dem von der entscheidenden liberalen Wählerschaft gebilligt worden. Die Freisinnigen können daher mit Ruhe de'r kommenden Entscheidung entgegensetzen, wie sie auch ausfallen mag. Sie sind gerüstet."
* Berlin, 24. Juni. Wie die „Freisinnige Zeitung" schreibt, erzählte man sich heute in den Couloirs des Reichstags, daß der Reichskanzler die Auflösungsordre, vom Kaiser unterschrieben, bei sich trage.
* Berlin, 24. Juni. Der geschäftsführende Ausschuß des Zentralvorstandes der Natio na llib e ralen Partei hat heute beschlossen, einen allgemeinen Vertreterin g der Partei auf Sonntag den 4. Juli nach Berlin einzuberufen.
Weitere Stimmen zur Ablehnung der Erbschaftssteuer.
js Berlin, 26. Juni. Sämtliche Morgenblätter besprechen in Leitartikeln die Ablehnung des Erbschaftssteuergesetzes durch den Reichstag. Das Berl. Tagebl. schreibt: Nur einen Ausweg, eine Rettung gibt es, nämlich die Auslosung. Fürst Bülow kann in diesem Augenblick nicht zurücktreten, da seine Demission die Gefahren der Lage nur steigern würde.
Die „Voss. Zeitung sagt, wenn unverzüglich die Anberaumung von Neuwahlen erfolgte, so würde die gestrige Mehrheit einem Gericht verfallen, das hierzulande beispiellos wäre ; unterbleibe die Auflösung, so werde alles Ansehen der Machthaber für alle Zukunft derart untergraben, und die Erbitterung so allgemein, daß man der nächsten Entwicklung der inneren Politik nur mit Mißtrauen entgegensetzen könnte.
Die Freisinnige Zeitung schreibt: Geschehen muß etwas von Seiten der Regierung. Es ist unmöglich, daß die verbündeten Regierungen von den diktatorischen Gelüsten des neuen Blocks zurückweichen. Der Reichskanzler ist nicht nur sachlich, sondern auch persönlich engagiert. Ein Zurückweichen kann für ihn nicht in Frage kommen.
Die Nationalzeitung meint: Mit der Verwerfung der Erbschaftssteuer haben Konservative und Zentrum sich über den Willen der verbündeten Regierungen und der großen Mehrheit des deutschen Volkes hinweggesetzt. Für den Reichskanzler und die Regierung gibt es nur noch die Wahl zwischen Biegen und Brechen. Der Ruf an das Volk wird nicht ungehört verhallen.
Die „Tägliche Rundschau" schreibt: Wie aus diesem Wirrwarr dieser ganz verfahrenen Lage ein anderer Ausweg gesunden werden soll, als die Berufung an das Volk, ist nicht ersichtlich. Entweder tatsächliche oder moralische Abdankung des Kanzlers, des Bundesrats und der Minister oder Auflösung.
Die Börsenzeitung drückt aus, daß ein eventueller Rücktritt keine Lösung des inneren Konfliktes bringen würde, da Fürst Bülow bei all seinem Tun in den letzten Monaten an den verbündeten Regierungen einen Rückhalt hatte. Das Blatt meint, von zwei Nebeln, Beugung unter das caudi- nische Joch der konservativ-klerikal-polnischen Majorität und Auflösung, sei letzteres sicher das kleinere.
Die „Frkf. Ztg." schreibt: Das zermürbende Hin und Her eines unerträglich in die Länge gezogenen Verhandelns hat nun ein Ende, und es ist Klarheit darüber geschaffen, daß die politischen Kämpfe der nächsten Zeit sich darum drehen werden, einem rücksichtslos seine Interessen verfolgenden Agrariertum die Herrschaft zu entreißen. Die Linke kann diesen Kämpfen getrosten Mutes entgegengehen. Denn sie hat nicht nur die gute Sache, sondern heute bereits
Papa traf unvermutet in Rom ein, die telegraphische Benachrichtigung kam mit ihm fast zugleich an und da seine Ankunft meine Gegenwart, Großvaters wegen, überflüssig machte, entschloß ich mich kurz, den frühesten Zug zur Abreise zu benutzen. Es war hohe Zeit, Dich von der Verwaltung und was damit zusammenhängt, zu befreien. Du wirst eine arbeitsreiche Zeit hinter Dir haben. Ich danke Dir aufrichtig für alle Umsicht und Mühewaltung."
