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1877.
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Reüameo LS Psg, die Textzeür.
Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbrettet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.
«r. 93.
Ansgabeort Altensteig-Stadt.
Freitag, -e« SS. April.
Amtsblatt für Pfalzgrafemvetler.
1999.
Amtliches.
Tagespolitik.
Infolge der vom 15. März bis 3. April d. I. in Eßlingen abgehaltenen Prüfung sind u. a. nachstehende Zöglinge in die Präparandenanstalten ausgenommen worden: Gottlieb Hamberg er von Alten st ei g-Breitenberg, Friedrich Kalmbach von Alten st eig-Dorf, David Großhans von Gaugenwald, Reinhold Mörgen- thaler von Walddorf, Christian Joos von Pfalz- grafenrpeiler, Eugen Maier von Nagold, Eugen Monaumi von Nagold, Eugen Frauer von Wild- berg, Christian Gärtner von Herzogsweiler, Eugen Bosler von Unterhaugstett, Gustav Bos - ler von Unterhaugstett.
Dem Repetenten Rudolf Seyfang am evangelischtheologischen Seminar in Schöntal wurde eine Oberreallehrersstelle am Realprogymnasium in Calw übertragen.
Deutschland al- der größte Industriestaat der Welt.
Es ist bekannt, daß in den letzten zwanzig Jahren die Industrie Deutschlands eine riesige Entwickelung genommen hat, und daß jetzt in Deutschland gegen zwei Drittel der Bevölkerung von der Industrie, den Gewerben und dem Handel leben, die Deutsche Arbeitgeberzeitung will aus Grund der letzten Berufszählung in Deutschland und durch Vergleiche mit der industriellen Bevölkerung Englands, Frankreichs und den Vereinigten Staaten von Nordamerika aber sogar herausgesunden haben, daß Deutschland der größte Industriestaat der Welt überhaupt geworden ist. Ob man dies nun auf Grund der Berufszählung allein schon behaupten kann, ist ja eine andere Sache, da bei den Leistungen einer Industrie auch die Maschinen, die Technik und die Betriebskapitalien eine sehr große Rolle spielen. Immerhin bleibt aber die Behauptung der Deutschen Arbeitgeberzeitung, daß Deutschland der größte Industriestaat der Welt sei, eine sehr interessante Sache, und sie wird durch folgende Zahlen zu beweisen versucht. In Deutschland gibt es berufstätige Personen in der Industrie 11 256 000, in Großbritannien 9 026 000, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika 5 479 000, in Frankreich 4 048 000, in Italien 4185 000, in Oesterreich 2 881 000 und in Ungarn 961000. Den Umstand, daß die Zahlen für Großbritannien gegen die für das Deutsche Reich um 16 Jahre zurückliegen, sucht die Arbeitgeberzeitung durch folgende Rechnung auszugleichen : Die damalige Bevölkerung Englands betrug 37 733 000 Einwohner, heute rund 43*/? Millionen, sie ist mithin um 15 v. H. gewachsen. Mehr als dieser Satz kann auch nach der Meinung des genannten Arbeitgeberorganes die Zahl der industriellen Berufstätigen in diesem Zeitraum nicht gestiegen sein, weil England nicht wie Deutschland noch Reserven hat, aus denen es seine industrielle Armee ergänzen könnte. Denn im ganzen Vereinigten Königreiche betrug die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Leute nur 2 527 000 gegenüber den mehr als 9 Millionen Köpfen in Deutschland. Die anderen Berufe Englands, wie Handel, Beamte usw. konnten erst recht keinen Ueberfluß an die Industrie abgeben. Wenn man gleichwohl annimmt, die industriell Berufstätigen Englands hätten sich in den erwähnten Jahren stärker als die Gesamtbevölkerung, also etwa um 20 v. H. vermehrt, so würden sich doch immer erst 10 800 000, also um eine halbe Million weniger Berufstätige in der Industrie ergeben, als bei uns in Deutschland. Die Arbeitgeberzeitung berechnet, daß nach Maßgabe der Bevölkerungszunahme die größere Ziffer der Berufstätigen von England nicht mehr erreicht, geschweige denn überschritten werden dürfte. Die betreffende Zeitung macht dann auf einige weitere Momente aufmerksam, die ihrer Meinung nach unserem Vaterlande einen erheblichen Vorteil vor seinen Hauptkonkurrenten sichern : die im Auslande vorhandene, ganz außerordentlich große Zahl von häuslichen Dienstboten und vor allem die in Deutschland bestehende kraftvolle Landwirtschaft. Während in Deutschland nur 1265 000 häusliche Dienstboten vorhanden sind, zählt England trotz seiner um ein Drittel kleineren Bevölkerung etwa 2 345 000 und Amerika sogar 4 361000. Dadurch werden allerdings der Industrie zahl- r> iche, brauchbare Arbeitskräfte entzogen.
