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1877.

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Sonirtagr-AttrgaberSchrvavzrvälder Ssnntagrblatt"

Sonntags-Anzeiger und Fannlien-Zeitung für die Bewohner des Schwarzwaldes.

«r 30.

AuSgabeort Altensteig-Ttadt.

Samstag, de« 5. Februar.

Amtsblatt sSr Pfalzgrafenrveiler.

isio:

Wochen-Rundschau.

Schisfahrtsabgaben und Neckarkanalisation.

In der Angelegenheit der Schiffahrtsabgaben und der Neckarkanalisation ist in der letzten Woche im Bundesrat Klarheit geschaffen worden. Es hat sich gezeigt, daß die verfassungsmäßige Mehrheit für die Erhebung mäßiger Schiffahrtsabgaben vor­handen ist und daß in die weitere Erörterung des Entwurfs eingetreten werden soll. In Baden setzte man zuletzt noch einige Hoffnung auf die schon ein- berufene Zusammenkunft badischer und württem- bergischer Abgeordneter. Sie hat am letzten Sams­tag in Stuttgart stattgefunden und war von 47 Abgeordneten besucht, 27 württ. und 20 badische, durchweg nationalliberale, demokratische und sozial­demokratische. Zentrum und Konservative hatten sich nicht beteiligt, da sie mit der Einführung von Schifs- fahrtsabgaben einverstanden sind. Auch zwei Mit­glieder der württ. Ersten Kammer, Geh. Hof­rat v. Jobst und Kommerzienrat Melchior, waren anwesend. Den Vorsitz führte Landtagsabgeordneter Oberbürgermeister v. Gauß. Die Erörterung dauerte drei Stunden und war sehr lebhaft. Praktisch ist aber nicht viel dabei herausgekommen. Die Ba­dener erkannten an, daß Württemberg den Neckar­kanal haben und daß Baden ibm dabei behilflich sein müsse. Sie meinten, das Angebot Badens sei einer sachlichen Prüfung wert, und sie hofften, daß die Württembergs che Regierung doch noch ihre Hal­tung ändern und mindestens im Bundesrate für eine Vertagung der Entscheidung eintreten werde. In diesem Sinne sollten die Württembergs chen Abge­ordneten auf die Regierung einwirken. Bon württ. Seite wurde ebenso wie von badischer die Notwen­digkeit einer freundschaftlichen Verständigung mit Baden betont, aber nur die Sozialdemokraten gin­gen soweit, von der württ. Regierung eine Aende- rung ihrer Haltung zu fordern. Von der Volks- Partei wurde, wenngleich sie die Haltung der Re­gierung als durch die Verhältnisse geboten aner­kannte, immerhin der Meinung Ausdruck gegeben, daß man Baden eine sachliche und eingehende Prü­fung seiner Vorschläge schuldig' sei und daß man eine Vertagung unterstützen könne. Von der Deut­schen Partei wurde dagegen gerade heraus der Standpunkt vertreten, daß an der Haltung Würt­tembergs nichts mehr zu ändern sei und daß der preußische Vorschlag Württemberg mehr biete, als Baden bieten wolle und könne. Im übrigen hätte Baden sein Entgegenkommen nicht erst jetzt, sondern viel früher zeigen müssen. Allseitig war man in­dessen einig darin, daß Baden und Württemberg künftig Zusammenwirken sollten und daß eine gegen­seitige Aussprache auch in anderen Fragen wertvoll sein könne. Schließlich faßte man eine Resolution, die besagt: Die Konferenz badischer und württ. Ab­geordneter stellt als übereinstimmende Meinung fest, daß eine Kanalisierung des Neckars eine notwendige, nicht aufschiebbare wirtschaftliche Maßregel und daß ein Zusammenwirken der Regierungen von Württemberg und Baden zu diesem Zwecke geboten ist. Diese farblose Entschließung kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Konferenz in der Angelegenheit der Schiffahrtsabgaben ohne Er­gebnis geblieben ist, oder richtiger ausgedrückt: nicht das von den Badenern ernvartete Ergebnis gehabt

hat. Wenn aber Württemberg die Schiffahrtsab­gaben annimmt, so schließt das keineswegs aus, daß es nicht noch in manchen Dingen mit Baden Hand in Hand gehen kann. Dazu wird noch Ge­legenheit genug sein.

