st Schramberg, 10. Ott. Der unter dem Ver­dachte der Brandstiftung in der Moserschen Möbel­fabrik verhaftete Arbeiter Kaiser ist wieder aus der Haft entlassen worden, da sich keine Anhalts­punkte für seine Schuld feststellen ließen.

st Tübingen, 9. Okt. Der bekannte Historiker Professor Dr. Wilhelm Busch hat eineu Ruf an die Universität Marburg erhalten. Es ist noch keine Entscheidung darüber gefallen, ob er dem Rufe Folge leisten wird.

st Tübingen, 9. Okt. Gestern hat der Fort­bildungskurs für Sanitätsoffiziere hier an der Uni­versität begonnen. Es nehmen daran teil 6 aktive Stabs- und Assistenzärzte und 15 Oberärzte der Reserve und Landwehr. Den Unterricht erteilten Staatsrat Generalarzt Professor Dr. von Bruns, Professor Dr. von Froriep, Professor Dr. von Rom­berg, Professor Dr. Gaupp, Professor Dr. Wolf und Regimentsarzt Oberstabsarzt Dr. Schloßberger. Im Universitätsreitinstitut finden Reitübungen statt.

* Schwenningen, 8. Okt. Ein tragisches Ge­schick hat seither über der Familie des Fuhrmanns Erhard Müller hier gewaltet. Bor ein paar Jah­ren starb der Mann an den Folgen eines schweren Unglücksfalles, im September vorigen Jahres er­litt'die Frau wohl infolge der Aufregung über große pekuniäre Verluste einen Gehirnschlag, der den so­fortigen Tod herbeiführte, und vorgestern traf die telegraphische Nachricht ein, daß der einzige, 19- jährige Sohn durch einen Unglücksfall den Tod erlitten habe. Der junge Mann hat erst letzten Frei­tag die Heimat verlassen, um eine Stelle aus einem Gute bei Möckmühl anzunehmen.

st Schwenningen, 10. Okt. Laut Schwarzw. Boten haben die bürgerlichen Kollegien mit Rück­sicht auf die schlechte Finanzlage der Stadt nun­mehr den Wegfall des letzten Rests des Bürger­nutzens, bestehend aus 2,9 Morgen Allmendfeld, beschlossen. Die eingezogene Allmaud soll teils ver­pachtet, teils mit Wald angepflanzt werden. Die Stadt ist genötigt, eine Umlage zu erheben, die mit ihren vierzehn Prozent die höchste sämtlicher größeren Gemeinden des Landes ist.

p Schwenningen, 10. Okt. Als der Dreschma­schinenmeister Jäckle mit Motor und Maschine hier durchfuhr, versagte die Bremse und der Motor jagte in den Laden des Bürstenmachers Wunderte. Er stürzte vor dem Hause um und begrub seinen Be­sitzer unter sich. Jäckle trug einen Bruch des rech­ten Oberschenkels und einige, zum Glück nicht schwere Quetschungen davon. Der Materialschaden ist da­gegen sehr bedeutend.

st Tuttlingen, 9. Okt. Die hiesige Schuh Wa­renindustrie klagte seit Frühjahr über ziemlich flaueren Geschäftsgang als in anderen Jahren und auch jetzt noch hört man von der Kundschaft über zu große Lagerbestände klagen, sodaß der Versand in verschiedenen Geschäften immer noch ziemlich flau ist, wenn man bedenkt, daß jetzt die stärkste Versandtzeit sein sollte. Merkwürdig ist, daß einige andere Fabriken derselben Branche zur Zeit mit Ueberstunden arbeiten lassen.

j' Stuttgart, 9. Okt. Der Polizeibericht schreibt: Gestern abend halb sechs Uhr wurde in Cannstatt die Leiche eines auswärtigen 43 Jahre alten Wirts aus dem Neckar geländet. Zweifellos liegt Selbst­mord vor. Heute früh 7 Uhr wurde bei der

Stadtmühle in Cannstatt die Leiche eines bis jetzt unbekannten Mannes aus dem Neckar geläudet und ins Leichenhaus des Steigfriedhofes verbracht. Der Verlebte war ca. 25 Jahre alt, ca. 1,70 Meter groß, hat halbvolles Gesicht, dunkelblonde Haare, bartlos, an der Nase eine sogen. Hasenscharte.

ss Stuttgart, 9. Okt. Oberbürgermeister v. Gauß hat das Ehrenpräsidium über die 9. Fachausstel­lung des Verbandes Deutscher Flaschner-, Klempner- und Installateur-Innungen übernommen, die vom 4. bis 20. Juni nächsten Jahres in der Gewerbe- Halle zu Stuttgart abgehalten wird und bekanntlich unter dem Protektorat des Königs stattfindet.

