js Neckarhause«, (bei Horb), 14. Juli. Letzte Nacht wurde hier im Postamt eingebrochen und der Auf­satzkasten mit 300 Mk. in bar und 80 Mk. in Wertzeichen gestohlen. Verdächtigt, den Einbruch verübt zu haben, sind drei Zigeuner.

jj Herrenberg, 14. Juli. Es sind nunmehr auf der Strecke der TübingerHerrenberger Bahn alle Arbeiten so gut wie vollendet, südaß der Eröffnung dieser Teilstrecke bis 10. Augu t nichts mehr im Wege steht. Es wird allgemein begrüßt, daß durch die dreimalige tägliche Verbindung in jeder Richtung sie ist natürlich bis zur Eröffnung der ganzen Strecke nur provisorisch auch guten Anschluß nach Stuttgart vorgesehen ist. Wie wir hören, ist eine Feier erst bei Eröffnung der ganzen Strecke bis Tübingen West­bahnhof vorgesehen. Die Uebergabe der Teilstrecke soll in einfacher Weise erfolgen. Die Eröffnung der Strecke bis Tübingen wird nun auch nicht mehr lange auf sich warten lassen, man denkt an Ende Oktober, wobei allerdings Vor­aussetzung ist, daß das Wetter bald besser wird, denn der starke Regen erschwert die Erdarbeit außerordentlich. Die Uebergänge und Durchlässe von Eisen oder Beton sind schon jetzt fertig gestellt, doch ist die Gleislegung und die Bahn­dammbefestigung noch nicht vollendet. Auch die Stations­gebäude, mit Einschluß des größeren, Tübingen Westbahnhof, sind äußerlich vollendet. Allgemein wird dem lebhaftesten Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß der Landtagsab­geordnete Guoth die Vollendung des Werkes, das er mit allen Mitteln und allem Eifer gefördert hat, nicht mehr mit­erleben sollte.

ss Reutlingen, 14. Juli. In Gönningen wurde eine junge Samenhändlersfrau namens Wagner mit einer Ver­letzung auf dem Kopfe aufgefunden, während der Ehemann auswärts weilt. Die Behörde hat Untersuchung eingeleitet und wird wohl bald Licht in die Sache bringen. Die Frau liegt im Sterben.

' Schwenningen, 14. Juli. Das Sommerfest der Volkspartei des 9. Reichstagswahlkreises, das hier am kommenden Sonntag abgehalten wird, verspricht eine ein­drucksvolle Kundgebung der Demokratie zu werden. Ten Ansprachen bei der öffentlichen Volksversammlung, die nach­mittags um halb 3 Uhr imReutewald" stattfindet, dürste sich ein besonderes Interesse zuwenden, das sich durch die politischen Vorgänge der letzten Wochen in Reich und Land noch bedeutend erhöht. Es werden sprechen der Abgeordnete des 9. Reichstagwahlkreises, Konrad Haußmann, über »Die neue Reichsregierung", der Reichstagsabgeordnete Pro­fessor N ä g e l e - Tübingen über »Kulturfragen und Staats- sinanzen" und Landtagsabgeordneter L ö ch n e r - Stuttgart über »Die Schulnovelle und die Erste Kammer". Durch die Ausführung des Sonderzugs (Schwennigen ab 7.54 abends, Rvttweil an 8.30) mit Anschluß in der Richtung nach Horb und nach Tuttlingen ist auch entfernter Wohnenden der Be­such des Parteitags wesentlich erleichtert. Etwaiges schlechtes Wetter hoffentlich wirds einmal besser sollte niemand vomBesuch abhalten; denn der Saalbau des HotelsRößle", der bei Regenwetter benützt wird, bietet Raum für 1200 und mehr Personen.

js Bernhausen OA. Stuttgart, 14. Juli. Aus ganz geringfügigem Anlaß kam es auf der Straße Bernhausen-Aich in der Nähe vom Bahnhof zu Streitigkeiten, in dessen Ver­lauf auch das Messer eine große Rolle spielte. Dem 3/jäh­rigen verheirateten Karl Schlecht hier, Vater von 4 Kindern, wurden von mehreren Untersielminger Burschen 7 Stiche in Kopf, Brust und Rücken beigebracht. Nach Vollendung dieser Heldentat flohen die Helden, doch konnten sie sich ihrer Freiheit nicht lange erfreuen und sollen bereits hinter Schloß und Riegel verbracht sein. Der Schwerverletzte wurde bewußtlos von seinem Schwager, im Blute liegend,

auf gefunden und schwebt jetzt noch zwischen Leben und Tod.

