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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.

Ke. SK.

Ansgabeort Mterrsteig-Stadt.

Donnerstag, den 4. Februar.

Amtsblatt für Psalzgrafenweiler.

1909.

Die russische Polizei.

Nachdruck verboten.

Höchst sonderbare Tatsachen sind aus der Geheimge­schichte der russischen Polizei schon seit längerer Zeit erzählt worden, aber immer sensationellere Ereignisse folgen ihnen. Der Riesen-Skandal in Moskau, wo mit den Staatsgeldern ein unglaublicher Mißbrauch getrieben, das Publikum in der ärgsten Weise geschröpft wurde, ist noch unvergessen, auch in anderen Städten sind Durchstechereien in schamlosester Weise betrieben, die im übrigen Europa kaum denkbar wären. Allen die Krone anfzusetzen scheinen aber die Enthüllungen, die die Entlarvung des Polizeispitzels Azeiv hervorzurufen beginnt, dieses vielseitigen Mannes, der von der Polizei glänzend bezahlt wurde, um die Nihilisten ans Messer zu liefern, der aber, wie es ihm paßte, die Einen an die Anderen, oder aber Alle verriet. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die russische Staatspolizei, oder doch zum mindesten verschiedene ihr angehörige hohe Beamte, ein geradezu verhängnisvolles Spiel getrieben haben, in dem auch vor offenbaren Gewalttätigkeiten nicht znrückgeschreckt wurde. Ja, es will so scheinen, als wären auch hohe Polizeibeamte selbst nihilistischen Bestechungen zugänglich ge­wesen. Damit wäre manches Attentat erklärt.

Die Klage über die Zerrüttung der russischen Polizei, bei der sich Grausamkeit und Bestechlichkeit der freilich recht schlecht besoldeten Beamten mit einander vereinen, sind nichts Neues. Die geheime Polizei, der die persönliche Sicherheit des Zaren anvertrant war, unterstand früher der berüchtigten sogenannten dritten Sektion. Der Vorsteher dieser Abteilung war in Wahrheit der mächtigste Mann in Rußland, jeder Beamte, jeder Russe war ohne Weiteres verpflichtet, den Weisungen der dritten Sektion Folge zu leisten. Und doch Hat sie nicht die Ermordung Kaiser Alexander's und sonstige Attentate verhindern können, auch hier hatten die Nihilisten Beziehungen. Der Sicherheits-Dienst war dann neu organi­siert und man hoffte Besserung geschaffen zu haben. Ge­lungen ist es wieder nicht. Russische Eigenheiten sind eben aus dem rnssichen Leben nicht herauszubringen. Das zeigen ja auch die Enthüllungen des Artillerie-Generals Alexejew, dem in diesen Tagen der Prozeß gemacht worden ist, um den unbequemen Kritiker der Verwaltung zur Ruhe zu zwingen. Und wie die Dinge liegen, wird man schwerlich auch bei dem gegenwärtigen Polizei-Skandal volle Wahrheit hören.

Wenn es aber nicht groß zweifelhaft ist, daß Polizei- Beamte selbst Verschwörungen und Attentate angezettelt haben, wenn sie sich gemeiner Mörder, wie dieser Azew und seine Helfershelfer es waren, bedienten, dann fällt auf Rußland ein so tiefer Schatten, daß die Mißwirtschaft, die im berüchtigten Orient und sonstwie lange herrschte, kaum ärger erscheint. Damit wirddas internationale Vertrauen zur kulturellen Entwicklung in Rußland sicher nicht gestärkt, und noch weniger das zur gedeihlichen Entfaltung seiner Finanzen. Die Petersburger Zeitungen schreien Zeter und Mord über die hohen Provisions-Gebühren, die sich die Pariser und Londoner Bankiers für Vermittlung der letzten großen An­leihe haben zahlen lassen, aber auch das ist nur eine Folge der herrschenden Zustände. Wo Rußland in Betracht kommt, da fängt sofort das großeSich- die Hände-Waschen" an. Zweifellos gibt es auch im Reiche des Zaren tüchtige und tätige Männer, aber gegen die allgemeine Korruption aufzukommen, genügen nicht einzelne Personen, dazu gehört eine ganze Generation.

Tagespolitik.

Ein neues Buch über den Kaiser, von Adolf Stein, ist soeben erschienen. DieNat.-Ztg." bringt daraus einen längeren Auszug, nach dem zu urteilen das Buch eigentlich Neues kauni enthält. Das Buch, dem ein seiffatio- neller Erfolg prophezeit wird, atmet die königstreue Gesinnung, die seinem Verfasser Herzenssache ist. Das Buch enthält 11 Kapitel mit den Ueberschriften: Nach der schwarzen Woche der Monarchie. Der Kaiser und England. Das im­pulsive Krüger-Telegramm. Bismarcks Entlassung. (Da­rüber garnichts Neues). Flügeladjutanten-Politik. Der Kaiser in Dichtung und Wahrheit. Der Zustand der Armee. Deutschlands Seegeltung. Unsere Hofjuden. Bernhard v. Bülow. Die Rückständigkeit der politischen Technik. In der Einleitung hat der Verfassereinige Bilder aus dem Novembersturm fixiert", durch die er den Beweis liefern will, daß die öffentliche Meinung im Unrecht

