Gegründet
1877.
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Nr S4L.
AuSgabeori Altensteig-Stadt.
Freitag, de« 15. Oktober.
Amtsblatt für Psalzgrafeuweiler.
1S0S.
Landesnachrrchten.
Der 3. deutscheHochschullehrertag trat in Leipzig zusammen. Den Hauptberatungspunkt bildete das Thema: „Darf man die Zulassung zur Habilitation abhängig machen von politischen oder religiösen Voraussetzungen?" Der Hochschullehrertag nahm einen Leitsatz an, in dem von den entscheidenden Instanzen gefordert wird, daß sie sich bei der Erteilung der venia legendi nicht durch Umstände bestimmen lassen, die weder die wissenschaftliche, Qualifikation, noch die Lehrfähigkeit oder die persönliche Würdigkeit des Bewerbers betreffen, insbesondere nicht durch seine religiöse oder politische Ueberzeugung. Was damit gesagt sein soll, darüber machte Prof. A. Wach-Leipzig nähere informierende Angaben. Es genüge beispielsweise die bloße Zugehörigkeit eines Hochschullehrers noch nicht, um diesen aus seinem Amte zu entfernen, aber unvereinbar mit der Stellung eines Universitätslehrers sei die agitatorische Betätigung für die Sozialdemokratie. Ferner könne es auch nicht angehen, daß ein Anarchist, ein grundsätzlicher Regierer unseres Rechts und unseres Staates, das Recht an einer deutschen Hochschule lehre, ebenso kann kein Atheist in der theologischen Fakultät lehren.
Eine durchgreifende Verjüngung des Offizierkorps der deutschen Marine ist laut Verl. Tagebl. der Zweck der zahlreichen Personal- Veränderungen in den höchsten Flotten-Kommando- stellen, die auch jetzt noch nicht abgeschlossen sind.
Mit der kriegsmäßigen Verwendbarkeit der Aeroplane beschäftigt sich der militärische Mitarbeiter des „B. T", der frühere Oberst Gädke. Gädke stimmt der deutschen Kriegsverwaltung durchaus zu, wenn sie von der Erwerbung von Aero- planen zur Zeit gänzlich Abstand nimmt und sich nur aus wohlwollende Unterstützung von Flugexperimenten beschränkt. Die Aviatik steckt eben noch zu sehr in den Kinderschuhen. Anders ist es schon mit den Luftschiffen. Der „Groß 2" bewährte sich bekanntlich hervorragend im deutschen Kaisermanöver, und die sränzösische Heeresverwaltung schließt, wie die „Köln. Ztg." mitteilt, ihren Bericht über die Verwendbarkeit der jetzt leider zerstörten „Repu- blique" mit der Feststellung, daß der Besitz eines Lenkballons für eine Partei sehr viel wertvoller sein wird, als überlegene Kavallerie.
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Die Verschiebung der Kanzler reise- nach Rom bis zum kommenden Frühjahr hat die dortigen Blätter verschnupft, und einige von ihnen meinen, Italien werde von Deutschland absichtlich schlechter behandelt, als Oesterreich. Das ist natürlich eine ganz unzutreffende Auffassung, wenn andererseits auch nicht zu leugnen ist, daß die Beziehungen Deutschlands zu Oesterreich inniger sind als die zu Italien. Aber auch Rom wird den leitenden deutschen Staatsmann ja in nicht allzuferner Zeit begrüßen können, wie es den zurückgetretenen Fürsten v. Bülow demnächst zu längerem Aufenthalte innerhalb seiner Mauern sehen wird. - Der Fürst, der nach der Niederlegung seinem Aemter es mit peinlicher Gewissenhaftigkeit unterläßt, sich in Sachen der schwebenden Politik irgendwie einzumischen, hält an dem Glauben an die Kraft und Lebensdauer seines Block-Gedankens unbeirrt fest, wie er das soeben erst wieder in seinem Dankschreiben aus die Huldigungs-Adresse des Vereins Berliner Kausleute und Industrieller bewiesen hat. Er spricht darin von seinem Versuch der Ueberbrückung „scheinbarer" wirtschaftlicher Gegensätze durch Zusammenfassung aller nationalen Kräfte. — Sind das wirklich nur scheinbare Gegensätze?
