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^s§ 164. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 87. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Obcramts- bezirr Lalw für die einspaltige Bargiszcilc Iv Psg.. außerhalb desselben I2Psg-> Reklamen LS Psg. Schluß für Jnscraiannahmc lv Uhr vormittags. Telefon g.
Dienstag, den 16. Juli 1912.
Bezugspreis: In der Stadt mir Lräacrlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post- bezugspreis ftir den Lrts- und Rnchbaroricr'erkehr M5. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Psg.. in Bayern und Reich 42 Pig.
Amtliche Bekanntmachungen.
K. Oberamt Calw.
Kurse für Gold- und Silberschmiede und Graveure.
Die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt, s) in der Zeit vom 5.—7. August 1912 einen Kurs im Versilbern, Vergolden und Färben von Edelmetallen, b) vom 8.—28. September 1912 einen solchen im einfachen Schriften- und Monogrammgravieren, abzuhayen.
Näheres im Gewerbeblatt Nr. 28.
Das Gewerbeblatt kann u. a. bei den Schultheißenämtern eingesehen werden, welche zu diesem Zwecke hiemit angewiesen werden, den Gewerbetreibenden auf Wunsch Einsicht in das ihnen mit dem Staatsanzeiger zugehende Gewerbeblatt zu gewähren.
Den 15. Juli 1912 .
Reg.-Rat Binder.
Die Strafgesetznovelle.
(Eine populäre Betrachtung von W. Z.)
I.
Als im Jahre 1909 die Gesamtreform des Strafrechts beschlossen wurde, sprachen die verschiedensten Seiten im Reichstag den Wunsch aus, es möchten durch ein sofort einzubringendes Notgesetz die schlimmsten Härten des geltenden Rechts ausgemerzt und dessen fühlbarste Lücken ausgefllllt werden, da die große Reform voraussichtlich erst in mehreren Jahren durchgefllhrt werden könne. Die Regierung kam diesem Wunsch nach und legte am 12. März 1909 den Entwurf eines solchen Gesetzes vor. Er erfuhr die übliche parlamentarische Behandlung in der Kommission und im Plenum. Da er jedoch u. a. auch Bestimmungen über die Einschränkung des Wahrheitsbeweises bei der Beleidigung, Tierquälerei (Vivisextion — Schächtfrage) und Erpressung enthielt, konnten sich die Parteien über ihn nicht einigen und er gedieh im alten Reichstag nur bis zur zweiten Lesung. Die Regierung war aus diesem Grunde entschlossen, ihn unter den Tisch fallen zu lassen. Der neue Reichstag war aber von der Dringlichkeit der Abhilfe so überzeugt, daß er kurzerhand den Ausweg der Ausscheidung der umstrittenen Punkte wählte und rasch hintereinander drei Lesungen vornahm. In der dritten (vom 9. Mai d. I.) nahm die erdrückende Mehrheit den abgekürzten Entwurf in der Fassung an, die ihm Kommissions- und Plenumsbeschlüsse der Jahre 1910— 1911 gegeben hatten. Die Zustimmung des Bundesrates ist inzwischen erfolgt und das Gesetz ist am 5. Juli in Kraft getreten. Die Novelle enthält einschneidende Neuerungen. Vor allem ist an ihr zu begrüßen, daß sie dem Richter Vertrauen entgegenbringt und seinem freien Ermessen größeren Spielraum gewährt. Manche der ungerechten Klagen über die angebliche Weltfremdheit unseres Mchtertums werden nun verstummen, da der Richter nicht mehr durch das starre Gesetz gezwungen ist, Sachen auszusprechen, die ihm selbst viel zu hart dünken. Ich denke hier vor allem an die in der Tagespresse immer wiederkehrenden Berichte, daß eine arme Frau, die ein paar Kohlen entwendet yabe, um ihren frierenden Kindern eine warme Stube zu verschaffen, wegen Diebstahls im Rückfall zur Mindeststrafe von 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden sei, und dergleichen Fälle, in denen häufig den Richtern die Schuld zugeschrieben wurde, obwohl sie nur ihre harte Pflicht getan hatten, den allgestrengen Willen des Gesetzes auszuführen.