Württ. Bodenreformer.

Am Sonntag hat in Stuttgart die Landesver­sammlung der württembergischen Bodenreformer stattgesunden. Der Landesverband erfreut sich einer stetigen Zunahme, da die bodenreformerischen Ideen Fortschritte machen. Verhandelt wurde hauptsäch­lich über die Frage der Wertznwachsstener. Zu­letzt sprach Schultheiß Feeser-Trnchtelfingen über Bodenreform und Gemeindepolitik in Württemberg. Er trat für den obligatorischen Charakter der Wert­zuwachssteuer ein.

Aus dem Reichstage.

Der Reichstag hat in dieser Woche den Militär­etat ausgiebig beraten. Es ist ein Jahr wie das andere, nur daß mitunter neueFälle" vorliegen. So gab es diesmal eingehende Erörterungen über das Eingreifen des Militärs beim Streik im Mans- felder Bergrevrer. Auch die Bonner Borussenaffäre, die Mißhandlung des Einjährigen-Unteroffiziers Veith durch Einjährige von dem feudalen Korps, dem der Kaiser als alter Herr angehört, das sich aber in der letzten Zeit dieser hohen Ehre nicht entsprechend anfgeführt hat. .Im klebrigen wurde wieder über die Mängel der Militärgerichtsbarkeit, über Soldatenmißhandlungen, über Paradedrill und kostspielige Schaustellungen, über den Mangel an Sparsamkeit, über die Wirksamkeit des Militärkabi­netts und dessen unkonstitutionelle Stellung, über die Bevorzugung des Adels und über die adligen Regimenter geklagt, und noch über verschiedenes andere. Der neue Kriegsminister v. Heeringen gab sich alle Mühe in seiner geraden herzhaften Art den Ausstellungen zu begegnen. Er stellte namentlich in Abrede, daß eine Bevorzugung des Adels statt­finde und erklärte die Tatsache, daß eben viele Re­gimenter ausschließlich oder fast ausschließlich adlige Offiziere haben, damit, daß die Offizierskorps ge­wissermaßen eine Familie bilden und daß die Vä­ter ihre Söhne mit Vorliebe bei dem Regiment eintreten lassen, dem sie selbst angehört haben. Stichhaltig ist das freilich nicht. Zuletzt gab jes dann am Samstag noch einen Riejenskandal, wie man ihn im deutschen Reichstage gottlob selten erlebt hat. Den Anlaß bot der konservative Abgeordnete v. Oldenburg-Januschau, ein Drauf­gänger erster Sorte. Er ist ein alter Garde-du- Corps-Offizier und betätigt sich als konservativ­agrarischer Politiker in einer Draufgängermanier, wobei er es liebt, die Linke, namentlich die Sozial­demokratie herauszufordern und die Konservativen als die treuen Schützer des bedrohten Thrones hin­zustellen. Am Samstag hielt er eine Pauke gegen die Bemängelungen der Armee, von der er nur'be­klagte, daß so manche altpreußische Einrichtung fal­len gelassen wurde. Er erinnerte in seiner derb­witzigen, diesmal aber grob taktlosen und kränken­den Weise diedeutschen Bnndesbrüder" aus Süd­deutschland unter Hinweis auf das Jahr 1866 und die Reichsarmee, die bei Roßbach vor den Soldaten des Alten Fritzen davonlief, daran, was Süd- dentschland von Preußen gelernt habe. Aber es

