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1877.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

«r. 138.

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Donnerstag, de« 17. Juni.

Amtsblatt für Pfalzgrafeuweiler.

19VS.

Tagrspolitik.

Die neuen Steuervorlagen der Regier­ung, wenigstens die Besteuerung der Schecks und der Feuerversicherungs-Policen, sind in liberalen Kreisen auf er­heblichen Widerspruch gestoßen. Man meint in diesen Kreisen auch, die Erb ansallsteuer werde nun in einer so milden Form erscheinen, daß sie tatsächlich für die Finanzreform garnicht in Betracht kommt, und nur pro torwa um den Liberalen willen aufrecht erhalten wird. Wir brauchen uns angesichts der entscheidenden Reichstagsoerhandlungen heute nicht mehr mit Ansichten und Möglichkeiten zu beschäftigen, sondern warten die Reden der Partei- und der Regierungs- Vertreter ab sowie die endgültigen Beschlüsse.

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Die Wirkungen der Br au st euer, die ja von dem Produzenten auf den Konsumenten abgewälzt werden soll, werden sich in sehr empfindlicher Weise fühlbar machen. Für die bisherigen Brausteuer-Erhöhungen hielten sich Brau­ereien und Wirte dadurch schadlos, daß sie Flaschen und Gläser verkleinerten. Dieser Verkleinerungs-Prozeß läßt sich aber nicht fortsetzen. Da wird es dann wohl so kommen, wie es der Berliner Gastwirts-Verband bereits angekündigt hat, daß die Flasche Bier, die bisher für 10 Pfennige abge­geben wurde, nach dem Inkrafttreten der neuen Steuer 15 Pfennige kostet. Das Glas Bier wird statt 10 oder 15 Pfg. in Zukunft jedenfalls 15 oder 20 Pfg. kosten. Das sind trübe Aussichten für durstige Seelen. Aber auch die Wirte werden dabei ihres Lebens nicht froh, denn mit der Preissteigerung proportional wird der Konsumrückgang sein.

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Die zwei Kaiser-Zusammenkunft, die am Donnerstag nachmittag in den finnischen Schären stattfindet, gibt jetzt auch den Petersburger Blättern Anlaß zu reich­lichen Kommentaren. Wenn einige die persischen Verwicke­lungen mit der Zusammenkunft des deutschen Kaisers und des Zaren zusammenbringen, so kann man ohne weiteres erklären, daß der deutsche Kaiser und das Reich die persische Frage bereitwilligst der russischen und der englischen Regie­rung überlassen. Auch sonst werden über die internationale Politik keine besonderen Abmachungen getroffen werden. Das ist von amtlicher deutscher Stelle nicht nur einmal, sondern wiederholt erklärt worden. Die abnormen Verdächtigungen und Unterstellungen, Kaiser Wilhelm suche den deutschen Einfluß bei Rußland auf Kosten des englischen und fran­zösischen zu verstärken, sind daher die Tinte nicht wert, die ein Dementi kostet. Den Serben können wir es nicht übel nehmen, wenn sie die Begegnung des Zaren mit dem deutschen Kaiser nicht gern sehen. Sie verdanken Leben und Atem auf dem Balkan der russischen Gnadensonne und sind ein leeres Nichts, wenn diese ihnen nicht mehr scheint, da kann man es verstehen, wenn die kleinen Krakehler befürchten, ein objektives Urteil des deutschen Kaisers über sie könnte auch dem Zaren die Augen öffnen und sie um die Gunst aller Reußen bringen. Aber die Mächtigen pflegen meistens großmütiger zu sein, als es sich die kleinen Kläffer auch nur vorstellen können.

