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Fernsprecher Nr. 11.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

«r. srs.

Ausgabeort Alteusteig-Stadt.

Samstag, de« il. September.

Amtsblatt sSr Psalzgrafenroeiler.

LS09.

A«f dem Zeppelinschiff.

Die große« Manöver.

Eine prächtige Schilderung über die Eindrücke seiner Luftreise giebt der Reichstagsabgeordnete Friedrich Naumann, der mit den Reichstags­abgeordneten am 4. ds. der Einladung des Grafen Zeppelin an den Bodensee gefolgt und mitZ. 3" aufgestiegen ist. Naumann schreibt in derHilfe":

. . . Graf Zeppelin eröffnete seine Erklärungen mit den Worten: Sie sehen, meine Herren, wie einfach die ganze Geschichte ist! So spricht der Mann, dem schwere Dinge schließlich als ganz natürlich er­scheinen. Er zeigt uns den Aluminiumbau, spricht darüber, weshalb Aluminium dem Stahl vorzuziehen sei, zeigt die Steuerung, di-e neu eingesetzten Pro­peller und die Anker.

Es wurde eingestiegen. Uns, denen die Mitte zugedacht war, führte der Gras durch einen schmalen Gang aus der vorderen Gondel unter dem Bauche des Drachen dahin. Der Stuhl war an eine Alumi­niumstange angebunden. Wir saßen wie aus einem Balkon und warteten des Rauschens und Brausens. E? klirrt und klingelt urd surrt und brummt, and das Fabelwesen rutscht zunächst auf irgendwelchen schienen oder Bohlen abwärts, bis wir vor der Halle liegen und alles vom Licht übergossen um" uns herumwogt die weißen und bunten Kleider auf den Kähnen, die Köpfe aus den Dampfschiffen, die blauen Wellen, die Bäume am Ufer, das- mgsschloß und die Wolken. Leise aber hebt sich unser Uatz. Wir zwar merken nur, daß alle diese Dinge sich verschieben und sinken. Wie klein die Kähne sind! !lnd auch die Schiffe! Und wie groß der See wird, wenn man höher steigt ! Und wie das Land dahinten aufsteigt, grün und blau, mit Häusern und Kirchen und wunderbarer Ferne! Und während wir steigen, braust wieder der Zuruf: Zeppelin hoch!

Wie soll ich nun die Fahrt beschreiben ? Sie war so unendlich einfach, denn alles ging wie von selber. Kein Stoß, kein Rauch. Etwas Rauch entsteht zwar, aber wir merken nichts davon. Wir sitzen, als ob wir an hoher Küste über das Meer blicken, nur noch freier und Heller. Ich habe auf manchem hohen Berge gestanden, auf manchem Turm im Inland und Aus­land und bin dreimal mit dem Fesselballon aufge- gefahren, einmal über Berlin, einmal über Düssel­dorf und einmal über Paris. Alles dieses wacht jetzt wieder auf. So lag auch damals Land, Fluß Md Stadt da drunten, so winzig waren die Gebäude, so wunderbar die Wälder, so duftig blau und silbern me Weite, aber es ist heute doch eine andre Sache, denn wir steigen nicht einfach in die Höhe, sondern ändern beständig den Platz. Es scheint zwar, als ob wir in olympischer Ruhe beharren und nur der Erd­kreis unter uns sich das Vergnügen macht sich in wechselnden Lagen vor uns zu entfalten.

Vom ersten Augenblick an war das vollkommenste Gefühl der Sicherheit vorhanden. Weil wir in der Mitte saßen, fehlte gerade uns die Beobachtung der mechanischen Vorgänge, aber das hatte auch seine Ichr großen Vorteile, denn so verlor sich der Ge­danke an alles Gemachte und man lebte einen 4raurn. Alles sieht dabei so ungewohnt aus, anders Normt und anders beleuchtet. Wahrscheinlich würde der Eindruck viel besser sein, wenn der Himmel grau Md trübe wäre, heute aber hat jedes Ding da unten anien Schatten, und meist erscheinen die Schatten dem Auge deutlicher als die Dinge selber. Ganz Merkwürdig sind oft die Bäume, deren rundes Grün Mw graublauem Schattenuntergrund sich abhebt, ^as Wundervollste aber ist der Wald. Der Wald oben ist ein fast völlig neuer Eindruck, den auch >e Gebirgswanderung selten bietet, eben weil sie im Gevrrge stattfindet. Hier liegt der Wald vor uns Ze eine Wiese von Gipfeln, durchzogen von dunklen , lattengängen, belebt durch den Wechsel des Laubes n"" "er Nadeln. Und um den Wald herum streckt .w das Feld wie eine lebendige Landkarte. Man >ti>n Striche, alle Grenzen, alle Arten der Be- U, .^6,, ganz als ob man da oben im Fluge eine vert über Bodenverteilung und Fruchtfolge schrei-

