Gegründet

1877.

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Unparteiische Tageszeitung und 'Anzeigeblatt, verbreitet in den MberamLsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

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Sonntags-Anzeiger und Familien-Zeitung für die Bewohner des Schwarzwaldes.

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Ansgabeort Mtensteig-Stadt.

Sonntag, de« 5. Dezember.

Amtsblatt für Psalzgrasenweiler.

L9V9.

Wochen-Rundschan.

Volkspartei und Deutsche snatl.) Partei.

Die Annäherung, die sich in Württemberg zwi­schen der Volkspartei und der Deutschen Partei mehr und mehr vollzieht, findet jetzt auch einen bemer­kenswerten Ausdruck darin, daß die beiden Parteien für die bevorstehende Gemeinderatswahl in Stutt­gart ihre Listenverbinden". Schon bei der vor­jährigen Wahl hatte die Deutsche Partei der Volks­partei eine Listenverbindung vorgeschlagen, die aller­dings sämtliche Parteien, also auch die Konserva­tiven und das Zentrum, einbeziehen sollte. Da­von wollte aber die Volkspartei nichts wissen, und diesmal haben die Nationalliberalen infolge der veränderten politischen Verhältnisse darauf verzich­tet, die Listenverbindung mit der Bolkspartei von der Einbeziehung der Konservativen und des Zen­trums abhängig zu machen.

Vertreterversammlnng der Deutschen (uatl.) Partei.

, Die Deutsche (natl.j Partei Württembergs hat am letzten Sonntag in Stuttgart eine Vertreterver­sammlung abgehalten. In der Auffassung von der politischen Lage ergab sich völlige Uebereinstimmung. Die Annäherung der liberalen Parteien wurde be­grüßt, der Gedanke eines Zusammengehens mit der SozialdemokratieBlock von Bassermann bis zu Bebel", von dem in der letzten Zeit viel geredet worden ist aber abgelehnt. Dem Hansabund und dem Deutschen Bauernbund stellt sich die Partei freundlich gegenüber.

Die freie Aerztewahl und die Reichsversicherungs­ordnung.

Zu der vielumstrittenen Reichsversicherungsord­nung hat die medizinische Fakultät der Universität Tübingen letzthin an den Minister des Innern eine längere Denkschrift gerichtet, worin sie auseinan­dersetzt, daß die Bestimmungen des Entwurfs über das Verhältnis zwischen den Aerzten und den Kran­kenkassen und Berufsgenossenschaften eine schwere Schädigung der Aerzte und auch der Kranken ent­halten. Die Fakultät ersucht die Regierung dahin zu wirken, daß der in Württemberg bestehende Zu­stand, der sich bewährt hat, erhalten bleibe und möglichst auf das ganze Reich übertragen werde. Wie man weiß, besteht in Württemberg die freie Arztwahl und zwar auf Grund von Verträgen zwi­schen den einzelnen Kassen und Kassenverbänden und den ärztlichen Vereinigungen. Der Minister des In­nern hat zu der Denkschrift bemerkt, er sei ein überzeugter Anhänger der freien Arztwahl und halte die in Württemberg bestehende Ordnung für sehr befriedigend.

Die Präsidentenwahl im badischen Landtage.

Mit großem Interesse hat man diesmal der Präsidentenwahl im badischen Landtage entgegen­gesehen. Das Zentrum ist in der Zweiten Kammer zwar nach wie vor die stärkste Fraktion, aber die allgemeine politische Situation hat sich doch durch die Wahlen derart geändert, daß die Frage sich von selbst ergab, ob dem Anspruch des Zentrums, wieder den Präsidenten zu stellen, stattgegeben oder ob der Großblock der Stichwahlen seinen Ausdruck auch in der Zusammensetzung des Präsidiums fin­

den solle. Die Parteien des Großblocks entschie­den sich für das letzte und wählten auf Vorschlag der Sozialdemokratie einen Nationalliberalen, den Abg. Rohrhurst, zum Präsidenten. Zum ersten Vizepräsidenten wurde dann der Zentrumsmann Fehrenbach, der frühere erste Präsident, gewählt, aber nun gab es eine Sensation: Fehrenbach lehnte die Wahl ab. Infolgedessen wurde ein Sozialdemo­krat, der Abg. Geiß, zum ersten und der Demokrat Heimburger zum zweiten Vizepräsidenten gewählt. Das verschnupfte Zentrum beteiligte sich an der Wahl nicht mehr. Es will auch sonst sehr scharf zu Werke gehen. So hat es den Vorsitz in der Budgetkommission abgelehnt. Es erklärt sich für vergewaltigt, obgleich man nachgerade davon abge­kommen ist, den Anspruch auf das Präsidium rein mechanisch nach der Stärke der Fraktionen zu be­rechnen. Der badische Etat, den der Finanzmi­nister am letzten Samstag einbrachte, schließt mit einem Fehlbetrag von rund 14 Millionen ab, der allerdings durch die bevorstehende Biersteuer auf rund 7 Millionen vermindert wird. Die Finanz­lage ist ungünstig und namentlich nm die Eisen­bahnen sieht es schlimm aus.

Vom Reichstag.

