mit seiner Flinte anlegte nnd daß sein Kamerad Retter dadurch veranlaßt wurdp, das Gleiche zu tun. Gegen Retter wurde nun Anklage wegen fahr­lässiger Tötung erhoben und die Strafkammer ver­urteilte ihn zu zwei Monaten Gefängnis.

* Stuttgart, 7. Okt. Die jetzt veröffentlichte Verkehrs- und Geschäftsstatistik der württemberg- ischen Zollstellen über das Jahr 1907 enthält auch Mitteilungen über den Verkehr auf dem Ne­ckar. Der Durchgangsverkehr in Heil- bronn von Flößen aus dem Schwarzwald, auf der Enz und im Neckar geflößt, nach Mann­heim bezifferte sich nur auf 30; in Heilbronn ein­gebunden und nach Mannheim abgegangen sind da­gegen 203 Floße.

ss Stuttgart, 6. Okt. Der sozialdemokratische Verein Groß-Stuttgart veranstaltete gestern abend im Dinkelackers-Saalban eine zahlreich besuchte öffentliche Versammlung, in der der Reichs­tagsabgeordnete Hildenbrand über das Thema: Herr Erzberger, der Märchenerzähler. Das Zentrum und die R e i ch s f i n a n z r e - form" sprach. Das Zentrum habe das Bedürfnis empfunden, die Stellung der Fraktion bei der Ver­abschiedung der Reichsfinanzreform nach Möglichkeit zu beschönigen. Dazu sei Erzberger, der seine Stu­dien auf einer Jesuitenschule gemacht habe, der be­rufenste Mann gewesen. Redner besprach der Reihe nach sämtliche neue Steuern. Die Reichsfinanzre­form stelle sich als eine komplette Pfuscharbeit dar. Das Zentrum habe seine Wähler direkt beschwindelt, als es vor den Wahlen sich als eine Partei gebär­dete, die gegen eine Vermehrung der indirekten Steuern stimmen werde. Der Sturz Bülows und die Beseitigung des liberalen Blocks seien die Haupt­ziele des Zentrums bei der Reichsfinanzreform ge­wesen, durch die den Arbeitern neue Lasten anf^ erlegt wurden. Kein Mensch als die katholische Kirche habe in Deutschland an Kulturkampf gedacht. Das Zentrum fürchtete den liberalen Gedanken auf dem Gebiete der Schule und in der Frage der Tren­nung von Kirche und Staat. Die Herrschaft des Zentrums bedeute aber die Herrschaft der Reaktion. Seine Macht beruhe auf den katholischen Arbeiter­massen. Es erstrebe die Herrschaft des Klerikalis­mus über den Staat, an der die Arbeiterschaft kein Interesse habe. Wo die Kirche die Macht besitze, sehe man eine Verelendung und Ausbeutung der Arbeiterklasse. Nur um die Arbeiter ansbeuten zu können, habe der Kleriialismus alle wirtschaftliche Macht an sich gerissen. Die Arbeitermasse stehe in dauerndem Kampf gegen den Klerikalismus, denn der Arbeiter verlange nach Bildung, der Klerikalis­mus hingegen begünstige die Dummheit. Wenn heute der Arbeiter seiner Frau am Freitag das Haushal­tungsgeld übergebe, sei die Familie schlechter daran, als vor zehn und fünfzehn Jahren. Das verdanke man dem Zentrum. Mit einem Aufruf an die katholischen Arbeiter, sich der Lozialdemolratie an­zuschließen, schloß Hildenbrand seine dreistündige Rede unter dem Beifall der Versammlung. Auf mehrmalige Aufforderung meldete sich kein Gegner der Ausführungen des Referenten zum Wort. Nach­dem Parteisekretär Pflüger sich gegen den Bericht des Volksblattes über die Versammlung bei Wulle gewandt hatte und ein Volksvarteiler für die Ein­führung des Frauenstimmrechts eingetreten war, nahm die Versammlung eine scharfe, gegen das Zen­trum gerichtete Resolution an.

Mber die Umgäerrrig kranker «nd fehler­hafter Weine «ach dem «eae« Weingesetze

Von Professor Dr. Richard M eiß n e r-Weinsberg.

