1877.
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Frrnjprech»r Nr. 11.
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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.
M. 69
Ausgabeort Altensteig-Stadt.
Mittwoch, ÄE 24 . März.
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
1909.
Veste llrrngerr
aus die Zeitung
„Ans de« Tannen"
für das 2. Quartal 1909 nehmen alle Postanstalten und unsere Austräger entgegen. Auch können Bestellungen direkt bei der Expedition in Altensteig gemacht werden. Niemand versäume die Bestellung frühzeitig zu machen.
Die Ausfichte« der ReichSfinanzreforr«.
Es dürfte zur Stunde keinen an der Lösung der Reichssteuerreform beteiligten Politiker oder Staatsmann geben, der auch nur mit einiger Sicherheit im fünften Monate der Beratung vorauszusagen wüßte, ob, wann und wie diese Aufgabe gelöst werden wird. Nur darüber ist man einig: sie muß gelöst werden. Die Finanznot des Reiches erfordert es, wenn man auch über die Höhe der Summe streiten kann. Ob die Blockparteien sich über die Steuerreform einigen werden, ist nach wie vor sehr fraglich. Die ursprüngliche Schwierigkeit, daß ein agrarisch-konservativer Flügel und ein freihändlerisch-liberaler Flügel sich über eine in der Hauptsache auf agrarischer Grundlage ausgebaute Steuerreform einigen sollen, hat sich im Laufe der langen Beratungen in Kommissionen, Subkommissionen und hinter den Kulissen kaum vermindert, sondern sogar insbesondere den hartnäckigen Widerstand der Konservativen und Agrarier gegen die Nachlaßfteuer noch vermehrt. Das Zentrum glaubt offenbar, daß in absehbarer Zeit sich ergeben wird, daß die Blockparteien die Steuerreform nicht zu Standebringen und es bereitet sich auf den Moment vor, wo es selbst mit der Rechten die Aufgabe lösen wird. Aus dieser möglichen Perspektive erklären sich auch die überaus heftigen Angriffe führender Parlamentarier des Zentrums und der Presse gegen Bülow, Angriffe, die ihn als einen Mann künstelten, der mit illoyalen Mitteln auch illoyal gegen den Kaiser in den Novembertagen nur für die Erhaltung seiner Stellung gearbeitet habe und der bei der Lösung der zur Zeit wichtigsten Ausgabe des Reiches, der Finanzreform, das zur Mitwirkung bereite Zentrum beiseite geschoben habe und sich hartnäckig aus eine unnatürliche Parteikonstellation, den Block, stütze. Aus allen Reden und Artikeln dieser Art ist herauszuhören, daß Bülow das Hindernis für die Finanzreform ist und daß er mit ihr fallen müsse.
Das Zentrum steht bereit. Es ist möglich, daß sich die Dinge so entwickeln, aber es wäre gewagt, in der gegenwärtigen Lage zu prophezeihen. Es kann auch anders kommen. Für das Verbleiben eines Kanzlers und Ministerpräsidenten im Amt sind bei den eigenartigen Verhältnissen, wie sie in Deutschland bestehen, parlamentarische Mißerfolge auch schwerer Art nicht entscheidend oder doch nicht allein und nicht sofort entscheidend. Gibt es doch sogar kühne Politiker, die mit dem Gedanken einer Reichstagsauslösung spielen. Jedenfalls ist die Situation zur Zeit sehr verworren und unsicher. In der Reichsregierung scheint man betreffs der Aussichten der Finanzreform noch einigermaßen optimistisch zu sein; so weist die „Nordd. Allg. Zlg." in ihrem Wochenüberblick auf Kundgebungen der öffentlichen Meinung, auf die Annahme der Brausteuer in der Kommission und das voraussichtliche Zustandekommen einer Weinsteuer hin und erwartet auch eine Einigung über die Tabakbesteuerung. (Frkf. Ztg.)
Tagespolitik.
Zu dem Lehrermangel in Baden liefert die Presse sozusagen Tag für Tag neue Belege. Aus dem Lehrerseminar in Karlsruhe wurden kürzlich 75 Kandidaten vorzeitig entlassen, von denen sofort 50 pCt. angestellt wurden. In etwa 60 Gemeinden hat nach einer Zeitungsnotiz ein Lehrer noch 100 und mehr Schüler zu unterrichten. Das neue Schulgesetz schreibt als Höchstgrenze 70 Schüler vor. Der Oberschulrat hat Erwägungen ange- stelll wegen der höchst notwendigen Anstellung weiterer Lehrkräfte für die Volksschulen, um dem neuen Schulgesetz einigermaßen nachzukommen.
An der Nachlaßsteuer hält die Reichsregierung, wie die N.-D. Ztg. mitteilt, trotz der schlechten Aussichten noch immer fest. Nachdem die Brausteuer angenommen, Inseraten- und Lichtsteuer auf Gas und Elektrizität abgelehnt sind, rechnet das Blatt die Annahme der Wein- und Tabaksteuer für sicher.
