, Stuttgart, 4. Dez. Als Mahnung zur Vorsicht veröffentlicht die Generaldirekrivn der Staatseifenbahnen die in der Zeit vom 1. April bis 30. September 1909 beim Betrieb der württem- bergischen Staatseisenbahnen vorgelommenen Un­fälle. Es sind folgende: 1) Am 5. April wurde einem Lokomotivheizer, der auf eine in Bewegung befindliche Lokomotive aufzusteigen versuchte, ein Fuß abgefahren. 2) Am 8. April wurde ein Postbe­amter, der unmittelbar vor einem einführenden Zug das Gleis überschreiten wollte, überfahren und ge­tötet. 3: Am 1. Juni wurde ein Hilfswärter von der Lokomotive eines Zugs, dessen Ausfahrt er nicht beachtet hatte, erfaß: und bei Seite geschleudert, er erlitt einen Schädelbruch. 4) Am 17. Juni wurde ein Postbeamter, der mit einem Handwagen unmittelbar vor dem einfahrenden Zug das Gleis überschreiten wollte, überfahren und getötet. 5) Am 2. Juli wurde einein Wagenwärter beim Ueber- schreiten des Gleises von einer Rangierabteilung, deren Annäherung er nicht bemerkte, ein Fuß ab­gefahren. 6> Am 8. Juli wurde ein Wagenwärter, der zwischen dem Schlußwagen, an dem er die Schlußlaterne angebracht hatte und einem nur ein­halb Meter davon abstehenden Wagen aufrecht aus dem Gleis trat, beim Ansetzen der Zuglokomotive zwischen die Puffer eingeklemmt, er erlitt einen mehrfachen Rippenbruch. 7' Am 30. August stieß ein Hilfsbremser, der während der Fahrt zu weit aus dem Bremshaus heraussah, seinen Kopf an einen Signalmast, er wurde getötet. 8) Am 7. Sep­tember wurde ein Güterbodenarbeiter beim Ueber- fchreiten der Gleise von einem einfahrenden Zug zur Seite geschleudert, er starb sofort an einem Schädelbruch. 9) Am 10. September wurde ein Sta­tionsarbeiter, der beim Absteigen von einer Rangier­abteilung in das Nebengleis getreten war, von einer Rangierlokomotive überfahren und getötet. 10) Am 19. September kam ein Vorarbeiter beim Ueberschreiten der Gleise dem Einfahrgleis eines Zugs zu nahe, er wurde von der Lokomotive zur Seite geschleudert und starb bald an den Folgen eines Schädelbruchs. 11) Am 24. September wurde ein Bahnwärter, der außer Dienst nach seinem Bahn­wärterhaus ging, von einem Zug, der ihn über­holte, zur Seite geschleudert und getötet.

st Stuttgart, 4. Dez. Der Verein der akade­mischen Finanzbeamten hält seine Generalversamm­lung am Sonntag den 12. Dezember vormittags einhalb 11 Uhr im Rathaus-Keller in Stuttgart ab.

ff Stuttgart, 5. Dez. Die Frage der Neckar­kanalisierungist auch in einer preußischen Denk­schrift über die Schiffahrtsabgaben erwähnt. Unter anderem wird darauf hingewiesen, daß die Er­trägnisse der Rheinschiffahrtsabgaben teilweise auch für die Verzinsung und Amortisierung des Anlage­kapitals für die Neckarkanalisierung von Mann­heim nach Heilbronn, sowie zur Deckung der Unter­haltungskosten verwendet werden sollen. Der Plan der Neckarkanalisierung soll, wie Bis Frankfurter Zeitung meldet, noch in diesem Jahre fertig werden.

st Eßlingen, 4. Dez. Heute hat, laut Schwä­bischer Merkur, auf Veranlassung des Altertums-, Fremdenverkehrs- und Eerschönerungsvereins eine Kommission, bestehend aus Baudirektor Schmohl- Stuttgart und den Ausschüssen für Heimatschutz, da­runter Professor von Lauge-Tübingen, die Burg und das Gelände um diese besichtigt, um sich zu der geplanten Straße über den Burghügel und

dessen Bebauung zu äußern. Die Herren waren ein­stimmig der Ansicht, daß die Führung einer Straße und die Bebauung ein Vandalismus erster Güte wäre.