Nach dem neuen Weingesetze vom 7. April 1909 ist die Umgärung kranker und fehlerhafter Weine unter Verwendung eines Zuckerzusatzes schlechthin verboten. Ebenso ist es untersagt, derartige Weine, wie es früher vielfach geschah, auf frischen Trestern einer neuen, d. i. einer Umgärung zu unterwerfen. Man war in der Weingesetz-Kommissivn des Reichs­tages der Meinung, daß mit der Zulassung eines Zuckerzusatzes zur Ümgärung kranker Weine der durch Paragraph 3 zurückgedrängten Pantscherei eine Hin­tertür geöffnet werde. Nicht überstreckter und gut behandelter Wein werde nur selten krank; komme es aber vor und könne dann durch die bekannten, unbedenklichen Hilfsmittel der Kellerbehandlung, Lüften, Schwefeln u. ähnl. nicht geholfen werden, so sei der Wein eben verdorben und eigne sich nicht mehr zum Getränke. Die Umgärung sei bei geord­neter Kellerwirtschaft entbehrlich und in der Hand weniger gewissenhafter Leute ein gefährliches Mittel zur Umgehung des Paragraphen 3. Seitens der Re­gierung wurde aber mit Recht darauf hingewicsen, daß die von mehreren Seiten gegen die Gestattung der Umgärung kranken Weines geäußerten Bedenken nicht begründet seien. Es werde dabei übersehen, daß nur der Zusatz von Zucker, nicht auch von Zucker­wasser, vorgesehen sei, daß also der in der Möglich­keit einer Vermehrung des Weines gelegene Anreiz zum Mißbrauche des Verfahrens wegfalle. Äußer­

st Horrheim, OA. Vaihingen, 6. Okt. Der ver­witwete Bauer Ferdinand Seitter von hier ist beim Aepfelpflücken 5 Meter hoch vom Baume gestürzt, sodaß er infolge der erlittenen schweren Verletzungen in Lebensgefahr schwebt.

st Eßlingen, 6. Okt. Seit Freitag wird der etwa 30 Jahre alte Reisende Geßwein der Bauer- schen Kunstmühle vermißt. In der Kasse fehlen 23 000 Mark, die er nach und nach unterschlagen hat.

st Ober-Etzlingen, 6. Okt. Seit Samstag wird die 14jährige Tochter des Taglöhners Mayer ver­mißt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sie sich das Leben genommen hat.

st Ebingen, 6. Okt. Die in den 50er Jahren stehende Emma Sauter in Obergidisheim stürzte von der Obertenne ihres Hauses ab. Sie erlitt so schwere Verletzungen, daß sie, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, gestern nacht gestorben ist.

st Oehringen, 6. Okt. Heute nacht wurde im Bureau eines größeren Geschäftes eingebrochen. Es wurden etwa >800 Mark gestohlen, die nicht im Kassenschrank, sondern in einem verschlossenen Schreibpult, der aufgebrochen wurde, aufbewahrt waren. Die Diebe nahmen ihren Weg durch den Abort, schraubten dann das Schloß der verschlossenen Türe vom Geschäftslokal in das Kontor ab und er­brachen hierauf den Schreibpnlt, ließen aber den Kassenschrank unversehrt. Man ist den Tätern auf der Spur.

st Maulbronn, 6. Okt. In Pinache hat sich der 24jährige ledige Goldarbeiter Heinrich Geräts im Garten seiner Angehörigen durch einen Schuß ge­tötet. Dumme Schwätzereien über sein Verhältnis, wie sie oft aus dem Lande Mode sind, scheinen ihn zu dem Selbstmorde veranlaßt zu haben.

st Balingen, 6 . Okt. Gestern abend kurz nach vier Uhr zog ein schweres Gewitter über die Stadt und die Umgegend. Blitz und Donner wechselten rasch miteinander. Viele auf dem Felde arbeitende Leute eilten heim, unter ihnen auch die junge Frau des Herdfabrikanten Frey. Sie sank plötzlich vorn Blitz getroffen um und war sofort tot.

st Gmünd, 6. Okt. Seit Anfang Oktober ist das Bankgeschäft Konstantin Köhler hier infolge Uebergangs auf eine Aktien-Gesellschaft erloschen. An Stelle der Firma Konstantin Köhler ist jetzt eine Filiale der württembergischen Bereinsbank (Haupt­niederlassung in Stuttgart) getreten.