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Ueber das Schicksal Kretas gehen die Meinungen noch immer auseinander. In Frankreich glaubt man, die Türkei werde sich zur Abtretung der Insel gegen eine ent­sprechende Entschädigung beregen lassen. Die türkische Re­gierung läßt dagegen keinen Zweifel darüber, daß sie sich einer weiteren Abbröckelung ihres Gebietes, wenn es sein müßte, mit dem Schwerte in der Hand widersetzen würde. Zeigt die Türkei, daß sie auf diesem Standpunkt stehen zu bleiben entschlossen ist, dann könnten es die vier Schutz­mächte nicht vor der Welt verantworten, wollten sie jetzt schon ihre Besatzungstruppen von Kreta zurückziehen. Frei­lich würde die Sachlage nach einem Vierteljahre nicht an­ders sein; aber dafür muß gesorgt werden, daß auch in der Bölkerpolitik Recht Recht bleibt.

Deutscher Reichstag.

sj Berlin, 15. Juni.

Auf der Tagesordnung steht die Beratung der Inter­pellation Pachnicke und Genossen betr. die Aenderung der mecklenburgischen Verfassung. Abg. Dr. Pachnicke (frs. Vgg.)

begründet die Interpellation. Durch die Proklamation der beiden Herzöge war eine zeitgemäße Aenderung der Verfass­ung in Aussicht gestellt worden. Tie Reformvorschläge scheiterten aber an dem Widerstand der Ritterschaft. Der Gegensatz zwischen dem Feudalismus und der Demokratie in Mecklenburg ist zu groß, als daß er mit einem Male überbrückt werden könnte. Die Ritterschaft will herrschen, aber nicht mit anderen teilen. Die anderen Staaten haben den geänderten politischen Auffassungen Rechnung getragen. In Mecklenburg ist aber alles beim alten geblieben. Die Finanzverwaltung liegt sehr im Argen und die Ritterschaft schreckt das Volk vor einer Reform zurück durch den Hin- . weis auf nötig werdende neue Steuern. Die Kräfte, die in Mecklenburg mindestens ebenso vorhanden sind, wie in den übrigen norddeutschen Ländern müssen für ihre Betätigung frei gemacht werden. Der wundeste Punkt ist das Schul­wesen. Der Lehrermangel in Mecklenburg ist eine chronische Krankheit. Entsprechend schlecht sind alle Schulzustände. Diese Rückständigkeit kann nur aufhören, wenn die Drei- teiligkeit der Landesverwaltung auihört, der Präsident be­glückwünschte das jungtürkische Parlament zu seiner Gründ­ung. Was den Türken recht ist, sollte den Mecklenburger billig sein. (Beifall links.). Staatssekretär v. Beth- mann-Hollweg: Der Bundesrat hat in dem bekannten Beschluß vom 26. Oktober 1875 seine Anschauung in der Frage der mecklenburgischen Verfassung fest­gelegt. Der Vorredner sagte, das Reich sei in der Lage, für Mecklenburg eine Aenderung seiner Verfassung vorzu­schreiben. Ich muß mir versagen, hierauf näher einzugehen, da die Reichsregierung wiederholt ihre Stellung in dieser Frage ausgesprochen. Es ist fraglich, ob sich das Reich ent­schließen würde, seine Machtsphäre gegenüber dem Verfassungs- rechl der Einzelstaaten anders abzugrenzen als es in der Verfassung vorgeschrieben ist. Eine grundlegende Aenderung unseres Verfassungsrechtes vorzunehmen, liegt nicht in der Absicht der verbündeten Regierungen. Man bindet die ver­bündeten Regierungen nicht, an der in dem Beschluß von 1875 kundgegebenen Erwartung festzuhalten. Die verbünde­ten Regierungen wissen sich eins mit den großherzoglich­mecklenburgischen Regierungen, welche den festen Willen be­kundet haben, die Verfassung in beiden Staaten auszubauen. Sie werden sich nicht beirren lassen dadurch, daß sie bisher auf Widerstand gestoßen sind. Die Entschlossenheit, mit der die mecklenburgischen Regierungen an ihrem Plan sesthalten, zeigt, daß sie begründete Hoffnung hegen, eine Fortbildung der Verfassung mit dem Landtag zu vereinbaren. Der gegen­wärtige Augenblick bietet den verbündeten Regierungen keinen besonderen Anlaß, an der Erfüllung ihrer Erwartungen zu zweifeln. (Lachen links.) Mecklenburg. Bundesratsbevollm. Frhr. v. Brandenstein: Die großherzoglichen Regierungen sind überzeugt, daß eine Abänderung der bestehenden Landes­verfassung notwendig ist und daß gewählte Vertreter der ge­samten Bevölkerung an der Gesetzgebungfund besonders an der Etatfeststellung zu beteiligen sind. Deshalb haben sie einem außerordentlichen Landtag einen Verfassungsentwurf vorge­legt, über den freilich eine Einigung bisher nicht erzielt worden ist. So bedauerlich dieses vorläufige Ergebnis ist, so kann das Reformwerk doch nicht als endgiltig gescheitert angesehen werden. Kein Weg wird unversucht bleiben, das Ziel zu erreichen. Auf Antrag Meiner (frs. Vp.) tritt