jj Nürtingen, 14. Juli. Dem hiesigen Stationskomman­danten ist es gelungen, von der Stelle aus, wo die Ladne­rin Frida Scheurenverg erschossen wurde, die Fußspur einige Meter gegen Neckarhausen und auf den Neckar zu zu finden, die der Selbstmörder Popp gegangen ist, ehe er in den Neckar sprang. Am Flußrande wurde auch der Lodenhut gesunden. Die Leiche ist zweifellos von dem Hochwasser fort­getragen worden.

js Ebingen OA. Balingen, 14. Juli. Von der hiesigen Schutzmannschaft wurden zwei junge Leute verhaftet, der Gehilfe und der Lehrling einer Bäckerei, die verschiedene Male Einbruchdiebstähle ausgeführt hatten. Sie hatten es hauptsächlich auf Zigarren, Wurstwaren und Delikatessen ab­gesehen. Der Knopf einer Juppe, der im Laden gesunden wurde, führte zur Entdeckung der Diebe. Sie haben die Diebstähle bereits eingestanven.

j> Alsdorf OA. Welzheim, 14. Juli. Der Bauer Rau, der vorgestern nacht seine Frau mit einem Gewichlstein er­schlagen hat, hat sich heute flüh selbst der Behörde gestellt.

jj Ulm, 14. Juli. Das Hochwasser der Donau, das die Nacht über noch weiter gestiegen ist, hat die Militär- schwimmschule weggerissen. Auch mußte der Betrieb im städtischen Wasserwerk eingestellt werden. Das Wasser dürfte seinen Höchststand jetzt erreicht haben.

jj Ulm, 14. Juli. Die bürgerlichen Kollegien von Neu- Ulm haben dem dortigen katholischen Stadtpfarrer Mairhofer der wegen seiner toleranten und vornehmen Ge­sinnung die größte Schätzung weitester Kreise besitzt, an­läßlich seines silbernen Priesterjubiläums das Ehrenbürger­recht verliehen.

jj Vom Bodensee, 14. Juli. Der Seepegel ist gestern abermals um 14 Zentimeter gestiegen und steht nunmehr auf 4,52 Nieter, während der Stand am 12. Juli 1908 nur 3,85 Meter betrug.

js Metz, 14. Juli. Das Reichslustschiff »Z. 1" ist unter Führung des Hauptmanns George heute aceud um 8.45 Uhr au f g eft leg en. Die Fahrtrichtung ist unbekannt.

Zum Neichstanzlerwechsel.

Der Vorgang der Ernennungen.

* Berlin, 14. Juli. Die Unterredung zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bülow dauerte ungefähr eine Viertelstunde. Der Kaiser ging mit dem Fürsten Bülow Arm in Arm auf und ab, umarmte ihn beim Abschied und schüttelte ihm herzlich die Hand. Um 11'/z Uhr war Fürst Bülow wieder im Reichskanzlerpalais. Während Fürst Bülow beim Kaiser weilte, hatte sich die Kaiserin zur Fürstin Bülow begeben, begleitet von Prinzessin Viktoria Luise und einer Hofdame. Ungefähr in dem gleichen Augenblick, wo Fürst Bülow den Kaiser verließ, kehrte die Kaiserin ins Schloß zurück. Gleich darauf empfing der Kaiser den bayerischen Bundesratsbevollmächtigten Grafen Lerchenfeld und den Bevollmächtigten Württembergs, Herrn v. Varn- büler. Was nun folgte, widersprach aller höfischen Tra­dition; denn, während sonst die Ministerernennungen im stillen Kabinett vor sich zu gehen pflegen, vollzog sich dies­mal alles vor der breiten Oeffentlichkeit. Der Kaiser begab sich in den kleinen, nach der Spree zu gelegenen Garten unter dem sogenannten grünen Hut. In diesem Gartenteil ist ein antiker Brunnen, den der Kaiser von eiirer Italien- reife mitgebracht hat. Der Kaiser trug Marineuniform und weiße Mütze. Er spazierte mit v. Bethmann-Hollweg, der schwarzen Gehrock trug, in lebhaftem Gespräch auf und ab. Von dem gegenüberliegenden Spree-User, von der Burgstraße

Sei ehrlich gegen alle Welt,

Denn ehrlich währt am längsten;

Willst du es gegen dich selber sein,

Sei gegen dich am strengsten.

K. Doll.

Unter dem Gesetze. -

Roman von H. v. Schreibe rs hofeck.

Nachdruck verboten.

»Du bist wirklich unerträglich, Lina!" rief Alharda und sprang auf. Doch Lina, schneller als sie, ver­schanzte sich hinter dem Mitteltisch und lachte sie nur aus.

