Tchwarzwälder Sonntagsblatt.

Kinder wieder zum Vater, zur Mutter und zu den Ge­schwistern. Sie waren schon in der Schute. Sie wollen erzählen, daß es dort schön ist und daß es ihnen ganz gut gefallen hat. Die Befürchtung, : die Kinder in der Schule nur Schläge erhalten, ist nicht eingetroffen; sie wollen jene nun Lügen strafen, die ihnen das vorgesagt haben. Wie beglückt sind nun auch die Eltern, wenn die Kinder verkünden :

In der Schule ist es schön - Gern' will ich zur Schule gehn."

Wochen-Rundschau.

Die Gesandtschaft in München.

Die Ablehnung der württ. Gesandtschaft in München durch die Abgeordnetenkammer hat eine interessante und ver­wickelte Situation geschaffen, uno man darf begierig sein, zu sehen, wie man aus ihr herauskommen wird. Die Volks­partei, die bis aus zwei Abgeordnete gegen die Position ge­stimmt hat, ist unterdessen, wie man gehört hat, anderen Sinnes geworden und hat beschlossen, für die Wiederher­stellung der Position einzutreten. Mit der Abstimmung in der Zweiten Kammer ist indessen die Angelegenheit vorläufig erledigt, und um darauf zurückkommen zu können, bedarf es eines Anstoßes vomjenseitigen Hause", der Ersten Kammer. Das ist zweifellos für die Volkspartei, die immer für die möglichst weitgehende Beschränkung des Budgetrechts der Ersten Kammer eingetreten ist, eine harte Nuß. Ver­fassungsrechtlich liegt die Sache so, daß die Erste Kammer nach der neuen Verfassung, die ihr Budgetrecht erweitert hat. das Recht besitzt, auch zu den einzelnen Etatspositionen Stellung zu nehmen und Beschlüsse zu fassen, daß aber die dann herbeizuführende nochmalige Abstimmung der Zweiten Kammer endgültig entscheidet. Die Erweiterung des Budget­rechts der Ersten Kammer wird hier zum erstenmale praktisch. Da es zweifellos ist, daß sie die Position für die Münchener Gesandtschaft wisderherstellt, so wird eben die Sache in einer zweiten Lesung die Abgeordnetenkammer beschäftigen, was sonst ausgeschlossen wäre. Kommt diese neuerdings zu einer Ablehnung, so bleibt Herrn v. Moser, dem Gesandten in München, nichts anders übrig, als seinen dortigen Haushalt aufzulösen und heimzukehren. Der Ausgang der neuen Ab­stimmung in der Abgeordnetenkammer ist nun aber, trotz des volksparteilichen Fraktionsbeschlusses noch recht unsicher. Volkspartei und Zentrum zusammen haben allerdings die Mehrheit, aber es brauchen nur ein paar Volksparteiler ab­zuspringen und neuerdings gegen die Gesandtschaft zu stimmen, so ist es um diese geschehen. Vielfach ist die Frage aufge­worfen worden, wie denn die Regierung über die Sache denke. Letzthin hat ein Stuttgarter Korrespondent der Köln. Ztg. behauptet, der Regierung wäre es willkommen gewesen, wenn die Münchener Gesandtschaft gefallen wäre, und es gehe gegen ihren Willen, wenn diese ihr wieder aufgedrängt werde. Der Staatsanzeiger hat das äußerst unwirsch eine groteske Behauptung und eine Verkennung und Entstellung der Wünsche und Absichten der Regierung genannt. In der Tat, die Regierung kann nicht gut sagen, daß ihr an der Beibehaltung der Gesandtschaft nichts gelegen wäre; im Gegenteil, sie wünscht gewiß deren Beibehaltung. Aber wenn es jedoch anders kommen sollte, wird sie sich wohl auch zu trösten wissen.

Um die Reichsfinanzreform.

