Gegründet

1877.

Die Tagesausgabe kostet vierteljährlich im Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. 1.35

außerh alb Mk , 1.SS.

Die Wochenausgabe (Schwarzwälder Sonntagsblatt) kostet vierteljährlich 60 Pfg.

MtteNSleiL.M Tir-Mterhaltungsblatt

MMtzblatt M

Fernsprecher Nr. 11.

Anzeigenpreis bei einmaliger Ein­rückung 10 Pfg. die einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

Reklamen 15 Pfg. die Textzeile..

u ^parteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

Nr. S65.

Ansgabeort Ulteasteig-Stadt.

Freitag, de« IS. November.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1909.

Mmtliches.

Die evangelische Dekanats- und 1. Stadtpfarrstelle in Nagold wurde dem theologischen Lehrer an der evangelischen Predigerschule in Basel Adolf Pfleiderer übertragen.

Befördert wurde Postsekretär in gehobener Stellung tit. Postkassier Wurst in Calw zum Postmeister in Nagold.

Wahl der Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten bei dem Oberamt Freuden st ad t.

Auf die Dauer von 5 Jahren vom 1. Januar 1910 ab sind nach einer oberamtl. Bekanntmachung die hienach aufgesührten Herrn gewählt worden: Als Vertreter der Arbeitgeber: Christian Clauser, Zimmermstr. in Freudenstadt, Jakob Gaiser, Bauunternehmer in Stöck, Gde. Baiersbronn, Gotlhilf Graf, Sägwerkbesitzer in Dornstetten und Jakob Ziegler, Gutsbesitzer in Schöm­berg. Vertreter der Versicherten: Gottlob Bosch, Platzarbeiter in Pfalzgrafenweiler, Johannes Morlok, Platzmeister in Freudenstadt, Joh. Georg Morlok, Ober­holzhauer in Tannenfels, Gde. Baiersbronn und Wilhelm Schmid, Schriftsetzer in Freudenstadl.

Tagespolitik.

In der bayerischen Kammer kam es bei Beratungen über die Wertzuwachssteuer zu außer­ordentlich heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Zentrum und der liberalen Fraktion. Der Abgeordnete Müller-Hof warf dem Zentrum vor, daß es eine Politik des Hasses geführt habe und dadurch der frühere Reichskanzler gestürzt wor­den sei. Die Auseinandersetzungen nahrytz.n zuweilen einen Charakter an, als ob man sich in einer auf­geregten Volksversammlung und nicht im Parlament befinde.

Die Durchführung des vom Leipziger Partei­tage beschlossenen Verbots des Schnapsge­nusses seitens der organisierten Arbeiter macht der Sozialdemokratie heillose Schwierigkeiten. DerVorwärts" eifert jetzt sogar gegen den Genuß einesGläschen" Schnapses, das sich diejenigen Ge­nossen leisten, die der Meinung sind, das Partei­tagsverbot habe nur den Schnapsgenuß aus der vollen Flasche verboten; ferner erklärte er, daß der Konsum von Kognak und Likören gerade so frevel­haft sei wie der des gewöhnlichen Fusels. Die Ar­beiter lassen sich des alles jedoch nicht anfechten.

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Der Rücktritt des Staatssekretärs des Reichsmarineamts v. Tirpitz wird aus An­laß der Kieler Werftvotgänge vielfach für möglich, ja sogar wahrscheinlich gehalten. So sagen z. B. die Leipziger N. N. in einem längeren Artikel, in dem sie über die Kritik des Reichstags an den Vor­kommnissen sprechen: Man wird im Reichstage hof­fentlich auch auf bürgerlicher Seite kein Blatt vor den Mund nehmen, selbst wenn Herr v. Tirpitz da­rüber den Weg in das dunkle Tal antreten muß. Noch schärfer äußern sich andere bürgerliche Blätter.

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Die 6. ordentliche Generalsynode Preu­ßens forderte alle Gemeinden auf, mit doppeltem Eifer dem immer mehr um sich greifenden Austritt aus der Landeskirche entgegenzuwirken. Die Ursachen der Austrittbewegung führte Oberhofpre­diger D. Dryander auf christentumsfeindliche geistige Strömungen unserer Zeit zurück, andererseits sei aber kein Zweifel daran, daß die schärfere Heranzieh­ung zu den Steuern durch den Staat - nicht durch die Kirche, wodurch automatisch natürlich dann auch die weitere Heranziehung zu den Kir­chensteuern erfolge, die Austrittsbewegung in letzter Zeit sehr unterstützt habe.