I mar. Die Schuld an allem liegt in der Wilhelmstraße, wo das Genie des Geheimratsder störenden Einflüsse von oben ledig" allmächtig geworden sei. lieber Fürst Bülow und den Kaiser heißt es: Man hat es als Büloivs Haupt- verdiensi gepriesen, daß er sovielmrhindere". Diese Tätig­keit stellt sich die Oeffentlichkeit weit umfangreicher vor, als es der Wirklichkeit entspricht. Gewiß, den Babel-Bibel-Artikel des Kaisers, der zuerst für dieNordd. Allg. Ztg." bestimmt war, hat der Kanzler dann alsBrief an den Admiral Hollmann" denGrenzboten" zugehen lassen. Solche Kleinigkeiten ließen sich noch mehrfach nennen. Aber in wichtigen politischen Fragen handelte es sich, da der Kaiser gern und willig Gegengründe anhört, stets um einen Akkord im besten Einverständnis.

Bemerkenswert aus diesem Buch ist die Mitteilung, daß das berühmte und in allen Artikeln und Debatten über den Kaiser immer wieder erwähnte Krügertelrgramm, jenes Telegramm an den Präsidenten Krüger vom Januar 1896, in welchem der Kaiser seinen aufrichtigen Glückwunsch ausdrückt, daß es dem Präsidenten und seinem Volke ge­lungen sei, ohne an fremde Hilfe zu appellieren, den frieden­störenden Einfall Jamesons znrückgeschlagen, tatsächlich nicht vom Kaiser herrührt und nicht einem impulsiven persönlichen Akt Wilhelms H. entsprang, sondern ein vom damaligen Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und dem Staats­sekretär Frhr. v. Marschall berateneru.gebilligterR egierungs­aktwar. In dem Buch wird auch des Kaisers viel besprochener Besuch inTanger erwähnt und festgestellt, was ja übrigens auch kein Geheimnis mehr ist, daß die Idee dieses Besuches und die Ansprache, die der Kaiser dabei hielt, nicht seiner Impulsivität entsprungen sind, sondern daß der Besuch auf den Rat des verantwortlichen Leiters der auswärtigen Po­litik erfolgt ist. Uebrigens hat Fürst Bülow iiq Reichstage selbst bei einer Debatte über auswärtige Politik mitgeteilt, daß er für diesen Besuch in Tanger verantwortlich ist.

In Berlin ist am Montag ein allgemeiner deutscher Bergarbeiter kongreß zur Erörterung von Verbesser­ungen des Bergwesens zusammengetreten. Bei diesem Kon­greß kam auch das Unglück von Radbod zur Sprache und es wurden darüber bemerkenswerte Aussagen gemacht. Bergarbeiter Thomas-Hamm einer der Geretteten von Radbod, berichtete unter gespannter Aufmersamkeit der ganzen Versammlung über das Unglück. Wer das Un­glück gesehen habe, der werde nicht mehr bitten, sondern die Anstellung von Arbeiterkontrolleuren fordern.Die Arbeiter haben das Unglück kommen sehen, aber sie mußten den Mund halten. Wenn Arbeiter schlagende Wetter meldeten, dann flogen sie hinaus und erhielten im ganzen Ruhrrevier keine Arbeit mehr. (Lebhafte Pfuirufe.) Wenn die Arbeiter sich über Wetter beschwerte», dann sagten ihnen die Steiger:Ihr habt frische Luft genug." Wir hatten schm einige Tage vor dem Unglück mit Wettern zu kämpfen. Als wir uns beschwerten, wurde uns gesagt:Ihr wollt nur ein höheres Gedinge haben." Nachdem sich das Unglück er­eignet hatte, wäre es einer großen Anzahl von Bergleuten noch gelungen, sich durch den Förderkorb zu retten, die Ein­richtungen waren aber sämtlich zerstört und Ersatz war nicht vorhanden. Infolgedessen mußten Hunderte von Arbeitern ihr Leben einbüßen. Der Bergmann Karl Lenzner wollte Doppelschicht machen. Er ist deshalb schon mittags ein­gefahren, da sah er das Feuer und überzeugte sich, daß das Unglück unvermeidlich sei. Er fuhr deshalb wieder aus und meldete es. Dieser Mann ist aber bis heute noch nicht vernommen morden. Man will eben die Sache ver­tuschen. Zur nötigen Berieselung ist kein Wasser vorhanden. Die Bergbehörde ist noch heute für Mißstände taub. Wenn die Arbeiter nicht energisch Vorgehen, dann werden sich solche Unglücksfälle von Zeit zu Zeit immer wieder wiederholen." * *

DerStandard" bespricht, anknüpfend an den Artikel derNordd. Allg. Ztg." über den Besuchdes Königs in Berlin, ,das Verhältnis der beiden Länder. Der im Tone ruhige, gegen Deutschland durchaus nicht unfreundliche Artikel kommt zu dem Schluffe, daß England, wenn Deutschland das Tempo seiner Rüstungen nicht mäßigt, schließlich aus finanziellen Gründen gezwungen sein werde, durch entschiedenes Handeln, womit ein Ultima­tum gemeint ist, dem sinnlosen Wettkampf ein Ende zu machen.

