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»r. 79

Ausgabeort Alteusteig-Stadt.

Sonntag, den 4. April.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1999.

Vom deutschen Strafgesetzbuch.

Nachdruck verboten.

Der Reichstag hat genug und übergenug Arbeit; soll er Alles in diesem Frühling und Sommer zu Ende bringen, so kommt mindestens der August heran. Aber trotzdem be­kommt er immer noch ein bischen dazu, wie jetzt die Ab­änderung des Strafgesetzbuches, so daß man also bestimmt damit rechnen kann, daß er einen erheblichen Teil seiner Ar­beit mit in die nächste Session hinüber nehmen muß. Die vorgeschlagene Abänderung des Strafgesetzbuches ist indessen interessant, weil sie geradealltägliche" Dinge aus der Strafrechts-Pflege betrifft, wie Hausfriedens­bruch, Arrestbruch, Siegelbruch, Vereitelung der Zwangs-Vollstreckung, Tierquälerei, Be­leidigung, Kinder Mißhandlung, geringfügi­ge Diebstähle, Unterschlagungen und Erpres - s ungen.

Wir möchten auf einige Punkte aus den neuen Bestim­mungen Hinweisen. Hausfriedensbruch konnte bisher nur in einer Wohnung rech, in einem Hause verübt werden; jetzt kann er auch bei abgeschlossenen Räumen, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, erfolgen. Also zum Beispiel in Eisenbahnzügen, Straßenbahnen, Omnibussen. Es hat ja im Verkehrsleben mancherlei unliebsame Störungen gegeben, und diese sind wohl der Grund für die Neuerung, die nunmehr Platz greifen soll, gewesen. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.

Auch die Rohheiten, welche sich in Tier-Quälereien äußern, werden fortan schärfer geahndet werden. Bisher konnte auf Geldstrafe bis in Höhe von 160 Mark erkannt werden, wenn Jemand öffentlich oder in Aergernis erregen­der Weise ein Tier boshaft quälte. Fortan soll die Strafe auf Gefängnis bis zu 3 Monaten oder auf Geldstrafe bis zu 600 Mark lauten, sofern Jemand ein Tier boshaft oder roh mißhandelt.

Eine wesentliche Neuerung erfolgte bei Bele id ig u ng s- klagen durch Einschränkung des Wahrheitsbeweises. Es ist oft vor Gericht vorgekommen, daß im Verfolg von Jn- jurien-Prozeffen, das ganze Leben und die Familien-Verhält­nisse des Klägers durchgesiebt wurden, obwohl alle diese Dinge gar kein öffentliches Interesse hatten. Künftig soll in Privat- Angelegenheiten eine Beweis-Aufnahme nur eintreten, wenn der Beleidigte damit einverstanden ist. Die Höhe der Geld­strafe'für Beleidigungen wird außerdem auf 10 000 Mark, die der Buße auf 20 000 Mk. erhöht.

Ganz neu ist auch die Einführung eines besonderen Schutzes der Kinder gegen grobe Mißhandlung; die Verurteilungen erfolgten bisher meist wegen Körperverletzung und nur auf Antrag. Jetzt wird in solchen Fällen die ein­fache Körperverletzung mit Gefängnis bis zu drei Jahren, die schwere Körperverletzung mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft. Den leider nur zu häufigen Prozessen über Kinder- Mißhandlungen wird damit hoffentlich etwas gesteuert werden.

Sehr zeitgemäß ist die erhebliche Milderung der Strafen bei Diebstählen geringartiger Gegenstände, die aus Not er- wlgt sind. In dieser Beziehung sind in den letzten Monaten besonders mehrere Fälle bekannt geworden, in welchen die Strafen sehr kraß erschienen, und die daher den Gedanken nach Milderung nahe legten. Die Verfolgung solcher Dieb­stähle und Unterschlagungen aus Not tritt nur auf Antrag ein, und die Zurücknahme ist außerdem zulässig.

Wochen-Rwrdschau.

Ans dem Landtage.

