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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, FreudenstadL, Talw u. Neuenbürg.
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Ansgabeort Alteusteig-Stadt.
DieuLLag, dsrr 2. Februar.
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
rsus.
Amtliches.
Am 29. Januar ist von der Evangelischen Oberschul- behörde die Schulstelle in Unterlengenhardt, Bez. Calw, dem Unterlehrer Hermann Schüler in Mühlhausen, Bez. Eßlingen, übertragen worden.
Die Anmeldungen zur Baugewerkschule für das Sommersemester haben nach einer Bekanntmachung der Kgl. Baugewerkschule in Stuttgart vor dem 1. März zu erfolgen. Später eintreffende Aufnahmegesuche haben keinerlei Anspruch auf Berücksichtigung.
Die große Armada.
Nachdruck verboten.
In acht Tagen halten König Edward und Königin Alexandra von England in Berlin ihren Einzug und werden vom deutschen Kaiser willkommen geheißen werden. Die Stadt Berlin und ihre Bewohner lassen es sich nicht nehmen, die hohen Gäste in besonderer Weise durch eine farbenreiche Ausschmückung des Einzugsweges zu ehren, denn mit Recht erblicken sie in diesem ersten Besuche, welchen der König und seine Gemahlin der Reichs-Hauptstadt erweisen, ein Ereignis von historischer Bedeutung. Der königliche Diplomat, der größere Erfolge erzielt hat, wie die lebenden Staatsmänner, soll einen heiteren und freundlichen Eindruck sofort auf deutschem Boden gewinnen; wir nehmen an, er bringt auch Gutes und Erfreuliches mit, was ihm unseren Dank und unseren Beifall darbringen heißt.
Wenn die Dinge so liegen, und auch die englische Regierung hat sich ungefähr in diesem Sinne ausgesprochen, Dann ist es allerdings etwas merkwürdig, daß in dies idyllische Friedens-Geläute mit einem Male wieder das schwere Geschütz der chauvinistischen Sensation hineinfeuert. Wenn Deutschland und England auf dem Wege sein sollen, sich zu verstehen und zu verständigen, warum ist dann notwendig, daß aus London lang und breit auseinandergesetzt wird, das englische Nordseegeschwader, dem wir also am nächsten sind, solle eine für Friedens-Verhältnisse ganz außerordentliche Stärke erhalten? Hätte Deutschland jetzt, acht Tage vor dem britischen Königsbesuche eine solche Veranstaltung getroffen, es ist drauf zu wetten, die ganze Londoner Presse hätte wie mit einer Stimme gerufen: Edward, bleib hier, geh' nicht nach dem falschen Deutschland, das anders handelt, wie es sagt!
Das deutsche Volk liefert heute gegenüber dem britischen Projekt von der großen Armada einen prachtvollen Beweis seiner Kaltblütigkeit, wir denken, tut, was ihr wollt! Aber besser wäre es schon gewesen, die Entschließung wäre von drüben her nicht mit Pauken und Trompeten angekündigt worden, man hätte getan, was man für nötig oder nützlich erachtete, und damit basta! So sieht's ungefähr aus, als wollten mit dieser Kundgebung die Londoner Journale allen Deutschfeinden zurufen: Seht Ihr, daß unser König nach Berlin reist, ließ sich nun mal nicht gut umgehen, im übrigen ändert das an den Tatsachen gar nichts, Alt-England bleibt immer auf der Hut gegenüber dem deutschen Racker!
Tagespolitik.
Aus Anlaß des Geburtsfeftes des deutschen Kaisers hatte die russische „Nowoje Wremja" gegen den Kaiser einen Artikel veröffentlicht. Dazu schreibt heute in einem Leitartikel die offiziöse „Rossija": „Das 50. Geburtsfest des deutschen Kaisers veranlaßte uns, dem hervorragenden Herrscher des uns benachbarten und befreundeten Reichs unsere allerbesten Wünsche auszusprechen. Desto entschiedener müssen wir unser tiefes Bedauern aussprechen wegen des Artikels, den die „Nowoje Wremja" dem Geburtsfest Kaiser Wilhelms gewidmet hat. Diese Zeitung, die im Ausland als die Wortführerin der öffentlichen Meinung Rußlands gilt, hat sich nicht gescheut, Handlungen des Oberhaupts des Nachbarreichs derart zu kritisieren, daß alle Russen ihre tiefe Entrüstung ausdrücken müssen, die gewohnt find, Herrscher hoch zu achten, die unserem Vaterlande freundlich gesinnt sind."