Nach allem, was ich je über ähnliche Lagen im Leben gelesen habe, denn staffiert ist es uns bisher ja noch nicht, wird man deiner in allernächster Zeit, zwi­schen jetzt und einer halben Stunde, in Vaters Stube bedürfen, und dazu möchtest du dich wenigstens in etwas vorbereiten." Alharda versuchte die Spötterin zu Haschen, und beide Mädchen jagten sich um den Tisch herum. Lina lachte ausgelassen.

Es ist nicht gerade geeignet, dir die notwendige vornehm-klassische Ruhe zu verleihen, die bei solch wichtigem Lebensabschnitt erwartet wird. Ha, ob Mut­ter es schon weiß?"

Wie ein Sturmwind fuhr Lina zur Tür hinaus, und mit einem Seufzer der Erleichterung sah ihr Al- harda nach.

Es konnten kaum zwei Schwestern verschiedener

sein als Lina und Alharda, aber eine selten innige Liebe und größtes Vertrauen verband sie. Nur über ihr Verlöbnis mit Ehrhardt hatte Alharda auf Wunsch der Mutter geschwiegen, die nur dem Vater die nötige Mitteilung gemacht. Verschwiegenheit und Geheimtun waren nicht üblich in der Familie Warnitz. Wie häu­fig in großem Familienkreise herrschte eine verblüffende Offenheit, die fast an Indiskretion streifte. Alles war Gemeingut, alles ward besprochen. Umso befremdlicher mußte Alhardas Sckweigen auf Lina wirken, die oder sehr bald den Schlüssel des Geheimnisses entdeckte. Eine geheime Rücksprache der Mutter mit Alharda, dann eine Zwiesprache der Eltern, der Schwester Erregung, ihre eigenen Gedanken über Ehrhardts Neigung zu Al­harda und ihr Wunsch, ihre Schwester so nah und glänzend versorgt zu sehen, genügten.

Doch Alharda fühlte sich zum erstenmal peinlich berührt durch die geringe Achtung, die ihren geheim­sten Empfindungen gezollt ward. Sie waren doch ihr alleiniges Eigentum, ihr heilig, zu keiner öffentlichen und noch dazu so rücksichtslosen, scherzhaften Behand­lung geeignet. . . . Es dauerte eine ganze Weile, bis sie in der Erinnerung an die gestrige Liebesstunde ihre Ruhe wiedergefunden hatte. . . . Wie köstlich es sich so träumte!

Auf einmal fiel ihr die Wirklichkeit wieder ein, sie sah nach der Uhr. Es war viel später, als sie ge­ahnt. Warum hatte man sie denn noch nicht gerufen? Unruhig horchte sie, ging an die Tür, lauschte hinaus. Ein gutes Zeichen konnte das nicht sein. Die Unruhe ging sehr bald in riesengroße Angst über. Sie überlegte ernstlicher, was sich wohl ehren Wünschen entgegenstellen könne, aber sie fand nichts. Was be­deutete diese Zögerung?

Die beiden Herren sahen allerdings nicht aus. als

her, verfolgte eine große Schar mit begreiflichem Interesse diesen Vorgang. Obwohl der Garten zahlreiche versteckte Stellen hat, die von außen her nicht sichtbar sind, promen­ierte der Kaiser mit v. Bethmann-Hollweg auf den Wegen wo das Publikum die Szenen bequem beobachten konntet Die Unterredung mit v. Bethmann-Hollweg dauerte drei­viertel Stunden. Zuerst sprach der Kaiser; Herr v. Beth­mann-Hollweg, der einen guten Kopf größer ist als der Kaiser, schritt neben dem Kaiser her und nickle fortwährend zu seinen Aeußerungen. Erst am Schluß nahm er das Wort. Um 11h, Uhr erschien ein Lakai, bald darauf betrat Fürst Bülow den Garten mit ernster Miene, schwarzem Rock und den Zylinder in der Hand. Der Kaiser ging ihm ent­gegen, schüttelte ihm herzlich die Hand. Die beiden gehen nun nebeneinander her in lebhaftem Gespräch, bisweilen er­greift der Kaiser den Arm des scheidenden Kanzlers. Die dichten Gebüsche entziehen dem Publikum die Abschiedsszene, doch soll sie sich sehr herzlich gestaltet haben. Dann eine Pause. Der Kaiser ist wieder allein, wenige Minuten später erscheint der neue Mann v. Bethmann-Hollweg. Alles blich gespannt auf die neue Phase der Gartenszene, eine herzliche Begrüßung, dann eine Promenade von mehr als Dreiviertel­stunden. Lebhaft gestikulierend sprach zunächst der Kaiser geraume Zeit, dann vertauschten sich die Rollen, v. Bekh mann-Hollweg spricht mit temperamentvollen Bewegungen, der Kaiser geht neben ihm her und erwidert ihm gleichfalls in lebhafter Weise. Zum Schluß schüttelte der Kaiser dem Staatssekretär lange die Hand und winkt diesem noch freund­lich zu, bis seine hohe Gestalt aus dem Garten schwindet. Wieder eine Pause. Nun suchte der Kaiser, der anscheinend durch die vorangegangenen Gespräche ziemlich erschöpft war, da er sich fortwährend in der Sonne aufgehalten hatte, eine schattige Stelle am Eingang zur Laube auf. Der Flügel­adjutant meldet ihm die Herren Delbrück, Sydow, Wermuth und von Trott zu Solz. Die vier Herren kamen in den Garten, der Kaiser gab ihnen die Hand und legte dem Ober­präsidenten von Trott zu Solz die Hand auf die Schulter. Bei der nun folgenden Unterredung führte der Kaiser un­unterbrochen das Wort. Er schien erhitzt und lüftete wieder­holt die Mütze, gestikulierte lebhaft und machte mehrfach eine Bewegung mit der Hand, als ob er die Luft durchschneiden wollte. Die vier Herren standen an der Laube, die Hände auf den Rücken gelegt und hörten zu. Der Kaiser blieb am Eingang der Laube, um Schalten zu haben. Als die Unterredung beendet war und die Herren das Schloß ver­lassen hatten, blieb der Kaiser im Garten und frühstückte dort mit seiner Familie im Gartenzelt im grünen Hut. Eine Viertelstunde darauf verkündete eine Extra-Anzeige des Reichs­anzeigers das Resultat der Gartenkonferenz, das wir gestern als letzte Nachricht noch veröffentlichen konnten.

