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1877.

räglictz «U LuSna-N« der Sonn« und Festtage.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbrettet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

Kr. 88.

Ansgabeort Alteusteig-Stadt.

Earnstag, de« 17. April.

Amtsblatt für Pfalzgrasenweiler.

190S.

Der Militärputsch i« Konstantinopel, j

Soeben noch konnte man in den politischen Osterbe­trachtungen der Blätter der anscheinend ja so berechtigten Genugtuung darüber begegnen, daß nunmehr die jüngste verwickelte und für den Frieden Europas so gefährliche Balkankrisis als gelöst betrachtet werden dürfte, da hat der Balkan mit dem in Konstantinopel überraschend stattge­fundenen Militärputsch plötzlich eine neue Sensation gezeitigt. Noch läßt sich über den Erfolg und die Tragweite der Militärrevolte am Bosporus kein bestimmtes Urteil abgeben, die Gerüchte über die neuesten Vorgänge in der türkischen Hauptstadt schwirren da noch zu bunt durcheinander. Immer­hin läßt sich aber wenigstens das eine kaum verkennen, daß man es in dem meuterischen Auftreten fast der gesamten Garni­son Konstantinoxels, mit der übrigens auch mehrere Truppen­teile in der Provinz sympathisieren, mit einem gewaltsamen Vorstoß der reaktionären alttürkischen Elemente gegen die mit dem Liberalismus und den Kulturerrungenschaften des europäischen Westens liebäugelnden Herrschaft des Jung- türkentums zu tun hat. Hierauf deutet schon der Umstand hin, daß die Sofias, die höheren mohamedanischen Geist­lichen, die Führer in der ausgebrochenen rebellischen Beweg­ung sind, sowie der weitere Umstand, daß die meuternden Soldaten eine Reihe antiliberaler Forderungen an die Regierung gestellt haben. Zunächst hat die Militärrevolte die eine Folge gehabt, daß das bisherige türkische Kabinett Hilmi Pascha zurückgetreten ist, worauf der Sultan den früheren Großvezier Kiamil Pascha, der zur konservativen Richtung gehört, wieder in sein ehemaliges Amt als Mini­sterpräsident emsetzte.

Wie sich nun die Dinge in Konstantinopel und hiermit in der Türkei weiter entwickeln werden, das bleibt zunächst völlig abzuwarten. Es ist möglich daß sich das jungtürkische Komitee durch Errichtung einer Militärdiktatur, wovon die Rede ist, vorerst in seiner Herrschaft behauptet, aber diese Militärdiktatur würde zweifellos erbitterte Kämpfe zwischen den zum Komitee haltenden Truppen und den sich in den Dienst der reaktionären Sache stellenden Truppen bedingen und im weiteren einen blutigen Bürgerkrieg in der Türkei entfesseln. Es ist aber auch ebensogut möglich, ja, wohl wahrscheinlich, daß sich das reaktionäre Element, welches jetzt mit dem rekonstruierten Kabinett Kiamil Pascha wieder in die Erscheinung tritt, am Bosporus behauptet, und dann wären natürlich alle politischen Errungenschaften der jung­türkischen Periode wieder ernstlich in Frage gestellt. Wich­tiger indessen, als die eventuellen Rückwirkungen des Kon- stantinopeler Militärputsches auf die fernere Gestaltung der inneren Lage des Osmanenreiches ist die Frage nach den Einflüssen dieser Vorgänge nach außen, auf die allgemeine politische Situation. In unterrichteten Konstantinopeler Kreisen und auch auf der türkischen Berliner Botschaft glaubt man nun allerdings nicht, oder gibt sich wenigstens den Anschein, dies nicht zu glauben, daß die Militärunruhen in der türkischen Hauptstaot eine große Bedeutung besäßen, an anderen Stellen dagegen, z. B. in Wiener politischen Kreisen, hegt man wegen der Rückwirkungen der neuesten Ereignisse am Bosporus ernste Besorgnisse und hält eine Wiederauf­rollung der kaum erst notdürftig gelösten Balkanfragen für keineswegs unmöglich. Dieser pessimistischen Auffassung ent­spricht denn auch eine Meldung aus Sofia, derzufolge die bulgarische Regierung entschlossen sein soll, die neue Krisis in Konstantinopel zur Förderung ihrer politischen Zwecke, speziell der bulgarischen Unabhängigkeitsfrage, auszunutzen, selbst um den Preis eines bewaffneten Zusammenstoßes mit der Türkei. Die europäische Diplomatie hat demnach alle Ursache, im Interesse der Erhaltung des Friedens die weiteren Vorgänge in Konstantinopel scharf im Auge zu behalten.

Tagespolitik.

Der in Berlin abgehaltene große Mittelstands- Tag forderte die von der Regierung gebilligte Erb ansall- Slen er für Kinder und Ehegatten. Für diese Steuer ist auch in den Kreisen des Zentrums Stimmung vorhanden, so daß ihre Annahme durch den Reichstag gesichert erscheint, selbst wenn einige konservative Abgeordnete sie ablehnen sollten. Die Einigung über die direkte Besitzsteuer ist weit vorgeschritten, die Verbrauchssteuer ist zur Zeit noch weniger gesichert.