st Tamm, OA. Ludwigsburg, 4. Dez. Vorge­stern fand hier ein größeres Treibjagsn statt, dessen Ergebnis 1 l 1 Hasen waren. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht durch den Ort, daß sich unter der Jagdgesellschaft auch der frühere Jagdinhaber, Se. Exzellenz Gras Zeppelin, befinde. In dank­barer Erinnerung an seine /rste Fahrt, bei der er auch unseren Ort berührt und aus der Höhe seine Grüße entboten hatte, konnte es sich die Einwoh­nerschaft nicht versagen, ihn gebührend zu ehren. Zurzeit der Mittagstafel in der Bahnhofwirtschaft brachte ihm die Schuljugend unter Führung der Lehrer mit dem LiedeDeutschland, Deutschland über alles" usw. seine Huldigung dar. Aus eine Ansprache von seiten des Schultheißen Mammele, die mit einem Hoch aus den berühmten Gast aus­klang, dankte Gras Zeppelin mit bewegten Worten. Nach einem Schlußgesang:Preisend mit viel schö­nen Reden" gingen die Schüler mit der Freude im Herzen, den berühmten Mann aus der Nähe gesehen und gehört zu haben, nach Hause.

! j Heilbrorm, 4. Dez. (H u m o r i ft i s ch es aus deni G e r i ch t s > a a l.) In einer am 27. Novbr. im L-chwurgerichtsjaal in Heilbronn gehaltenen Ver­teidigerrede kam, wie das Neckar-Echo meldet, wört­lich folgende Stelle vor:Es ist eine Tatsache, daß der Verstorbene vier Tage lang dagelegen ist ohne ärztliche Mißhandlung wollte sagen Be­handlung." Die Geschworenen schmunzelten, die Zu­hörer lachten und die Juristen guckten schadenfroh zu den drei Medizinern hinüber, die nach einigen Augenblicken der Betroffenheit vorzogen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

st Scheckingen, OA. Aalen, 4. Dez. Der pen­sionierte Schultheiß Krieger entfernte sich, laut Remszeitung, km letzten Mittwoch nachmittag von Hause, offenbar in einem Anfall geistiger Gestört­heit und ist seitdem spurlos verschwunden. Am Abend wurde er noch im Felde gesehen, siel aber niemand aus, da man glaubte, er mache seinen ge­wohnten abendlichen Spaziergang. Als er.zur ge­wohnten Zeit nicht nach Hause kam, waren die Sei- nigen um ihn sehr besorgt und begaben sich sofort aus die Suche, leider ohne Erfolg. Auch gestern wurde die ganze Umgegend ergebnislos abgesucht. Heute wurde die ganze Mannschaft der Feuerwehr ausgeboten, sie konnten aber auch keine Spur von dem Verunglückten entdecken. Es liegt ein tiefes Dunkel in dieser Sache, in welcher Art und Weise diesem Mann ein Unglück zugestoßen sein mag. Er war hier und in der ganzen Umgegend belieb: und geachtet.

st Dettingen, OA. Urach, 5. Dezember. Beim Fällen einer Buche wurde Maurermeister Joh. Schall im Beisein seiner beiden Söhne von einem zurückschlagenden Hebel derart an den Kops ge­troffen, daß er bewußtlos zusammenbrach und nach Hause gebracht seinen Verletzungen erlag.

st Backnang, 5. Dez. Vorgestern abend kurz vor sieben Uhr ist zwischen Oppenweiler und Back­nang aus der Brücke in der Nähe der Adolsstchen Fabrik ein Gükerzug in eine aus dem Pferch aus gebrochene Schafherde, die sich aus die Bahnstrecke verirrt hatte, hineingesahren. Etwa 50

Tiere wurden getötet. Der Betrieb der Bahn ist nicht gestört worden.

st Friedrichshafen, 5. Dez. Der furchtbare Sturm, der in den letzten Tagen und Nächten wütete, hat dem Felchenfang ein rasches Ende bereitet. Der Fang war im allgemeinen gut, doch ließ der Gangsischgang viel zu wünschen übrig. Morgen ist die Laichzeit beendigt und dann müssen die Netze, die seit dem 25. November ausgespannt sind, mit samt den Stangen wieder entfernt wer­den. Der Sturm hat die Netze sehr verdorben und teilweise förmlich zu Seilen zusammengedreht, wo­durch auch das Aussehen der Fische gelitten hat.

* Berlin, 4. Dez. Dem Reichstag ist ein An­trag Bassermann und Genossen zugegangen aus Vor­legung eines Gesetzentwurfs über die Einführung einer Pensions- und Hinterbliebenenver­sicherung der Privatbeamten, sowie ein An­trag Preiß und Genossen, aus Vorlegung eines Ge­setzentwurfs, nach welchem Elsaß-Lothringen zu einem selbständigen Bundesstaat erhoben werden soll.

st Berlin, 3. Dez. Rudolf v. Koch wird sich am Ende dieses Jahres nach nahezu 40jähriger Tä­tigkeit im Dienst der Deutschen Bank als Ehren­vorstand zurückziehen.