1) Die für den Laien wichtigsten Aenderungen sind folgende: Entgegen den Bestimmungen des bisherigen Rechts wird beim Diebstahl § 242, der Unterschlagung § 246 und den Betrug tz 203 schon vom Gesetzgeber auf den Beweggrund und den Wert des Erstrebten Rücksicht genommen. Wer in Zukunft
aus Not geringwertige Gegenstände stiehlt, unterschlägt oder sich erschwindelt, wird nicht mit der Strafe des gemeinen Diebstahls usw. belegt. Der Arme, der z. B. ein geringwertiges Kleidungsstück entwendet, um sich vor Kälte zu schützen, kann nur mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft werden. Der Versuch dieser Delikte ist nur beim Betrug strafbar.
Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.
Calw, 16. Juli 1912.
K. Gauturnfahrt des Nagoldgaues. Das herrlichste Wetter war es, das die am Sonntag nach Mött- lingen ausgesührte Eauturnfahrt des Nagoldgaues sehr begünstigte und eine sehr große Turnerschar auf die Füße brachte. Ein mit der Turnfahrt verbundenes Kriegsspiel, das auf dem Marsch nach dem Festort zwischen dem oberen (rot) und dem unteren Gau (weiß) zum Austrag gebracht wurde, erhöhte noch allgemein die gute Stimmung im Kreise der Teilnehmer. Der weißen Abteilung in Stärke von 125 Teilnehmern war die Ausgabe zugefallen, Möttlingen gegen die rote Abteilung (130 Teilnehmer) zu verteidigen und das Eindringen der letzteren in den Ort zu verhindern. Mit „Ausbietung aller Kraft" ist sie ihrer Aufgabe auch gerecht geworden. Mann für Mann bemühte sich, durch Herbeischaffung von Holzstämmen, Steinen und Wagen aller Art zur Verbarrikkadierung der Ortseingänge beizutragen. Die rote Abteilung, der aus wohlweislichen Gründen verboten war, bei ihren Manövern Flurschaden zu machen, hatte keine andere Wahl, als auf den natürlichen Wegen dem Kampfplatz zuzustreben. In zwei Gruppen näherte sie sich Möttlingen, doch war es nicht möglich, diesem sonst so friedlich aussehenden Ort, der zu einer fast „uneinnehmbaren" Festung umgewandelt war, erfolgreich beizukommen. Selbst das „rote" Auto vermochte den Belagerten nicht den nötigen Respekt vor der Stärke des Feindes beizubringen, nachdem es vorher schon bei Vorpostengefechten sein „Leben" offiziell eingebüßt hatte. Doch über Kampfeslust, Mut und Tapferkeit siegte die gegenseitige Freude am Wiedersehen so manchen Freundes unter den Feinden. Die Tore der Festung wurden geöffnet und die nun wiedervereinigte Turnerschar zog in ansehnlichem Zuge einem neuen Kampfplatz zu, wo es hieß: Mann gegen Mann. Auch dieser Kampf hatte seinen friedlichen Verlauf genommen. Große Anforderungen wurden dort an den Einzelnen gestellt, da man mit Recht auf gute turnerische Leistungen hoffen durste. Trotz der Anstrengungen des frühen Morgens und trotz der heißen Sonnenstrahlen hatten sich die Kämpfer wacker gehalten und wirklich schöne Proben ihres Könnens gezeigt. Flott ging das Turnen von statten, nach dessen Beendigung den Teilnehmern die nötige Erholung wurde. Nachmittags um 3 Uhr bewegte sich der große Fest- zug, an dem auch viele Turner außerhalb Gaues teilnahmen, durch die schön geschmückten Straßen des Orts. Auf dem Festplatz angekommen, folgte nacheinander ein Gesangsvortrag des Liederkranzes, die Festrede des Vorstands des Möttlinger Turnvereins, die Freiübungen und die Turnspiele der Turner unter Leitung des Gauturnwarts Ri de rer. Ein fröhliches Treiben entwickelte sich auf dem überaus gut besuchten Festplay. Mit der um 6 Uhr durch den Gauvorstand, Verwaltungsaktuar Stauden- meyer-Calw vorgenommenen Preisverteilung war eine Ehrung des langjährigen Gauturnwarts und nunmehrigen Ehrengauturnwarts Pfrommer-Calw verbunden. In Turnerkreisen verehrt von alt und jung, ließ es sich der Gau nicht nehmen, ihm für seine großen Verdienste um die edle Turnsache eine Ehrenurkunde, sowie ein weiteres Andenken an seine ersprießliche Tätigkeit durch den Gauvorstand zu überreichen. Mit Worten der An
erkennung und des Dankes für das Gebotene beendete der Gauvorsitzende die wohlgelungene Veranstaltung, wobei er ganz besonders die guten Vorbereitungen für diesen Tag durch den Turnverein Möttlingen, sowie die freundliche Aufnahme der Gäste seitens der Einwohnerschaft hervorhob, und zum Schluß ein dreifaches „Gut Heil" auf die deutsche Turnsache und auf das deutsche Vaterland ausbrachte.