JndereuropäischenKriegs- undFriedens- frage schwankt das Zünglein an der Wage der Entscheidung auf und . nieder. Morgens erscheint alles schwarz, mittags kommt ein lichterer Schimmer hinein, abends ist das
alte Dunkel wieder da. Da fragt man denn doch: gibt es eigentlich noch einen Dreibund, der sich an praktische Politik heranmachen kann, oder existiert dieser alte große Bund bloß noch auf dem Papier der grauen Theorie? Ein Mitglied des Dreibundes Oesterreich-Ungarn, ist in erster Reihe interessiert, und Deutschland hat erklärt, daß es seinem Verbündeten zur Seite steht. Aber die dritte Macht? Kann man von der nicht sagen, wie es in der „Schönen Helena" heißt: „Doch die Dritte stand daneben, und die Dritte, die war stumm." Man muß es, denn die paar Anläufe, die Italien zu Vermittlungsvorschlägen machte, waren fast- und kraftlos. Wenn der ganze Dreibund hier seine friedliche Mission in bekannter ruhiger und taktvoller Form erfüllte, so könnte doch das kleine Serbien sich nicht als Mittelpunkt von Europa fühlen. Aber die italienische Regierung denkt an die Tatsache, daß der mit Serbien verbündete Fürst von Montenegro der Schwiegervater des Königs Viktor Emanuel ist, können besondere italienische Fäden angeknüpft werden, um im Balkan Einfluß zu gewinnen. Und solche Möglichkeiten gehören doch ebenfalls entschieden nicht zum Dreibundvertrag.
Angesichts der von der konservativen Partei in England, die dem gegenwärtigen liberalen Ministerium Asquith das Leben so sauer wie möglich machen will, neu entfachten Flotten-Agitation zum sofortigen Bau von acht großen Schlachtschiffen (sogenannten Dreadnought's) faßt die Köln. Ztg. nochmals die Tatsa.ben zusammen: Deutschland wird im Herbst 1912 nur 13, nicht 17, wie in London behauptet ist, Dreadnsught's fahrbereit haben. Alle Vermutungen über eine über das Tempo des deutschen Flotiengesetzes hinausgehende Beschleunigung des Ausbaues der deutschen Flotte entbehren tatsächlich jeder Berechtigung. Heute ist in Deutschland noch kein einziges Dreadnought fertig gestellt. Die Marineverwaltung hat bisher zwei Schiffe an Privatfirmen unter Vorbehalt der Bewilligung durch den Reichstag mit der Bedingung vergeben, daß sie 36 Monaten nach der Genehmigung fertig sein sollen. Das geschah aber nicht aus militärischen, sondern aus wirtschaftlich-finanziellen Gründen. Durch diese vorzeitige Vergebung suchte die Marine-Verwaltung einen billigeren Preis zu erzielen und größeren Arbeiter-Entlassungen auf cen Wersten vorzubeugen. England hat mithin nicht den geringsten Grund zu einer Beunruhigung.
Lafefructzt.
Lieb' alle, wenigen traue,
tu' keinem unrecht. Sei dem Feind gewachsen,
an Kraft mehr als in Tat; den Freund bewahre
wie das eigene Herz. Dein Schweigen mag man tadeln,
dein Reden nie.
SLeinnrehAratze Nr. 111
Moderner Kriminalroman von Hans Hyan. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
Es war wohl nur ein Zufall gewesen, daß Berthold Fallgräbe Ernas Freundin nicht schon früher bei dieser getroffen hatte, denn er hörte jetzt, daß die beiden sich fast leden Tag sahen.
Gewöhnt und interessiert, sich über jeden Menschen, lc n ^nnen lernte, ein Urteil zu bilden, war er dieser Anfallenden Erscheinung gegenüber zuerst ganz verblüfft, r s thren Augen und ihrer ein wenig umflorten Stimme 'Aachen Zartheit, Hingebung und eine nachsichtige Güte; «wer der Mund, die Nase und das viel zu prononzierte ittnn deuteten auf eine starke Energie. Frida Stange wrach fast gar nicht und blieb dem Verstcherungsbeamten, ?§r sie einige Male anredete, die Antwort ganz und gar schuldig.
„-..Als sie d^m gegangen war und er Erna nach dem Mädchen fragte, sagte diese:
„Man muß sie erst sehr gut kennen lernen. Manchmal "PAZre den Eindruck, als ob ihr Verstand nicht sehr ent» wickelt wäre . . . Aber sie ist bloß scheu, und wenn sie erst PZ, eumm spricht und merkt, daß man gut zu ihr ist, dann .sich das... . Wir kennen uns schon sehr lange, und uh habe sie kebr lieb . . . Und mein Bruder, den sie
übrigens geradezu verehrt hat — der konnte sie auch so gut leiden."