Während dieser Rede hatte die junge Frau ihre kühle Sicherheit wiedergewonneu. Frostig und förmlich wie der Abschied, war das Wiedersehen. Der Boden, auf dem sie sich gegenüberstanden, war derselbe geblieben. Kein Lichtblick zu erspähen, kein noch so guter Wille würde imstande sein, auch nur ein Fünkchen Wärme zu entdecken. Und er dankte ihr, als hätte sie fremdes Gut in Obhut gehabt.
Fannys Blick glitt über den sonnenbeschienenen Garten, über das schimmernde Dach, über das Blattwerk der alten Ulmen, deren Kronen ihr gleichsam zunickten.
„Es war hier sehr schön", sagte sie leise, „und die Arbeit war wir ein lieber Genosse."
„Das störende Element bin ich", dachte Hannibal, als Fanny vorauf ins Haus ging und er neben Marga die Freitreppe Hinaufstieg.
„Sie sehen angegriffen aus, Fräulein Marga", wandte der Baron sich an diese, in deren Augen aufsteigende Thränen sich sammelten. „Ein schlechtes Zeugnis für die Ulmenhofer Lust, daß die winterliche Blässe sich noch nicht verloren hat. Sie müssen entschieden den Sommer über hier bleiben. Jetzt, wo das Wetter warm und beständig geworden, wird es in erhöhtem Maße zur Kräftigung beitragen."
„Ich bin herzlich dankbar für ein so liebenswürdiges Anerbieten, Herr Baron, aber Onkel Pastor und Tante Ulla sind au der Grenze ihrer Geduld angelangt. Ich werde nächstens zu den Lieben znrückkehren. Was noch an Kräften fehlt, muß mein alter, treuer Freund, die Haide, ersetzen."
die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung hinter sich.
Von heute ab gibt es für den Fürsten Bülow nur eine Wahl: zurückzutreten oder mit Zustimmung des Bundesrats, den Reichstag aufzulösen. Eine Auflösung würde im Volk den lebhaftetestenjWiderhaü finden, aber sie würde eine Energie zur Voraussetzung haben, die man bisher bei der Regierung schmerzlich vermißt hat. Man wird abwarten müssen, ob Kanzler und Bundesrat die Kraft zu einer Retchstags- auflösung gegen Konservative und Zentrum fiude« werden.
Der „Vorwärts" verlangt die Auflösung, damit die Volksmassen selbstjdie Entscheidung treffen. Gegen die neue Mehrheit, deren Finanzreform eine neue Verschlechterung für die Besitzlosen selbst gegenüber den Regierungsvorschlägen bedeute, müsse der Abwehrkampf mit aller Energie ausgenommen werden.
Berlin, 25. Juni. Dem B. T. zufolge verlautet, daß der Reichskanzler Fürst Bülow in diesem Augenblick weder an einen Rücktritt noch an eine Reichstagsauflösung denkt. — Dem L.-A. zuffolge ist man in der Reichskanzlei der Ansicht, daß die Reichsfinanzreform nicht aus der Erbanfallsteuer allein bestehe. Der Kanzler würde es nicht verantworten können, wenn er vor Abschluß der Reichstagsverhandlungen über die Reform irgendwelche Konsequenzen ziehen wollte. Nach Abschluß der Verhandlungen werde er diese Konsequenzen ziehen.