st Stuttgart, 9. Okt. Der Kongreß für Innere Mission, der in der abgelaufenen Woche hier tagte, hatte auch das Stadtschultheißenamt zu seinen Ver­handlungen, insbesondere zu seiner Eröffnungs­sitzung eingeladen. Es hat auf dem Kongreß sowohl wie in ganz Stuttgart großes Aufsehen erregt, daß diese namhafte Versammlung von Hochschullehrern, Pfarrern und angesehenen, besonders um die Werke der christlichen Nächstenliebe verdienten Männern von der Stuttgarter Stadtverwaltung völlig igno­riert worden ist. In der letzten Gemeinderatssitz­ung hatte deshalb Gemeinderat Dr. Mattes eine Erklärung abzugeben, die die Sache aber nur noch schlimmer gemacht hat.

st Stuttgart, 9. Okt. In den letzten Tagen hat ein angeblicher Kanzleiunteroffizier Müller aus Ulm, der die Unteroffiziersuniform des hiesigen Dra­gonerregiments trug, verschiedene Betrügereien und Schwindeleien verübt. Unter anderem hat er einem Dragoner auf der Straße durch schwindelhaftes Vor­bringen den Säbel abgenommen. Er war vorher ohne Säbel herumgelaufen. Gestern nachmittag wurde er in Degerloch in dieser Uniform weiter be­troffen und von der Polizei festgeuommen. Man kannte in ihm den geistig nicht normalen Bäcker Schumacher von Sindelfingen, der früher in Stutt­gart in Offiziers- und Unteroffiziersuniform mehr­fach Betrügereien verübt und einmal einen großen Auflauf verursacht hat. Warum läßt man den kran­ken Menschen immer wieder frei herumlaufen?

* Stuttgart, 10. Okt. Wie alljährlich hat Ihre Majestät die Königin auf ihr Geburtsfest eine Reihe von Einrichtungen der Wohltätigkeit und der Wohlfahrtsvflege mit außerordentlichen Zuwend­ungen bedacht. Die Förderung der Bezirkswohltätig- kcitsvereine durch die Zentralleitung, die Kleinkin­derfürsorge, Anstalten für Ausbildung und für Be­wahrung der weiblichen Jugend, Krankenpflege, Nvt- standsfälle auf dem Lande, sowie die ländliche Wohl­fahrtspflege haben hiebei Berücksichtigung gefunden.

st Heilbronn, 9. Oktober. Die Neckarzeitung veröffentlicht ein bemerkenswertes Urteil des Majors Groß über den Grafen Zeppelin. Major Groß hat in einem Briefwechsel mit einem Heilbronner Herrn anläßlich der Kaisermanöver- fahrteu seines Luftschiffes unter anderem folgendes geschrieben: Ihr freundliches Schreiben und die da­rin enthaltenen schönen Photographien haben mir eine aufrichtige Freude bereitet, haben Sie herz­lichen Dank hiefür. Wenn es mir gelungen sein sollte, mit unserem Luftschiff zu zeigen, daß wir keineswegs Konkurrenten, sondern Mitarbeiter an einem großen patriotischen Werke mit Ihrem großen Landsmann, dem auch von uns und insonderheit von mir hochverehrten Grafen Zeppelin sind, so

würde dies für mich eine ganz besondere Genug­tuung sein und mich für viele ungerechtfertigte An­feindungen entschädigen. Ob starr, unstarr oder halbstarr die Luftschiffe gebaut werden, das ist ganz einerlei; die Hauptsache ist immer, daß sie ge­meinsam unserem lieben deutschen Vaterlande zur Ehre und zum Wohle gereichen, sie haben alle die gleiche Berechtigung und den gleichen Zweck. Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung Ihr er-, gebenster Major Groß. Zur Veröffentlichung dieses Schreibens durch die Neckarzeitung hat Major Groß auf Anfrage seine Einwilligung gegeben.

st Enzberg, 9. Okt. Am 7. Oktober fand hier eine Versammlung von Gemeindevertreteru aus 22 Orten der Bezirke Maulbronn, Vaihingen a. E. und Leonberg statt behufs vorläufiger Besprechung über die Bildung eines Elektrizitätsverbandes. Es sollen aus der Enz 537 Pferdekräfte gewonnen werden. Die Pferdekraft soll sich auf 840 Mark stellen.