Rußland gegen Deutschland zu erbittern ist die Absicht einiger Londoner Blätter, die das längst amtlich Widerlegte gerade immer aufs neue aufwärmen, die Zustimmung der russischen Politik zur gütlichen Erledigung der Annexion von Bosnien und der Herzegowina sei die Folge eines von Deutschland ausgeübten Druckes gewesen. Wieder und wieder wird behauptet, ein Brief unseres Kaisers an den Zaren habe die Entscheidung herbeigeführt. Gegenüber diesem willkürlichen Spiel mit den Tatsachen stellt die „Nordd. Allg. Ztg." folgendes fest: Die entgegenkommenden Erklärungen Rußlands auf den deutschen Vorschlag zur Lösung der in der Annexionsfrage bestehenden Schwierigkeiten wurden in Unterredung des russischen Ministers des Auswärtigen Jswolski mit dem deutschen Botschafter Grafen Pauralüs am 20. und am 23. März abgegeben. Am 21. März richtete der Zar an Kaiser Wilhelm ein Telegramm über die Orientlage u. am 27. März ging die telegraphische Antwort Kaiser Wilhelms nach Petersburg ab. Aus diesen Daten ergibt sich, daß die Annahine des deutschen Vorschlages durch Rußland, und zwar unter Anerkennung der friedlichen und freundschaftlichen Absicht unseres Schrittes, schon seit mehreren Tagen erklärt war, bevor das Antworttelegramm Kaiser Wilhelms nach Petersburg abging. — Von dem was der Londoner Standard als Inhalt des nicht existierenden Briefes Kaiser Wilhelms angibt, enthält das kaiserliche Telegramm kein Wort.
Die Handelsvertrags-Verhandlungen mit Dänemark sollen lt. „Voss. Ztg." gescheitert sein, wenigstens soll Dänemark eine Fortführung der Verhandlungen aufgegeben haben. Da der Vertrag jedoch in der Hauptsache nur eine schriftliche Festlegung des bereits stehenden Meistbegünstigungs-Verhältnisses vorsah, würden dadurch größere handelsmäßige Interessen kaum berührt werden. Man sieht aber auch wieder hieraus, wie sehr es Dänemark dem deutschen Reiche gegenüber an Entgegenkommen fehlen läßt.
Die öste reicht sche Regierung geht energisch gegen die Tschechen vor. In Böhmen sind nicht weniger als 270 tschechisch - radikale Jungmannschaftsvereinigungen (Jugendbünde) mit rund 15 000 Mitgliedern von den politischen Behörden aufgelöst worden. Das Vereinsorgan, das in einer Auflage von 12 000 Stück erschien, wurde unterdrückt. Auch der gewerkschaftliche Landesverband der tscheschisch-radikalen Jugend mit der Zentrale in Prag verfiel der Auflösung. Grund zu dieser gab die staatsfeindliche, zum Teil direkt hochverräterische Haltung der tschechischen Radikal-Nationalen im österreichisch-serbischen Konflikt.
Der andauernde Parteistreit und die Flotten-Agitation haben die Väter der englischen Hauptstadt erfreulicherweise nicht vergessen lassen, daß sie sich zu Pfingsten Vertreter der Städte Berlin, Potsdam und Charlottenburg eingeladen haben, gewissermaßen zur Revanche für den Empfang des britischen Königspaares in Berlin. Jetzt hat man das Amüsements-Programm für die deutschen Gäste festgestellt, das für eine volle Woche Unterhaltung vorsieht ; darunter sind ein großes Bankett in der Guildhall, Frühstück beim Lordmayor von London, Besuch des Derby- Rennens in Galawagen, Umfahrten in London u. s. w. Da mögen die deutschen Herren Kopf und Magen hüten.
Von Minister- und Abgeordneten-Bestechungen ist in Spanien und Japan die Rede. Der spanische Marineminister ist in öffentlicher Parlamentssitzung beschuldigt, für die Zuerteilung beim Neubau von Kriegsschiffen Geld angenommen zu haben. Der Minister bestreitet das, ihm entstehen aber aus seinem eigenen Osfizierkorps Ankläger. In Japan ist mehreren Abgeordneten vorgeworfen, sie hätten gesetzliche Bestimmungen zu Gunsten eines Zuckertrusts herbeigeführt. Der Trust ist jetzt zusammengebrochen, Staat und Publikum haben erhebliche Verluste erhalten.
