/' Stuttgart, 27. Nov. Als heute nachmittag gegen vier Uhr ein Bierfuhrwerk Vvr der Wirtschaft zurFriedenslinde" an der Alten Weinsteige hielt, scheuten die Pferde und rannten mit samt dem Wagen die Weinsteige herunter. Dabei stieß der Wagen ans einen Laternenpfahl, der umgedrückt wurde. Gleichzeitig wurde der Bierführer von dem Wagen heruntergeschleudert, jedoch ohne verletzt zu werden. Zugleich brach ein Rad des Wagens und die leeren Bierfässer rollten rechts und links auf die Straße hinunter. Dis Pferde setzten ihren Ga­lopp mitsamt dem nur noch auf 3 Rädern schlep­penden Wagen fort und stießen dann in der Nähe des Zahnradbahnhofes mit einem Straßenbahnwa­gen zusammen, dessen Vorderperron stark beschä­digt wurde. Die Pferde selbst kamen zu Fall, nah­men aber weiter keinen Schaden. Kinder ließen nach und nach die auf der Weinsteige herumlie^enden leeren Fässer die Straße Herunterrollen.

ff Heilbronn, 27 . November. (K. Schwurgericht, 6. Fall.) Strafsache gegen die 36 Jahre alte Rosine Krauß geb. Riedel, Fischers-Ehefrau in Lauffen a. N. wegen Mordes. Die Krauß'schen Eheleute be­kamen am 12. Mai ein Kind, ein Mädchen, das indes am 2. Mai schon wieder starb. Der Leichen­schauer fand aber an dem Kinde Spuren so schwerer Mißhandlung, daß er eine gerichtsärztliche Unter­suchung veranlaßte, die dann auch angab, daß das Kind durch eine Zertrümmerung des Schädels den Tod gefunden hatte. Die eigene Mutter wird dieser furchtbaren Tat, des Mordes, angeklagt. Sie soll das Kind an den Füßen gepackt und mit dem Kopf an die Wand geschlagen haben, sodaß es noch am gleichen Tag verstarb. Die Angeklagte hat früher die Tat schlankweg bestritten, später und auch jetzt aber gibt sie diese zu, doch will sie unter einem Zwang gehandelt haben. Die Geschworenen ver­neinten die Schuldfrage auf Mord und erkannten die Angeklagte des Totschlags für schuldig unter Versagung mildernder Umstände. Das Gericht sprach hierauf eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren aus, wo­von 6 Monate durch die Untersuchungshaft verbüßt sind.

st Gaildorf, 27. Nov. In Wengen wurde beim Sandholen ein 22jähriges Mädchen namens Serrot durch herabfallende Erbmassen verschüttet und hat den linken Fuß gebrochen. Die Bedauernswerte ver­dankt ihr Leben nur der Hilfe einiger herbeigeeilten Personen, die sie aus den auf ihr liegenden Erd­massen befreiten und heimbeförderten.

st Altkrautheim, OA. Künzelsau, 27. Nov. (Ein Scherz mit unangenehmen Folgen.) Saßen da, wie die Jpf- und Jagstzeitung schreibt, gemütlich zwei ältere Jünglinge, mit zusammen 154 Jahren, an einem Tisch in Frankenbach zusammen. Neugierig schaute aus der Tasche des Einen ein angebrochener Weißbrotstollen hervor, den mit sehnlichem Ver­langen der alte Tyras, des Hauses treuer Wächter, beguckte und beschnopperte. Und da der ältere der beiden Jünglinge, der Achtundsiebzigjährige ein gu­tes Herz besaß, so paßte er nur auf einen günstigen Moment, den Stollen aus seines Nachbars Tasche zu lancieren und dem guten Tyras zuzuschieben. Hochbeglückt stolzierte dieser in ein stilles Eck, in Ruhe seinen Stollen zu verschmausen. Doch der Nachbar nahm es anders auf, als er den Verlust bemerkte. In seiner bösen Laune zeigte er den Vor­fall bei Gericht an. Und das, obwohl der andere mit sechs Pfennig seinen Spaß bezahlen wollte

DieKönigin der Nacht"

Seeroman von H. Hili.

Nachdruck verboten.

Während ich den Kurs des Steamers beim Verlassen der Bucht nordöstlich steuerte, fragte ich mich, ob der Vorfall als' ein offener Bruch zwischen Zavertal und mir anz sehen war, und welche Wirkung ein Streit zwischen uns auf die Harmonie bei der weiteren Reise ausnben würde. Seit mehreren Tagen hatte sich meiner der immer stärker werdende Argwohn be­mächtigt, daß sich hinter dem Doktor noch eine ganz andere Persönlichkeit verbarg, als die, die er dem Publikum zeigte, und obwohl mir persönlich sein Verhalten gegen mich voll­ständig gleichgültig war, so hoffte ich doch, er würde es nicht zu C,cnen -kommen lassen, die einen peinlichen Eindruck auf die Passagiere machen mußten.