Die württ. Abgeordnetenkammer hat in dieser Berichts­woche die Etatsbcratung unterbrochen, um einen kleinen Gesetzentwurf über die Forterhebung der örtlichen Verbrauchs­abgaben bis zum 31. März 1910 zu erledigen. Das ist eine Verlängerung der Frist um ein Jahr: weiter geht es nicht, denn von Reichswegen wird durch das Zolltarifgesetz die Erhebung örtlicher Verbrauchsabgaben über den oben erwähnten Termin hinaus untersagt. Es gibt zur Zeit in Württemberg noch zwölf Gemeinden, die örtliche Verbrauchs­steuern erheben, und neun davon haben um die Verlänger­ung der Frist petitioniert, da sie nicht wissen, wie der Ein­nahmeausfall gedeckt werden könnte. Ueberhaupt befinden sich die Gemeinden mit ihren Einnahmequellen teilweise in Verlegenheit, und es ist schon wiederholt, auch bei dieser Gelegenheit wieder, auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, den im Einkommensteuergesetz vorgesehenen Gemeindezuschlag zur staatlichen Einkommensteuer vqn höchstens 60 Prozent heraufzusetzen, etwa auf 75 Prozent. In der Erörterung über den Gesetzentwurf spielte auch die Frage eine Rolle, wie weit kommunale Verbrauchsabgaben auf die Preise ein­wirken. Es wurde von verschiedenen Seiten geltend gemacht, namentlich auch von dem bauernbündlerischen Abg. Land­wirtschaftsinspektor Ströbel, daß derartige örtliche Verbrauchs­abgaben tatsächlich preisverteuernd wirken. Andererseits wurde darauf Hingeiviesen, daß die Aufhebung keineswegs ohne weiteres in den Preisen zum Ausdruck kommt. Ins­besondere wies der Abg. v. Gauß (Volksp.), Oberbürger­meister von Stuttgart, darauf hin, daß verschiedene Momente eine Rolle spielen. In der Tat hat man in Stuttgart nach Aushebung der Fleischsteuer nicht zu spüren bekommen, daß das Fleisch dadurch billiger geworden wäre, und die Wirkung der Aufhebung bestand so eigentlich nur darin, daß eben die Stadtkasse einen Einnahmeausfall von jährlich 6800 000M. hatte, der anderweitig aufgebracht werden mußte. Im übri­gen wurde der Gesetzentwurf mit 44 -gegen 30 Stimmen angenommen. Ferner wurde mit 67 gegen 18 Stimmen eine Re­solution für die Erhöhung der zulässigen Gemeinde-Einkommen­steuerzuschläge angenommen. Die Etatsberatung hat in dieser Woche dem Justizetat gegolten. Große Ausstellungen sind dabei nicht gemacht worden, und der Justizminister kann wohl zufrieden sein. Beifällig begrüßt wurde der Gesetzent­wurf über die Zahl der Waisenrichter von 4 auf 2 und die in Aussicht stehende Neuordnung des Gerichtsvollzieherwesens. Von etlichen Seiten wurde Klage geführt über die Lage des Anwaltsstandes, und auch der Justizminister leugnete nicht, daß bis zu einem gewissen Grade von einem Notstand ge­sprochen werden könne. Tie Erste Kammer steht noch immer bei der Bauordnung.

Das Poftmarken-Uebereinkommen.

Durch eine Indiskretion, die diesmal zur Abwechselung der Schwöb. Merkur begangen hat, ist an die Oeffentlichkeit gekommen, daß zwischen der württ. Postverwaltung und der Reichspostvermaltung Verhandlungen im Gange sind über die Abänderung des Wertzeichenübereinkommens. Es ist so­gar gemeldet worden, daß das Abkommen in aller Form gekündigt worden sei; allein so weit ist es anscheinend noch nicht. Der Grund, warum die Reichspost eine Aendernng des Abkommens vom 1. April 1902 wünscht liegt darin, daß der Berechnungsmodus für den Anteil Württembergs an den Einnahmen aus dem gemeinschaftlichen Wertzeichen­verkauf für Württemberg unverhältnismäßig günstig ist. Die Ablieferungen der württ. Post an die Staatshauptkaffe sind von 1902 bis 1908 von 1 707 000 Mk. auf 6 520 000 Mk. gestiegen. Das ist ein ganz ansehnlicher Profit für Württem­

berg. Der Reichspost ist das nun zu viel, und sie möchte eine anderweitige Verteilung herbeiführen. Der für Württem­berg in Aussicht stehende Ausfall wird unter den jetzigen mißlichen Finanzverhältnifsen doppelt fühlbar sein.

