70 Jahre alt geworden. Sein Ableben erregt uw gewöhnliche Teilnahme, denn er war eine unge­mein sympathische Persönlichkeit, ein edler Men­schenfreund. Lange Jahre hat er eine umfassende Wirksamkeit als Augenarzt ansgeübt und zahllosen Kranken, namentlich unbemittelten, hat er Rat und Hilfe gegeben. Ursprünglich war er Soldat; er machte die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mit, den letzten als Generalmajor. Dann studierte er Medizin, und er hat darin namentlich auf seinem Spezialgebiet Leistungen vollbracht, die ihm die Anerkennung der wissenschaftlichen Welt gebracht haben würden, auch wenn er nicht ein Fürst gewesen wäre. In erster Ehe war er mit einer Tochter des Königs Johann von Sachsen vermählt, die er aber nach kaum zweijähriger Ehe verlor. Die ein­zige Tochter aus dieser Verbindung, Herzogin Amalie, ist die Gemahlin des Herzogs Wilhelm von Urach. Nach siebenjähriger Witwerschaft ging er eine neue Ehe ein, mit einer portugiesischen Prin­zessin, die ihm bis an sein Ende eine treue und ver­ständnisvolle Gefährtin auch bei seiner ärztlichen Tätigkeit gewesen ist. Aus dieser Ehe sind fünf Kinder, drei Töchter und zwei Söhne, hervorgegan­gen. Eine Tochter ist mit dem belgischen Thron­folger, Prinzen Albert, eine andere mit dem Prin­zen Rupprecht von Bayern, dem künftigen Thron­erben vermählt. In seiner politischen Gesinnung war Herzog Karl Theodor treudeutsch; er hat in diesem Sinne in kritischen Tagen auf König Lud­wig, der ihm sehr zugetan war, einen erheblichen Einfluß ausgeübt. Sodann mag noch daran erinnere werden, daß die unglückliche Kaiserin Elisabeth von Oesterreich, die in Genua dem Dolch eines Anar­chisten zum Opfer fiel, eine Schwester des Herzogs Karl Theodor war.

Aus Paris.

In Paris ist am letzten Samstag, am Tage der Ankunft des Königs von Portugal zu offiziellem Besuche, auf einen General ein Mordanschlag ver­übt worden. Der General wurde von einem al­gerischen Eingeborenen, der ihn mit dem Kriegs­minister General Brun verwechselte, durch zwei Re- volverschüsse schwer verletzt. Das Motiv dm Tat ist Rache; der Algerier fühlte sich durch Ungerech­tigkeiten der französischen Offiziere in Algier ge­kränkt. Einen Augenblick glaubte man in Paris, daß es sich um einen Anschlag gegen den König von Portugal gehandelt habe, aber das war ein Irrtum. Der junge König ist in Paris ungemein liebenswürdig ausgenommen worden, und man hat auch in gegenseitigen Trinksprüchen allerhand Freundschaftsworte getauscht. Die Damenwelt ist von dem netten jungen Mann ganz besonders ent­zückt und es wird, wie das so geht, dafür gesorgt worden sein, daß der junge Monarch in dieser Be­ziehung die angenehmsten Eindrücke mit heimnimmt. Unliebenswürdig waren nur die Maschinenarbeiter der großen Oper. Sie machten während der Gala­vorstellung einen Streik, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen, und da man sich scheute, die Vor­stellung abzubrechen, erhielten sie ihren Willen.

Landesnachrichlen.

st Rottweil, 3. Dez. In einem unbewachten Augenblick fiel gestern abend das 2jährige Töchter- chen des Monteurs M. Rudy drei Stock zum Fenster hinaus und erlitt einen schweren Schädelbruch mit Gehirnerschütterung. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.

st Tübingen, 3. Dez. Etwa 4 0 Wirte von hier und der Umgebung, die in ihren Lokalen so­genannte Geschicklichkeitsautomaten aufge­stellt hatten, wurden gestern vor dem hiesigen Schöffengericht in ca. fünfstündiger Verhandlung zu je drei Mark Geldstrafe verurteilt. Es wurde ihnen aber nahegelegt, ein Gnadengesuch ein­zureichen. Als Sachverständiger fungierte Univer­sitätsmechaniker Albrecht von hier.