Was diesen Punkt betraf, so konnten sich meine Be­fürchtungen bald beruhigen. Als wir an dem Vorgebirge vorüber waren, ruhte ich mich ein paar Stunden aus und gerade, als ich mich zum Frühstück ankleidete, brachte mir mein Steward ein paar Zeilen von der Hand des Doktors, der für seineunqualisizierbare Heftigkeit" um Verzeihung bat. Er schrieb, er könne nichts dafür, denn er hätte eine schlaflose Nacht verbracht und hoffe aufrichtig,das liebens­würdige Wohlwollen, das ich ihm gezeigt, seit ich dieKönigin der Nacht" kommandierte, würde durch den Vorfall nicht erschüttert werden." Scheinbar wurde die Sache dadurch er­ledigt, und ich ließ ihm sagen, ich dächte nicht mehr an den Vorfall, was übrigens eine höfliche Lüge war, denn sch fragte mich den ganzen Morgen recht ernst, ob die Ergeben­heit und Jovialität, die er mir und den Passagieren gegen­über zur Schau trug, echt oder nur erheuchelt war.

General Waldos Platz am Frühstückstische im Salon war leer geblieben, und als ich mich bei seinem Kabinensteward erkundigte, erfuhr ich, daß seine Gicht, wenn sie sich auch

nichts nahm er an! Nun ist am 2. nächsten Monats strenge Verhandlung des Falls vor dem Schöffenge­richt in Künzelsau wegenSachbeschädigung" einer Sache im Werte von sechs Pfennig. Auf den Aus­gang dieser tragi-komischen Geschichte ist jedermann gespannt, zumal der Spaßvogel eine gute, ehrliche alte Haut ist aber leider ärmer als die ärmste Kirchenmaus!

js Heidenheim, 27. Nov. Der 80 Jahre alte Privatier S., früher Lehrer und Kaufmann hier, hat sich gestern in einem Anfall geistiger Umnachtung erschossen.

st Itzelberg, OA. Heidenheim, 27. Nov. Gestern abend um sieben Uhr verunglückte in der Nähe von hier ein Bierführer der Brauerei Haible und Weisch- edel in Königsbrvnn. Er saß auf dem Bierwagen und wollte eine fallende Pferdedecke aufhalten, kam aber so unglücklich zu Fall, daß beide Rüder über ihn weggingen. Dem Verunglückten wurden beide Beine abgefahren, so daß er nicht mehr von der Stelle konnte. Er wurde von einem später kom­menden Bisrfuhrwerk der gleichen Brauerei aufge­funden und nach Königsbronn verbracht.

st Schwenningen, 27. Nov. Die Denkschrift über die Erstellung der Bahn von Schwen­ningen nach Tuttlingen ist nunmehr fertig­gestellt. Die Bahn soll als normalsvurige Neben­bahn gebaut, jedoch schon alles vorgesehen werden, daß sie später den Kauptoerkehr Tuttlingen-Boden- see und Schweiz-Donaueschingen aufnehmen kann. Sie erhält bei 26,500 Kilometer Betriebslängs Haltepunkte in Mühlhausen, Tuuingen, Talheim, Durchhausen, Seitingen, Oberflacht, Konzenberg, Wurmlingen und Tuttlingen. Der Kostenpunkt ist mit Grunderwerbung im ganzen auf 31 000 00!) ML. veranschlagt, dabei treffen auf den Kilometer 132 00k) Mark. Dis Gesamtbeiträge der Gemeinden beziffern sich auf 846 000 Mark.

st Friedrichshafen, 27. Nov. Die an eine Privat­firma verkaufte R e i ch s b a l l o n h a l l e ist heute früh Halb neun Uhr von zwei würtiembergischen Dampfern in der Richtung auf den UnArche nach Ludwigshafen abgeschleppt worden. Damit endigt die Rolle der historisch gewordenen RVchsballon- halle.

st Pforzheim, 28. Nov. Vom Pforzheimer Bahn­hof führt eine etwa 150 Meter lange steile Straße, die Schloßbergstraße, direkt auf den Marktplatz. Die Steilheit der Straße hat schon manches Fuhr­werksunglück verursacht, so auch gestern wieder, gerade während des Wochenmarktes. Ein mit Mehl­säcken schwer beladener Leiterwagen, an dem die Bremse brach, sauste um 11 Uhr vormittags den Schloßberg hinab mit den Pferden in die dichtge­drängten Marktleute hinein. Eine Anzahl Stände und Menschen wurden umgeworfen. Schreiend stoben die Weiber auseinander. Dis Pferde stürzten und ein fürchterliches Durcheinander von zerbrochenen Eiern, Butter, Obst usw. bedeckte den Boden. Meh­rere Personen wurden verletzt. Eine Frau wurde mit einem doppelten Beinbruch davongetragen. Eine andere hat einen leichteren Beinbruch erlitten.