Fürst Bülow über seinen Rücktritt.

" Berlin, 14. Juli. Fürst Bülow empfing gestern den Chefredakteur desHamburger Korre­spondenten" und gab ihm eine längere Erklärung über die Gründe seines Rücktrittes ab; er führte aus:

Sie werden nicht verlangen, daß ich mich gegen den albernen Vorwurf verteidige, es hätte mir an per­sönlichem Mut zu einer Reichstagsauflösung gefehlt. Ich habe lange genug im politischen Kampf gestanden und habe so viele Aktionen des letzten Jahrzehnts im Kampfe durchgemacht, daß man mich jetzt mit derartigen Anklagen verschonen sollte. Wenn ich es nicht für richtig gehalten habe, dem Kaiser die Auflösung vorzuschlagen, so haben mich sachliche Gründe bestimmt. Ich muß da anderen Erwägungen folgen als der Parteimann. Ich konnte mich nicht für einen Wahlkampf begeistern, der nach rechts hätte geführt werden müssen und zum notwendigen Er­gebnis eine gar nicht abzuschätzende Verstärkung des Ra­dikalismus und speziell der Sozialdemokratie gehabt hätte."

hätten sie etwas "Freudiges) Heiteres Jwäs "döch'sonff eine Verlobung, die Verbindung zweier Familien zu sein pflegt, soeben zum Abschluß gebracht.

Herr von Warnitz saß in dem Lehnsessel, neben dem Sofa hatte sich der alte Freiherr niedergelaffen und sein gerötetes Antlitz, seine finster zusammenge­zogene Stirn, seine düster blickenden Augen zeigten seine tiefgehende Verstimmung. Er galt im allgemeinen als ein gutmütiger, freundlicher Mann, aber die Sei- nigen wußten, daß er strenge bis zur Härte sein konnte und an sich wie an seine Umgebung sehr hohe An­sprüche stellte.

Sie mögen vom weltlichen Standpunkt aus recht haben," sagte der Freiherr von Ellern nach einem lan­gen drückenden Schweigen, in welchem sein Blick lang­sam durch das ZirnnM ging üstd zuletzt Alf etN«M Bilde Alhardas haften blieb, das auf einem TischäM in der Nähe stand. Dem alten Herrn war es zweifel­los, daß er zum letztenmal hier sei nach der so­eben erfolgen Aussprache konnte kein Verkehr zwischen den beiden Häusern fortbestehen.

Nichr vom christlichen aus." Der alte Herr schüt­telte seinen weißen Kopf.Sie lassen den Sohn büßen für eine Tat des Erbarmens, der Schwäche, wenn Sie wollen, weiter war es nichts."

Sie gestehen selbst zu, daß Sie den jungen Mann die Offizierskarriere nicht wählen ließen, in dem ganz richtigen Gefühl, daß es unmöglich sei, den Schatten zu ignorieren, der über ihm liegt und stets liegen muß." Herr von Warnitz ließ seinen Blick vorwurfsvoll, fast zornig auf dem alten Freiherrn ruhen, dessen Gesicht Trauer und Schmerz, aber keine Erbitterung zeigte.

Fortsetzung sokgr.