Dmnit war die arme Kleine wieder bei ihrem Schmerz cum-langt. Sie zog ihr Taschentuch hervor, und es wurde dem Versicherungsbeamten wie an jedem Tage schwer, sie von ihrem Weh abzulenken . . .
Das war gestern gewesen, und als Berthold Fallgräbe heute ivieder an der Seebaldschen Wohnung klingelte, hoffte er ein wenig, diese merkwürdige Rothaarige abermals bei Erna zu treffen.
Doch zu seinem Erstaunen wurde ihm nicht wie sonst von dem jungen Mädchen selber geöffnet. Die Dienstmagd erschien und fragte nach seinem Begehr.
Sehr befremdet erwiderte er, daß er selbstverständlich zu Fräulein Erna wolle. Ob diese denn nicht zu Hause sei?
Das Mädchen schüttelte den Kopf, aber aus ihrer Verlegenheit merkte Fallgräbe, daß sie ihm die Unwahrheit sagte.
„Was ist denn passiert?" fragte er, „hat Fräulein Erna keine Zeit für mich?"
Das Dienstmädchen zuckte die Achseln und war nicht zu bewegen, nähere Auskunft zu geben.
Da Fallgräbe dessen inne ward und einsah, daß es seiner nicht würdig wäre, den Eingang etwa mit Gewalt zu erzwingen, so sagte er, er bäte das Fräulein zu grüßen und empfahl sich.
Was hinter dieser plötzlichen Weigerung, ihn zu empfangen, steckte, darüber war er sich nicht klar, aber daß Erna dabei irgend einem Einfluß unterlegen war, das schien ihm sicher. Und auf keinen Fall wollte er sich um diese angenehme Bekanntschaft und nebenbei um die Möglichkeit, jederzeit in das Sebaldsche Haus treten zu können, bringen lassen.
Als er nach Hause kam, faird er dort einen Rohrpostbrief vor, in dem Erna ihm in kurzen Worten und in einem Tone, der ihr sonst nicht eigen war, schrieb, sie dankte ihm sehr für all seine Bemühungen, aber Umstände, über die sie ihm keine Rechenschaft geben könnte, zwängen sie zu der Bitte, er möchte ihre Bekanntschaft vergessen rmd sie nicht mehr aufsuchen.
Von allen Überraschungen, die er in dieser rätselvollen Sache bis jetzt erfahren hatte, war dies die größte. An diesein Abend ging er nicht wie sonst seine heimlichen Wege. Er blieb daheim und überlegte hin und her. In der Nacht schlief er wenig, und erst gegen Morgen war er mit sich im reinen. Er wollte auf jeden Fall ein Wiedersehen mit Erna Seebald erzwingen, schon um sich klar zu werden, ob sich sein Argwohn bewahrheitete, der Werkführer, der vielleicht selbst ein starkes Interesse an der MeisierSschwester hatte, sei ihm an dieser Stelle hindernd in den Weg getreten.
Als er soweit gekommen war, legte er sich auf seine „Schlafseite", um noch ein paar Stunden bis zum Morgen auszuruhen.
Wer auch damit sollt- es diesmal nichts werden.- Schon um 6 Uhr wurde er von einem schrillen, anhaltenden Reißen an seiner Entreeglocke geweckt, rmd als er notdürftig bekleidet öffnete, standen zwei Kriminalbeamte vor seiner Wohnung, die ihre Blechmarke vorwiesen imd ihn für verhaftet erklärten.
Als Betthold Fallgräbe nach dem Grunde seiner Verhaftung fragte, erklärten ihm die Beamten, daß sie nicht in der Lage wären, darüber etwas zu sagen, aber seiner Bitte, eine Droschke zu holen — natürlich für sein Geld — kamen sie nach.
Und so fuhr denn Fallgräbe, müde und zerschlagen von der durchwachten Nacht, nebenbei sehr aufgeregt durch diesen unangenehmen Zwischenfall, der ihn in seinen Bemühungen aufhielt, nach dem Polizeipräsidium.
Dort saß er in einer größeren Zelle mit verschiedene« anderen Eingelieferten und mattete auf seine Vernehmung.'
Da erdicht im geringsten um feine Sicherheit besorgt war und nicht daran zweifelte, daß er am Nachmittag schim wieder in Freiheit sein würde, so fand er sich bald in seine Lage und verwandte seine ganze Aufmerksamkett darauf seine Mitgefangenen zu beobachten.
Es waren das ein paar ziemlich verlotterte Bengttl von achtzehn oder neunzehn Jahren und außerdem ein Mann, der den Eindruck einer gescheiterten Existenz machte, der mit einer gewissen Nettigkeit angezogew aber offenbar m diesen Räumen auch keiu Fremdling mehr war.