kam noch besser. Er pries die königlich preußische Junkertreue und die altpreußische Disziplin und ries dann aus: Der König von Preußen muß jeden Augenblick imstande sein, zu einem Leutnant zu sagen: Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichstag! Da brach ein furchtbarer Lärm im Hause los, allerhand Ruse schwirrten hin und her. Die Sache wurde noch schlimmer, als der Vize­präsident Erbprinz zu Hohenlohe auf Zuruse aus dem Hause erklärte, er habe die Aeußerung lediglich so aufgefaßt, daß damit ein Beispiel gegeben wer­den sollte, wie weit die preußische Militärdisziplin gehen müsse. Auch Abg. v. Oldenburg versuchte, was eigentlich nicht eben mutig war, eine derartige Auslegung, im übrigen aber erklärte er, es sei ihm Wurscht", was die Linke von ihm halte. Bon Seiten der Freisinnigen, der Sozialdemokraten und der Nationalliberalen wurde gegen die Aeußerung Oldenburgs als eine Beleidigung des Reichstags und eine Beleidigung des Kaisers Einspruch erhoben, und selbst das Zentrum sah sich veranlaßt, seine Mißbilligung auszusprechen. Außerdem aber wurde gegen das Verhakten des Präsidenten Prinz Hohen­lohe Protest erhoben. Es ging dabei wieder stür­misch her. RuseRunter vom Präsidentensitz I" wur­den von der Sozialdemokratie laut, Prinz Hohenlohe wehrte sich mit Ordnungsrufen. Auch der Abg. Lede- bour wurde davon ereilt, und erhob deswegen beim Haufe Protest, sodaß die Angelegenheit geschäfts­ordnungsmäßig auf eine der nächsten Tagesord­nungen gesetzt werden mußte. Kurzum : ein heilloser Fall. Das Verhalten des Prinzen Hohenlohe wurde vielfach kritisiert, aber auch auf- der Linken zeigte man sich doch geneigt, ihm mildernde Umstände zu­zubilligen und eine Präsidentenkrisis zu vermeiden. So ist denn auch am Dienstag der Protest Ledebours gegen den Ordnungsruf vom Reichstage ohne De­batte einfach äbgelehnt worden. Anders aber liegt es bei dem Abg. v. Oldenburg. Es ist gar kein Zweifel, daß er sich einer schweren Beleidigung des Reichstags schuldig gemacht hat, und das Schlimme ist, daß seine Aeußerung nicht etwa nur ein ver­unglückter Witz ist, sondern eben aus Anschauun­gen herausgewachsen ist, die man in den Kreisen der preuß. Konservativen hat. Dafür ist auch der Beifall, der von dieser Seite dem Drauf­gänger Oldenburg gespendet wurde, sehr bezeich­nend. Man spielt in gewissen Kreisen gern mit dem Gedanken, daß man den Reichstag auseinanderja­gen könne. Und da muß man sagen, es hieße den Kaiser beleidigen, wollte man annehmen, daß er jemals etwas derartiges denken könne. Denn der Reichstag ruht auf der Verfassung, ge­nau so, wie das Kaisertum; beide sind, wie ein verstorbener Politiker gesagt hat, an einem Tage geboren. Außerdem aber hat der König von Preußen dem Reichstage gegenüber keinerlei Macht­befugnis. Der Reichstag kann vom Kaiser, dem Bundespräsidinm, aufgelöst werden, aber woblge- merkt: nur auf Grund eines Beschlusses der ver­bündeten Regierungen. Aus dieser einfachen Tat­sache ergibt sich die Qualität der Oldenburgschen Aeußerung von selbst. Sie wird weithin böses Blut machen, und den Konservativen so leicht nicht ver­gessen werden. . Nach dem Militäretat jst der

Reichstag an koloniale Angelegenheiten gegangen und auch dabei hat es eine bemerkenswerte Epi­sode gegeben. Die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika hatte, da ihren Wünschen nicht ge-