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Einen Ersatz für die viel bekämpfte Gas- und Elektrizitätssteuer will man ja jetzt gefunden
haben, in der betreffenden Reichstags-Kommission soll eine Kohlen ft euer vorgeschlagen werden. Ob sie angenommen wird, untersteht freilich auch einem großen Fragezeichen. Bier- und Tabaksteuer werden, wie die Dinge nun einmal liegen, zweifellos mehr, wie bisher bluten müssen, für das Spiritus-Monopol kommt eine anderweitige Besteuerung, für die Jnseratensteuer wird die zu reformierende Fahrkartensteuer beibehalten, bleibt also die kritische Nachlaßsteuer. Darüber steht der dunkle Himmel, aus dem bisher kein Verständigungsstern leuchtet.
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Zu der Wiener Meldung von einem deutsch-französischen Vertrag über Marokko und andere Fragen ist der Pariser Matin laut „Voss. Ztg." zu der Versicherung ermächtigt, daß zwar die Beziehungen zwischen beiden Ländern sich in letzter Zeit gebessert haben, jedoch irgend eine Unterhaltung über den Abschluß eines Vertrages über Marokko und andere Fragen bisher zwischen den beiden Regierungen nicht stattgefunden hat.
England hat in den letzten Tagen seine aus Kreta abziehende Truppe nabteilung durch 240 neue Soldaten ersetzt. Da die Kreter infolge der vorjährigen Zusicherung der Schutzmächte, daß sie bei Aufrechterhaltung der Ordnung sämtliche Besatztruppen allmählich zurückziehen wollten, das Eintreffen neuer Mannschaft nicht erwartet hatten, trat eine starke Beunruhigung ein, die auch nach Griechenland sich übertrug. Die provisorische kretische Regierung setzte sich sofort mit den Konsuln der Schutzmächte in Kanea, die zugleich als diplomatische Agenten fungieren, in Verbindung, um den Grund der Erneuerung der Besatztruppen zu erfragen. Die Antwort der Konsuln lautete beruhigend dahin, daß die Schutzmächte an ihrem Versprechen der allmählichen Zurückziehung ihrer Truppen festhalten, daß aber die völlige Verwirklichung der Zusage sich noch einige Zeit hinziehen werde; zudem sei dieser Verbleib der Truppen eine weitere Bürgschaft für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
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Mit ihrer Spionagefurcht stecken die Engländer noch andere Völker an. So berichtet ein Londoner Blatt aus Belgien, die Regierung habe die Beschleunigung der Befestigung von Antwerpen angeordnet, woran natürlich kein wahres Wort ist, und außerdem seien mehrere deutsche Ballons über den Scheldeforts bemerkt worden.
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' Die bulgarische Regierung hat an die Mächte eine Zirkularnote gerichtet, in der sie die Bitte ausspricht, daß die Mächte sich bei der Pforte für die Anerkennung der Unabhängigkeit Bulgariens verwenden mögen. Die Mächte sind dieser Bitte der bulgarischen Regierung an sich nicht abgeneigt, sie stellen aber vorher die Bedingung, daß Bulgarien die Zahlung der Entschädigungssumme von 100 Millionen an die Pforte leistet und die bedrohenden Mobilmachungen an der Grenze ein st eilt. — Nach Petersburger Privatmeldungen war die Lage in Bulgarien in den letzten Tagen eine sehr ernste.
Deutscher Reichstag.
sj Berlin, 30. Jan.
Das Haus trat am Freitag in die Besprechung der Interpellation der Zentrumspartei ein wegen Sicherung des Arbeits-Vertrages und des Koalilionsrechts (schwarze Listen). Der Begründung der Anfrage durch den Abg. Giesberts antwortete der Staatssekretär von Bethmann-Hollweg, daß im Allgemeinen die Aufnahme von Arbeitern in schwarze Listen nicht als eine unerlaubte Maßnahme gelten könne, denn es handle sich doch dabei um Kontraktbruch, Unbvt- mäßigkeit rc. Aussperrungen von Arbeitern können unter Umständen unzulässig sein. Gegen Arbeitgeber läßt sich aber nicht vorgehen, wenn der Boykott der Arbeiter gestattet bleibt. Die Abg. Stresemann (natlib.) und von Dirksen (sreikons.) teilen den Standpunkt des Staatssekretärs, den der Abg. Sachse (Soz.) bekämpft. Am Samstag Fortsetzung der Beratung.
Berlin, 31. Januar.