Ausländisches.
ss Bern, 24. Juni. Bis in die Hochtäler herab ist in der Schweiz tiefer Neuschnee gefallen. Aus dem Pilatus, Rigi, Säntis und Gotthardt liegt er stellenweise 40 Lentimeter tief. Vom'Dienstag zum Mittwoch ist die Temperatur um 20 Grad Celsius gesunken.
js Wie«, 24. Juni. In der Beratung des Abgeordnetenhauses über das Budget trat der deutsch-bömische Abgeordnete Jro für die Lösung der Sprachenfrage durch die Einführung der deutschen Sprache als Staatssprache und für den Anschluß der deutsch-österreichischen Länder als Bundesstaaten an das deutsche Reich ein.
ss Konstantiuopel, 24. Juni. . Die Regierung ist entschlossen, unmittelbar nach der Zurückziehung der Truppen der Schutzmächte die türkische Flotte vor Kreta vor Anker gehen zu lassen und selbst den Schutz der Mohammedaner und die Aufrechterhaltung der Ordnung in die Hand zu nehmen.
ss Athen, 24. Juni. Das offizielle Griechenland verhielt sich bisher der Kretafrage gegenüber neutral und wird weiterhin neutral bleiben.
jj Teheran, 24. Juni. Die persischen Gesandten in London, und Petersburg sind angewiesen worden auf der Abberufung der russischen Truppen aus Persien zu bestehen.
I Fez, 24. Juni. Zwischen den Negern des Rophi und der Mahalla des Sultans fand 15 Km. südlich von Fez ein Kampf statt, bei dem die Leute des Rophi zurückgeworfen wurden. Der Sieg des Sultans erregt hier allgemeinen Jubel.
js Sau Martina, 24. Juni. Der Jahrestag der Schlacht von Solferino wurde heute hier festlich begangen. Zu der Feierlichkeit waren erschienen der König und die Königin, der Kriegsminister, der französische Botschafter mit einer französischen militärischen Abordnung, der österreich-ungarische Generalkonsul in Venedig als Vertreter seiner Regierung, Abordnungen des Parlaments und der Truppenteile, die an der Schlacht teilgenommen haben, viele Veteranen u. s. w.
Vermischtes.
-r. Die Schädigung des Auges durch Licht. Die Ausbreitung der Elektrizität, die Schaffung neuer Lichtquellen, hat dem menschlichen Auge mancherlei Schädigungen gebracht; so ist die sog. elektrische Augenkrankheit entstanden, die durch Kurzschlußblendung, durch Bodenlicht und Quecksilberdampflicht hervorgerusen wird. Die Schädigung der Netzhaut äußert sich durch Rotsehen, Farbensinnstörung, Gesichtsseld- einengung und Sehstörung. Der sog. Blitzstar und der Star nach Kurzschlußverletzung beruht auf direkter Wirkung des elektrischen Stromes. Beim Glasbläserstar können neben den kurzwelligsten auch die langwelligsten Strahlen von Bedeutung sein. Die von mancher Seite vertretene Anschauung, daß der Altersstar durch Schädigung der Linse durch ultraviolettes Licht entsteht, hält Dr. Birch-Hirschfeld in Leipzig für unrichtig. Der Schutz des Auges gegen Blendung kann in geeigneter Anbringung der Lichtquellen oder in Verwendung von Schutzglocken und Schutzbrillen bestehen. Besonders die elektrische Bogenlampe und die Quecksilberdampflampe können dem Auge gefährlich werden. Die vielverwendeten blauen Schutzbrillen sind unzweckmäßig, dagegen bieten die rauchgrauen Muschelbrillen für gewöhnliche Verhältnisse ausreichenden Schutz.
Wer?
mit dem politischen Leben in Fühlung bleiben und das Neueste schnell erfahren will,
mutz die Zeitung lese«,
die kurz, aber nichtsdestoweniger übersichtlich und klar über die wichtigsten Vorkommnisse des politischen und wirtschaftlichen Lebens berichtet. Und dies tut die täglich erscheinende Zeitung
„Aus de« Tanne«".
Bestellungen für das III. Quartal sind umgehend zu machen, damit im Bezug keine Unterbrechung eintritt.
Vierteljährlicher Bezugspreis: im Bezirk und Nachbarortsverkehr . . Ml. 1.25 außerhalb desselben.Mk. 1.38.
Handel und Verkehr.
-u. Ebhausen, 23. Juni. Obwohl auf den heutigen Markt nur wenig Vieh beigetrieben war, kann doch der Besuch als ein befriedigender bezeichnet werden mit Rücksicht auf die Heuernte. Stark befahren war der Schweinemarkt, auf dem lebhafter Handel herrschte. Läufer galten pro Paar 50—80 Mark, Milchschweine 35—45 Mark. Umsatz gut.