* Karlsruhe, 27. Nov. Finanzminister Honsell legte heute in der Zweiten Kammer das Finanzge­setz für 1910/11 vor, das mit einem Fehlbeträge von 13,9 Mill. Mark schließt. Der Fehlbetrag wird durch die Erhöhung der Biersteuer, welche am 1.

etwas geiegt hatte, UM vocy nicht gestattete, die Kabine zu verlassen. Tie Abwesenheit des weißhaarigen, dickwangigen Veteranen mit seinen lustigen Scherzen und streichen war der Gegenstand allgemeinen Bedauerns, und auf Ersuchen eines Passagiers, mit dem ich auf Deck auf- und abging, steckte ich meinen Kopf in die Apotheke und fragte Zavertal, ob er den alten Gentleman nicht gesehen habe.

,Ja" lautete die unerwartete Antwort,ich habe ihn vor einer halben Stunde aufgesucht, aber nicht als Arzh er wünschte, ich solle seine Unterschrift unter einem Testament beglaubigen, das er wahrscheinlich zum Zeitvertreib aufgesetzt har. Nach seinem Aeußeren kann ich nicht annehmen, daß er ernsthaft kränk ist; die Symptome wollte er mir nicht be­schreiben; er meinte, er konsultiere nie einen Arzt."

Er ist ein verrückter alter Fisch," erklärte ich, und drehte mich bereits um, um meinen Spaziergang mit dem Passagier fortzusctzen, als Zavertal mir nachrief:Apropos, Sir, der General wird auch nach Ihnen schicken; ich glaube, er will noch einen zweiten Zeugen haben. Er meint, ein Testament, das ein Arzt und ein Kapitän beglaubigt haben, sei unantastbar."

Tatsächlich war ich keine zwei Mal auf Deck auf- und ab­gegangen, als ein Steward erschien und mir erklärte, General Waldo würde mir sehr dankbar sein, wenn ich in einer Privatangelegenheit in feine Kabine kommen wollte. Ich ent­schuldigte mich bei meinem Begleiter, ging sofort auf das Hauptdeck hinunter, und freute mich schon auf die Besprechung, von der ich mir nichts als lustige Scherze erwartete. Tat­sächlich war das düstere, in einer roten Nachtmütze steckende Gesicht des Insassen der Kabine, der mit einem Ausdruck bitteren Zornes einen dick eingehüllten Fuß betrachtete, durch aus geeignet, Lächeln zu erwecken, denn er machte ganz und gar den Eindruck des traditionellen Podagristen.

Doch damit hörte auch die Komik für mich auf, und mit dem Humor war es bis zum Ende der Reise aus; wenn ich während der nächsten vierzehn Tage überhaupt lachte, so kam es, weiß Gott, recht gezivungeu heraus.

Einen Augenblick, nachdem ich die Kabine betreten, und Waldo iah. daß ich allein gekommen war, nahm sein Gesicht

Januar 1910 erfolgen soll, auf 6,9 Mill. vermindert werden. Der Redner bedauert die Nichtannahme der Erbschaftssteuervorlage im Reichstag. Als den dun­kelsten Punkt im Voranschlag bezeichnet Redner die Lage der Eisenbahnfinanzen. Die Eisenbahn - schuld dürfte Ende 1910 etwa 520 Millionen Mk. betragen.

st Schluchsee in Baden, 27. Nov. Im nahen Seebrugg, Hotel Seehof, fand eine blutige Schlägerei statt, in deren Verlauf der erst 29- jährige Besitzer Maler von einem Italiener irrtüm­licherweise erstochen wurde. Der Täter ist ver­haftet; die Familie hat bereits im letzten Jahre auf tragische Weise einen Sohn verloren, lieber die Tat herrscht große Erregung.

st München, 28. Nov. In dem Befinden des Herzogs Karl Theodor in Bayern ist infolge eines hinzugetretenen Brochitis eine Verschlimmerung eingetreten. Der Zustand des Herzogs ist ernst.

* Berlin, 27. Nov. Wie es heißt, wird die Thronrede bei der Eröffnung des Reichstags vom Kaiser persönlich verlesen. Die amtliche Hof­ansage soll unmittelbar bevorstehen.