Preise kamen zur Verteilung an a) aktive Turner: Rothe, Martin, Calw, 1. Preis mit 117 Punkten; Pettenon, Eugen, Horb, 2. Preis mit 114 Punkten; Lörcher, Jakob, Alzenberg, 3. Preis mit 113(4 Punkten; Regelmann, Emil, Liebenzell, 4. Preis mit 111(4 Punkten; Fauser, Bernhard, Ealw,
5. Preis mit 111 Punkten; Morlock, Adolf, Nagold,
6. Preis mit 107 Punkten; Kohn, Eugen, Nagold,
7. Preis mit 106 Punkten; Schöttle, Karl, Ebhausen, einen 8. Preis mit 105 Punkten; Köhler, Paul, Altensteig, einen 8. Preis mit 105 Punkten; Hornung, Emil, Altensteig, 9. Preis mit 102(4 Punkten; Rentschler, Paul, Ottenbronn, 10. Preis mit 100(4 Punkten. Lobend erwähnt wurden: Böt- tinger, Karl, Calw, mit 97(4 Punkten; Englert, August, Rjohrdorf, mit 97 Punkten; Pfisterer, Georg, Ebhausen, mit 96(/> Punkten, Jooß, Ernst, Calw, mit 95 Punkten.
b) Zöglinge: Sitzler, Hermann, Rohrdors, 1. Preis mit 122 Punkten; Sprenger, Karl, Möttlin- gen, 2. Preis mit 121 Punkten; Ammann, Johann, Calw, 3. Preis mit 111(4 Punkten; Hamm, August, Horb, 4. Preis, mit 109 Punkten; Müller, Otto, Nagold, 5. Preis mit 108 Punkten; Bohnenberger, Wilhelm, Möttlingen, 6. Preis mit 107 Punkten; Dierlamm, Hermann, Calw, 7. Preis mit 104 Punkten; Steiner, Fritz, Altensteig, 8. Preis mit 101(4 Punkten; Brezing, Karl, Haiterbach, 9. Preis mit 101 Punkten; Glatz, Gotthilf, Ebhausen, 10. Preis mit 100 Punkten. Lobend erwähnt wurden: Krauß, Georg, Ebhausen, mit 99 Pukten; Frey, Jakob, Ebhausen, mit 98(4 Punkten, Widmaier, Gustav, Calw, mit 96 Punkten; Holzäpfel, Wilhelm, Simmozheim, mit 95 Punkten.
! Besuch. Letzten Sonntag abend zog der evang. Jungmänner- und Jünglingsverein Zuffenhausen, Ä>0 Personen stark, mit seiner Musik und einer Pfadfinderabteilung von Zavelstein her hier durch. Auf dem Marktplatz wurde eine Hymne und der Choral „Lobe den Herren" geblasen. Dann gings in strammem Marsch dem Bahnhof zu.
8t. Fahrpreisermäßigung für Jugendfahrten.
Wie bekannt wird, sind mit dem heutigen Tag für Fahrten im Interesse der Jugendpflege Fahrpreisermäßigungen nach folgenden Bestimmungen in Kraft getreten. Zu den von Vereinen, die einer staatlich geförderten, besonders bekannt gegebenen Organisation für Jugendpflege, insbesondere dem Bund „Jungdeutschland" angehören, im Interesse der Jugendpflege unter Leitung sachverständiger erwachsener Personen veranstalteten gemeinschaftlichen Ausflügen werden jugendliche Personen, die das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und die leitenden erwachsenen Personen in der 3. Klasse der Personenzüge zum halben Preis befördert. Die Ermäßigung wird jedem Verein höchstens zwölfmal im Kalenderjahr gewährt. Die Mindestteilnehmer- zahl muß 10 Personen betragen, auf je 10 jugendliche Personen darf höchstens 1 Aufsichtsperson entfallen. Die Mindestentfernung für eine Fahrtrichtung muß 10 Tarifkilomeier betragen, die Höchstent- fernung für eine Fahrtrichtung ist bei eintägigen Ausflügen auf 75 Tarifkilometer beschränkt. Die Ermäßigung wird für Eil- und Schnellzüge in der Regel nicht gewährt. Wird die Benutzung von Eilund Schnellzügen gestattet, so wird der halbe Fahrpreis, bei Schnellzügen außerdem für jeden Teil-