Ergründet

LS77.

GrschsÄrL LSgttch «u «uSv«ch«e der K-M- und Festtage.

G«r»,»pre«, für das Si«rteljahr Vs Bezirk und VsHbsrsrtSveÄehr M. 1.28.

Nßrrhalb Mk. 1.88

Skmtzblatt M

AllgeMMsKMM-

!>

SP

a«MW

UttrMeiL.Mlöl.

MöMterhaltungsblattZ

obsrsn ^/aqvlä./

Fernsprecher Nr. 11.

Anzeig»«p»«i» Sei einmaliger Vi» rückuog 10 Psg. die einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechend erRabatt

Reklamen 18 Psg« die Textzetl«

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

«r. 160.

Ansgabeort Altensteig-Stadt.

DisnStag, de« 13. Juli.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1S0S.

In der heurigen Nummer beginnen wir mit dem Abdruck des Romans:

Unter dem Gesetze"

von H. v. Schreibershofeck. Wir hoffen, daß unsere Leser den hochinteressanten Roman mit wachsender Spannung verfolgen werden.

RsichstagSfchlntz.

Der Reichstag tritt am Dienstag die große Sommer­pause an. um sich erst im Spätherbst wieder zur Fortsetzung seiner Beratungen in Berlin zusammenzufinden. Es sind ja gerade im abgelaufenen Sessionsabschnitt zahlreiche Ge­setzesvorlagen in den Kommissionen zwar mehr oder weniger weit gefördert, aber durch das Plenum nicht verabschiedet worden. Dieses hat vielmehr, nachdem der Etat kurz vor dem Osterfeste erledigt worden war. wiederholt in seinen Verhandlungen eintreten lassen, um der Finanzkommission Raum für die Vorberatung der großen Reformvorlage zu gewähren.

Bis um die Julimitte ist eine Reichstagssession nur ganz ausnahmsweise einmal ausgedehnt worden; selbst in der neueren Periode der langen Sessionen pflegte doch kurz vor Pfingsten der Schluß oder, wie tws nun auch schon seit Jahr und Tag unverletzliche Modesache geworden ist. die Vertagung der Session zu erfolgen. Und noch seltener und rühmlicher ist die Prüfung, die das Haus während der Finanzreform-Debatten Tag für Tag aufwies. Während die Entscheidung über den Zolltarif am 13. Dezember 1902 mit 202 gegen 100 Stimmen erfolgte, im ganzen also 302 Abgeordnete anwesend waren, ergaben die maßgebenden Ab­stimmungen über die Reichsfinanzreform die durchschnittliche Anwesenheit von 360 bis 370 Abgeordneten. Mag zu dieser einfach beispiellosen Prüfung immerhin die Gewährung von Tagegeldern etwas beitragen, die 1902 bekanntlich noch nicht gezahlt wurden, so kann doch niemand dem Reichstage die Anerkennung versagen, daß er während des verflossenen Sessionsabschnitts außerordentlich fleißig gearbeitet hat.

Entspricht diesem Fleiß der Preis? Die Antworten auf diese Frage lauten verschieden. Es gibt niemanden im deutschen Vaterland, der nicht die dringende Notwendigkeit, der Finanznot des Reiches abzuhelfen, anerkannte. Und das Reich kann jetzt wieder aufatmen; es sind ihm die Mittel zu seiner finanziellen Sanierung zur Verfügung gestellt. Da es sich um die gewaltige Summe von 500 Millionen jähr­licher Mehreinnahmen handelt, so erfordert es die Gerechtig­keit. die Leistung anzuerkennen, der die verbündeten Regier­ungen der Befreiung von den drückenden Geldsorgen zu danken haben. Aber dieser Ersatz wurde mit dem Sturze des vierten Reichskanzlers erkauft! Mußte das sein? Fürst Bülow selbst soll gesagt haben, die Entwickelung hätte einen andern Ausgang nehmen können, wenn die konservative Reichstagsfraktion es gewollt hätte. Und darüber kann wohl kein Zweifel bestehen: Würde eine Volks-Abstimmung vor­genommen, sie würde mit der Annahme der Regierungsvor­lage, insonderheit der Erbanfallsteuer geendigt haben. Gegen diese Steuer, für die Fürst Bülow sich persönlich eingesetzt hatte, bestehen im Lande nicht solche Bedenken, wie sie von der neuen Mehrheit in der entscheidenden Abstimmung am Johannnistage bekundet wurden. Die überwiegende Mehr­heit des deutschen Volkes hätte den Fürsten Bülow nicht fallen lassen, wie sich übrigens auch aus der Tatsache ergibt, daß hinter den Reichstagsabgeordneten, die gegen die Erb­anfallsteuer stimmten, nur rund 4 Millionen, hinter denen aber, die für diese Vorlage eintraten, rund 7 Millionen Wähler stehen.

Das letzte Wort" über die neuen Steuervorlagen wird sich erst sprechen lassen, wenn deren Wirkungen erprobt sind, wozu mindestens der Zeitraum eines Jahres und noch mehr erforderlich ist. denn auch hier gilt das Wort:An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen/

Täarspvlitik.

