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Sonntag, dsn 1. August.

Amtsblatt lür Psalzgrasenwetler.

Wochen-Rundschau.

Die Eisenbahngemeinschaft.

Wenn es von Württemberg abhinge, würde der engere Zusammenschluß der deutschen Eisenbahnen nicht mehr lange auf sich warten lassen. Diesen Bestrebungen steht hierzulande eigentlich nur noch das Zentrum ablehnend oder doch min­destens sehr reserviert gegenüber. Dabei findet es aber, wie die Erörterung in der Ersten Kammer über den Eisenbahu- etat gezeigt hat, nicht einmal bei jenen Unterstützung, die ihm sonst politisch nahestehen den katholischen Standes­herren. Die Erste Kammer hat sich jetzt einer Resolution der Zweiten Kammer über die Wagengemeinschaft angeschlossen und unter Kenntnisnahme von der jüngst erschienenen Denk­schrift der Regierung über die Bildung eines deutschen Staats­wagenverbands ausgesprochen, daß sie in dem Staatswagen­verband mit Befriedigung den ersten Schritt aus dem Wege zu einem engeren Zusammenschluß der deutschen Eisenbahnen erblickt. Die Erste Kammer ersucht die württ. Regierung, auf die Erreichung dieses aus nationalen wie aus volkswirtschaftlichen Gründen so dringend erstrebenswerten Zieles nach Kräften hinzuwirken. Ministerpräsident v. Weiz­säcker erklärte sich mit dieser Entschließung einverstanden; die württ. Regierung werde alles tun, um die entgegenstehenden Hindernisse überwinden zu helfen. Sowohl vom Minister­präsidenten wie aus dem Hause wurde bei dieser Gelegenheit festgestellt, daß die anfangs lautgewordenen Klagen über die Wirkungen der Wagengemeinschaft, besonders den Mangel an großräumigen gedeckten Güterwagen ausgehört haben. Einstimmig und ohne Erörterung nahm die Erste Kammer einen von ihrer Kommission gestellten Antrag auf Erhöhung der Fahrpreise für die vierte Klasse an. Diese Erhöhung, die auch die Regierung für notwendig hält, wird zweifellos in nicht zu ferner Zeit erfolgen. Dann gab es noch eine teilweise humoristische Erörterung über das Rauchverbot in den Speisewagen. Der Fürst Löwenstein-Freudenberg erklärte, er würde es als keinen Kulturfortschrilt ansehen, wenn das Rauchen in den Speisewagen wieder gestattet werde. Die­jenigen, die rücksichtslos mit qualmendem Zigarrenstummel im Munde dasäßen, verekelten den anderen Reisenden das Essen. Freiherr v. Wöllwarth erwiderte unter vornehm ge­dämpfter Heiterkeit des hohen Hauses, daß das Rauchverbot gleichzeitig mit der Zulassung der Reisenden 3. Klasse in die Speisewagen in der Annahme erfolgt, daß die Reisenden 3. Klaffe schlechtere Zigarren rauchen als die andern. Das sei aber im allgemeinen nicht richtig; jedenfalls rauchten manche Abgeordnete, die in der 1. Klasse fahren, schlechtere Zigarren als gemeinhin die Reisenden 3. Klasse. Die Ehre der Reisenden 3. Klasse ist also gerettet; aber die Herren Abge­ordneten haben ihren Treff weg ; freilich hat es der Freiherr v. Wöllwarth nicht so schlimm gemeint als der Herr v. Brandenstein, der sich im preuß. Landtage einmal darüber aufhielt, daß die Abgeordneten und Eisenbahnbeamten, die die 1. Klasse bevölkern, von der Zerlegbarkeit ihrer Leibwäsche weitgehenden Gebrauch machen. . . .

Die Volksschulnovelle.