Zum Kieler Werstprozetz.

* Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil im Kieler Werstprozeß Revision einge­legt.

Der Etrrrm.

Der letzte Sturm, der die westeuropäischen Länder hart mitnahm, hat auch an den deutschen Küsten viel Unheil an­gerichtet. Bei Helgoland wurden mehrere Fischerboote zer­stört, auch in der Elbmündung warenjviele Schiffe in Seenot. Bei Hook an der holländischen Küste scheiterten drei englische Dampfer. Auf der Zuidersee kenterte ein Segler. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger hat wieder mehrfach Gelegenheit nehmen müssen, ihre segensreiche Ein­richtung zu bewähren. Die Nordseestationen Helgoland und Wangeroog retteten die Besatzungen von fünf in Seenot ge­ratenen Schiffen. An der Küste von Morbihan (Frankreich) wurden die beiden Leuchttürme von Groix zerstört. Der Nachrichtenverkehr zwischen Deutschland und den westlichen Ländern wird erst allmählich wieder in vollem Umfang aus­genommen werden können.

Ausländisches.

* Paris, 4. Dez. Wie derMatin" aus Toulon berichtet, hat das französische Kriegsministerium an­geordnet, daß der DampferJena" mit Dynamit in die Lust gesprengt und die Bruchstücks verkauft werden sollen.

st Petersburg, 5. Dez. Herzog Georg zu Mecklenburg-Strelitz ist hier in der vorigen Nacht gestorben.

st Madrid, 5. Dezbr. Nach einer Blättermel­dung soll die Rückkehr von 4000 Reservisten aus Melilla nach der Heimat beschlossen wor­den sein. Das Blatt Epoca meldet, daß die Re­gierung der Minengesellschast des Rifs die Bitte um Wiederaufnahme des Bergwerksbetriebs abge­schlagen habe und ihr nur gestattete, den Bau der

Seeroman von H. Hil l.

Nachdruck verboten

Er deutete auf eine, mit einem Vorhang bedeckte Tür, die dem Zimmer, in das ich eingetreten war, gegenüber lag, und in meiner Hast, zu einer schnellen Lösung der Angelegenheit zu kommen, ging ich schnell darauf zu. Ich hatte die Empfindung, die Tür würde in ein inneres Gemach führen, und dort würde ich vielleicht die Teilnehmer des Komplotts finden, in das ich neuerdings verwickelt worden war. Gerade, als ich öffnete, sah ich an einer von mir vier Fuß ent­fernten Wand, daß ich mich geirrt hatte. Ter Ort, an dem ich mich befand, war ein enger Durchgang, mit einer Tür zur '-..echten und Linken. Bevor ich etwas Weiteres bemerken konnte, tauchten aus jeder Seite eine Anzahl Gestalten auf, ich wurde heftig von starken Armen gepackt, ein dickes Tuch wurde an meine Nasenlöcher gedrückt, und ich fühlte, wie ich an Körper und Seele machtlos wurde.

Doch während meine Sinne mich verließen, waren die letzten deutlichen Gegenstände, die sich meinen Augen darboten, die Züge von Vizard und Zavertal, die triumphierend unter der Schar olivenfarbener, unbekannter Gesichter auftauchten, die mich von allen Seiten bedrängten. Ich sträubte mich nach Kräften, doch die Glieder wollten meinem Willen nicht ge­horchen, die Ohren fausten mir, Dunkelheit und Stille umfing mich, und schließlich wußte ich nicht mehr, wie mir geschah.

13. Kapitel.

Das Kloster Santa Lucia.

Ms ich wieder zum Bewußtsein erwachte, lag ich auf dem Rücken auf einem schmutzigen steinernen Bett in einer Zelle, die etwa zwölf Fuß Länge auf sechs Fuß Breite hatte, und meine zurückkehrenden Sinne nahmen langsam ihre Tätigkeit

wieder auf, indem sie die Stäbe an einem eisernen Gitter­fenster zählten, das sich in der entgegengesetzten Wand befand. Wie lange ich da gelegen haben mochte, davon hatte ich keine Ahnung. Ein matter Sonnenschein, der durch die staubigen. Scheiben des Fensters flackerte, verriet mir, daß es Tag sein mußte,- das war aber auch alles. Als die Er­innerung stärker wurde, und ich wieder in Vollbesitz meiner Geisteskräfte gelangt war, bewegte ich die Glieder, um zu sehen, ob ich gebunden war, und freute mich gewissermaßen, als ich fand, daß ich in dem engen Raum meines Gefängnisses wenigstens frei war.