* Bremen, 27. Nov. Das LinienschiffErsatz Beownlf" ist heute nachmittag auf der Werft der Aktiengesellschaft Weser glücklich vom Stapel gelau­fen. Der Großherzog von Sachsen hielt dis Tauf­rede. Dir Herzogin von Sachsen-Altenburg taufte das Schiff auf den NamenThüringen".

st Paris, 28. Nov. König Manuel von Por­tugal und Präsident Fallieres tauschten heute vor­mittag Besuche aus.

st Paris, 28. Nov. Auf den General Beraub wurde heute von einem Manne in der Rue de Ca- stiglione ein Revolverattentat verübt. Der General erhielt am Kopf zwei Verwundungen. Der Angreifer wurde verhaftet. Zu dem Anschlag wird weiter gemeldet: Das Attentat galt offenbar dem Kriegsministsr, dessen Bild der Angreifer bei sich trug und der dem General Veraud ähnlich sieht. Der Attentäter ist ein algerischer Eingeborener. Er trug zwei geladene Revolver und einen langen Dolch bei sich. Seiner Ueberwältigung durch die Polizei setzte er heftigen Widerstand entgegen und wurde dabei verwundet. Bei dem Verhör erklärte er, er sei ein Opfer der Ungerechtigkeit algerischer Offi­ziere. General Veraud wurde an der Stirn und im Nacken schwer verletzt.

ff Paris, 28. Nov. Heute nachmittag wurde die Jahr hundertfeier der deutschen pro­testantischen Bille ttes-Kirche in der Rue des Archives mit einem Festgottesdienst begangen.

st Madrid, 28. Nov. Wie aus Teneriffa amtlich gemeldet wird, ist nur noch sin Krater in Tätigkeit. Die Lava ist zum Stehen gekommen und der vulka­nische Ausbruch scheint demnach sein Ende erreicht zu haben.

st Madrid, 28. Nov. Infolge der Besetzung des Berges Atlater beschloß der Ministerrat, unverzüg­lich eine Kommission von Technikern nach Melitta zu entsenden, dis für die vorläufigen Befestigungen der neuen Stellung Sorge tragen soll. Ferner wuroe beschlossen, die Truppen in dem Verhältnis und zu

einen andern Ausdruck an, und er gab mir durch ein Zeichen zu verstehen, ich solle die Tür zuschließen.

Verschließen Sie sie," fügte er in einem mir so neuen und doch so seltsam vertrauten Tone hinzu, daß ich sofort merkte, ich müßte ihn schon einmal gehört haben. Ich hatte die feste Ueberzeugung, daß mir wichtige Enthüllungen bevor­standen, und darum gehorchte ich unwillkürlich und kehrte dann wieder zu ihm zurück.

Setzen Sie sich auf das Bett, Kapitän Forrester," sagte er; der ausgesprochene amerikanische Akzent war nicht mehr zu bemerken.Aus meinen Fuß brauchen Sie keine Rücksicht zu nehmen, er ist ebenso gesund wie Ihrer. Wir dürfen nicht allzu lange zusammenbleiben, also lassen Sie mich kurz sein. Ich habe den Brief geschrieben, dessen Ratschläge Sie so getreulich befolgten."

Ich konnte nur ein paar zusammenhängende Worte murmeln. Eigentlich hätte ich überrascht sein sollen, als ich erfuhr, daß der anonyme Brief von Waldo stammte, doch eine noch größere Ueberraschung bemächtigte sich meiner, als ich sah, welche merkwürdige Veränderung sich in dem Benehmen des Mannes vollzogen hatte.

Ja," fuhr er fort,ich will Ihnen auch einen recht guten Grund angeben, warum ich Sie direkt gewarnt, aber erst will ich Sie aufklären. Ich sehe. Sie erinnern sich so halb und halb, schon einmal mit mir zusammengewesen zu sein. Vielleicht hilft Ihnen das auf die Sprünge."

Bei diesen Worten fuhr er sich schnell nach dem Kops, riß sich im Handumdrehen die rote Nachtmütze und die schneeweiße Perrücke herunter und zeigte das kurzgeschnittene Haar Kennards, des auf dem Schiffe nicht erschienenen Passagiers, mit dem ich in Nathans Bureau zusammen- getroffen war. Mit einer zweiten geschickten Bewegung ent­fernte er die buschigen Augenbrauen und lockerte die Spannung der Gesichtszüge, die eine so brillante Maske hervorgebracht hatten, daß nur der augenscheinliche Beweis mich überzeugte, daß ich es hier nicht mit einer zweiten Persönlichkeit, sondern wirklich mit dem mir bekannten Kennard zu tun hatte.

Ich erinnere mich Ihrer ganz genau," sagte ich,aber was bedeutet . . . ?"