Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich.

Bezugspreis: In der Stadt incl. Trägerlohn Mk. l.25 viertel­jährlich, Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarorts­verkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Anzeigenpreis: 3m Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die Inferatannahme 10 Uhr vormittags. Fernsprechnummer 9.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

131.

Freitag, den 7. Juni 1912

87. Jahrgang.

Stadt und Bezirk.

Calw, 7. Juni 1912.

Vom Rathaus.

Sitzung der Ortsarmenbehörde, des Gemeinde­rats und des Bürgerausschusses unter dem Vorsitz von Stadrschultheiß Conz am Donnerstag, 6. Juni, von nachmittags 4 Uhr ab. Anwesend sind 10 Ee- meinderäte und 11 Bürgerausschutzmitglieder. Im Schalschen Haus notwendig sich ergebende Aus­besserungen werden zur Ausführung grundsätzlich ge­billigt. Kosten 550 Mk. Der Vorsitzende stellt unsern neugewählten Stadtbaumeister, Herrn König, offiziell dem Eesamtkollegium vor. Forstwart Rlldinger will auf 1. Oktober in Ruhestand treten. Das führt zur Notwendigkeit der Anstellung eines neuen Forstwarts. Ein neuer Forstwart aber würde nicht mehr in die derzeitige Forstwartswoh­nung einziehen, da sie nur ein Zimmer mit Alkoven enthält. Herr Rüdinger hätte die Absicht, das Haus käuflich zu erwerben, bezw. mietweise auch nach sei­ner Zurruhesetzung zu bewohnen. Die Frage drehte sich nun darum, ob das Häuschen verkauft öder ver­mietet werden soll. Sein Verkaufswert wird zu 4500 Mk. geschätzt. Teils sprechen die Kollegialmit­glieder für Verkauf, teils für Vermietung. Der Be­schluß geht dahin, dem Forstwart Rlldinger das Haus mietweise zum Preis von 200 Mk. zu überlassen. Dagegen wurde bezüglich des Neubaus eines Forst­warthauses ein bestimmter Beschluß nicht gefaßt. Das Stadtbauamt wird mit der Ausarbeitung eines Vor­anschlags für je ein Ein- und ein Zweifamilienhaus beauftragt. Als Bauplatz kämen in Betracht, ent­sprechend dem Zweck eines Forstwarthauses, die frühe­ren Schöningschen Wiesen. Die Rechnungs- Prüfungskommission hat die städtischen Rechnungen durchgesehen und, wie Gemeinderat Eeorgii feststellt, diese in tadelloser Ordnung befunden. Weiterhin regt der Redner an, den Zins­fuß der ausstehenden städtischen Gelder mit dem in Einklang zu bringen, der für städtische Schulden in Betracht kommt. Die städtischen Tag­löhner reichten ein Lohnaufbesserungsgesuch ein. 1906 und 1910 wurde zuletzt aufgebessert. Zur Zeit werden 30, 29, 28, 26 Pfg. Stundenlohn bezahlt. Diejenigen, die unter 30 Pfg. beziehen, sind hoch­gradige Jnvalidenrentner, ihre Rente würde gekürzt, wenn sie über den ortsüblichen Tagelohn, 2.80 Mk., verdienten. Jene Arbeiter, die 30 Pfg. haben, wür­den aber in privaten Diensten auch nicht mehr ver­dienen. Unter diesen Umständen kommt das Kolle­gium zur Ablehnung des Gesuchs. Die Stadtpflege wird ermächtigt, bei Neueinstellung vollarbeits­fähiger Leute entsprechend höhere Löhne zu bezahlen. Bezüglich der Verbesserung des Verbindungswegs Alzenberg-Calw wäre das Kollegium zu einem Kostenbeitrag bereit, will aber vorher einen von Alzenberg auszuarbeitenden Kostenvoranschlag einsehen. Stadtsch. Conz macht Mitteilung über die Verhandlungen in Sachen der Vahnpro- jekte Calw-Herrenherg und Calw-Böblingen. Der von Calw seinerzeit zur Bearbeitung des Böblinger Projekts ausgesetzte Beitrag von 300 Mk. wurde auf 400 Mk. erhöht. BAM. Zahn stellt auch vom Ee- werbeverein einen Beitrag in Aussicht. Die Sit­zung dauerte bis ^9 Uhr. ,

-k Die volksparteiliche Fraktion des Landtags

machte gestern vormittag bei einem Ausflug nach Wildbad hier kurzen Halt. Die Herren fuhren mit der Bahn von Stuttgart aus nach Liebenzell, von wo sie dann im großen Gesellschaftsauto der Kraftwagengesellschast m. b. H. Neuenbürg-Herren- alb-Wildbad nach Calw kamen. Im Gasthof zum Adler nahmen sie das Frühstück ein und verließen Calw, dann, um den Teinacher Quellen einen Besuch abzustatten. Nach einem kurzen Imbiß im Vadhotel wurde die Autofahrt nach Wildbad fortgesetzt.