Ueber die Stellung des Fürsten v. Bülow Sur Finanzreform gibt eine halbamtliche Auslassung nachträglich nochmals Aufschluß. Es wird festgestellt, daß es nicht das Nein der konservativen Partei in der Erbanfall­steuerfrage allein ist was dem Fürsten das Verbleiben un­möglich machte, es ist die durch diese Abstimmung besiegelte fundamentale Umwälzung in den Mehrheitsverhältniffen

des Reichstags. Für den Reichskanzler mußte, nach seiner politischen Vergangenheit, eine Mehrheit unannehmbar sein, in der das Zentrum den Ausschlag gibt Von einer solchen Mehrheit hat der Fürst sich und das Reich bekanntlich durch die Reichstagsauslösung 1906 befreit und unmöglich konnte er sich dieselbe Mehrheit jetzt wieder aufzwingen lassen, das verbot ihm sowohl seine politische Ueberzeugung wie seine persönliche Ehre. Die Konservativen haben gewußt, daß sie den Kanzler durch ihre Haltung in der Erbanfallsteuervorlage zum Falle bringen würden, denn bereits im April ds. Js. hat der Fürst den Führern der Konservativen aus das nach­drücklichste erklärt, daß er zurücktreten werde, wenn sie bei ihrer ablehnenden Haltung beharren und dadurch eine für ihn unannehmbare politische Konstellation berbeiführen würden. Die Konservativen durften durch den Rücktritt nicht über­rascht sein. Sie durften von einem ehrliebenden Staats­mann nicht denken, er hat zwar gesagt, er geht, aber er geht doch nicht. Soweit die halbamtliche Auslassung. Im Anschluß an ihre letzte interessante Feststellung, daß die Konservativen bereits im April über das Kommende unter­richtet waren, erklärt dieVoss. Ztg.":Die Konservativen und zu ihnen gehört der Bund der Landwirte werden nicht mehr zu behaupten wagen, daß ihnen der Rücktritt des Fürsten Bülow überraschend gekommen sei und daß sie oen Reichskanzler mit Bedauern scheiden sehen/

'

*

Die Finanzreform ist

fertig.

Nachstehend

Disteln und Dornen, die man Kunden hat:

zum

Steuerstrauße

Kaffee- und Teezoll .

. 37

Millionen

Bier . . . . .

100

Tabak.

43

Branntwein . .

80

Schaumwein . . .

8

Zündwaren . . .

25

Glühkörper. . . .

20

Zuckersteuer . . .

35

Grundstücksteuer . .

40

Wechselstempel . .

2

Scheckstempel . . .

20

Effektenstempel . .

-.22,50

Talonsteuer . . .

28

Fahrkartensteuer . .

20

Matrikutarbeiträge .

25

,,

Das sind insgesamt 502,5 Millionen.

Die Reichsfinanzreform bringt 17 ft Millionen Mark weniger ein, als das Reich braucht. Diesen Ausfall hat das Heer zu tragen, indem die Erhöhung der Mannschafts­löhnung bis 1910 vertagt wurde. Darüber gab es in der Budgetkommission, die diesen Beschluß faßte, eine längere De­batte. Der Vorschlag des Schatzsekretärs, die Erhöhung mit ihrer Ausgabe von etwa 1314 Millionen Mark auf eine Reihe von Jahren zu vertagen, wurde aus der Kommission entschieden bekämpft. Von sozialdemokratischer Seite wurde die Mannschaftslöhnung als völlig ungenügend bezeichnet und von Hunger und Elend in den Kasernen gesprochen. Das wurde jedoch vom Vertreter des Kriegsministeriums, sowie von Mitgliedern der bürgerlichen Parteien aufs schärfste zurückgewiesen. Zur Aufbringung der Mittel für die Mann- schastslöhne und Veteranenbeihilfen wurde von konservativer, freikonservativer und nationalliberaler Seite die Einführung der Wehrsteuer beantragt. Schließlich wurde eine Resolution beschlossen, wonach die Erhöhung der Mannschaftslöhne auf das nächste Jahr vertagt wird und die Regierungen aufge­fordert werden, die hiefür erforderlichen 1314 Millionen in den nächstjährigen Etat einzustellen und gleichzeitig eine Deckungsvorlage einzubringen, soweit sich eine Deckung nicht aus Ersparnissen herbeiführen läßt.

* *

*

Der 400. Geburtstag Johann Calvins, des Reformators der romanischen Völker, ist am letzten Sgmstag in der ganzen evangelischen Christenheit zum Gegenstand pietätvollen Gedenkens gemacht worden. Calvin, zu Noyen in der Picardie, einer Provinz im nordöstlichen Frankreich, geboren, war ein Zeitgenosse und Mitkämpfer Luthers. Auch Kaiser Wilhelm hat sein Interesse an dem kirchlichen Gedenk­tage bekundet, indem er dem Komitee des Reformations­denkmals in Genf, dem Orte, wo Calvin sein Leben beschloß, ein Sympathie-Telegramm zugehen ließ. Der Kaiser em­pfindet es als Genugtuung, daß in dem Monument als

Schutzherrsn des Calvinismus drei edle Gestalten sich finden, die zu seinen Ahnen zählen: Coligny, Wilhelm von Nassau und der Große Kursürst. Das Komitee dankte in einem Antwort-Telegramm.