In der inneren Politik hat die Reichsfinanzreform auch die österlichen Erörterungen bestritten, und dieses Thema wird wohl auch noch weiterhin auf der politischen Tages­ordnung an erster Stelle bleiben. Von Woche zu Woche wird die Sicherheit größer, daß die Erbschaftssteuer sich durch­setzen wird. Die Reihen der Gegner sind in voller Auf­lösung und alle Beschwörungen, alle Anfeuerungen, alle Drohungen des Bundes der Landwirte vermögen das nicht zu verhindern. Letzthin haben die sächsischen Konservativen sich auf einer Vertreterversammlung ganz offiziell für die Erb­schaftssteuer erklärt, und in den Reihen der Konservativen zeigt sich auch anderwärts derMauerfraß". Auch das Zentrum beginnt einzuräumen, daß die Erbschaftssteuer un­vermeidlich erscheine. Ein Zentrumsführer, der Abg. Bachem, sagt das in einem Zeitungsartikel rund heraus. Von einem Teile des bayrischen Zentrums, nämlich dem linken unter Führung des Bauerndoktors Heim stehenden Flügel weiß man schon lange, daß er der Erbschaftsbesteuerung geneigt ist. Eine große und sehr eindringliche Kundgebung des Mittelstandes für die Erbschaftssteuer hat am Dienstag in Berlin stattgefunden. Sie ist umso bemerkenswerter, als die konservativ-agrarischen Gegner der Nachlaß- und Erbschafts­steuer mit Vorliebe die Rücksicht auf den Mittelstand an­führen. In den Kreisen des Mittelstandes ist man aller­dings nachgerade wohl überall so ziemlich klar darüber, daß der Mittelstand von der Erbschaftssteuer, die kleinere Ver­mögen freiläßt, in keiner Weise getroffen wird. Auch aus Württemberg ist eine große Kundgebung für die Erbschafts­steuer und für die Dringlichkeit der Erledigung der Reichs­finanzreform zu verzeichnen. Sie hat am Donnerstag in Stuttgart in Gestalt einer Versammlung stattgefunden, zu der zahlreiche angesehene Männer unter Führung des Grafen Karl v. Linden eingeladen hatten.

Italien und der Dreibund.

Am Ostersonntag hat der Reichskanzler Fürst Bülow in Venedig den Besuch des italienischen Ministers des Aus­wärtigen, Tittoni, bekommen. Vom Telegraphen ist gewissen­haft Kunde gegeben worden, daß die beiden Staatsmänner miteinander gefrühstückt und mit einander diniert haben, und wer alles dabei war (unter anderen auch dieReichs­schwiegermutter", Donna Laura Minghetti); auch haben wir zu wissen bekommen, daß Bülow und Tittoni längere Be­sprechungen gehabt haben. Neber was, darüber schweigt der offiziöse Draht, und man ist auf Vermutungen angewiesen. Dabei wird von italienischer Seite wieder die Erklärung laut, daß es sich um keine politischen Angelegenheiten gehandelt habe, injonderheit nicht um den Dreibund. Man kennt der­artige Erklärungen zur Genüge, denn sie sind so ziemlich bei jeder Gelegenheit zu vernehmen. In Wirklichkeit Werden die beiden Staatsmänner mancherlei politische Sachen mit einander zu besprechen gehabt haben, wobei man nicht ein­

mal so weit zu gehen braucht, anzunehmen, daß über die Erneuerung des Dreibundes verhandelt worden sei. In der französischen und italienischen Presse ist davon nämlich in der letzten Zeit mehrfach die Rede gewesen, und man hat bewegliche Klagen vernehmen können, daß Deutschland und Oesterreich, gewissermaßen berauscht von dem Erfolge in der Balkankrisis, nun Italien, das arme Italien, vor die Frage stellen wollen, ob es im Dreibunde zu verbleiben gedenke oder nicht. Man hat auch wieder etliches darüber zu hören bekommen, daß Italien, wenn es schon im Dreibunde bleibe, künftig größere Bewegungsfreiheit bekommen müsse, um seine Beziehungen zu dem französisch-englischen Ententesystem zu pflegen. Das wäre natürlich ganz nach dem Herzen der Italiener und auch der Franzosen. Aber Deutschland und Oesterreich werden sich für ein solches Verhältnis ergebenst bedanken. Wenn Italien beim Dreibunde bleiben will, muß es schon die Güte haben, wenigstens einige Verpflichtungen auf sich zu nehmen. Ob darüber in Venedig zwischen dem Fürsten Bülow und Herrn Tittoni schon einiges gesprochen worden ist, wissen wir nicht. Die Sache hat schließlich keine Me, denn der Dreibundvertrag ist noch nicht abgelaufen und auch nicht gekündigt.

Die Mittelmeerreise des Kaisers.

