber ist das größere Verständnis für die Bedeutung dieser Frage und der fortschrittlichere Sinn für ihre Lösung ent­schieden bei der Regierung und bei der Sozialdemo­kratie oder wenigstens bei deren Spezialisten -Dr. Lindemann, Man konnte es dem Ministerialrat v, Reiff, der in der vorigen Woche an Stelle des nach Berlin berufenen Ministers v, Pischek als Re­gierungskommissar wirkte, nicht verdenken, wenn er in der Debatte andeütete, daß für die Mehrheit politische Momente hineingespielt hätten, und man konnte es ihm ferner nicht verdenken, wenn er be­tonte, daß Parteien, die den Schutz der wirtschaft­lich Schwachen aus ihre Fahne geschrieben ha­ben, in der Frage der Licht- und Luftzufuhr rc. mit der Regierung gehen bezw, sich auf den Boden eines vorliegenden sozialdemokratischen Antrags stellen müßten, damit die Hausbesitzer gezwungen würden, Wohnungen zu schaffen, die den modernen gesundheitlichen und sozialen Anforderungen we­nigstens einigermaßen genügen. Damit hatte der Regierungskommissar allerdingsins Fettnäpfchen getreten": einer nach dem andern standen die Ver­treter der Parteien auf, um sich feierlich zuver­wahren", denn man ist in solchen Sachen unge­heuer empfindlich, und von einem Ministerialrat

möchte man sich schon gar nichts gefallen lassen. Das gehört so zum Parteihandwerk der Abgeord­neten: keiner läßt sich jemals von irgend welchen anderen Umständen 'beeinflussen, als von der er­habenen Sorge um bas Wohl der Allgemeinheit. Wir sind darin freilich etwas ketzerisch veranlagt, und müssen schon sagen, daß die Verwahrung der Parteien einen Stich ins Komische hatte. Wenn wir unter uns sind, wollen wir es doch ruhig einge­stehen, daß der Regierungskommissar wirklich nicht so ganz Unrecht hatte. In der Dienstagssitzung; beschäftigte sich die Kammer mit der Brandkata­strophe von Böhmenkirch im Anschluß än eine An­frage des Abg, Herbster, Minister v. Pischek er­klärte, daß die Regierung alles tun iverde, was in ihren Kräften stehe. Insbesondere werde der Gemeinde nach Bedarf ein unverzinsliches Dar­lehen gewährt werden. Die private Wohltätigkeit müsse damit Hand in Hand gehen. Die Katastrophe lehre im übrigen, daß die Strohdächer verschwinden und daß auch in Landorten die Gebäudeabstände eingehalten werden müßten.

Reichstagsabgeordnetcr Graf Oriola si.

Reichstagsabgeordneter Gras v, Oriola ist in der Nacht zum Sonntag in Berlin, 55 Jahre alt, gestorben. Er hatte am Donnerstag voriger Woche einen Unfall erlitten, indem er zwischen zwei Stra­ßenbahnwagen geriet und äußerliche Verletzungen davontrug. Ernste Folgen schienen nicht zu be­fürchten, doch trat ein Schlagansall auf, der sei­nem Leben ein Ende machte. Gras Oriola ver­trat seit 1893 den oberhessischen Wahlkreis Fried­berg-Büdingen, in dem er ansässig war. Er gehörte bis zum vergangenen Sommer der nationalliberalen Fraktion an, mußte sich aber wegen seiner Haltung zur Reichssinanzresorm von seinen langjährigen Fraktionsgenossen trennen. Er gehörte zum rechten Flügel der Nationalliberalen und war ein stramer Agrarier und Mitglied des Bundes der Landwirte. So kam er in den Konflikt, ebenso wie der Frhr. b, Heyl-Worms und der Abg. Lehmann-Jena, Graf Oriola war katholisch; sein Geschlecht stammt aus Portugal,

Ter Kampf im Baugewerbe.

Am l5. ds, Mts, hat die Massenaussperrung im Baugewerbe begonnen. In ganz Deutschland sind reichlich 200 000 Bauarbeiter von den Mit­gliedern des Arbeitgeberbundes für das deutsche Baugewerbe ausgesperrt worden. Es ist ein Kampf, wie er in dieser Art in Deutschland noch nicht er­lebt worden ist. Wie er ausgehen wird, steht da­hin, Indessen zeigte sich, daß die Aussperrung doch nicht den Umsang angenommen Hat, wie erwartet worden war. Ein Teil der Arbeitgeber des Bundes hat dem Aussperrungsbeschluß keine Folge ge­leistet: das gilt namentlich auch für Württemberg, Gerade dieser Mangel an Einheitlichkeit in der Aktion der Unternehmer und das Widerstreben, das vielfach auch bei Unternehmern wahrzunehmen ist, die sich an der Aussperrung beteiligen, spricht dafür, daß es eigentlich hätte möglich sein müssen, dieses wirtschaftliche Unheil zu verhüten.