st Güglingen, OA. Brackenheim, 9. Okt. Die Vorlese in den Weinbergen mit früheren Sorten hat begonnen. Gewogen ergab der Neue 70 Grad, was tein schlechtes Zeichen für die Güte des Heurigen ist. Auch Kostproben von Portugiesern, Frühklevnern und Sylvanern schmeckten recht süß. Die frühen Trauben können deshalb unbedenklich geholt werden. Die regnerische Witterung drängt auch dazu.

st Hausen, ob Verena, 9. Okt. Der verheiratete etwa 52 Jahre alte Landwirt und Gemeinderat Johs. Klaiber kam beim Eggen eines Ackers so un­glücklich unter die eiserne Egge, daß er be­wußtlos und schwer verletzt vom Platze nach Hause gebracht werden mußte.

st Ellwangen, 9. Okt. Auch am hiesigen Gym­nasium hat es ähnlich wie in Rottweil in letzter Zeit ernste Strafen gesetzt. Fünf Schüler vom Ober­gymnasium wurden wegen Zugehörigkeit zu einer geheimen Verbindung von der Schule verwiesen, 2 weitere erhielten Karzerstrafen und das Ultimatum.

st Balingen, 10. Okt. Als der ledige Robert Kästle aus Endingen in einer hiesigen Brauerei mit Dachdecken beschäftigt war, lösten sich einige Dach­sparren und er fiel in die Eyach. Seine Verletz­ungen, die hauptsächlich in Kopfwunden bestehen, und genäht werden mußten, sahen anfangs ge­fährlicher aus, als sie sich bei der ärztlichen Unter­suchung herausstellten.

st Aus Hohenzollern, 9. Okt. Als der 21iähr. Maschinist Aug. Maier in Heiligenzimmern bei seiner Dreschmaschine den Benzinmotor antreiben wollte, wurde ihm der Triebet mit solcher Wucht an den Kopf geschleudert, daß ihm die Hirnschale durch­schlagen und die Stirne aufgeschlitzt wurde. Er Mußte bewußtlos vom Platze getragen werden und wurde gestern in die Klinik nach Tübingen gebracht.

st Giegen a. Br., 9.. Okt. Die Stadt steht seit seit einiger Zeit in Unterhandlung mit der Staats­forstverwaltung wegen eines Waldtauschpro- jektes. Die erstere besitzt nämlich auf den.Mar­kungen Nattheim und Schnaitheim etwa 200 Morgen Wald inmitten des Staatswaldes gelegen, aber 13 Kilometer von der Stadt entfernt, während der Staat einige Kilometer von der Stadt entfernt eben­falls Wald -besitzt. Behufs billigeren Wirtschafts­betriebs und Arrondierung stellte die Stadt bei der Staatsforst-Verwaltung den Antrag auf Tausch und beauftragte einen forstlichen Sachverständigen mit

Bom 35. Kongreß für Innere Mission.

Wir haben schon in einem Bericht vom 35. Kon­greß für Innere Mission über den Vortrag von Prof. Dr. Wurster-Tübingen: Wie bewahrt die Innere Mission ihre Eigenart bei den wechselnden und wachsenden Aufgaben'? kurz berichtet und neh­men nun heute Gelegenheit, im Folgenden auf diesen wichtigen Vortrag noch näher einzugehen.

Der Redner formulierte seine Frage auch so: stehen wir noch im Betrieb der Inneren Mission auf der Höhe Wicherns, seinem Jdealbegriff von der Inneren Mission, die eine Erneuerung des ge­samten Volkslebens auf neue Weise durch Mobil­machung aller lebendigen Kräfte des Evangeliums bringen und die Kirche der Reformation zur wahren Volt kirche machen soll ? Wohl hat das Pfarramt einen reicheren, mannigfaltigeren Geschäftskreis, die Gemeinden ein reicheres Leben bekommen; die staatliche und humanitäre Wohlfahrtspflege ist zu eigener Tätigkeit angelegt worden; was die Innere Mission in die Hand genommen, nahmen anders auf in der Hoffnung, mehr zu erreichen. Neben der Humanitären interkonfessionellen Richtung trete eine neupietistische auf und es ergebe sich ein Pro­zeß konkurrierender Faktoren. Die Wohlfahrtsleute nehnien einen Teil der Arbeit weg, aber es sind andere Gesichtspunkte: Bolkspflege, Heimatpflege, Gesundheitspflege, soziale Versöhnung. Auf der an­deren Seite stehen die Kirche und fasse vielfach alles unter dem Gesichtspunkt der Gemeindepflege, und gerade durch sie drohe der Inneren Mission das tragische Geschick, dafür angesehen zu werden, daß sie verweltliche und die Kirche nicht erneuern könne. So müsse gefragt werden, ob die Innere Mission ihre Eigenart bewahre, als Dienerin der Volks­