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In London war am Dienstag das Lordmayors- Essen. Ministerpräsident Asquith hielt dabet eine große politische Rede, worin er besonders die aus­wärtige Politik behandelte.

Der russische Minister des Auswärti­gen v. Jswolski spielt in unverantwortlicher Weise mir dem Feuer, wenn er in der durch den österreichisch-ungarischen Minister des Auswärtigen Grasen Aehrenthal in der bosnischen Annexions- srage erlittene tatsächliche Niederlage sich durch dip­lomatische Fechterhiebe Genugtuung zu verschaffen sucht. Die Befriedigung der persönlichen Eitelkeit Jswolskis ist doch wahrhaftig einen offenen Bruch Rußlands mit Oesterreich nicht wert. Daraus geht aber die gegenwärtige Politik des Petersburger Aus­wärtigen Amtes aus, wie schon dis peinliche Ver­meidung österreichischen Bodens durch den Zaren gelegentlich der Reise nach Racconigi andeutete.

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Nach dem unglücklichen Kriege Griechenlands gegen die Türkei vom Jahre 1894 war der Sturz des griechischen Königshauses schon so nahe gerückt, daß russische Kriegsschiffe im Hasen von Athen lagen, um einen persönlichen Schutz für den König und seine Familie zu gewähren. Heute er­scheint trotz aller beruhigenden ministeriellen Ver­sicherungen aus Athen eins Katastrophe noch näher. Die Griechen sind im höchsten Grade undankbar. Was hat der bald 50 Jahre gestürzte König Otto, ein Bruder des Prinzregenten Luitpold von Bayern, für sie getan? Menschen und Geld sind in Menge aus Bayern nach Griechenland gekommen und das Ende war, daß man zu dem Monarchen sagte:Du kannst gehen!" Heute ist es bei dem Könige Georg bald so weit. Die europäischen Fürstenhäuser haben für das Schauspiel in Athen eine ganz besondere Teilnahme; der König ist der Bruder der englischen Königin und der Kaiserin-Mutter von Rußland, die Königin ist russische Prinzessin, die griechische Kron­prinzessin ist eine Schwester des deutschen Kaisers. Hinzukommt, daß der Prinz Georg von Griechen­land dem heutigen Zaren aus dessen Weltreise das Leben rettete. Das sind Tatsachen genug, um zu erklären, daß man dem Schicksals des griechischen Königshauses viel Sympathie entgegenbringt. Aber was nützt alle Teilnahme, wenn der Dynastie jede Verankerung im modernen Hellas fehlt? Der bis­herige Zustand ist auf die Dauer unhaltbar, und für die Umwandlung zu einer erfreulicheren Ge­staltung der Dinge sind die Aussichten gering. Ge­winnen können die Griechen bei einem Thronwechsel und der Wahl etwa eines italienischen Prinzen zum Könige nichts. Jede Regung zu einer Politik großen Stils wird von der mißtrauischen Türkei sorgsam beobachtet werden.

Landesnachrichten.

Att,rrst«m, 11. November.

* Aus der 4. Seite unseres Blattes befindet sich die Taxpreis liste des Forstverbandes Altensteig für das Jahr 1910.

* Neuerungen im Steuerwesen. Die bisherigen Steuerwächter erhalten von jetzt ab die Benennung Steuer aufseh er". Die Zustellung von Zahlungsbefehlen in Zoll- und Steuersa­chen geschieht künftig nicht mehr durch den Orts­vorsteher, sondern entweder durch die Post nach den hiefür geltenden Vorschriften oder durch Beamte der Zoll- und Steuerverwaltung (Amtsdiener, Orts­steuerbeamte).

* Neuenbürg, 10. Nov. Das neue Bezirks­krankenhaus ist nun soweit vollendet, daß es noch in diesem Monat in Betrieb genommen werden kann. Die Uebergabe soll am 20. ds. Mts. erfolgen.

st Calmbuch bei Wildbad, 10. Nov. Der Wirt Keppler hier, von dessen Tod gestern berichtet wurde, war ca. 50 Jahre alt und hinterläßt eine Frau und zwei Söhne von zwei und zwölf Jahren. Die Affäre, die wahrscheinlich feinen Tod verursacht hat, ereignete sich vor drei Wochen. Vor der Kirch­weih drangen drei Burschen von 19 bis 20 Jahren nachts 11 Uhr in den Wirtschaftshof, worauf sie der Wirt mit der Peitsche Hinaustrieb, und die Burschen