Bon der staatlichen Eebäudebrandversicherungs- anstalt. Aus dem Bericht des Staatsministers des Innern über die Verwaltungsergebnisse der staat­lichen Eebäudebrandversicherungsanstalt im Jahr 1911 interessieren für Calw folgende Angaben: An Versicherungsbeiträgen wurden im Oberamt Calw erhoben 62 416,16 Mk., Brandentschädigungen verwilligt 40 608,18 Mk. Die Zahl der Brandfälle betrug im Jahr 1911 innerhalb des Oberamts 10. Durch Brand zerstörte Gebäude waren es 6, be­schädigte 7 und betroffene Besitzer 15.

- Inhalt des Kur- und Fremdenblatts Num­mer 4: Kurlisten der Badeplätze Liebenzell und Tei- nach und der Luftkurorte Neubulach und Unter­reichenbach. Ferner:Naturszene" von Grillparzer, Finessen" von Horst Schöttler,Des Lebens schönste Zeit" von Richard Tschorn und Englische Aphoris­men über das Weib.

sc-b. Mutmaßliches Wetter. Ein neuer Luftwirbel ist zur Zeit vom Atlantischen Ozean nicht mehr im Anzug. Dagegen hat die im Norden vorüberziehende Depression ihren Einfluß auf Süddeutschland noch nicht ganz verloren. Für Samstag und Sonntag ist daher zwar aufheiterndes und meist trockenes, aber immerhin zeitweilig bewölktes Wetter zu er­warten.

Landwirte, der Wiefenschwingel blüht, 's ist Zeit zum Heuen. Im Landw. Wochenblatt lesen wir fol­gende, in seltsamem Gegensatz zu einer diesbezüg­lichen Notiz in unserer gestrigen Nummer stehenden Mahnung an die Landwirte: Wer im Jahre 1909 nicht zeitig dran war, kam schlecht weg, wer im Jahre 1910 zu spät anfing, kam wiederum schlecht weg, wer im Jahre 1911 sein Heu alt werden ließ, bekam kein Oehmd mehr, und wer im Jahre 1912 ein schlechtes, hartes Futter haben will, braucht nur noch eine Weile zuzuwarten.

b. Kostkinder und Schule. Folgende Punkte aus einem Gutachten eines Bezirksschulaufsehers sind von allgemeiner Bedeutung: Gute Menschenfreunde und wohltätige Vereine schicken jährlich Kinder in Fami­lien, denen solche Kostkinder und Fürsorgezöglinge nicht anvertraut werden dürfen. Ja, es kommen Kinder in Familien, denen die eigenen Kinder ge­nommen werden sollten. Die Kinder werden ge­wöhnlich unter dem heuchlerischen Vorwände, ein Almosen zu tun, erbeten, während doch das Kost­geld und die (geringe) Arbeitskraft die Hauptrolle spielen. Sie fallen in der Regel einer maßlosen Ausnützung anheim, kommen müde und matt in die Schule und sitzen teilnahmslos in ihrer Klasse. Von einer genügenden Zeit zur Fertigung der Hausauf­gaben ist keine Rede.

s. Für katholische Lehreraspiranten. Der kath. Oberschulrat wird mit Beginn des Winterhalbjahrs eine Anzahl von Schülern der höheren Schulen, die zum mindesten das Vefähigungszeugnis für den ein­jährig-freiwilligen Militärdienst erlangt haben und gute Schulzeugnisse aufweisen, in eine ihren Kennt­nissen entsprechende Klasse der kath. Lehrerseminare aufnehmen. Die Gesuche solcher Schüler sind bis 20. Juli d. I. durch die zuständigen Rektorate beim Kath. Oberschulrat einzureichen. Den Gesuchen sind anzuschließen: ein Geburts- und Taufschein, ein ärzt­liches Zeugnis, das von einem beamteten Arzt aus­zustellen ist, das letzte Schulzeugnis und das Ein- jährig-Freiwilligen-Zeugnis bezw. das Maturitäts­zeugnis, eine Erklärung des Vaters oder Vormunds, daß die Kosten der Ausbildung bestritten werden können. _

8eb. N. Hirsau» 6. Juni. Auch hier wurde eine Nationalflugspende veranstaltet. Bis jetzt sind 50 Mk. eingegangen. Die Sammlung wird in einigen Tagen geschlossen werden.