Die Erste Kammer ist in der vorigen Woche mit der Beratung der Volksschulnovelle zu Ende gekommen. Sic hat dazu, was für das Oberhaus immerhin viel ist, sechs Sitzungen gebraucht. Die Schlußabstimmung steht noch aus; allein sie wird keine Ueberraschung bringen, denn an der Annahme der Vorlage ist kein Zweifel. Es hat sich gezeigt, daß die unbedingten Gegner durchaus in der Minderheit sind. Eine große Mehrheit der Ersten Kammer ist, wenn auch nicht für eine einschneidende Schulreform, so doch immerhin für eine solche zu haben, die an die Stelle der bisherigen ausschließ­

lich geistlichen die Fach-Schulaufsicht setzen und die geistliche Ortsschulaussicht beschränken will. Die Erste Kammer hat sich dabei entsprechend den Anträgen ihrer Kommission im wesentlichen auf den Boden des Regierungsentwurfs gestellt: mit Ausnahme der Bestimmungen über den simultanen Cha­rakter der Hilfs- und der Mittelschulen sind alle von der Zweiten Kammer beschlossenen Aenderungen und Erweiter­ungen abgelehnt worden. Es gibt darunter eine Reihe von Punkten, bei denen sich die Zweite Kammer die Rückwärts- repidierung ihrer Beschlüsse nicht gefallen lassen wird. Die Vorlage wird also wohl eine mehr oder weniger lange und mühsame Wanderung zwischen den beiden Häusern durchmachen müssen. Es ist indessen zU hoffen, daß es gelingen wird, eine Einigung auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege des Kompromißes herbeizuführen. Zunächst beschäftigt sich jetzt die Volksfchulkommission der Zweiten Kammer mit den ab­weichenden Beschlüssen desjenseitigen Hauses".

Württ. Steuerfragen.

Die Zweite Kammer wird in diesen Tagen in eine Er­örterung über die allgemeine Finanzlage und die Steuerfrage eintreten. Das wird eine große Erörterung sein, denn es handelt sich, um wichtige Dinge, insonderheit um eine Steuer­erhöhung. Von der Volkspartei sind dazu Vorschläge ge­macht worden, die eine Abänderung der Regierungsoorschläge bezwecken, und zwar nach der Richtung, daß die Erhöhung verringert und anderweitig gestaltet wird mit Freilassung der geringen Einkommen und progressiv steigender Heranziehung der größeren Einkommen. Was aus diesem Vorschläge werden wird, steht dahin; auch die Erste Kammer hat da mitzureden, und dort ist die Geneigtheit zu Abstufungen zu Ungunsten der Besitzenden nicht eben groß. Im übrigen er­hebt jetzt, um ein geflügelt gewordenes Wort zu gebrauchen, die Bierschlange drohend ihr Haupt. Infolge der Reichs­finanzreform hat die württ. Regierung einen Gesetzentwurf über die Aenderung des Biersteuergesetzes von 1900 /inge­bracht. Der von Württemberg an das Reich zu zahlende Ausgleichsbetrag infolge der eigenen Biersteuergesetzgebung betrug bisher 1485 770 Mk.; künftig wird er infolge ver, Reichssinanzreform 6 435 626 Mk. betragen, also rund 5 Mill. Mk. mehr. Diese Mehrbelastung soll nun durch eine Erhöhung der Biersteuer ausgebracht werden, und zwar auf Grund einer veränderten Staffelung. Der Höchstsatz der Steuer beträgt 22 Mk. für den Doppelzentner Malz gegen 20 Mk. im norddeutschen Brausteuergebiet. Der Ertrag der Steuer wird auf 12 658 000 Mk. berechnet, 5 127 000 Mk. mehr als bisher. Auf den Hektoliter Bier macht die Steuer 1,60 Mk. aus. Die Begründung der Vorlage geht davon aus, daß die Brauereien die Steuer auf die Konsumenten abwälzen sollen und müssen. Das werden sie denn auch tun, und nicht nur das: sie werden versuchen, dem Publikum bei dieser Gelegenheit noch einiges mehr als den Betrag der neuen Steuer aufzuladen. In Norddeutschland haben sich Brauer und Wirte bereits auf eine ganz enorme Erhöhung der Bierpreise geeinigt. Auch in unserem Nachbarlande Hohenzollern ist man darüber schon im Reinen: dort will man sich mit einer Erhöhung von 3 Mk. pro Hektoliterbe­gnügen". In Württemberg warten die beteiligten Kreise zunächst die Erledigung der Biersteuervorlage ab. Man darf sich darauf gefaßt machen, daß auch den württembergischen Biertrinkern ein Erkleckliches mehr als die Steuererhöhung von 1,60 Mk. pro Hektoliter abgenommen werden wird.

SozialdemokratischeHofgänger" in Württemberg.