' Stuttgart, 3. Dez. Der Verband Württem­bergs cher Staatsbeamtenvereine hat zu der Frage der Revision der Beamtengehälter eine Eingabe an das k. Staatsministerium zu richten beschlossen, in der darauf hingewiesen wird, daß die Gehälter der Württembergschen Staatsdiener hinter den Bezügen der Beamten im Reich und in andern Bundesstaaten zum Teil erheblich zurückgeblieben sind und worin ferner bedauert wird, daß die Re­gierung die Durchführung einer Gehalts- r form nicht für einen bestimmten Zeitpunkt zu- aesagt hat, nachdem sie in Verbindung mit dem letzten Hauptfinanzetat unterblieben ist. Die Denk­schrift spricht das Vertrauen zur Regierung aus, daß sie die unverkennbare Notlage, in der sich auch ^die württembergischen Beamten nicht zuletzt unter der Wirkung der Folgen der Reichsfinanz-

Schwarz Wälder «onntagsvlatt.

re form befinden, ein Ende bereitet. Entweder solle schon 1010 die Aufbesserungvorlage kommen oder solle sie rückwirkend gemacht werden. Die durch die Teuerung der Lebensmittel geschaffene miß­liche Lage der Beamten nötige zu der Bitte an die k. Staatsregierung, die beabsichtigte Einkommens­verbesserung schon vom 1. April 1910 ab, sei es durch Einbringung eines Nachtragsetats für dieses Jahr, sei es durch Rückwirkung der zu erwartenden Vorlage zu gewähren. In einer Kommission der genannten Vereine wurde auch auf die Notwendig­keit von Beamtenausschüssen hingewiesen und ein kürzlich von der Finanzkommission angenommener Antrag bezüglich der geheimen Zeugnisse als un­zureichend und unbefriedigend bezeichnet und der Wegfall der regelmäßigen jährlichen Qualifikations­berichte, soweit sie noch in einzelnen Departements bestehen^ gefordert.

fs Kochendorf, OA. Neckarsulm, 3. Dez. Gestern abend passierte hier ein schwerer Unglücksfall. Dem 37jährigen verheirateten Heinrich Bachmaier, Bau­ern, der seinem Onkel beim Maschinendrehen be­hilflich war, fiel hierbei das Seilrädchen auf den Kopf, indem sich das Seil irr die Dreschtrommel verwickelt hatte und abgerissen wurde, so daß er bewußtlos vom Platze getragen wurde. Er wurde ins Krankenhaus Heilbronn übergeführt, wo er vor der Operation seinen Verletzungen erlegen ist, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben.

st Aalen, 3. Dez. An den Folgen einer Ver­brühung ist gestern das zweijährige Kind des Lohmüllers Eugen Hanold hier gestorben. Das Kind siel vorgestern auf einen Hafen mit heißem Wasser, sodaß dir ganze rechte Seite v-rbrüht wurde. Eine Schuld dürfte die Mutter des Kindes, die zugegen war, nicht treffen.

^ München, 3. Dez. Heute vormittag 11 Uhr wurde im Marmorsaal des Schlosses Tegernsee an der Bahre des Herzogs Karl Theodor eine stille Messe gelesen. Alsdann wurde der Sarg durch herzogliche Jäger in die Gruft getragen, wo er nach dein abermaligen Segen des Geistlichen bei­gesetzt wurden

st München, 3. Dez. Das Ab g ordne ten - haus nahm mit 110 gegen 30 Stimmen das Rrn- lagegefeü nach mehrwöchiger Beratung an.