st Gmünd, 6. Okt. Am Sonntag, den 10. Okt. findet hier der württembergische Knabenhandarbeits­kongreß statt. Mit dem Kongreß ist eine Ausstellung verbunden, die Samstag von 1 bis 6 Uhr. und Sonn­tag von 8 bis 6 Uhr unentgeltlich offen steht. Die Ausstellung umfaßt württembergische Knabenhandar­beitswerkstätte Gmünder Lehranstalten und bekannte Werkstätte in Hamburg, Dresden, Leipzig, Hildes- Heim, Dessau, Glauchau und Zwickau.

st Waldsee, 6. Okt. Gestern fiel an der See­brücke ein 2 Jahre altes Kind eines Taglöhners wieder in den See. Auf das Geschrei des Kindes, das schon ziemlich weit Hinausgetrieben war, eilte Schuhmachermeister Gerstung herbei, sprang in den See und rettete es vom Tode des Ertrinkens.

* Friedrichshafen, 6. Okt. Heute früh um halb 11 Uhr unternahm Graf Zeppelin mit seinem Luft­schiff Z. 3 einen Aufstie g, an dem auch der Groß­

herzog und die Großherzogin von Hessen, PrinzHeinrichvonPreußenneb st Gemah­lin, die Prinzessin von Solms (Schwester des Großherzogs von Hessen), Geheimer Rat Fried- länder-Fuld-Berlin und Geh. Rat Möller-München teilnahmen. Die Fahrt richtete sich ans schweizerische Ufer und ging nach Konstanz hin und zurück. Um viertel 3 Uhr landete das Luftschiff wieder. Die Fürstlichkeiten waren von der Fahrt außerordentlich befriedigt und äußerten sich in diesem Sinne zu ihrer Umgebung. Der König von Württemberg be­wirtete die fürstlichen Herrschaften, während Graf Zeppelin die anderen Herren zu einem Diner im Deutschen Haus einlud. Morgen früh um halb 7 Uhr findet ein weiterer Aufstieg des Luftschiffes im Interesse von Versuchen mittels drahtloser Tele­graphie statt. Solche Aufstiege werden auch bis Mitte nächster Woche unternommen werden. Hier­nach wird Z. 3 sein Winterquartier in der neu er­richteten Halle im Riedlepark beziehen.

35. Kongreß für Jrinere Riffio«.

ss Stuttgart, 6. Okt. Der 35. Kongreß für Innere Mission hielt heute in der Liederhalle vier Spezial­konferenzen ab. Morgens 8 Uhr sprachen Kirchenrat Dr. Boeckh Augsburg und P. Großmann-Zehlendors (bei Berlin) überDiaronisseN'Multerhäuser und freiere Schwester- organisativnen", sowie Konsisrorialprosidenl Balan-Posen über das ThemaWie gewinnt die Innere Mission die Männer­welt zur Mitarbeit?" Um 11 Uhr referierten P. von Lüpke- Thalbürgel (Thür.) und P. Reischle-Hedelfingen überDie Innere Mission und das Land", Lup. Klingemann-Essen und P. D. Koch-Unterbalzheim überDie Innere Mission und die Volkserziehung durch die Kunst". An die Konferenzen schloß sich um 3 Uhr eiü gemeinsames Mittagsmahl im großen Saal des Stadtgarlens. Abends fand in der Lieder- hatle eine zahlreich besuchte freie V e r s a m m lu n g statt, in der Stadtmissionsiuspckror Vf. Braun-Berlin überStoecker und die Berliner Stadtmission" und Dekan Planck-Eßlingen überCharakteristisches aus der Inneren Mission Württem­bergs" sprachen.

st Pforzheim, 6. Okt. Der hiesige Schreiner­streik wird wohl nicht so lange dauern, als der Maurerstreik gedauert hat, denn bereits hat sich eine größere Zahl Arbeitgeber gestern mit den Ar­beitern bei einer unverbindlichen Aussprache auf dem Rathause geeinigt. Bei den Maurern kommt es auch noch nach Beendigung des Streikes zu Ausschreitungen. So wurde gestern an einem Neubau am Schützenhausweg ein Techniker, der dort als Maurer aushalf, ini Streit von zwei anderen Maurern zu Boden geworfen und geschlagen. Die Täter sind verhaftet.

' Frankfurt a. M., 6. Okt. Die Fahrt des Parseval- Ballons nach Koblenz wird morgen um 7 Uhr beginnen. Die Landung in Koblenz ist auf mittags 12 Uhr festgesetzt.