das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.

v. Normann (kons.): Die Einzelstaaten haben ihre Verhält­nisse selber zu regeln, v. Oertzen (Refp.)Auch wir sind der Meinung, daß das Reich nicht berechtigt ist, in die Verfassung eines Einzelstaates einzugreifen. Der Redner verliest eine längere Erklärung, in der es heißt, auch Fürst Bismarck, der große Gründer des Reiches (Lachen links)

habe diesen Standpunkt stets vertreten. Vizepräs. Paasche bittet die Heeren, die der deutschen Sprache mächtig seien, ihre Reden nicht zu verlesen. Als hierauf anhaltender Lärm und erregte Zurufe laut wurden, erklärte der Vizepräsi­

dent, seine Mahnung sei lediglich durch die Geschäftsordnung veranlaßt worden. Linck (natl.): Die Mecklenburger haben zur Evidenz bewiesen, daß sie verfassungsmäßige Zustände mit Recht verlangen. Freiwillig werde die Ritterschaft ihre Rechte nicht aufgeben. Das Reich darf, wenn es sich um das Wohl der Reichsangehörigen handelt, nicht vor der Verfassung eines Einzelstaates Halt machen. Ausnahms­weise Zustände, wie sie hier vorliegen, erfordern ausnahms­weise Behandlung. Wir können uns allein nicht helfen. Tritt das Reich nicht ein, so macht es sich zum Mitschul­digen solcher Zustände. Mecklenb. Bundesratsbevollm. Frhr. v. Brandenstein: Von einem Bruch des öffentlichen Rechtes

kann nicht die Rede sein. Die mecklenburgischen Schulver- hältnisse sind nicht so schlecht, wie sie hier dargelegt wurden. Auch unsere innere Kolonisation ist mustergiltig. Vizepräsi­dent Paasche legt nochmals eingehend die Gründe für sein Eingreifen dar und erklärt, er bedaure, wenn der Abgeord. v. Oertzen sich hierdurch verletzt gefühlt habe. Abg. Spahn (Ztr.): Wir halten an unserer früheren Erklärung fest, daß der Reichstag in dieser Frage nicht kompetent ist. Abg. Frohme (Soz.): Das Reich ist zweifellos in dieser Frage kompetent. Die mecklenburgischen Zustände sind unhaltbar. Wir erwarten, daß in Mecklenburg bei Einführung einer Verfassung das allgemeine, geheime, gleiche, direkte Wahl­recht gesichert ist. Abg. v. Treuenfels (kons.): Ich gehöre zur Minderheit der Ritterschaft, die die Einführung der Verfassung stets befürwortet Die Herren der Linken sollen ehrlich mit uns im Lande arbeiten. Die Interpellation ist nur agitatorische Mache. Mit solchen Mätzchen ist nichts getan. Vizepräsident Kämpf ruft den Redner zur Ordnung. Abg. Frhr. v. Maltzahn (kons.): Wir sind be­reit, die von unseren Vorfahren uns überkommenen Rechte aufzugeben, aber nur, wenn wir Gewißheit haben, daß eine wirkliche Verbesserung damit erreicht wird. Nach einer per­sönlichen Polemik zwischen den Abgg. Wiemer und Treuen­fels schließt die Besprechung. Eingegangen ist eine sozial­demokratische Interpellation auf zeitweise Aufhebung der Getreidezölle aus Anlaß der herrschenden Lebensmittelteue­rung. Mittwoch 2 Uhr erste Lesung der Ersatzsteuervor­lagen. Schluß 6 V» Uhr.