Neubulach, 6. Juni. Stadtschultheiß Müller- Neubulach, der Verbandsvorsitzende des G. V. E. C.

schreibt uns: Der von Althengstett in Nr. 129 des Calw. Tagbl. über unsern neuen Stromtarif zum Ausdruck gebrachten Mißstimmung kann die Ver­bandsleitung nur erwidern, daß die Aenderung der Tarife nur auf allseitig geltend gemachten Wunsch der Abnehmer und nach dem Vorschlag des engeren Ausschusses durch großen Mehrheitsbeschluß des Ge- samt-Verwaltungs-Ausschusses vom 2. April d. I. er­folgte. Der Tarif wollte unter den pauschal anzu­schließenden landwirtschaftlichen Betrieben dem un­gleichen Grundbesitz Rechnung tragen und blieb dem ursprünglichen Garantiebetrag von 12 Mk. pro 1 ?8. treu. Die Regelung des Tarifs wurde in der erwähnten Gesamtverwältungs-Ausschußsitzung ein­gehend behandelt, wo die Gemeinde Althengstett auch vertreten war, und es kann sich jetzt nicht mehr um eine öffentliche Stellungnahme hiegegen handeln,' der Verband hatte eine Mehreinnahme nicht beab­sichtigt und solche ist tatsächlich durch die eingeräumte Vergünstigung bis auf einen minimalen Betrag wieder absorbiert. (Weitere Einsendungen in dieser Sache müßten wir in den Anzeigenteil verweisen. D. R.)

8t. Nagold, 7. Juni. Die Versicherungsbeiträge zur staatlichen Vrandversicherungsanstalt im Ober­amt Nagold betrugen im Jahr 1911 50 960,22 Mk., die verwilligten Brandentschädigungen 60 213,67 Mk. Die Zahl der vorgekommenen Vrandfälle betrug, wie im Nachbaroberamt Calw, 10. Durch Brand zerstört wurden 11 Gebäude, beschädigt 11, und be­troffene Besitzer sind es 26.

Pfrondorf OA. Nagold, 7. Juni. Lt. Staats­anzeiger hat der König der hiesigen Kirchengemeinde zu den Kosten einer neuen Orgel und Heizungsein­richtung einen Staatsbeitrag von 380 Mk. verwilligt.

Neuenbürg, 6. Juni. Die Erben des verstorbenen Bergwerkdirektors Otto Köllner in Gotha haben auf das Vergwerkseigentum an den Erubenfeldern Vir- ginie 3 auf den Markungen Höfen, Neuenbürg und Waldrennach, OA. Neuenbürg, und Virginie 4 auf den Markungen Höfen, Langenbrand und Wald­rennach,. Neuenbürg, verzichtet. Die Gruben­felder waren unterm 20. April 1901 zur Gewinnung von Eisenerz an Vergwerksdirektor Otto Köllner in Gotha verliehen worden.

Freudenstadt, 6. Juni. Ein sonderbarer Un­glücksfall ereignete sich in einer Gemeinde des hiesi­gen Oberamts. Eine Frau beklagte sich darüber, daß ihr Krautacker von den Hasen abgefressen werde. Sie bekam darauf den Rat, auf dem betreffenden Acker Pulver anzuzünden . Kurz entschlossen wurde dieses Mittel auch angewandt, und zwar mit dem Erfolg, daß das Pulver der Frau beim Anzünden ins Gesich t ging und dieses schwer verbrannte.

Württemberg.

Aufreizung zum Klassenhaß.

Der wegen Aufreizung zum Klassenhaß und zum Widerstand gegen die Staatsgewalt in Anklagezu­stand versetzte Redakteur der Freien Volkszeitung, Dr. Thalheimer, veröffentlicht einen längeren Prö- testartikel gegen diese Anklageerhebung, dem folgende' Stellen entnommen sein mögen: ... Herr Staats­anwalt Frommann in Ulm! Klagen Sie die kapi­talistische, auf Ausbeutung und Unterdrückung be­ruhende Gesellschaft an wegen Aufreizung zum Klas­senhaß! Tun Sie es schnell, bevor aus diesem Haß streitbare Männer erwachsen, die von diesem Hasse getrieben, keinen Stein auf dem andern von dieser Gesellschaft der Unterdrückten und Geknechteten lassen werden... Die Regierung und die besitzenden Klas­sen reizen das Volk zum Widerstand gegen die Staatsgewalt. Herr Staatsanwalt Frommann in Ulm, retten Sie das Vaterland vor den Wirrnissen und Gefahren. Setzen Sie die Regierung und die be­sitzenden Klassen auf die Anklagebank wegen Auf­reizung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt.