Eine Erklärung des Grafen Zeppelin.
Graf Zeppelin veröffentlicht folgende Erklärung: Es ist mir Pflicht und Bedürfnis, allen Deutschen innerhalb und außerhalb des Reichs, die zu der, durch die Verbrennung meines Luftschiffes bei Echterdingen hervorgerufenen Volksspende beitrugen, über die Verwendung des mir anvertrauten Gutes Rechenschaft abzulegen. Das Ergebnis der Spende betrug am Schluß der durch die verschiedenen Sammelstellen veröffentlichten Listen, um Mitte Oktober 1908 5 513 336 Mark. Seit jener Zeit bis heute sind noch weitere 583 219 Mark eingegangen, (worüber in Nro. 171 des Schwäbischen Merkur, Stuttgart, öffentlicht quittiert wird), sodaß der Gesamtbet rag der Spende sich auf 6096 55 5Mk. belauft. Kraft der mir von den Gebern übertragenen freien Verfügung über die Spende habe ich mit deren gesamten Betrage nebst dessen Zinsen und Erträgnissen eine Stiftung unter dem Namen „Zeppelin-Stiftung", mit dem Sitz in Friedrichshafen am Bodensee, errichtet, die nunmehr am 29. März ds. Js. die staatliche Genehmigung erhalten hat. Die Stiftung ist befugt, anderweitige Zuwendungen anzunehmen und dadurch ihr Vermögen zu vergrößern. Die Stiftung soll mir zunächst die Kosten für das an Stelle des bei Echterdingen verbrannten, im Bau begriffenen Luftschiffs ersetzen; sodann aber mir Mittel gewähren, um den Luftschiffbau und die Luftschiffahrt in Deutschland möglichst zu entwickeln und nutzbringend zu gestalten. Unter weit überwiegender Beteiligung der Stiftung ist bereits eine Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Luftschiffen unter dem Namen „Luftschiffbau Zeppelin" in Friedrichshafen gegründet. Umfassende Anlagen, die den raschen Bau von Luftschiffen in den in Aussicht genommenen Verhältnissen ermöglichen sollen, sind in der Ausführung begriffen. Ver- schiedene Unternehmungen, die eine wesentliche Förderung und Hebung des Luftschiffbaues oder die bessere Ausnützung der Luftschiffahrt versprechen, erhalten die notwendige Unterstützung. Wissenschaftliche Untersuchungen, Versuche aller Art, und die Prüfung der einschlägigen Vorgänge und Vorschläge in der Welt sind im Gange, um fortschreitend immer vollkommeneres leisten zu können. Von solchen Vorgehen ist zu erhoffen, daß Deutschland für lange Zeit im Luftschiffbau und in der Luftschiffahrt an der Spitze der Völker schreiten wird. Durch die Anspannung der mir noch verbliebenen Kräfte, um diesem hohen Ziele näher zu führen, glaube ich am besten dem tiefen Dankgefühl Ausdruck verleihen zu können, das mich gegen alles erfüllt, die mir mit ihren Gaben, Ehrungen und Auszeichnungen Hilfe gebracht und Freude bereitet haben. Das schönste Ergebnis des durch die Volksspende ermöglichten Entwicklungsganges meines Unternehmens wäre es aber, wenn allgemein erkannt würde, welche herrlichen Früchte das einige, begeisterte Zusammenwirken von Fürsten und Volk mit Hintansetzung aller Sonderbestrebungen zu zeitigen vermag, und wenn diese Erkenntnis dann zur Wiederholung solchen einmütigen, opferfreudigen Zusammengehens an feuern würde, so oft es sich um eine für das Wohl und die Ehre des deutschen Vaterlandes wichtige Sache handelt".
Eine Kundgebung für die Reichsfiuanzreform
fand gestern abend im großen Festsaal der Liederhalle in Stuttgart statt. Die Versammlung war von etwa 2000 Personen besucht. Graf Linden führte den Vorsitz, das Hauptreferat hatte Professor Kind er mann-Hohenheim übernommen. Außerdem sprachen noch die Reichstagsabgeordneten Professor Dr. Hieb er und Storz. Es gelangte eine Resolution zur Annahme, in der die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die Finanzreform bald zum Abschluß gelangen möge, und zwar unter Heranziehung der größeren Nachläße oder Erbanfälle, neben der vorgesehenen weiteren Besteuerung von Tabak, Bier und Branntwein. Graf Zeppelin, der in der Versammlung mit
stürmischem Beifall begrüßt wurde, stellte den Antrag, diese Resolution der Reichsregierung durch eine Deputation überreichen zu lassen. Der Antrag wurde an- gen o m m e n.