Aus vielen deutschen Städten waren, wie bekannt, Oesterreicher als Reservisten einberufen und deren Familien waren in Folge der Abwesenheit ihrer Ernährer in Not ge­raten, da sie von der Heeresverwaltung in Wien nur 8 Mark Unterstützung erhielten. Jetzt kommen die Einberufenen zurück und die Freude ist natürlich groß.

Gegen die einer deutschen Firma in Marokko erteilten Gruben - Konzession laufen Londoner und Pariser Blätter Sturm. Die französische Regierung wird sich durch das Geschrei hoffentlich nicht irre macheu lassen, denn das deutsch-französische Marokko-Abkommen garantiert Deutschland die freie Ausübung des Handels und die Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen Interessen im scherifischen Reiche.

König Karl von Rumänien feiert kommenden Dienstag seinen 70. Geburtstag. Einen Tag vorher wird der deutsche Kronprinz mit großem Gefolge in Bukarest ein- treffen und eine Woche daselbst verweilen. Eine ganze Reihe von Festlichkeiten sollen stattsinden.

Um den persischen Wirrwarr, der heute doch wahrlich groß genug ist, noch mehr zu erhöhen behaupten Londoner Zeitungen, Deutschland wolle sich einmischen und dem Schah für seine Truppen einen deutschen General zur Verfügung stellen. Was die englischen Zeitungen ihren Le­sern zu glauben zumuten, ist tatsächlich unerhört. In Per­sien selbst sind übrigens die traurigen Verhältnisse unver­ändert, Rußland und England suchen mehr und mehr Ter­rain zu gewinnen.

Wjirttemkergischer Landtag.

js Stuttgart, 15. April.

Zweite Kammer. In der fortgesetzten Beratung des Etats des Innern wurden eine Reihe von Wünschen und Beschwerden vorgebracht. So verlangte u. a. der Abg. Körner (B. K.) die Wiedereinführung von Gesundheitszeug­nissen für Handelsvieh. Minister v. Pischek erwiderte, die neue Bekämpfungsart der Maul- und Klauenseuche habe sich vorzüglich bewährt. Die Notwendigkeit der Wiedereinführung solcher Zeugnisse habe sich nicht ergeben. Auch die Abg. Reichling (V.) und Sommer (Z) legten diesen Zeugnissen keine Bedeutung bei. Dr. Lindemann (Soz.) beanstandete den Geheimerlaß eines Oberamtmann- an die Gemeinde­vorstände seines Bezirks betreffend Auskunft über die Tätig­keit der Sozialdemokratie. Die Schultheißenämter seien nicht dazu da, die Neugierde eines solchen Oberamtmanns, der offenbar übrige Zeit habe, zu befriedigen. Zu einer solchen Bespitzelung einer Partei liege kein Anlaß vor. Körner (B. K.) fragte, ob bei der Veranstaltung einer politischen Versammlung in der öffentlichen Anzeige als Name des Ver­anstalters auch eine Partei genannt werden darf. Kenngott (Soz.) beklagte sich über die Bestrafung der Mitglieder eines Gemeinderats im Oberamt Kirchheim durch den Oberamt­mann, erzielte jedoch große Heiterkeit, als er selbst sagte, die Bestraften hätten sich nicht ganz qualificierter Ausdrücke gegen den Oberamtmann bedient. Felger (V.) beschwerte sich über eine rigorose Handhabung des Erlasses betreffend Beschränkung der Wirtschaftskonzessionen. Keßler (Z.) wandte sich gegen eine zu starke Bevormundung der Gemeindever­waltungen durch die Oberämter. Schlegel (Soz.) wünschte größere Gleichheit in der Festsetzung von Tanzsporteln. Minister v. Pischek erwiderte, der von Dr. Lindemann er­wähnte Erlaß möge im Detail zu weit gehen, sei aber ge­rechtfertigt, denn der Oberamtmann sei verpflichtet, sich einen Ueberblick über die politischen Verhältnisse seines Bezirks zu verschaffen. In den Anzeigen von Versammlungen müsse der Name des Veranstalters genannt werden. Veranstalter sei der Leiter der Versammlung. Die Geldstrafen in dem von Kenngott erwähnten Fall seien vom Ministerium im Gnadenweg um die Hälfte verringert worden. Der Erlaß betr. die Wirtschaftskonzessionen rechtfertige sich durch die übermäßig große Zahl an Wirtschaften (1 auf 123 Ein­wohner). Einem Uebermaß von Lustbarkeiten müsse durch Sporteln entgegengetreten werden. Rembold-Gmünd (Z.) bedauerte, daß in den Anzeigen von Versammlungen eine bestimmte Person als Veranstalter genannt werden müsse. Es liege darin eine Abweichung voll der bisherigen Praxis. Minister v. Pischek betonte, die württembergische Regierung dürfe sich keiner illoyalen Auslegung des Reichsvereinsgesetzes