mit Lattenstücke und Holzscheiten zuschlugen und mit Flaschen warfen. Die Polizei kam schließlich auch zu der Schlägerei. Bei der Aufnahme des Tat­bestandes auf dem Rathause am nächsten Tag gab der Wirt aber nur eine Verletzung der Hand an, während er offenbar auch auf den Kopf geschlagen wurde. Bor acht Tagen wurde er plötzlich, wie ge­meldet, krank, und starb vorgestern. Bei der Sektion fand man am Kopf eine Stelle, von wo aus ein Bluterguß ins Gehirn ergangen war. Dieser war die Todesursache. Der direkte Nachweis, daß der Bluterguß von der Schlägerei kam, ist jetzt natürlich schwer. Doch wurden die drei Burschen, ein Säger von hier und zwei Taglöhner von Höfen, nach der Sektion verhaftet und nach Neuenbürg ins Amtsge­fängnis gebracht.

st Unterjesingen, OA. Herrenberg, 10. Nov. Ge­stern wurde bei einer Rauferei ein junger Mann namens Julius Schnaidt durch fünf Messerstiche schwer verletzt. Er wurde nach Tübingen gebracht.

st Tübingen, 10. Nov. Ein unüberlegter Streich, der leicht verhängnisvolle Folgen nach sich ziehen konnte, ereignete sich in einer hiesigen Wirtschaft. Während des Kartenspiels, wobei der verheiratete Weingärtner Krauß vom Glück besonders begünstigt war, goß ihm einer der Mitspielenden Opium ins Bier. Krauß erkrankte schwer an Vergiftungser­scheinungen, sodaß er in die Klinik verbracht werden mußte, woselbst er zwischen Tod und Leben schwebte. Glücklicherweise befindet er sich nunmehr auf dem Wege der Besserung.

st Leonberg, 10. Nov. Zu der gräßlichen Blut­tat in Eltin gen werden noch folgende Einzel­heiten gemeldet: Das erschlagene Mädchen war bis vor acht Tagen im Dienst in Wildbad und seither war sie zu Hause bei ihren Eltern und da scheint es wiederholt zu Streitigkeiten mit ihrem Bruder Otto gekommen zu sein. Gestern nacht nach zwölf Uhr weckte das Mädchen den Bruder, damit er die Vorarbeiten in der Bäckerei vornehme, erst aus das zweite Wecken stand er aus, schon da seine Schwe­ster bedrohend. Nachdem sie sich wieder zu Bett begeben hatte, schlich der Bruder mit dem Beil an ihr Lager, kehrte aber wieder um, kam jedoch später wieder zurück und tötete die Schwester durch Schläge auf den Kopf. Die greuliche Tat wurde erst gegen 10 Uhr entdeckt. Das Gericht mit Staatsanwalt Cu- horst und den beiden hiesigen Aerzten (Med.-Rat Dr. Ludwig und Oberamtswundarzt Dr. Wider) be­gab sich an den Tatort. Der Mörder ist geständig und wurde an das Amtsgericht Leonberg eingeliefert) Er ist geistig beschränkt, mußte vor Jahresfrist ge­waltsam seinem Truppenteil zugesührt werden, von wo er aber bald wieder entlassen wurde, weil er nicht zu gebrauchen war. Die unselige Tat wird den gemeingefährlichen Menschen wohl lebensläng­lich in eine Anstalt bringen, damit seine Mitmenschen vor ihm sicher sind.

st Stuttgart, 10. Nov. In letzter Zeit sind seitens spanischer Schatzgräberschwindler, vor den in früheren Jahren wiederholt in der Presse gewarnt wurde, von neuem Betrügereien ähnlicher Art versucht worden, insofern verschiedenen hiesigen Personen Briefe eines solchen Schwindlers von Madrid durch die Post zugesendet wurden. In diesen, im wesentlichen gleichlautenden Briefen, fragt neuer­dings der mit dem Namen Calla Legnaitos 29 tercero derecha Madrid Unterzeichnete Schwindler an, ob der Adressat ihm zur Zurückziehung von 800 000 Franken verhelfen wolle, welche Summe sich in Banknoten in einem auf einem französi­schen Bahnhofe lagernden Koffer befinde. Um dies zu ermöglichen, sei es unbedingt notwendig, daß Adressat nach Madrid reise, um durch Bezahlung von Prozeßkosten den mit Beschlag belegten Koffer auszulösen, in dem sich die zur Erhebung des Geldes nötigen Dokumente befinden. Als Belohnung für seine Mühe und Dienste sichert der Schwindler dem Adressaten ein Drittel obiger Summe zu. Die fort­gesetzten Bemühungen dieser Schwindlerbande schei­nen nicht immer ohne Erfolg geblieben zu sein, obgleich man annehmen sollte, daß die betrügerische Absicht