In den nächsten Tagen werden im ganzen Lande Unterschriften zu diesem Antrag gesammelt werden. Ueber- all im Lande werden Unterschriftsformulare ansgelegt. Die Bevölkerung wird aufgefordert, ihre Unterschrift zu dem hochwichtigen Antrag zu geben.
js Berlin, 15. April. Aus Deutsch-Oftafrika ist eine telegraphische Meldung des Gouvernements eingetroffen, wonach im Bezirk Muansa etwa 60 Todesfälle an Pest vorgekommen sind.
Zur Osterreise des Kaisers.
* Venedig, 15. April. Heute vormittag unternahmen der deutsche Kaiser und die Kaiserin bei sehr schönem Wetter eine Spazierfahrt. Die Abreise von hier nach Korfu wird morgen früh 5 Uhr erfolgen. Die Ankunft in Korfu ist auf Samstag vorgesehen.
* Venedig, 15. April. Der Kaiser und die Kaiserin sind von dem hiesigen Aufenthalt sehr befriedigt. Die Bevölkerung bereitete den hohen Gästen überall einen herzlichen Empfang. Im Lause des gestrigen Nachmittags nahm der Kaiser den Vortrag des Fürsten Bülow entgegen, der zur Mittags- und zur Abendtafel auf der Hohenzollern eingeladen war.
* Korfu, 15. April. König Georg und Kronprinzessin Sophie von Griechenland sind heute nachmittag hier eingetroffen und wurden feierlich empfangen. Ministerpräsident Theotokis war bereits heute mittag angekommen. Die beiden griechischen Panzerschiffe, die hier im Hafen liegen, werden bei der Ankunft des Kaisers den Salut schießen.
Nuslciudilchrs.
js Biarritz, 15. April. Der König von England ist heute vormittag nach Paris abgereist.
js Washington, 15. April. Der Senat hat den deutsch-amerikanischen Paketvertrag angenommen.
Aufruhr i« Konstantineptl.
js Konstantinopel, 15. April. Die Meuterer haben gestern eine Proskriptionsliste aufgestellt von hundert Militär- und Zivilpersonen, darunter Hilmi Pascha, deren Erschießung bezw. Auslieferung sie verlangen. Man hofft, die Meuterer werden heute ihre Forderung fallen lassen.
js Konstantinopel, 15. April. Die hiesigen Blätter geben gar keine oder reservierte Kommentare zu den Ereignissen der letzten Tage. Einige drücken Befriedigung über den Regierungs- und Systemwechsel aus, andere sind besorgt und mahnen zu Mäßigung und Ruhe. Dem Jkdam zufolge waren die gestern auf dem Platze vor dem Parlament versammelten Soldaten genügend mit Geld versorgt und wiesen alle Geschenke ab.
* Konstantinopel, 15. April. Der Sultan verlieh der Fahne der Marinesoldaten, welche ihm vorgestern mit anderen Soldaten huldigten und denen er sich am Fenster zeigte, zwei Dekorationen. Vorgestern und gestern zogen fortwährend zahlreiche Soldaten vor das Mdiz-Palais, wo sie dem Sultan stürmisch zujubelten.
Anarchie im Heere.
" Berlin, 15. April. Dem „Berliner Tagebl." wird aus Konstantinopel telegraphiert: Die Meuterei in der türkischen
Armee hat die vollständige Auflösung der Kommandogewalt herbeigeführt. Da nach Meldungen aus Saloniki und Adrianopel dort die gleichen Zustände wie in Konstantinopel herrschen, so erscheint die Armee als Faktor, mit dem die eine oder die andere Partei wieder geordnete Zustände schaffen könnte, vollkommen ausgeschaltet. In den Kasernen, wohin die meisten Truppen zurückkehrten, kommandieren jetzt die Feldwebel. Die Offiziere des 4. Jägerbataillons waren von den Soldaten geknebelt worden. Einer wurde heute mit einem Strick um den Hals durch Pera gezerrt. Alle kriegsschulmäßig gebildeten Offiziere sind äußerst deprimiert. Die Auflösung der Ordnung im Heere macht sich Bulgarien bereits zu nutze, Griechenland, wie ganz bestimmte Anzeichen beweisen, ebenfalls. Die Soldaten sind heute, jeder mit 8 Fr. Bargeld versehen, aus Stambul zurückgekehrt. Woher das Geld stammt, ist unbekannt. Der Chef des Generalstabs und der Kommandant des Gardekorps, Muktar Pascha, hatten seit einer Woche Kenntnis von dem beabsichtigten Putsch. Sie nahmen aber die Sache nicht ernst, da sie vermutlich glaubten, daß es sich nur um den politischen Kampf der uuion libsraio gegen das Kommitee drehe. Jetzt sind auch die Leiter der liberalen Union sehr betrübt, da sie sehen, daß sie geprellt sind, und daß lediglich die albanische und die islamitische Bewegung die Früchte der Umwälzung davontragen.