st Hannoverisch Münde», 3. Dez. Infolge er­heblicher Re genfälle im Fulda- und Werrage­biet innerhalb der letzten 24 Stunden ist dic be­reits feit Tagen hochgehende Weser abermals stark im Steigen. Die Oberweser-Schifscchrt ruht des­halb zum Teil.

st Berlin, 3. Dez. Der Bundesrat stimmte am 2. Dezember dem Gesetzentwurf betreffend Abän­derung des Berggesetzes für Elsaß-Loth­ringen zu.

st Berlin, 3. Dez. Heute nachmittag wurde auf den Oberpostassistenten Ebel in dem Postamt in der Schwedenstraße von zwei jungen Leuten 1 Schuß abgegeben, offenbar um die Postkasse zu berauben. Der Beamte, der zufällig allein anwe­send war, wurde nur leicht verletzt und konnte schnell den Schalter schließen und um Hilfe tele­phonieren. Hierauf entflohen die Täter und ver­schwanden in der Dunkelheit.

js Berlin, 3. Dez. Sämtliche Telegra­phen Leitungen zwischen Deutschland und England sind in England gestört. Auch über ausländische Leitungen sind keine Telegramme nach England zu befördern. Die Depeschen nach Frank­reich, Belgien, Holland usw. erleiden noch weiters Verzögerungen. Auf dem Haupttelegraphenamt lie­gen noch viele Telegramme, die nicht befördert sind. (Nach der letzten Meldung ist die telegr. Verbindung mit England teilweise wieder hergestellt.)

st Kiel, 3. Dezbr. Im Werstprozsß wurden sämtliche Schuldsragen von den Geschworenen ver­neint und die Angeklagten freigesprochen. (!)

st Helgoland, 3. Dez. Das Rettungsboot der Station übernahm heute die Mannschaft eines in Seenot befindlichen Fischerkutters, wurde aber bei der Rückfahrt durch den heftigen Sturm auf die Seehundsklippen zugetriebeu. Der Hafendampfer rettete das Boot vor dem Zerschellen und brachte die Mannschaft, sowie bis Besatzung dreier weiterer Fischerkutter tu Sicherheit.

Ein Familiendrama.

* Der in der Weinstraße 30 in Berlin woh­nende Barbier Otto Pobofa erschoß heute morgen seine Frau und verletzte seine drei Kinder und sich selbst schwer durch Revolverschüsse. Der 35jährige Otto Pobosa hat die Tat aus Nahrungs­sorgen begangen. Von den Kindern, einem Knaben zwei Mädchen, ist das ältere im Alter von drei Jahren seinen Verletzungen erlegen. Die beiden an­deren Kinder und Pobosa selbst liegen hoffnungs­los darnieder.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 3. Dez.

Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Wahl des 2. Vizepräsidenten. Diese erfolgt durch Namensaufruf. Bei der Wahl werden 322 Stimm­zettel abgegeben, darunter 98 weiß. Auf den Erb­prinzen v.Hohenlohe-Langenburg lauten 178 zettl, auf den Abg. Singer (Soz.) 42. 4 Stimmen sind zersplittert.. Der Erbprinz zu Hohenlohe-Lan- genburg ist somit gewählt. Er nimmt die Wahl dankend an. Es folgt die Wahl der Schrift-- sührer. Damit ist das Präsidium konstituiert. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Handelsproviforium mit England. Staatssekretär Delbrück glaubt, da sich in unseren Handelsbeziehungen zum britischen Reich nichts ge­ändert habe, auf eine nähere Begründung der Vor­lage verzichten zu können und bittet das Hans, dem Entwurf seine Zustimmung zu erteilen. Da­mit ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs erle­digt, der hierauf auch in zweiter Lesung ohne. De­batte angenommen wird. Es folgt die erste Be­ratung des Gesetzentwurfs betr. die Abänderung des l5 des Zolltarisgesetzes vom 25. Dezember 1 9 02. Nach einer Bestimmung des Zolltarisgesetzes (Lex Trimborn) sollte die Witwen- und Waisenversicherung der Arbeiter am 1. Januar