Innere Krisis.

Deutschland ist in der letzten Woche unversehens in eine sehr ernste innere Krisis hineingeraten. Sie betrifft den Block und die Blockpolitik, nicht minder aber auch die Finanz­reform und ihr Schicksal. Man hat es in all den kläg­lichen Vorgängen der letzten Zeit bei der Beratung der Finanzreform spüren können, daß etwas derartiges kommen werde. Dennoch war man im höchsten Grade überrascht, als der Führer der Konservativen im Reichstage, Abg. v. Normann dem nationalliberalen Führer Bassermann in aller Form eröffnete, daß seine Partei entsKloffen sei, die Reichsfinanzreform mit jeder Mehrheit und nicht nur mit den Blockparteien zu machen. Abg. Bassermann faßte das als Kündigung des Blocks durch die Konservativen auf und berief, zumal der Abg. v. Normann zener Auffassung nicht widersprochen und bemerkt hatte, in nationalen Fragen könne man ja nach wie vor Zusammengehen, sogleich die nationalliberale Fraktion zusammen, und die liberale Fraktions­gemeinschaft zögerte ebenfalls nicht, Stellung zu nehmen. In der Presse und im Lande aber gab es einen gewaltigen Sturm wegen derKündigung", derAuflösung", der Zertrümmerung" des Blocks. Die Konservativen sind darob wohl ein wenig bedenklich geworden, denn man vernahm nun, daß es sich um ein Mißverständnis handeln müsse. Der Abg. Normann habe keineswegs den Auftrag gehabt, die Auflösung des Blocks anzukündigen, sondern er habe eben nur darauf Hinweisen wollen, daß, wenn die Liberalen bei der Branntweinsteuer nicht auf die Wünsche der Konservativen Rücksicht nehmen sollten, sich diese nach einer anderen Mehr­heit, nämlich nach einer solchen mit dem Zentrum, Um­sehen würden. Auch beschwerte man sich darüber, daß der Abg. Baffermann die Eröffnungen des Herrn v. Normann bekannt gemacht, gewissermaßen einen Vertrauensbruch be­gangen habe. Aber von so etwas kann im Ernste nicht die Rede sein, denn daß eine politische Erklärung von dieser Bedeutung nicht unter vier Augen erledigt werden kann liegt auf der Hand. Es war eben den Konservativen unange­nehm, daß sie vor aller Welt als die Urheber der Auflösung des Blocks hingestellt wurden. Gewiß, der Block ist ihnen schon längst zuwider und sie tragen schon längst Sehnsucht nach einem Zusammengehen mit dem Zentrum, aber sie möchten die Verantwortung für die Zerstörung der Block­politik gern den Liberalen zuschieben, denn es ist eben außer Zweifel, daß die Blockpolitik in der Wählerschaft starke Wurzeln geschlagen hat. Aber wenn es auch einMißver­ständnis" sein sollte, so haben die Konservativen doch nicht gezögert, in der Finanzkommission des Reichstags einen Bund mit dem Zentrum zu schließen und vor aller Welt sichtbar zu machen.

Eine M> hrheit, bestehend aus den Konservativen, dem Zen­trum und den Polen hatnämlich die unveränderte Beibehaltung der Branntweinliebesgabe beschlossen, ja mehr noch, diese Liebesgabe soll noch durch die Schaffung eines Denaturier­ungsfonds um 10 Millionen erhöht werden. Also statt der allmählichen Herabsetzung der Liebesgabe von der gänzlichen Aufhebung ganz zu schweigen eine Verewig­ung und eine Erhöhung der Liebesgabe und das zu einer Zeit, wo die Finanznot des Reiches zum Himmel schreit und krampfhaft nach Mitteln gesucht wird, der Not abzu­helfen. Es ist eine böse Politik, die die Konservativen treiben, es ist eine egoistische, eine Jntereffenpolitik. Um ihre besonderen Interessen zu sichern, sind sie bereit den Block preiszugeben, ja, eventuell noch mehr: sie sind bereit, es auf eine Krise ankommen zu lassen, die bis an die Stell-