jj Frankfurt a. M., 15. April. Die Franks. Ztg. erfährt aus K o nsta n t in o p el: Im Vorort Arnautkoi am Bosporus wurden heute um 9 Uhr zwei Offiziere, die dem dortigen Truppenkommando angehörten, füsiliert. Die Wache stellte die Offiziere an die Straßenmauer und nahm die Exekution vor. In der Bevölkerung brach eine Panik aus, doch beruhigten sie die Soldaten, die versicherten, daß nur die beiden Offiziere erschossen werden sollten.
* Konstantinopel, 15. April. Soeben fahren Matrosen und Marinesoldaten auf Wagen nach dem P i l- dizpalast, um gegen den interimistischen Marineminister zu protestieren. In einigen Stadtteilen herrscht wieder Beunruhigung. Der frühere Kriegsminister Ali Riza und andere hohe und niedere Offiziere, die als Jungtürken gelten, halten sich verborgen. Die Depeschenzensur ist aufgehoben.
London, 15. April. Nach einer Meldung des Reuter- schen Bureaus aus Konstantinopel begehen Konsiliarberichten zufolge in Mersina, wo zwei Mohamedaner von einem Armenier ermordet wurden, die Mohamedaner Mordtaten gegen die Armenier. Die christlichen Gemeinschaften bitten um Hilfe.
Der Pöbel wütet gegen die Jungtürken.
* Konstantinopel, 15. April. Pöbel, geführt von Soldaten, hat die R e d akt i o n s r äu ml i ch k eit en der jungtürkischen Blätter „Tanin" und „Schurai llmmet", sowie die Räume des jungtürkischen Klubs und des Frauenklubs zerstört und geplündert. Der Chefredakteur des „Tanin", der Deputierte Hussein Djahid, und der Salonikier Deputierte Djavid sollen sich in eine Botschaft geflüchtet haben. Auch die übrigen jungtürkischen Deputierten und viele hervorragende Jungtürken haben sich teilweise versteckt,' teilweise sind sie geflüchtet.
Die Diplomaten beim Grotzwesir.
Konstantinopel, 15. April. Die Botschafter und Gesandten statteten heute dem Großwesir offizielle Gratulationsbesuche ab, bei welcher Gelegenheit Tewfik Pascha beruhigende Zusicherungen über die innere Lage gab und besonders betonte, daß bezüglich der Haltung der Truppen des Adrianopeler und des Salonikier Korpsbereichs keine Gefahr existiere. Diese Mitteilungen haben die Diplomaten sichtlich beruhigt und es beginnt bei ihnen jetzt eine optimistische Auffassung über die Situation und die nächste Zukunft vorzuherrschen.
L - sefrrropt.
Halt' es für gut . . halt' es für böse . . es ist so und du kannst nichts machen.
Drum nimm und trag' es mit Humor!
Du kannst darüber weinen oder lachen . . . Wer weise, zieht das letztere vor!
Cäsar Flaischlen
SLeinmehstraße Nr. 111
Moderner Kriminalroman von Hans Hy an. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
XIX.
Als Berthold Fallgräbe den Kriminalinspektor Vaste am nächsten Morgen aufsuchte, fand er ihn gerade damit beschäftigt, die am Abend vorher Eingslieferten zu verhören. Mit dreien war er fertig, und eben hatte ein Schutzmann „Nustelwilhelm" hereingeführt.
Dieser befolgte die Taktik, daß man sich durch Schweigen auf keinen Fall verraten könne, und gab deswegen nur ganz kurze und inhaltslose Antworten.
„Also, wer ist auf die Idee gekommen, den Kommissar Schultz in die Falle zu locken?" fragte Herr Vaste.
zJck nich", sagte Nustelwilhelm.
Na, wenn Sie es nicht waren, dann muß es doch ein anderer gewesen sein?"
Nustelwilhelm nickte.
,Na, wer war es denn?"
„Ick nich", sagte Nustelwilhelm.
„Das haben Sie mir schon mehrfach gesagt", sagte Her Beamte, „aber ich will Ihnen jetzt mal was sagen: Wenn Sie bei Ihrer ablehnenden Haltung bleiben und sich die Worte derartig aus den Zähnen ziehen lassen oder gar nicht antworten, dann lasse ich Sie so lange sitzen in der Einzelzelle, bis, na, bis Sie sich die Sache eben über
legt haben . . . Und wenn bann inzwischen die Mittagszeit vorbei ist, und Sie nichts abbekommen haben, so ist das natürlich nicht meine Schuld! . ."