Im Norden Marokkos überfielen Leute vom Stamme der Kabylen eine Kolonne Arbeiter, die bei dem von span­ischer Seite vorgenommenen Bahnbau beschäftigt sind, töteten vier und verwundeten eine größere Anzahl. Als von der Garnison von Melitta die Verfolgung der marokkanischen Reiter ausgenommen wurde, kam es zu verlustreichen Kämpfen. Den Kabylen ist das europäische Element aufs tiefste ver­haßt und ihr Bestreben geht dahin, die Europäer je schneller je besser aus dem Lande zu bringen. Schon dem Plan des spanischen Bahnbaus widersetzten sie sich entschieden und jetzt wie die blutigen Vorfälle beweisen, sind sie gewillt, der Vollendung des Kulturwerks mit gewaltsamen Mitteln ent- gege'nzutreten.

Deutscher Reichstag.

js Berlin, 8. Juli.

In der heutigen Abendsitzung des Reichstages, die von 8 Vs Uhr bis 12 Uhr 15 Min. ausgedehnt wurde, sind die Bestimmungen über die Matrikutarbeiträge, Tilgung der Reichsanleihen, Schuldenüberweisung der Steuerbeträge mit der Frankensteinschen Klausel, sowie ein Antrag Erz­bergers, nach welchem von dem Rohertrag aus der Erb­schaftssteuer drei Viertel dem Reich und ein Viertel den Bundesstaaten verbleiben sollen, in einfacher Abstimmung angenommen worden. Der Antrag betr. Aushebung der Fahrkarten st euer ab 1. April 1910 wurde mit 203 gegen 137 Stimmen abgelehnt. In der Besprechung der Zuckersteuer wurde nach längerer Debatte, an der sich die Abgeordneten Fehlhauer, Mommsen, v. Hertling und Oertzen beteiligten, ein Antrag des Zentrums, die Herab­setzung der Zuckersteuer bis zum 1. April 1914 hinauszu­schieben, mit 204 gegen 133 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen. Damit war die zweite Lesung der Reichs­finanzreform erledigt.

Berlin, 9. Juli.

Präsident Graf Stolberg teilt mit, Graf Zeppelin habe den Reichstag zu einem Besuch in Friedrichshafen sürAnfangSeptember eingeladen. Auf der Tagesordnung steht die 3. Lesung der Verbrauchs­steuern und zwar zunächst die Br a uste u er. Abg. Zubeil (Soz.) begründet einen Antrag Albrecht (Soz.) und Genossen, einen Teil des 100 Mill.-Ertrages zur Unterstützung arbeits­los werdender Arbeiter und Angestellter des Braugewerbes zu verwenden. Die Debatte wird nach weiteren Bemerkungen des Abg. Speck (Ztr.) geschloffen und eine Reihe von Paragraphen angenommen. Der Antrag Zehnter (Ztr.) wird in namentlicher Abstimmung mit 218 gegen 131 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen und der Antrag Albrecht (Soz,) mit 215 gegen 148 Stimmen abgelehnt. (Pfuirufe bei den Soz.) Präsident Graf Stolberg ruft den Rufer zur Ordnung. Nachdem preuß. Finanzminister v. Rheinbaben materiell seine Zustimmung zu den vom Zentrum beantragten Uebergangsbestimmungen erklärt hat, wird der Rest des Brausteuergesetzes mit einigen Abänder­ungsanträgen angenommen. In der Gesamtabstimmung wird das Brausteuergesetz mit 204 gegen 160 Stimmen endgültig angenommen. Es folgt die dritte Lesung des Tabaksteuergesetzes. Es ist eingegangen ein Mehr­heitsantrag Kreth (kons.) betreffend den Termin des In­krafttretens des Gesetzes (für die Zigarettenbesteuerung am 1. September, im übrigen schon am 15. August). Nach kurzer Debatte gelangen die Mehrheitsanträge Kreth zur Annahme. Schließlich wird das ganze Tabalstenergesetz in namentlicher Abstimmung mit 197 gegen 165 Stimmen angenommen. Es folgt das Branntweinsteuer­gesetz. Ein sozialdemokratischer Antrag verlangt, daß der zehnte Teil des Ertrages der Steuer zur Bekämpfung der Trunksucht verwendet werden soll. Ohne wesentliche Debatte werden die Paragraphen der Reihenfolge nach erledigt. Als Schlußbestimmung beantragen die Abgeordneten Wölzl und Genossen (natl. und freis.) eine Bestimmung dahin, daß der hundertste Teil des Steuerertrages zur Trunksucht-Be­kämpfung verwendet werden soll. Nach unwesentlicher Debatte werden beide Anträge abgelehnt und das Gesetz in der Gesamtabstimmnng mit 229 gegen 137 Stimmen ange-