Gegen den Abgeordneten Bruhn, denVer- leger der „Wahrheit", ist wegen versuchter und wegen vollendeter Erpressung in mehreren Fällen ein Strafverfahren cingeleitet worden. Tritt der Reichstag wieder zusammen, so kann unter Umständen der Fortgang des Verfahrens durch Anordnung des Reichstages unterbrochen werden. Daß indessen, so meint die „Voss. Ztg.", der Reichstag ein Verfahren wegen Erpressung unterbrechen oder irgend eine Maßregel in einem solchen Verfahren hemmen würde, ist vollkommen ausgeschlossen.
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In England ergreift das Kriegsfieber immer weitere Kreise. Soeben erklärten die Geometer und Landingenieure des Jnselreiches, sie ständen für den Fall einer feindlichen Invasion zur unbedingten Verfügung des Kriegsministers. Sie würden auf Befehl sofort alle Bahnen, Brücken und Telegraphenleitungen, die dem Feinde nützen könnten, abbrechen und solche Herstellen, die den englischen Truppen zum Vorteil gereichen.
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Lawinenartig hat sich die Affäre des zum Tode verurteilten Anarchistenführers Ferrer zu einer Volksfache ausgewachsen. Die Erregung in Barcelona über den Prozeß, bei dem es zu argen Rechtswidrigkeiten gekommen ist, ist groß und sollte es wirklich zu einer Hinrichtung Ferrers, der über einen großen Einfluß beim Volke verfügt, kommen, so stehen der ohnehin so unruhigen Stadt wieder schwere Tage bevor. Eine Hinrichtung Ferrers wäre einer der ungeschicktesten Fehler, die die Regierung König Alfons machen würde. Es ist immer vom Uebel, dem Volke einen populär gewordenen Mann zu nehmen. Zudem war doch Ferrer keiner von jenen Anarchisten, die nur mit Bombe und Dolch operieren. In Paris fanden unter Leitung des Sozialistenführers Jaures Protestversammlungen gegen das Vorgehen der spanischen Regierung statt, dis jetzt auch den Verteidiger Ferrers wegen seiner freimütigen Rede ins Gefängnis gesteckt hat.
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Der Streik in Schweden, der Anfangs August als Generalstreik ausbrach, ist zwar noch immer nicht ganz erloschen, aber doch seinem Ende nahe. Es streiken im Ganzen nur noch 24 000 Arbeiter. Verschiedene Tausende haben allerdings noch keine Beschäftigung finden können, obwohl sie arbeitswillig sind.
3 00000 Frauen an der Wahlurne wird man noch im Laufe dieses Monats in Norwegen erblicken können. Dort finden Ausgangs Oktober die Wahlen zur Voklsvertretung statt, an denen sich die Frauen auf Grund des ihnen im Jahre 1907 verliehenen Wahlrechts beteiligen werden. Im Lande gibt es etwa 300 000 Frauen, die das Wahlrecht besitzen, weil sie, 300 Kronen auf dem Lande und 400 Kronen in der Stadt, Steuern zahlen. Annähernd ebenso viele Frauen Norwegens besitzen dagegen das Wahlrecht noch nicht, da sie die genannte Steuersumme nicht aufbringen. Auf das nächste norwegische Wahlresultat darf man jedenfalls gespannt sein, kann man doch aus ihm den Einfluß der Frauen ermessen.
In der griechischen Abgeordnetenka m- mer hielt der Ministerpräsident eine bemerkenswerte Rede, in der er es als ein großes Glück für Griechenland bezeichnete, daß es der neuen Regierung gelungen sei, den Sturmwind der Anarchie zu beschwichtigen. Freilich könne man nicht alles auf einmal erreichen, und Schäden, die seit 30 Jahren bestehen, ließen sich nicht in wenigen Tagen beseitigen. Der Patriotismus der Nation und ihrer Vertreter verheiße jedoch eine lichtere Zukunft.