Der Kaiser reist in diesen Tagen mit seiner Familie nach Korfu, um dort in seinem Schlosse Achilleion, das ehedem der unglücklichen Kaiserin von Oesterreich gehörte, ein paar Wochen der Erholung zu verbringen. In Vene­dig, wo er sich an Bord der Hohenzollern einschifft, wird er den Fürsten Bülow noch einmal sehen, der am 19. ds. wieder in Berlin eintreffen dürfte, um zur Wiederaufnahme der Reichstagssitzungen an Ort und Stelle zu sein. Die Gerüchte und Kombinationen von bevorstehenden Monarchen­begegnungen anläßlich der Mittelmeerreise des Kaisers sind in der letzten Zeit fortwährend üppig ins Kraut geschossen. Wahrscheinlich, vielleicht kann man auch sagen: sicher ist nur das eine, nämlich daß Kaiser Wilhelm mit dem König von Italien eine Zusammenkunft haben wird. Das Wie und Wo der Zusammenkunft steht aber bis jetzt noch in keiner Weise fest.

Oesterreich. Dreadnoughts.

Die englischen Flottenchauvi­nisten haben eine neue Sorge.

Sie fangen an, sich vor den neuen österreichisch - ungarischen Dreadnoughts zu fürchten. Die Dreadnoughts existieren aller­dings erst auf dem Papier, und genau betrachtet, auch das noch nicht einmal. Man geht in Wien erst mit der Absicht um, vier solcher Riesenschlachtschiffe zu bauen, und zwar so, daß sie 1912 fertig sind. Oesterreich- Ungarn ist nämlich mit seiner Kriegsflotte arg im Rückstand geblieben, und man fängt an zu begreifen, daß das nicht gut ist. Denn auch die habsbur- gischeMonarchie hat wichtige See- interessen, und es ist namentlich für sie von der größten Wichtig­keit, fast eine Lebensfrage, daß sie das Adriatische Meer be­haupten kann. So selbstver­ständlich das alles auch ist: in England macht man davon ein gewaltiges Aufheben. Man rech­net die vier zukünftigen öster­reichischen Dreadnoughts ohne weiteres zu den Dreadnoughts, die Deutschland später einmal haben wird, und folgen daraus, ^ daß die englische Seeherrschaft nun erst recht in der größten Gefahr ist und daß unbedingt weitere englische Dreadnoughts gebaut werden müssen. Das ist natürlich Unsinn; aber eines ist richtig, und das hatte die eng­lische Politik nicht genügend in ihre Rechnung gestellt, daß die festeZu>ammengehörigkeitzwischen Deutschland und Oesterreich, die sich in der Balkanfrage so glän­zend bewährt hat, ein Faktor ist, an dem alle Einkreisungsversuche zu Schanden werden müssen.

Kündigung des englisch- japanischen Bündnisses?

Ein zuweilen öffiziös bedientes Wiener Blatt hat dieser Tage die Nachricht verbreitet, daß Japan sein Bündnis mit England, das 1905 aus 10 Jahre abgeschlossen worden ist, zu kündigen beabsichtige. Diese Nachricht hat einiges Aus­sehen erregt, wenngleich sie jedenfalls unrichtig, mindestens aber verfrüht ist. Tatsache ist jedoch, daß Japan Grund zu haben glaubt, mit England unzufrieden zu sein. Die eng­lischen Annäherungsversuche an Rußland können in Japan nicht gerade angenehm sein, und auch bei den Differenzen Japans mit den Vereinigten Staaten von Amerika, die bis­her mit Mühe und Not ausgeglichen werden konnten, aber in Zukunft sicher wieder auftreten werden, ist auf England kein Verlaß. Und in China arbeitet England den japani- Ä schen Bestrebungen offenkundig entgegen, und es hat sich dort ein starker Gegensatz herausgebildet. Da mag es den ^

Japanern angezeigt erscheinen, England auf eine Auflösung des Bündnisses hinzuweiien, das zweifellos den Engländern bei weitem mehr Vorteile bringt als den Japanern. Denn ohne das Bündnis müßte England im fernen Osten wieder eine große Flotte halten und auch für die Verteidigung In­diens wieder größere Vorkehrungen treffen. Das aber wäre für England, das seine Politik in neuerer Zeit ganz auf den Gegensatz zu Deutschland eingestellt hat, äußerst unangenehm. Freilich hätte auch Japan von der Auflösung des Bünd­nisses jetzt keinen Vorteil. Denn es stände dann ganz allein, und das ist für eine Macht, die noch schwer an den Folgen des Krieges mit Rußland trägt, nicht erwünscht.

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