1910 in Kraft treten. Nach dem vorliegenden Gesetz­entwurf soll dieses Inkrafttreten bis zum 1. April

1911 hinausgeschoben werden. Staatssekretär Del­brück bemerkt, die Bestimmungen des Z 15 ver­danken ihr Entstehen einer Anregung des Reichs­tages. Auch die. verbündeten Regierungen seien grundsätzlich bereit gewesen, die Reliktenversorgung auf sine reichsgesetzliche Grundlage zu stellen. Es wäre aber nur möglich gewesen, das Gesetz am 1. Januar n. I. in Kraft treten zu lassen, wenn die zur Verfügung gestellten Einnahmequellen mit einer gewissen Stetigkeit auch die notigen Mittel ergeben hätten. Im ganzen ständen aber jetzt nur zwei­einhalb Millionen Mark zur Verfügung. Diese ge­nügten nicht, die Hinterbliebenenversicherung nach festen Grundsätzen durchzuführen. Man müsse eine festere Grundlage schaffen, als sie Z 15 biete. Eine anderweitige Behördenorganisation sei auch wün­schenswert gewesen. Die verbündeten Regierungen seien bestrebt gewesen, auch die bezüglich der Ab­änderung der bestehenden Versichernngsgefetze her- vorgetrenen Wünsche zu berücksichtigen. Dis Menge der Anträge zu dem vorliegenden Entwurf Habs dessen Fertigstellung zum 1. Januar n. I. unmög­lich gemacht. Die Regierungen bitten deshalb, den Termin für das Inkrafttreten bis zum 1. April 1911 zurückzustellen. Das Haus tritt dann in dis Debatte ein, worauf die Sitzung vertagt wird. Samstag 11 Uhr: Interpellation betref­fend die Kieler Werftverhältnisse, Pri- vatbeamtenverficherung, Auslegung des Reichsvereinsgesetzes, Fortsetzung der heu­tigen Beratung des Handelsvertrages mit Portugal. Schluß halb 7 Uhr.

MW

Die englische Thronrede.

* London, 3. Dez. Heute nachmittag 2 Uhr wurde im englischen Unterhaus die Thronrede ver­lesen, welche die Vertagung des Unterhau­ses ausspricht. Die Thronrede beschäftigt sich mit dem Besuch des Königs von Portugal, wodurch die Bande freundschaftlicher Beziehung zu Portugal noch enger geknüpft worden seien. Das Verhältnis zu den anderen Mächten sei freundschaftlich.

Großer Prand in Baltimore.

* Das ganze Geschäftsviertel der Stadt Balti­more steht in Flammen. Der ganze Teil der Bank- und Geschäftsgebäude bildet ein Feuermeer, obgleich diese Wolkenkratzer fast ganz aus Stahl und Eisen konstruiert sind. Es ist noch nicht abzusehen, wel­chen Umfang die Feuersbrunst nehmen wird. Aus Washington und aus Philadelphia sind Hilfszüge der Feuerwehr unterwegs. Die Ein- und Abfahrt der Züge auf der Baltimore-Ohlo-Bahn ist unter­brochen. Die Miliz und die Polizei hat einen Kor­don um das Brandviertel gezogen und läßt nie­manden mehr hinein.

Die diesjährige unbefriedigende Heuernte hat vielen Landwirten recht deutlich gezeigt, wie wichtig für Wiesen, Viehweiden, Klee- und Futterschläge eine kräftige Düngung mit Thomasmehl und Kaimt ist. Vielfach war auf unge- düngten Wiesen und Futterschlägen in diesem Jahre infolge ungünstiger Witterung so gut wie nichts gewachsen; nur da, wo man kräftig gedüngt Halle, stand genug Futter und konnte eine einigermaßen befriedigende Heu- und Grummet- ernle eingefahren werden.