In diesem Augenblick wurde Berthold Fallgräbe gemeldet, und Herr Vaste empfing ihn sofort.
Der Detektiv hatte, wie er das selber nannte, das Kostüm des Verficht ^beamten gewählt. Er trug seinen früheren schwarzen Schnurrbart und den steifen modernen Hut, wie er denn überhaupt gern nach englischer Manier gekleidet ging.
Der Kriminalinspektor betrachtete ihn mit stillem Lächeln und sagte:
„Womit kann ich Ihnen dienen? . . . Aber Sie haben vielleicht ein kleines bißchen Zeit, bis ich den Herrn l.ier erledigt habe."
Das letzte war von einem ironischen Winken des Graukopfes begleitet, das Nustelwilhelm galt."
„Mso Schultz", — Nustelwilhelm hatte diesen Sammelnamen — „wie war das: Wer ist auf die Idee gekommen, dem Kriminalkommissar die Jacke voll zu hauen?"
Nustelwilhelm dachte einen Augenblick nach, als müsse er sich erst darauf besinnen, dann sagte er:
„Revolverfred, glarlb' ich".
„Das glaubst du, mein Sohn", sagte Herr Vaste, Mir wär' es lieber, wenn du weniger glauben und mehr wissen würdest."
Dann wieder, als spräche er zu einem ganz anderen, von dem vertraulichen „Du" zu dem modernen „Sie" übergehend, fügte er hinzu:
„Ich habe nicht mehr lange Zeit, Schultz! Woll'n Sie mir nicht vielleicht sagen: wie war die Geschichte? Revolverfred hat die Sache angezettelt und wer noch?"
„Ick jloobe, der kesse Anton."
„Und was für eine Rolle haben Sie dabei gespielt?"
„Rolle? sagte Nustelwilhelm. ,,Jar keene!"
„Na, Sie sind doch aber dabei mitabgefaßt worden!"
„Na ja, ich war eben uff de Mitjehe."
„Ach so, Sie haben bloß zugeguckt? . . Ganz recht, nun verstehe ich erst . . . Na, und was hat Pritzel mit der Sache zu tun gehabt?"
W Nustelwilhelm beschränkte sich darauf zu erwidert« j - „Och! . „ . Pritzel!"
-Also Pritzel rechnete gar nicht, wie!"
Nustelwilhelm hielt diese Frage einer Beantwortung nicht für wert.
„Nu will ich Ihnen mal was sagen, Schulz", meinte der Inspektor, der sich auch durch den verstocktesten Leugner nie aus seiner Fassung bringen ließ, „ich werd' Ihnen die Sache mal erklären: Revolverfred und dar kesse Anton, die beiden haben eine Pike auf den Kommissar gehabt und wollten ihm was am Leder flicken, und da haben sie euch beide hingeschickt und ihr habt ihm vorgeredet, ihr werdet ihm den Mörder in die Hände spielen . . ."
„Nee", sagte Nustelwilhelm, „den Mörder nich, bloß den Komplizen, der Schmiere jestanden hat."
„Na, sehen Sie, Schultz, jetzt kommen wir doch zusammen! Also, und da habt ihr den Herrn Kommissar regelrecht in die Falle gelockt und dann hat er seine Wichse gekriegt von euch, daß es nur so geraucht hat."
Nustelwilhelm schüttelte energisch den Kopf.
„Icke nich, Herr Kriminalinspektor!"
„Nein, natürlich. Sie sind ja bloß mitgegangen, bloß zum Spaß!"
„Und Pritzel ooch nich!" sagte Nustelwilhelm mit schöner Überzeugung.
„Na, dann gehen Sie man jetzt", meinte der Kriminalinspektor, „wir werden ja noch weiter sehen."
Damit winkte er dem Schutzmann zu, der Nussel- Wilhelm abführte.
Sobald dieser das Zinimer verlassen hatte, wandte sich Herr Vaste an Fallgräbe mit den Worten:
„Haben Sie ein besonderes Anliegen, Herr Fallgräbe?"
„Ja", erwiderte der, „ein sehr besonderes sogar, und ich weiß gar nicht, ob das gehen wird."
„Na, was denn? . . . Sie hoben sich ja einen so großen Stein bei uns ins Brett gesetzt, daß wir schon bis an die Grenzen der Möglichkeit gehen würden, um Sie zufrieden zu stellend