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auf unsere Zeitung

Aus den Tannen'

gemacht werden.

ben sollte. Das ist Geographie im höheren Stil. Alles sieht man, die kleinen Brücken, die Geländer am Kanal, die Heuhaufen und das weiße Kopftuch der Bäuerin. Sie besteht aus Kopftuch mit Umge­bung. Ihre Kinder sind kleine kugliche Wesen, gleich­sam hüpfende Tropfen im grünen Haag. Und aus den Dächern stehen die Leute und winken mit ihren Tüchern nach oben, und sie alle haben etwas so merkwürdig Kurzes, als seien sie Kops und Füße. Die Stadt liegt unter uns, als sei sie von einem Architekten gemalt; jede Linie klar, jedes Dach genau erkennbar, alle Türme steil und steif, alle Gassen wie Hohlwege, in denen der Schatten lagert. Dort ist ein Kohlgarten, den unten niemand sehen kann, weil er von hohen Mauern umgeben ist; wir sehen ihn, denn für den Luftschiffer enthüllen sich alle Ge­heimnisse der Gärten und Höfe. Von hier sieht man, wer etwas tut und was er tut. Und wie vieles erscheint dabei so frisch, als hätte man es noch nie vorher gekannt! Da gibt es Türmchen und Erker- chen, die von oben wie Gelächter aussehen, und Blumenbeete, die gehäkelten Tischdecken gleichen. Alles Menschenleben sieht so nett auch so bunt, zier­lich und fast zerbrechlich. Man vergißt ganz, daß wir auf dem leichtesten Bau sitzen und hält die Welt am Hafen und jenseits des Bahnhofs für eine Spielschachtel.

Bitte, Herr Kollege, können Sie das Automobil erkennen, das da hinten von Lindau kommt? Wenn das Luftschiff jetzt zu militärischer Beobachtung aus­gesendet wäre, würde ihm sicherlich nichts Derarti­ges entgehen. Besonders mit dem Augenglas kann man jede Bewegung erfassen. Es sind vier Personen. Und dort ist noch eins. Wenn jetzt hier Manöver wäre! Man müßte dch Ausstellung glän­zend beobachten können. Und wie gut sieht man mit einem Blick den gesamten Schiffsverkehr auf dem Bodensee! Dort sind unsre vierzehn Dampfschiffe, daneben verschiedene Motorboote, hinten kleine Nuß­schalen, in der Ferne ziehen die Berkehrsschiffe lange Linien. Eine bessere Kontrolle kann es gar nicht geben.

So möchte man fliegen und fliegen. Was ist alle Eisenbahnfahrerei gegen diesen Lebensgenuß? Sicherlich werden sich auch daran die Menschen ge­wöhnen, wie wir uns an das Kommen und Ver­schwinden der Dinge vor dem Fenster des Bahn­wagens gewöhnt haben, aber noch lange Zeit wird es eine Sehnsucht für Viele sein, einmal wenigstens zwischen Sonne und Erde zu gleiten. Ob die Luft­schiffe starke volkswirtschaftliche Aufgaben in der Zu­kunft finden werden, weiß ich nicht, es ist mir das aber auch heute ganz gleich, denn jetzt bin ich völlig hingenommen von dem Zauber des Schwedens selber. Und wie gehorcht dieses Instrument! So gehorcht nur ein Pferd bester Rasse und Erziehung. Alles ist möglich. Wir grüßen Kirchtürme, indem wir über ihre Spitze fahren. Wie hoch wir waren, ist nicht ganz sicher, aber die Höhe ist auch nicht das Er­staunliche, sondern die Sicherheit, mit der ein Men­schenwille sich durch die Atmosphäre drängt. Bei gutem Wetter kann der neue Vogel es an Eleganz mit allen alten Vögeln aufnehmen, und auch den Kampf mit dem Unwetter kann er wagen, .wie die glückliche Rückfahrt von Berlin beweist. Dieses Lebe­wesen geschaffen zu haben, ist Ehre und Freude des Mannes, der jetzt beim Landen uns fröhlich zuruft: Nun, wie war es? Es war prächtig, Herr Graf, es war prächtig und unvergeßlich!