Der Reichstag erörterte am Samstag die Etatsüberschreitungen im Jahre 1907 für die Kolonien, mußte sich schließlich aber wegen Beschlußunfähigkeit vertagen. Vorwürfen des Abg. Erzberger (Ztr.) trat Staatssekretär Dern- burg entgegen. Das Ergebnis der neuen Kolonialanleihe war günstiger als das der voraufgegangenen Staatsanleihe, obwohl sich das Publikum doch erst an den neuen Typ gewöhnen muß. Die Kolonialanleihe-Form wurde gewählt, um die Reichs- und Staatsanleihen zu entlasten und zu einer gewissen Schuldvertilgung seitens der Kolonien selbst zu kommen. Wenn mit den Aktien der Otavigesellschaft an der Börse eine wahnsinnige Kurstreiberei verübt worden fei nach einer von ihm, dein Staatssekretär, gehaltenen Rede, so sei er daran nicht schuld. Danach ging es an die Etatsüberschreitungen, deren Genehmigung Pie Budgetkommission mit gleichzeitiger Gewährung der nachgesuchten Indemnität beantragt. Den Kommissionsantrag, über den namentliche Abstimmung beantragt wird, bekämpft Abg. Ulrich (Sozdem.), während ihn Abgeordneter Görcke (natlib.) befürwortet. Staatssekretär Dernburg legt dar, daß sich die ganzen Etatsüberschreitungen in Ostasien auf 400 000 Mk., d. h. aus 60/st der Anschlagssumme beschränkten. Abg. Gamp (Rpt.) tritt für Erteilung der Indemnität ein. Abg. Erzberger (Ztr.) beantragt nochmalige Verweisung der Sache an die Kommission. Abg. Graf Oriola (natlib.) bezweifelt die Beschlußfähigkeit des Hauses. Da diese tatsächlich vorhanden ist, so vertagt sich das Haus, um erst am Donnerstag zur Beratung des Etats des Reichsamts des Innern wieder zusammenzutreten.
Württembergischer Landtag.
! Kammer der Abgeordneten.
Stuttgart, 29. Jan.
Die heutige Sitzung der Kammer der Abgeordneten stand zunächst unter dem erschütternden Eindruck der Kunde von dem Ableben des Abg. Mayer-Ulm. Dem herzlichen Nachruf des Präsidenten folgte die Bekundung ehrenden Gedenkens seitens der Kammermitglieder durch Erheben von den Sitzen. Ter Verstorbene hat dein Landtag zwar erst seit den letzten allgemeinen Landtagswahleu als Vertreter von Ulm-Stadt angehört; allein als politische Persönlichkeit war er schon lange vorher bekannt, und feine Arbeitskraft wurde in der Fraktion der Volkspartei hoch geschätzt. Sein Hingang bedeutet deshalb einen schmerzlichen Verlust für diese Partei, aber auch für das Haus, weil Mayer Mitberichterstatter der noch nicht erledigten Bauordnung war und als solcher sich außerordentlich gut in die umfangreiche Materie eingearbeitet hatte. In der Fortsetzung der Beratung der Volksschulnovelle kam man dann zunächst an den von der Zusammensetzung des Oberschulrats handelnden Artikel. Die Debatten der letzten Tage zeigten von einer gewissen Müdigkeit, und auch heute kam das zunächst zum Ausdruck. Man ist der langen Reden endlich satt und will Taten sehen. Die Oberschulbehörde soll — entgegen, dem. Regierungsvorschlag — eine einheitliche für beide Konfessionen sein und nur in besondere Sektionen sür die evangelische und für die katholische Konfession sich teilen. Zentrum und Bauernbund bemühten sich, diese allerdings fast nur scheinbare Sintultanität zu beseitigen; doch hatten sie damit keinen Erfolg, und auch die Bemühungen des Kultministers nützten nichts. Der bauernbündlerische Antrag wurde nrit 48 gegen 34 Stimmen abgeleh-nt und ddr Kommissionsantrag mit 48 gegen 33 Stimmen angenommen. Einige weitere, nicht besonders wichtige Artikel nalp- men dann nicht lange Zeit in Anspruch. Erst bei dein .wichtigen Artikel 84 wieder, der von der Beaufsichtigung des Religionsunterrichts handelt, kamen die Gegensätze voll zur Geltung. Wer soll den Religionsunterricht beauf- sichtigen? Staat oder Kirche? Wo ist die Grenzlinie? Das sind hier die großen Fragen. Das Zentrum will einseitig das Recht der Kirche, die Sozialdemokratie nur das Recht des Staats, v. Kiene bemüht sich, das Recht der Kirche aus vergangenen Dingen abzuleitcn. Den Höhepunkt der Verhandlung bildete dann aber eine Rede Konrad Hanßmanns, der der Kirche ließ, was ihr gebührt, ihr aber auch vorrechnete, was sie versäumt hat. Nachdem dann noch Hcymann gesprochen hatte, wurde die Verhandlung abgebrochen und ihre Fortsetzung auf morgen vertagt.