Württernbergischer Landtag.

js Stuttgart, 15. Juni.

Die Zweite Kammer setzte heute nachmittag unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten Kraut Präsident v. Payer ist mit Rücksicht auf die Reichstagsverhandlungen auf fünf Tage beurlaubt die Etatsberatung beim Kapitel Boden­seedampfschiffahrt fort. Den Bericht der Kommission erstattete Tr. v. Kiene, der den Wunsch aussprach, die Verwaltung möge bei Neubesetzung der Jnspektorstelle eine glückliche Hand haben. Der frühere Inspektor Bethge habe sich um Disziplin und Ordnung auf den Schiffen große Verdienste erworben. Keil (Soz.) beschwerte sich über die Behandlung der Werftarbeiter durch den Oberwerkmeister Nolte. Minister v. Weizsäcker versprach, die Klagen untersuchen zu lassen. Das Kapitel wurde genehmigt. Zum Kapitel 110a: Auf­wand an Postportb 930 000 Mk. wurde ein Antrag der Kommission angenommen, die Regierung zu ersuchen, in Zukunft das Kapitel wegfallen zu lassen und die Ausgaben für Postporto auf die Etats der einzelnen Verwaltungen zu übernehmen. Minister v. Weizsäcker stimmte dem Kommissions­antrag zu. Graf-Stuttgart (Z.) trat für Aufhebung der Dienstmarken ein, wodurch wesentliche Vereinfachungen erzielt würden, und beantragte, die Regierung zu ersuchen, die Abschaffung der besonderen Wertzeichen für den amtlichen Verkehr der Staatsbehörden in Erwägung zu ziehen. Prä­sident v. Majer bemerkte, diese Marken hätten sich bewährt. Er stehe deshalb auf dem Standpunkt des quiota non movm-s. Graf (Z.) erwiderte, er wundere sich, daß Präsident v. Majer gerade hier diesen Standpunkt vertrete, der doch sonst nicht seine Sache sei. Keßler (Z.) wandte sich gegen den Antrag Graf, ebenso Minister v. Weizsäcker, der betonte, daß sich Mißstände nicht herausgestellt hätten und wesentliche Ersparnisse nicht erzielen ließen. Der Antrag wurde abgelehnt. Das Haus setzte dann die Beratung von Eisenbahnpetitionen fort und übergab die Frage der Weiterführung der Heuberg­bahn nach Trossingen der Regierung zur Erwägung, des­gleichen die Eingaben um Erbauung einer Nebenbahn von Ellwangen nach Unterschneidheim und einer Nebenbahn durch das Sechtatal von Bopfingen nach Tannhausen. Häffner (D. P.) erstattete den Kommissionsbericht und ging näher auf die Eingaben ein. Ein finanzielles Ergebnis würden die beiden Bahnen nicht haben, sie seien höchstens von volks­wirtschaftlichem Wert. Die Kommission habe keines der Projekte bevorzugt. Dambacher (Z.) trat für die Bahn Ell­wangenUnterschneidheim ein. Die Eingabe sei erneuert worden wegen der dringenden Not der beteiligten Gemeinden. Hoffentlich zeige das Plenum mehr Entgegenkommen als die Kommission. Einzelne Gemeinden seien über 25 Kilometer von der Oberamtsstadt entfernt. Wenn jetzt eine Automobil­verbindung geschaffen werde, so diene sie nur dem Personen­verkehr und sei kein Ersatz für eine Eisenbahn. Er beantrage Berücksichtigung. Walter (Z.) befürworteie gleichfalls das