(Nachdruck verboten.)

In zwei Ländern herrscht in diesem Jahre an­gesichts der großen Herbstübungen ersichtliche Un­behaglichkeit bei den Militär-Verwaltungen, in Ruß­land und in England. In Petersburg haben die zahl­reichen Meldungen von der miserablen Wirtschaft im Ausrüstungs- und Proviantwesen, die schon immer den wunden Punkt in der Armee des Zaren bildeten, auf's Höchste verstimmt. Mag man auch so und so viel Regimenter zu den Uebungen zusammentrom­meln, es ist eine Tatsache, daß die Manöver nicht kriegsmäßig ausgeführt werden können, weil Pro­viant- und Transportwesen nicht leisten, was sie im Ernstfall leisten müssen. Was ist mit hungernden Soldaten und maroden Pferden anzufangen? Als vor fünfzehn Jahren große Uebungen bei Kiew statt­fanden konstatierte der Höchstkommandierende, der inzwischen verstorbene ausgezeichnete General Dra- gomirow, daß die Zwiebäcke für die Soldaten voll Maden, das Heu für die Pferde verfault sei. Und heute, nach anderthalb Jahrzehnten, nach den Er­fahrungen des Krieges mit Japan, will es noch immer nicht stimmen. Die altrussischen Zeitungen machen viele Worte von der europäischen Machtstel­lung des Zarenreiches, die sachverständigen und ein­sichtigen Petersburger Kreise denken aber darüber ganz anders. Denn Rußland erfreut sich, was für seine Entwicklung nur gut ist, wirklich einsichtiger Männer, die mit dem alten Schlendrian schnell aus­räumen möchten, wenn sie es nur könnten.

Noch etwas peinlicher beinahe ist die Stimmung bei den militärischen Autoritäten in London. Diese erfahrenen Generäle hören fortwährend Zeitungen und Publikum von Invasions-Gefahren und derglei­chen reden, dessen Wert sie natürlich zu beurteilen wissen; aber wenn sie in Anregung bringen, was wirklich im Interesse der rechten Schlagfertigkeit der britischen Armee unabweisbar ist, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, so stoßen sie bei Regierung und Bevölkerung auf einen unüberwindlichen Wider­stand. Der Engländer schätzt den gewöhnlichen Sol­daten heute noch gering, nachdem sich die Begeiste­rung während des Burenkrieges längst wieder ver­flüchtigt hat, und hat nicht die mindeste Lust, seine persönlichen Bequemlichkeiten zugunsten der militäri­schen Ausbildung aufzugeben. Das verstimmt; wenn die Londoner Heeresleitung auf die Armeen des Fest­landes blickt, schaut sie überall geschlossene Organi­sationen, während bei ihr mit allerlei Mittelchen her­umgedoktert wird, die nichts Ganzes, ja kaum etwas Halbes vorstellen. Die Miliz-Reform des Kriegs­ministers Haldane war doch auch ein Schlag ins Wasser, nicht einmal hierzu können die Briten sich entschließen; und für die Soldatenspielereien der englischen Jungens kann man wirklich keinen Enthu­siasmus zeigen, wenn eben die Hauptsache, der rechte Grundstock der Armee, der nötigen Kraft entbehrt.

Die deutschen und die österreichischen Manöver sind, wie bekannt, dies Jahr besonders großartig angelegt, aber auch die Franzosen haben sich gerüstet, etwas Besonderes zu bieten. Alle Pariser Zeitungen sind ja des Lobes voll über den neuen Höchst-Kom­mandierenden der Armee, der ein schneidiger Kaval­lerist und Draufgänger vom Schlage des verstor­benen Generals Gallifet sein soll. Die französische Armee hat zweifellos ein ausgezeichnetes Material an Offizieren und Mannschaften, und nur die lei­dige Politik stört vieles. Die Furchen, die die poli­tische Zwischenträgerei in die Disziplin der Armee gerissen hat, sind weit größer, als man außer­halb Frankreichs ahnt, sie können sich auch in voller Deutlichkeit erst bei einem Ernstfälle zeigen. Nun, bis dahin hat es wohl seine guten Wege, und auch die Beobachtung der großen Manöver durch die frem­den Militärbevollmächtigten erhöht die Einsicht, daß ein Feldzug selbst für den gewinnenden Teil ein kost­barer Tanz ist.