schuldig machen. Eine Belästigung liege in der Nennung von Namen nicht. Verstoße gegen diese Bestimmung aus der Polizeibehörde bekannter Ortsvereine, so müsse dieser formelle Mangel zu einer Beanstandung nicht führen. Weiterhin wurden statt 10 neuen Oberamtskanzlistenstellen nur 7 genehmigt. Schmid-Neresheim (Z.) bemängelte die Konkurrenz der Staatstechniker bei Wasserversorgungsanlagen gegenüber den Privattechnikern. Minister v. Pischek erwiderte, es liege im Interesse der Gemeinden, wenn sie sich vom Staatstechniker beraten lassen. Kübel (D. P.) teilte mit, daß die Wasseralfinger Wasserleitungs-Röhren teurer seien als die französischen. Man sollte beim Bezug der Röhren die freie Konkurrenz walten lassen. Rembold-Aalen (Z.) erwiderte, die französische Röhren seien nicht billiger. Man müsse dafür sorgen, daß das Wasseralfinger Staatswerk gedeihe. Zum Schluß wurde noch die Frage der Schaffung einer Landeswohnungsinspektorstelle angeschnitten und unter Hinweis auf die vielfach noch vorhandenen trostlosen Wohn­ungsverhältnisse von dem Abg. Dr. Mülberger (D. P.) und Heymann (Soz.) in zustimmendem Sinne besprochen, wäh­rend Ströbel (B. K.) meinte, die Geschäfte dieses Inspektors würden besser in den Händen der Feuerschau bleiben. Morgen Fortsetzung..

Landesnachrichten.

Allerrsteig, 16 . April.

* Als Geschworene beim Schwurgericht Tübingen wurden für das 2. Quartal 1909 durch das Los u. a. bestimmt: Johann Georg Lutz, Bauer und Gemeinderat in Ober- kollwangen; Adolf, Buchdruckereibesitzer in Calw' Samuel Roller, Bauer und Gemeinderat in Meistern O. A. Calw.

js Metzingen, 15. März. Auf dem hiesigen Bahnhof ereignete sich ein bedauerliches Unglück. Während der Stutt­garter Zug, der 10.45 Uhr hier fällig ist, eben in die Station einfuhr, hatte der 76jährige Kaufmann Dörr aus Stuttgart trotz wiederholter Warnrufe der diensttuenden Beamten das Gleis betreten. Von der Lokomotive erfaßt, wurde der Unglückliche zuerst 56 Mir. vorwärts geschleudert und dann von den Rädern buchstäblich zerschnitten und zer­stückelt, daß der Tod sofort eintrat.

ss Weilheim OA. Tuttlingen, 15. April. Die Ursache des gestern gemeldeten Todes der Friederike Martin ist jetzt aufgeklärt. Das Mädchen stand in der Lammwirtschaft im Dienst. Sie wurde, während sie in der Küche ihre Arbeit verrichtete, von dem 17jährigen Sohn des Wirts infolge unvorsichtigen Hantierens mit einem Revolver in den Kopf geschossen und war alsbald tot.

js Stuttgart, 15. April. Am 23. August ds. Js. kann die Zahnradbahn Stuttgart-Degerloch ihr 25- jähriges Jubiläum feiern, da sie ihren Betrieb am 23. August 1884 mit 2 Maschinen eröffnete.

!I Wangen-Stuttgart, l5. April. Allgemeine Besorgnis erregt bei den hiesigen Einwohnern das spurlose Verschwinden des in geordneten Verhältnissen lebenden Akkordanten Gottlieb Deker. Er unternahm am Ostermontag mit seinem Gefährt und Knecht eine Ausfahrt nach Pfauhausen, wobei ihm in­folge zu raschen Fahrens eines der wertvollen schweren Zugpferde zwischen Obereßlingen und Eßlingen verendete. Gegen 1 Uhr nachts kehrte er noch mit seinem Knecht und dem einen Pferd am Gefährt in einer Wirtschaft in Hedel- fingen ein. Nach Aussage des Knechts ist das Gefährt vor Wangen infolge Auffahrens auf einen Steinhaufen umge­stürzt. Sein Herr ist noch beim Aufheben des Gefährts behilflich gewesen und bis zur Wirtschaft zurKrone" hier­her mitgegangen. Von diesem Zeitpunkt an fehlt jede Spur von Deker, da der Knecht allein mit dem Gefährt nach Hause kam. Deker trug in seinem trunkenen Zustand eine größere Summe Geldes bei sich.

js Mergentheim, 15. April. Nor einigen Tagen streute die Frau des Fuhrmanns Mühlbeck in Wachbach im hiesigen Oberamt Guano auf einen Acker und beachtete dabei eine kleine Wunde an der Hand nicht. Es trat eine Blut­vergiftung ein und die Frau starb gestern Abend an deren Folgen.

js Von der bayerischen Grenze, 15. April. Ein Metz­germeister in Mindelheim über dessen Haus das Zeppelinsche Luftschiff auf der Münchener Fahrt flog, sandte an den Grafen Zeppelin einen schönen Osterschinken. Der Graf be­dankte sich auf einer eigenhändig geschriebenen Karte für das Erinnerungsgeschenk.