»ora«Sfichtttchsr Wetter
am Samstag, den 26. Juni: Vorwiegend bewölkt, Regenfälle, mäßig kühl.
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk, Altensteig.
„Jedenfalls bitte ick Sie, nickt gleich nach meiner Ankunft Ulmenhaf zn verlassen", sagte er freundlich und reichte ihr die Hand. „Mir war es ein lieber Gedanke, Sie bei meiner Frau zn wissen. Fanny Hai Sie von Herzen lieb, und — ihr wird sonst wenig Freude zn teil.
Die erste Andeutung von Seiten Hannibals, dachte Marga.
Ob er die Worte mit Bedacht gesprochen hatte, oder waren sie den Lippen unbewußt entflohen?
„Arm an Freuden sind nur engherzige Menschen, Herr Baron", erwiderte Marga, indem eine feine Röte ihr die Wangen färbte. „Fanny ist zn reich begabt, NM nicht auch den unscheinbarsten Vorkommnissen im täglichen Leben ein verständnisvolles Interesse entgegenznbringen, was einsbedentend mit mancher stillen Freude ist. Wie sie für Freud und Leid ihrer Mitmenschen einen empfänglichen Sinn, ein warmherziges Mitgefühl besitzt, so läßt sie auch keinen Sormenstrahl, keine Blume unbeachtet. Alltägliche Kleinigkeiten, an denen andere achtlos vorübergehen, erscheinen ihrer feinfühligen Natur oft als etwas Besonderes. Fannys liebevolles Herz hat für alles Raum."
„Ich weiß", klang die Antwort kurz und rauh.
Fannys Eintritt ins Zimmer unterbrach das Gespräch.
Um die Unterhaltung nicht stocken zn lassen, erzählte Baron Hannibal viel von seiner Reise.
Jni Sprechen gewann er allmählich an Lebhaftigkeit und kleine Erlebnisse, die er mit einem Anflug von der früheren humorvollen Frische wiedergab, fesselte die beiden Zuhörerinnen in so hohem Grade, daß auch Fanny mitunter eine Bemerkung dazwischen einflocht. Eine Wahrnehmung, die Hannibal sichtlich wohl that. Er sprach viel von der Schwester.
„Ellinor soll der Gräfin Ferrari sehr ähnlich sehen", bemerkte Fanny. „Mama behauptet, auch die Charaktere weisen viel« bekannte Züge auf."
„Es ist so lange her, seitdem ich Tante Hildegard gesehen, oaß ich kein klares Bild von der Persönlichkeit habe", erwiderte
Hannibal. „Jetzt werden wir sie jedoch bald unter uns baben. — Am Tage vor meiner Abreise haben wir nämlich die Nachricht bekommen, daß Onkel Ferrari hoch oben im Norden gestorben ist. Sobald Tante Hildegard und Arco das Unumgänglichste geordnet haben, bleiben sie dauernd auf ihren italienischen Besitzungen. Vorher aber gehen sie ans einige Zeit nach Rom. Die Großeltern haben ja die Tochter viele Jahre nicht gesehen. Wahrscheinlich bleiben die Eltern und Ellinor so lange im Süden, um mit den Verwandten dort zusammenzutreffen.
Fanny und Marga wechselten einen schnellen Blick.
Dann dürfte man sicher auf den erwünschten Ausgaug -offen.
Gottlob!
Margas Gesicht war um einen Schein bleicher geworden» aber die Augen blickten klar und frei, und der Hand, die so emsig an der feinen Stickerei arbeitete, sah man nicht das leiseste Beben an.
Die kommende Thatsache schien ihre Ruhe nicht mehr zu gefährden.
Als die Hausgenossen sich an diesem Abend trennten, war es mit einem Gefühl, als seien die Stunden ungewöhnlich schnell vergangen.
(Fortsetzung folgt.)
Verschnappt. „Johann, Sie sind bei meinem Kognak gewesen!" — „Bewahre, Herr Baron, der ist mir viel zu stark"
Verwandte Seelen. Köchin: „. . . Ja, Madam, wir müssen schon beisammen bleiben! Sie sind mit allen Köchinnen durch, die hier im Ort zu haben sind, und ich mit allen Herrschaften."