Württemberg hat nun auch seine sozialdemokratischen Hofgänger". Die beiden Kammern des württembergischen Landtags machten vorige Woche einen Ausflug an den Bodensee, wo sie in Friedrichshafen vom Könige zu einem

Imbiß im Schloßgarten geladen waren. Die sozialdemo­kratischen Teilnehmer sieben an der Zahl schlossen sich davon nicht aus. Einige von ihnen, die Abgeordneten Dr. Lindemann, Hildenbrand, Tauscher und Heymann, wurden bei dieser Gelegenheit vom Könige ins Gespräch gezogen. Was dabei gesprochen worden ist, wissen wir nicht. Jeden­falls haben sie dabei keinen Schaden an ihrer Seele ge­nommen, und dem König von Württemberg ist auch keine Perle aus der Krone gefallen. Er wird am Ende gesunden haben, daß die Herren in der Nähe gar nicht so schlimm sind, wie sie sich von weitem ausnehmen. Uebrigens ist auch zu vermelden, daß die sozialdemokratischen Abgeord­neten, als bei dem gemeinsamen Mahle der Kammern im Jnselhotel zu Konstanz ein Hoch auf den König von Würt­temberg und den Großherzog von Baden ausgebracht wurde, nicht etwa in schleuniger Flucht das Lokal verließen, son­dern sich mit erhoben. Man sollte ja meinen, daß das für gesittete Menschen selbstverständlich sein müßte. Aber be­kanntlich denkt man darüber in der Sozialdemokratie viel­fach anders. Und so wird es den sieben Schwaben, die sich vom König von Württemberg bewirten, gar anreden ließen, nächstens wohl schlimm ergehen. Der Parteitag steht vor der Türe, und da ist der Frevel von Friedrichshasen ein dankbares Thema.

Krisen-Nachklänge.

In der inneren Politik dauern die Erörterungen über die Reichsfinanzreform und das, was damit zusammenhängt, in unverminderter Heftigkeit an und das wird wohl den Sommer über so bleiben. Denn es fehlt nicht an immerneuen An­stößen. Zumeist sind die Auseinandersetzungen parteipolitischer Natur. Links steht gegen Rechts in heftigem Kampfe. Die Presse der Linken läßt nicht locker in derFestnagelung" der Kon­servativen und des Zentrums auf ihre Sünden und sie findet dabei im Publikum einen ungemein empfänglichen Boden. In diesen Tagen treten die neuen Steuern schon teilweise in Kraft, und sie haben sich sogar schon fühlbar gemacht, ehe es nur so weit ist. Wie geradezu lüderlich bei der Ge­setzesmacherei zu Werke gegangen worden ist, zeigt sich bei den Vorkehrungen über die Ausführung auf Schritt und Tritt. Besonders ärgerlich für die Regierung wie für die Mehrheit ist der Umstand, daß das Gesetz über die Talon- und Dividendensteuer zu ganz außerordentlichen Weiterungen führt. Dieses Gesetz tritt nämlich am 1. August in Kraft; zahlreiche Gesellschaften haben nun, da das nicht verboten ist, schleunigst- noch neue Zinsscheinbogen auf lange Jahre hin ausgegeben noch bevor die alten Zinsscheinbogen abge­laufen waren. Die Folge davon ist, daß das Reich um die Steuer geprellt wird. Das mag ja nicht gerade edel sein; aber in Steuersachen ist niemand zu Edelmut verpflichtet, und in den Kreisen der neuen Mehrheit wird er auch nicht gerade geübt. Die Hauptsache ist, daß das Sreuergesetz, dank der schlampigen Arbeit, die Umgehung ermöglicht. Der Bundesrat will das zwar, wie offiziös versichert wird, nicht ruhig hinnehmen; aber er hat nicht die Befugnis, von sich aus etwas an den Gesetzesbestimmungen zu ändern, und wenn er es dennoch versuchen sollte, wird es gewiß einen Rattenkönig von Prozessen geben. Der einzige Weg, der gangbar ist, besteht in der Schaffung eines besonderen Ge­setzes, und dieser Weg wird denn auch wohl im Herbst be­schritten werden. Ob man aber die Steuer für die vorzeitig ausgegebenen Zinsscheinbogen noch nachträglich erlangen kann, muß abgewartet werden. Natürlich fehlt es in den Organen der Linken nicht an beißendem Spott über diese Verlegenheiten. Das steigert die Gereiztheit, die auf der Rechten herrscht noch weiter. Hier seht man gewissermaßen Himmel und Erde in Bewegung um sich gegen die von allen Seiten kommenden Angriffe und Beschuldigungen zu wehren und das eigene Verhalten zu begründen und zu rechtfertigen