* Berlin, 6. Okt. Wie verlautet, geht man an maß­gebender Stelle mit der Absicht um, einen Reichsflug- apparat für militärische Zwecke ausprobieren zu lassen, um ihn eventuell anzukaufen.

' Eine junge Wäscherin in Waldsassen in Bayern sah im Bache ein Kind treiben. Sie sprang nach und rettete es. Als sie in ihre Waschküche zurückkam, sah sie zu ihrem größten Schrecken, daß ihr eigenes, unbewacht ge­bliebenes Kind in einem Kabel ertrunken war.

dem solle die Umgärung nur mit der von Fall zu Fall einzuholenden Genehmigung der zuständigen Behörden gestattet sein. Auf der anderen Seite unterliege es keinem Zweifel, daß die Umgäruna in manchen Fällen ein durchaus einwandfreies Ver­fahren zur Behandlung kranken Weines sei, das unter Umständen vor den anderen etwa in Betracht kommenden Verfahren sogar den Vorzug verdiene. Es sollte deshalb nicht unmöglich gemacht werden. Bei der Abstimmung wurde aber die Beibehaltung der Umgärung kranker Weine unter Verwendung von Zuckerzusatz abgelehnt. Nach dem bestehenden Ge­setze darf also Zucker oder Zuckerwasser nur bei der Verbesserung der Weine angewendet werden, und zwar wiederum nur zu dem Zwecke, um einem na­türlichen Mangel an Zucker, bezw. Alkohol oder einem Uebermaß an Säure abzuhelfen, lieber die hiebei zulässigen Verfahren, welche das neue Weinge­setz gestattet, habe ich mich eingehend in dem so­eben in dem Verlage von Eugen Ulmer in Stutt­gart erscheinenden Werke:Des Küfers Weinbuch" (durch die W. Riekersche Buchhandlung in Altensteig zu beziehen: geäußert. Dort findet sich auch ein Abschnitt über die Umgärung kranker nnd fehler­hafter Weine, wie sie sich nach dem neuen Wein­gesetze zu gestalten hat. Da über diesen Gegenstand ziemliche Unsicherheit in unseren Praktikerkreisen herrscht, eine Unsicherheit, die noch dadurch vermehrt wird, daß in den zahlreich zum Weingesetz erschie­nenen Kommentaren auf diesen Gegenstand nur ein­seitig eingegangen wird, so halte ich es im Inte­resse unserer beteiligten Kreise für durchaus not­wendig, diese Frage an dieser Stelle zu behandeln.

Einige praktische Beispiele möchte ich zunächst

herausgreifen. Es hat z. B. jemand einen Wein in seinem Keller liegen, der infolge seines Alters matt und fade im Geschmack geworden ist, den -er aber durch eine Aufgärung wieder jung und spritzig machen möchte. Es soll sich um einen Naturwein handeln, dessen Charakter als Naturwein durch die Umgärung nicht verloren gehen soll. Wie hat in diesem Falle die Umgärung zu geschehen? Daß es sich hiebei um eine in der Kellerwirtschaft allgemein eingeführte Behandlung dreht, die auch nicht den geringsten Schein der Pantscherei an sich hat, wird jeder zugeben müssen. Oder: Es liegt ein Wein vor, der bakterienkrank geworden ist, der aber aus Grund eingehender Untersuchungen nur durch eine Umgärung wieder hergestellt werden kann. Wie hat man hiebei zu verfahren? Wie schon oben hervor­gehoben wurde, kann das alte, vielfach in Anwen­dung gekommene Verfahren, hiezu süße Trester zu verwenden, jetzt nicht mehr in Betracht kommen. Oder: Wir haben einen bitter gewordenen Wein, der ebenfalls durch eine Umgärung wieder gesund gemacht werden kann, oder einen schwachstichigen Wein, dem man durch die Umgärung etwas von der Essigsäure nehmen möchte, oder einen pasteuri­sierten, d. h. in einem Pasteurisierapparat zur Ab­tötung von schädlichen Weinpflanzen auf 62 Grad Celsius erwärmten Wein, der aber durch das Ver­fahren Aromastoffe und Kohlensäure verloren hat. Wie hat man sich zu helfen, diese Weine unter Be­rücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen vor dem Verderben zu schützen und sie vor allem auch ver­käuflich zu machen?

Das Gesetz hat die Umgärung kranker und feh­lerhafter Weine nicht durchaus unmöglich gemacht.