Am Dienstag ist der hohe Reichstag wieder zusammengetreten. Es geht also nun wiederlos", das politische Getriebe u. das unendliche Gerede. Das ist ein wenig respektlos, und jedes M. d. R. wird gewiß aufs höchste gekränkt sein, wenn man ihm ähnliches sagt. Aber die Wahrheit ist, daß das deutsche Volk die reichstagslose Zeit ganz erträglich gefun­den hat. Die Herren Volksvertreter sind daran selbst schuld; sie dreschen zu viel leeres Stroh und meinen Wunders, was geschehen ist, wenn sie eine lange Rede vom Stapel gelassen haben. Doch ge­nug davon. Sehen wir statt dessen an, was die Thronrede gebracht hat. Man hatte ihr mit einiger Neugier entgegengesehen, weil man daraus wenig­stens eine Art Programm des neuen Kanzlers fin­den zu können hoffte. Ueber seine politischen Ab­sichten wird Herr v. Bethmann-Hollweg ja Wohl schon in allernächster Zeit sich auslassen. Die Thron­rede enthält darüber nichts. Dagegen gibt sie ein Arbeitsprogramm des Reichstags, das über Er­warten umfänglich ist- Es war davon die Rede gewesen, daß der Reichstag so wenig wie möglich Arbeit erhalten werde, daß man sich in der Haupt­sache auf den Reichshaushaltsetat beschränken werde. Das ist jedoch ein Irrtum gewesen. Der Reichs­tag bekommt eine Menge Arbeit, und er wird sich sehr dazu halten müssen und es wird sehr gut gehen müssen, wenn er damit fertig werden soll. Der Reichskanzler scheint dabei von dem an und für sich vielleicht richtigen Gedanken auszugehen, daß es durch praktische gesetzgeberische Arbeit am ehesten gelingen werde, die Verbitterung und die Gegensätze aus der Zeit des Kampfes über die Fi­nanzreform zu beseitigen oder zu mildern. Von demgroßen nationalen Werk", wie man ehedem die Reichsfinanzrefvrm nannte, wird in der Thron­rede nur noch nebenbei sehr kühl gesprochen: Die Regierung hat ja auch wirklich keine Ursache zu Hochgefühlen - im Gegenteil.

Dierote Flut".

Wieder hat eine Reichstagsersatzwahl das Stei­gen derroten Flut" angezeigt. Es war in Halle

a. d. S., wo infolge des Todes des freisinnigen Vertreters eine Nachwahl vorgenommen werden mußte. Sie hat das Ergebnis gehabt, daß der So­zialdemokratie das Mandat, das sie bei den Block­wahlen von 1907 verloren hatte, wieder zufiel. Ihr Kandidat Kunert erhielt rund 25 500, der Frei­sinnige Reimann, der auch von den anderen bürger­lichen Parteien unterstützt wurde, rund 21 500 Stim­men. Auch hier Rückgang der bürgerlichen, Anwach­sen der sozialdemokratischen Stimmen. Und das hat mit feinen Steuern der blauschwarze Block getan. Zwei weitere Ersatzwahlen stehen in Aussicht. An der einen im Rheinlande ist das Zentrum beteiligt und es wird sich zeigen, wie es gegen die Sozial­demokratie dort abschneidet. Die andere Wahl hat in Eisenach stattzufinden; der bisherige Vertreter Schack (deutsch-nationalst dessen Triolen in den letzten Monaten so unliebsam von sich reden mach­ten, hat nun endlich die unvermeidlich gewordene Mandatsniederlegung vollzogen. Liberale und So­zialdemokraten werden in Eisenach um das Man­dat ringen, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß auch dort die Sozialdemokratie den Sieg davontra­gen wird.

Die politischen Verhältnisse in Bayern.

In der bayerischen Politik gibt es zur Zeit kritische Tage. Es handelt sich um die Steuerreform. Sie ist dringend notwendig, darüber ist alles klar : indessen haben die Vorlagen der Regierung im Steuerausschuß eine Gestalt erhalten, die nach An­sicht der Liberalen und Sozialdemokraten eine un­gerechtfertigte Begünstigung der ländlichen Bevöl­kerung zum Nachteil der städtischen und eine zu schwere Belastung der Berufseinkommen, nament­lich der kleineren und mittleren, enthält. Nun könnte das Zentrum, das in der bayerischen Abge­ordnetenkammer die Mehrheit besitzt und in der Steuerreform zudem noch die Bauernbündler an seiner Seite hat, die Reform ganz allein und ohne Rücksicht auf die Liberalen zustandebringen, allein davor schreckt es zurück. Die Erfahrungen mit der Reichsfinanzreform haben es kopfscheu gemacht, und es möchte um keinen Preis die Verantwortung für die bayerische Steuerreform allein aus sich neh­men. Die Liberalen, die man sonst so schlecht wie möglich behandelt, sollen mit von der Partie sein, auf daß man nachher einen Genossen hat, auf den man sich vor den Wählern berufen kann. Ein Teil der Liberalen war denn auch aus rein sach­lichen Erwägungen und ohne Rücksicht auf das par­teitaktische Moment bereit, für die Steuervorlagen zu stimmen; indessen hat ein Versuch des Zentrums, die Vorlage durchzupeitschen, die Liberalen durch die Begleitumstände derart verletzt, daß die Neig­ung, nun dem Zentrum die Sache allein zu über­lassen, stark gewachsen ist. Wie die Entscheidung fällt, steht noch dahin. Läßt das Zentrum die Steuerreform scheitern, so wird das nicht nur eine starke Erhöhung der jetzigen Steuern zur Folge haben, sondern wahrscheinlich auch Aenderungen in der Regierung herbeiführen.

Ein edler Menschenfreund Herzog Karl Theodor in Bayern P.

In der Nacht zum Dienstag ist Herzog Karl Theodor in Bayern, das Haupt des jüngeren Zweigs der Wittelsbacher, in seinem Schlosse zu Bad Kreuth am Tegernsee gestorben. Er ist wenig mehr als