Altensteig, 14. Oktober.
jj Gar oft hört man unsere Landwirte darüber klagen, daß sich bei den Vieh Märkten fast überall das Schmuserschmarotzerwesen unliebsam breit macht. Hauptsächlich beim Farrenhandel wird eine große Anzahl von Kaufabschlüssen gerade von diesen Schmusern vermittelt und dies ist im Interesse der Landwirte und der Gemeinden weder notwendig noch nützlich. Der Käufer muß oft 50—100 Mark mehr bezahlen als ohne Schmuser, aber diese Summe fällt nicht dem Verkäufer in die Tasche, sondern dem Schmuser oder einer ganzen Schar derselben. Letztere sind es, welche sich wie Vampire an die Handelnden anklammern und mittels Helfershelfern durch List, Schmeichelei und Drohung bald diesen, bald jenen, meist aber beide Teile schröpfen, sich selbst jedoch dabei vollsaugen. Es ist dabei zeitgemäß und nur zu billigen, daß das „Württem- bergische Wochenblatt für Landwirtschaft" ganz energisch gegen das Schmuserschmarotzerwesen Front macht, indem es in Nummer 41 vom 9. Oktober dieses Jahres schreibt: „Da dieses auch in unmoralischer Hinsicht höchst schädliche Gebühren sich immer mehr einbürgert und zu vielfachen Klagen und Beschwerden schon Anlaß gegeben hat, so scheint es angezeigt, auch in der Presse einmal dagegen Stellung zu nehmen. Käufer wie Verkäufer sollten sich weigern, solche Blutsauger im Handel Mitwirken zu lassen, da es ihrem Charakter durchaus keine Ehre bringt. Geradezu beschämend aber ist es, wenn Kommissionen von Gemeinden mit solchen Schmusern in Handel treten, da sie sich dadurch das Zeugnis entweder der Unfähigkeit oder der Unehrlichkeit aus- stellen. Unehrlich sind sie, wenn auch nicht ihrer Gemeinde, so doch mindestens ihren Berufsgenossen gegenüber, indem sie mithelfen, dieselben über den wirklichen Wert oder eines Tieres zu täuschen. Unfähig sind sie, wenn sie zu zweit oder dritt nicht imstande sind, einen ihnen passenden Farren herauszusuchen und zu bewerten, sondern dazu einen Schmuser benötigen, dem das Wichtigste nicht das Wohl der Gemeinde, sondern sein eigenes Ich ist und der sich deshalb regelmäßig auf die Seite stellt, von der er am meisten oder am öftesten etwas bekommt und das ist eben nicht die Kommission, sondern der mehr oder weniger professionsmäßige Far- renhändler. So kommt es dabei vor, daß Kommissionen oft geringwertige Tiere zu verhältnismäßig hohem Preise nach Häufe bringen, weil sie sich eben durch die Redegewandtheit eines Schmusers im Verein mit einem betreffs Ehrlichkeit meist zweifelhaften Händlers blenden ließen. Um dieser Gefahr zu entgehen, sollten die Kommissionen deshalb grundsätzlich kein Tier kaufen, bei dem ungebetene Schmuser im Spiele sind. Zum mindesten sollte aber jeder, welcher von solch einer aufgezwungenen Hilfe weiß, der Steuerbehörde über den jeweiligen „Verdienst" des Blutsaugers Anzeige erstatten, damit er wenigstens zur richtigen Steuer herangezogen werden kann." Diese gut gemeinten Ausführungen sind leider nur zu berechtigt. Mögen sie bei unseren Landwirten und auch von den Gemeindeverwaltungen gebührende Beachtung finden!
* Calw, 13. Okt. In verflossener Nacht zwischen 12 und 1 Uhr ist das Fabrikgebäude von Otto Krüger in Hirsau (frühere E. Horlacher'sche Ziegelei) total niedergebrannt. Das Kontorgebäude blieb unversehrt. C. W.
js Reutlingen, 13. Okt. Trotz aller Versuche hat man bis jetzt den Ursprung der Typhus-Infektion noch nicht gefunden.
st Schwenningen, 13. Okt. Der Bauer Johannes Kaiser in Tuningen wurde unweit des Ortes tot aufgefnnden. Auf dem Gang zum Felde war er von einem Herzschlag getroffen worden.
st Stuttgart, 13. Okt. Der der Mittäterschaft beim Kaufmann'schen Juwelendiebstahl verdächtige Bruder des Haupttäters Gustav Rode, Eugen