kirche das Volksleben zu einem christlichen zu ge­stalten, mit dem Maßstab und mit der Kraft des Evangeliums. Dabei ist aber stets das entschei­dende Motiv die evangelische Sorge für die Seele. All ihre Arbeit will sie aber in voller Sslständig- keit leisten, doch in kirchlichem Geist und Hand in Hand mit der organisierten Kirche. Der stete Wechsel ihrer Aufgabe ist begründet in der Uebernahme ihrer Arbeit durch die in erster Linie verpflichteten und berufenen Faktore, Familie, Kirche, Staat, deren Arbeit sie zunächst ergänzend ausgenommen hatte, wofür die Innere Mission durch das Auftreten neuer Probleme immer wieder neue Aufgaben erhalte, deren Lösung sie versuche mit immer neuen Arbeits­methoden. Auch dadurch wächst ihre Aufgabe, daß vorhandene Notstände schärfer erkannt und neue Hilfsmittel und Kräfte herangezogen werden. Sie ist bei ihrer eigenartigen Arbeit' mancherlei Ge­fahren ausgesetzt, die eben jetzt deutlicher hervor­treten. Sie darf sich nicht in diakonischer Einzel­arbeit begnügen lassen, sondern muß immer den großen Gesichtspunkt der Volkserziehung festhalten. Sie darf sich nicht an sozialen oder sozialpolitischen Maßnahmen genügen zu lassen, sondern muß stets das Seelsorgerliche in den Mittelpunkt ihrer Be­strebungen stellen. Sie darf auch nicht eine selbst­ständige Nebenorganisation neben der Kirche sein, weder eine pietistische Sondergestaltung noch ein Kirchlein in der Kirche. Die Innere Mission muß zur Ausrichtung ihrer eigenartigen Aufgabe selbst­verleugnend die Bereitwilligkeit haben, zu rechter Zeit und in der rechten Form den geeigneten Teil ihrer Arbeit anderen Faktoren überlassen, uichr Ge­biete änfassen und festhalten, die von anderen Kräf­ten ebenso gut oder besser bearbeitet werden, und diejenigen Arbeitsgebiete, die innere Eigenkraft ge­

wonnen haben, zum weiteren Ausbau den hiezu berufenen Instanzen überlassen. Es bleibt ihr immer Arbeit genug und sie kann um so mehr im Blick auf das Bolksganze der besonders gefährdeten Teile sich annehmen. Für die Gegenwart wird für sie besonders wichtig sein die Darbietung gründlich aus­gebildeter, zuverlässiger Persönlichkeiten, namentlich auch männlicher Hilfskräfte. Diese wachsen nicht in dem Maß, wie das Bedürfnis. Die Diakonissen ha­ben einen Durchschnittszuwachs von 550, 3ein- halb Prozent, wozu noch die Kräfte des Diakonie­vereins kommen mit einem Nebeneinander verschie­dener Arbeitsmethode und der Aufgabe, voneinander zu lernen. DieBrüder" haben einen Zuwachs von 6 Prozent. Aber die dreifache Zahl wäre nötig, besonders auch für Arbeiter- und Gewerkschafts­sekretäre, um den Vorsprung der katholischen Kirche hereinzuholen. Die Jugendvereinsarbeit, die viel wertvolles Material liefere, sei nicht immer auf der Höhe. Sie habe vor allem Persönlichkeiten zu bilden, mit neuen Arbeitsmethoden, unter liebevoller Berücksichtigung der Jugendseele mit weiterem Hori­zonte. Ganz wichtig hält der Vortragende für unsere Zeit die Volksapologetik unter Vermeidung allen dogmatischen theologischen Gezänks. Da gebe es keine positive oder liberale Theologie, da dürfe man sich nicht wegen dogmatischer Schattierungen gegen­seitig angreifen. Die gemeinschaftlichen Glaubens­gründe festzuhalten und zu verteidigen sei die Ab­sicht der volksapologetischen Tätigkeit. Dabei wird die Innere Mission die fruchtbringende Verbindung mit der Gemeinschaftsbewegung weiter Pflegen und ihre Leute zur Arbeit heranholen. So soll die Innere Mission in den verwickelten Verhältnissen unserer Zeit ihre Eigenart nicht nur behaupten, sondern mit neuer Kraft durchsetzen. ,