Expräsident Castro ist in der Lage des betrübten Lohgerbers, dem die Felle davongeschwommen sind. Er ist tatsächlich mittellos. Einem amerikanischen Journalisten versicherte er, daß er nur 3000 Pesetas bares Geld habe. Nun
ruhen allerdings in englischen Banken für Castros Rechnung Aktien und Anteilscheine venezolanischer indistrueller Unternehmungen, die nach deutschem Gelde einen Wert von 6 Millionen Mark darstellen. Als Castro noch in Deutschland weilte, wurde ihm der Antrag einer englischen Gesellschaft unterbreitet, einen Teil dieser Anteile in Bargeld umzutauschen. Diesen Antrag hat Castro jedoch ausgeschlagen. Heute ist nun so gut wie sicher, daß die venezolanische Regierung diese Papiere für ungültig erklären und ihren Wert sich selbst gutschreiben wird. Nicht aus politischem Ehrgeiz, sondern aus Angst vor der völligen Verarmung wollte Castro noch als kranker Mann die Rückkehr nach Venezuela erzwingen. Sein Plan ist gescheitert, und das Rechenexempel seines Lebens schließt mit einem großen Fehlschlag ab.
Deutscher Reichstag.
sj Berlin, 21. April.
Der Reichstag erledigte in seiner ersten Sitzung nach den Osterferien am Dienstag eine große Zahl von Petitionen nach den Anträgen der Kommission. Eine längere Debatte entstand bei der Petition zahlreicher Kommunen, den für den 1. Januar 1910 vorgesehenen Termin für die Aufhebung der städtischen Mehl- und Schlachtsteuer bis zum Jahre 1915 zu verschieben. Ein Antrag Wölzl wünschte die Hinausschiebung, während die Kommission Uebergang zur Tagesordnung über die Petition beantragte. Die Abgeordneten Manz (freist Vp.), Bassermann (natl.), Pfeiffer (Ztr.), Wagner (konf.) sprachen sich für den Antrag Wölzl aus, Abg. Gothein (freis. Vgg.) für den Kommissionsantrag. Die Abstimung findet am Mittwoch statt. Außerdem Weiterberatung des Antrags über Freiheit des Grunderwerbs. In der Debatte hatte auch der preußische Geh. Ober-Finanzrat Stutz zu Gunsten des Antrags Wölzl betont, daß die Aushebung der Oktrois für die beteiligten preußischen Gemeinden ein starkes Anziehen der Steuerschraube zur Folge haben würde. Das wäre um so bedauerlicher, als es sich besonders um kleinere Gemeinden handelte und weil wegen der Beamtenbesoldung so wie so eine Steuererhöhung erfolgen müsse.
Württemkergischer Landtag.
js Stuttgart, 21. April.
Die zweite Kammer setzte heute die Beratung des Etats des Innern im Kap. 34: Zentralstelle für die Landwirtschaft fort. Schaible (B. K.) dankte der Regierung für die Förderung der Fischzucht, Maier-Rottweil (Z.) für die des Viehversicherungswesens. Weiterhin wurde ein von den Abg. Körner und Ströbel (B. K.) unterstützter Antrag des Abg. Keilbach (Ztr.) angenommen, worin die Regierung ersucht wird, mit Rücksicht auf die großen Mißstände, die auf dem Dünger- u. F u t te rm itte l ma rk t sich zeigen, sowie darauf, daß die bestehenden Gesetze der Landwirtschaft, wie dem reellen Handel einen genügenden Schutz vor Betrug, Uebervorteilung und unlauterem Wettbewerb nicht bieten, auf Abhilfe durch gesetzliche Regelung bedacht zu sein. Keilbach wünschte eine entsprechende Ergänzung des Handelsgesetzbuches und empfahl den Landwirten als besten Schutz vor Betrug den genossenschaftlichen Einkauf. Minister v. Pischek stimmte dem Antrag zu und wies darauf hin, daß die Landwirte sich dadurch vor Betrug schützen können, daß sie der Versuchsstation in Hohenheim Proben der betreffenden Ware zuschicken. Die Untersuchung erfolge kostenfrei. Hauser (Z.) äußerte einige Wünsche auf dem Gebiete des Meliorationswesens, insbesondere sollten mit den Bewässerungsanlagen auch Entwässerungen erfolgen. Minister v. Pischek erwiderte auf eine Anfrage des Abg. Keilbach, bei den Versuchen mit der Kultivierung von Moorflächen seien gute Erfahrungen gemacht worden. Ströbel (B. K.) forderte, daß die Vorarbeiten zur Verwendung der Torfmoore im Oberland mit größerem Ernst in Angriff genommen werden, und lehnte die Exigenz eines 5. Revisionsgeometers ab. Schick (Z>) und Häffner (D. P.) befürworteten die Exigenz mit Rücksicht auf die Klagen über die Verzögerungen bei der Feldbereinigung, desgleichen Dambacher (Z.), der Abg. Graf- Stuttgart (Z.) beantragte, die Bereitwilligkeit zur Genehmigung von Mitteln zur Förderung der Ausbeutung der Torfmoore auszusprechen, erklärte namens seiner Freunde, daß sie gegen