Zum deutsch-schweizerischen Mehlzoll' streit hatte der Staatssekretär des Auswärtigen Amts v. Schön in der Budgetkommission des Reichstages Mitteilungen gemacht. Einige dieser Angaben versuchte der schweizerische Nationalrat Alfred Frey, in seiner Eigenschaft als Teil­nehmer an den deutsch-schweizerischen Handelsvertragsver­handlungen, in derNeuen Züricher Ztg." als unzutreffend hinzustellen. Dißsen Versuch weist dieNordd. Allg. Ztg." zurück, indem sie eine amtliche Darstellung des Sachverhalts veröffentlicht.

Die Gesandten Deutschlands und Frank­reichs im Haag legten im Büro des Schiedsgerichtshofes Denkschriften betreffend den Casablanca-Streit nieder, die für die Parteien, die Schiedsrichter und den Gerichtshof selbst bestimmt sind.

Ueber die äußere Politik Japans erklärte der Minister des Auswärtigen, Baron Komura, im Unterhause in einer längeren Rede, er hoffe zuversichtlich, daß die japanische Gesetzesvorlage in Kalifornien nicht zu inter­nationalen Komplikationen führen werde. Japan vertraue auf den Gerechtigkeitssinn des amerikanischen Volkes. Das Ziel der äußeren Politik Japans sei die Erhaltung des Friedens und Entwicklung der nationalen Hilfsquellen. In Bezug auf die Beziehungen mit Deutschland sagte Komura, die Erklärung des Fürsten Bülow im Reichs­tag zeige deutlich die offenbar freundliche Haltung und wolle Uebereinstimmung mit Japan im fernen Osten.

Die Anti-Japan-Bewegung in Kalifor­nien dringt in immer weitere Kreise ein, wie die Taffache beweist, daß ein japanischer Student von seinen amerikanischen Kommilitonen mißhandelt und aus der Universität vertrieben wurde. Im ostasiatischen Jnselreich hat diese Geschichte wieder böses Blut gemacht, und Präsident Roosevelt hat sehr recht getan, seine Landsleute vor Unbesonnenheiten zu warnen.

L andesnschrichten.

Alterrfterg, 3 . Febr.

"Wohin man sieht, liegt Schnee auf Schnee in Wald und Feld, in Tal und Höh" so kann man jetzt mit Hebel ausrufen. Ganz gewaltige Schneemassen sind in den letzten Tagen niedergegangen und immer noch schneit es. aber es ist im Tal halb Regen und es beginnt zu tauen. Fast von überall her werden große Schncefälle ver­bunden mit Verkehrsstörungen gemeldet, so u. a. von Wildbad, wo die Post von Enzklösterle mit 4 Stunden Verspätung ankam, von F reu d e n st a d t, wo der Verkehr wesentlich unter den niedergegangenen Schneemaffen leidet. Der Schnee soll dort über 1 Bieter tief liegen und der Bahnschlitten mußte einige Strecken mit 10 Pferden bespannt werden, um den Weg zu bahnen. Ueberall sind Schnee­wälle aufgeführt. Viele Arbeiter waren mit Schneeschaufeln beschäftigt. Die Güterzüge mußten ausfallen. Aus dem Knie- b i ssoll der Schnee bis an die Saalfenster des Gasth. z.Lamm" im ersten Stock reichen. Nachrichten von Oberndorf, vom oberen Kinzigtal, von Sulz a. N., Reutlingen, Ulm, Münsingen, Heidenheini, Gerabronn, Gaildorf, Aalen, Göppingen, vom Zabergäu, vom Fränkischen, von Bayern, vom bayerischen Wald rc. rc. berichten über große Schneemassen und Verkehrs­störungen.

* Rohrdorf, 2. Februar. Gestern fand unter zahlreicher Beteiligung die Beerdigung des im Alter von 70 Jahren verstorbenen Spinnmeisters Buck statt.

* Calw, 29. Jan. Im Verlag von Paul Olpp ist eine neue Zeitschrift erschienen unter dem TitelAfrikana", Monats­berichte über die Fortschritte und Bewegungen im schwarzen Erdteil. Der Herausgeber war früher mehrere Jahre in Afrika tätig. Aus dem Inhalt der in einfacher, aber vor­nehmer Ausstattung erschienenen kolonialen Zeitschrift sei erwähnt: Eine deutsche Kolonie in spo? Die Makatta- Steppe in Deutsch-Ostafrika von M. Steffens. Eine französische Autorität über die den Negern gegenüber zu be­folgende Politik. Grußformen der Neger. Finanzwesen und Berkehrsnachrichten. Der Zeitschrift wird in Zwischen­räumen ein gutes Kartenmaterial beigegeben.