Aber damit war meine Freude auch zu Ende. Als ich an die Szene auf dem Konsulat dachte und an die Art, wie man mich gefangen genommen hatte, knirschte ich in ohn­mächtiger Wut mit den Zähnen, als ich erkannte, wie leicht Zavertal und Vizard, über deren Zusammenwirken ich mich nicht mehr dem geringsten Zweifel hingab, mich in die Falle gelockt hatten. Welche Absicht sie auch verfolgten, sie hatten augenscheinlich gesehen, daß ich ihnen feindlich gesinnt war und Verdacht aus sie hatte, und darum hatten sie mich durch List von dem Kommando fortgelockt. Das Merkwürdige dabei war, daß der Konsul sich unbewußt zum Komplizen ihrer Schurkerei gemacht. ' Um diese Zeit hatte dieKönigin der Nacht" wahrscheinlich schon ihre Reise unter dem Befehle eines anderen Kapitäns fortgesetzt, und die Wut packte mich bei dem Gedanken, daß Aline, ohne zu wissen, was mir zuge­stoßen war, sich an Bord befand, während die beiden gewissen­losen Schurken jetzt freie Hand hatten, den teuflischen Plan auszuführen, mit dem sie schon seit langer Zeit umgingen.

Diese Betrachtungen erhöhten noch den Aerger, den ich über die mir zu Teil gewordene Behandlung empfand, doch nach einer Weile fragte ich mich, welchen annehmbaren Vor­wand meine Feinde dem Konsul geliefert haben mußten, daß er ihre Handlungsweise gewissermaßen sanktionierte. Natürlich hegte ich nicht den geringsten Zweifel, daß er selbst düpiert worden war, aber man mußte ihm doch ein ganz außer­gewöhnliches Märchen erzählt haben, daß er innerhalb der vier Wände des Konsulats gegen einen britischen Untertan

Gewalt anwenden ließ. Welches Verbrechens hatte man mich beschuldigt? Aber wie verrucht dieses Verbrechen auch sein mochte, nichts rechtfertigte die außergewöhnliche Methode der Verhaftung. Ich hatte ja vorher leine Erfahrungen mit der italienischen Justiz gemacht, konnte mir aber unmöglich denken daß es bei ihr Gebrauch war, die Angeklagten zu chloro­formieren, um siezur Ruhe zu bringen".

Als ich soweit in meinen Betrachtungen gekommen war, veranlaßte mich der Selbsterhaltungstrieb, mich zu überführen, ob ich mich denn wirklich in einem Gefängnis befand oder nicht. Der Aufenthaltsort allerdings ließ keine andere Ver­mutung zu. Die Wände und die Dielen waren von Stein, die Tür massiv und mit Nägeln beschlagen und das Fenster so hoch angelegt, daß seine Schutzwand von eisernen Gitter­stäben nur den Zweck hab^i konnte, eine Flucht zu ver­hindern; zufällig hatte man sie gewiß nicht angebracht. Da mir kein Mittel, die Stäbe zu durchfeilen, zu Gebote stand, so war eine Flucht auf diesem Wege ausgeschlossen; dann aber fiel mir ein, daß ich, wenn ich das Bett hochklappte und hinaussprang, gerade das Fenstersims erreichen konnte: an dieses mußte ich mich dann anklammern, um mir einen Ueber- blick über die Umgebung zu verschaffen.

Bei dem zweiten Versuch, den ich machte, gelang mir das.

Meine Finger klammerten sich an das steinerne Sims, und indem ich alle Kräfte anspannte, war es mir möglich, den Kopf soweit hoch zu bekomnien, daß ich etwas sehen konnte. Ich sah nur einen alten, ungepflegten, von hohen Steinmauern umgebenen Garten, doch mein Blick siel auf nichts Menschen­ähnliches, als hier und da auf eine Statue, die weißlich aus dem Dickicht hervorschimmerte. Die Alleen und Wege, wie auch die Terrassen, waren mit Moos bewachsen, und wie gesagt, vollständig ungepflegt. Jenseits der ziemlich fernen Grenzmauer hob sich der Erdboden etwas, und ich erkannte, daß sich dahinter weites- Land erstreckte, dessen Eintönigkeit nur hier und da ganz spärlich in weiten Zwischen­räumen von Häusern unterbrochen wurde.

(Fonsttzmig folgt.)