1877.

A:rcS»irrt täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Bezugspreis-^ Vr b-^s Vierteljahr i« Bezirk und KachbarortSveckehr M. 1.L8. außerhalb Mk. 1.35

8

OttenSleiL.Mabl

M-'UitterhaltungFblLtt

MMblatt für

Wllgmeme^AM'rge

Fernsprecher Nr. 11.

Anzeigenpreis bei einmaliger Ein­rückung 10 Pig. dir einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechend erRabatt

Reklamen 15 Pfg. die Textzeile.

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.

M. 291

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Amtliches.

Ernannt wurde Notar Luz von Altensteig (seither in Winnenden) zum Bezirksnotar in Wehingen.

Rede des Reichstagsabgeordnetsn Schweickhardt

in der Reichstagssitzung vom 27. November.

Gegen das Spiritus-Monopol u. die Gas- u. Elektrizitätssteuer.

Wir tragen bei der Wichtigkeit der Dinge die Rede, die in den Reichstagsberichten zu kurz gekommen ist, im Wortlaut nach:

Nun zur Finanzreform! Die schärfste Kritik und Ver­urteilung unserer bisherigen Finanzwirtschaft liegt eigentlich weniger in den Debatten der letzten Tage, sondern vielmehr in der Begründung zum Finanzentwurf selbst. Es ist dort mit einer anerkennenswerten Offenheit gesagt, daß, wenn unsere Ausgaben in der bisherigen Weise sich steigern, wir im Jahre 1913 einem Defizit von 737 Millionen gegenüber­stehen würden, mit anderen Worten: wenn wir heute die 500 Millionen neue Steuern bewilligen und diese 500 Millionen bis auf den letzten Pfennig eingehen würden, würden wir nach 5 Jahren wiederum ein Defizit von 237 Millionen haben. Damit ist doch zugegeben, daß die Ord­nung unserer Finanzen nicht bloß durch Bewilligung von neuen Steuern erfolgen kann, sondern daß eine gründliche Umkehr in unseren Ausgaben eintreten muß. (Sehr richtig! links.) '

Mit Versprechungen ist uns heute nicht mehr gedient, es wird Sache der Steuerkommission sein, darüber zu wachen, daß auch die Budgetkommission, welche gleichzeitig den Etal durchzuberaten hat, auf die Einschränkung unserer Ausgaben dringt, daß die vielgespriesene Sparsamkeit schon in dem dies­jährigen Etat zum Ausdruck kommt.

Nachdem mein Fraktionskollege Payer unsere Stellung zu den verschiedenen Steuervorlagen schon dargelegt hat, kann ich mich auf die Besprechung von zwei Vorlagen be­schränken, welchen wir unsere Zustimmung versagen müssen. Zunächst das

Spiritusmonopol.

Die freisinnige Partei hat keine Gelegenheit vorübergehen lassen bei der Beratung unserer Finanzen, um immer und immer wieder eine gründliche Reform dieser längst veralteten, unzeitgemäßen Steuer zu verlangen. Die Branntweinsteuer ist auch in der Tat im Laufe der letzten Jahre so kompliziert und undurchsichtig geworden, daß es selbst dem Fachmann außerordentlich schwer fällt, sich durch das Labyrinth all der Bundesratsverordnungen und Bestimmungen hindurchzufinden. Dem Fiskus gehen alljährlich durch Gewährung der soge­nannten Liebesgaben und Prämien aus die Maischraumsteuer viele Millionen verloren, und endlich ist es höchste Zeit, daß mit den Privilegien, welche nicht der gesamten Landwirtschaft, sondern nur einzelnen bevorzugten Brennern zugute kommen, endlich einmal aufgeräumt wird. (Sehr richtig! links.)

So aber haben wir uns die Reform nicht gedacht, wie sie uns hier vorgelegt wird. Wir bekämpfen dieses Monopol aus politischen und wirtschaftlichen Gründen. Wenn heute eine Mehrheit des Reichstags das Branntweinmonopol an­nimmt, so würde uns, bei dem fortwährenden Geldbedarf des Reichs, die Regierung sicherlich sehr bald auch andere Monopole, wie das Tabak- und Streichholzmonopol, Vor­schlägen. (Zustimmung links.)

Ist der erste Schritt einmal getan, so schreckt man vor dem zweiten kaum noch zurück.

Ich erachte das Branntweinmonopol für einen Eingriff in die Gewerbefreiheit im allgemeinen wie in die Freiheit des Einzelnen, weil es nicht bloß die Produktion, sondern auch die Verarbeitung und den Vertrieb in die Abhängigkeit der Regierung bringt, weil es die Privattätigkeit und jeden technischen Fortschritt hemmt.

Wenn in der Begründung gesagt wird, daß bei dem Spiritusmonopol nicht eingegriffen werden solle in die ge­werbliche Tätigkeit der Industrie, und daß die weitere Ver­arbeitung vom Staat nicht kontrolliert werden solle, so ver­weise ich nur auf den tz 130 der Vorlage, wonach dena­turierter Branntwein im Kleinhandel nur in Behältnissen von 20, 10 und 1 Liter Raumgehalt feilgehalten werden darf, in Behältnissen, die nach näherer Bestimmung des Vertriebsamts verschlossen und mit einer Angabe des Alkohol­gehalts versehen sind. Hier wird also schon der Kleinverkauf

Freitag, de« II. Dezember.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

191)8.

von denaturiertem Spiritus der Aufsicht des Staats unter­stellt. Ich verweise auch auf den 8 131, wonach der Bundes­rat anordnen kann, daß Trinkbranntwein nur in Behältnissen seilgehalten werden darf, die eine Angabe darüber aufweisen, wie viel Hundertteile Alkohol er mindestens enthält. Tie Regierung will also verhindern, daß Branntwein im Allein­verkauf unter einer gewissen Alkoholstärke verkauft wird: ein interessantes Gegenstück zur Antialkoholbewegung! Es ist auch selftverständlich, daß der Regierung daran liegen muß, daß möglichst hochgrädiger Branntwein verkauft wird, weil dadurch der Konsum und damit wieder die Einnahme des Reichs gesteigert werden. Je größer der Konsum, desto größer auch die Wahrscheinlichkeit, daß nicht nur die 220 Millionen, sondern sogar noch größere Summen aus dem Branntwein herausgezogen werden können. Aber gerade diese W 130 und 131 beweisen, daß man mit einer geringen Beamtcnvermehrung, wie die Begründung sie vorsieht, nicht auskommen kann; wenn sich die Kontrolle erst bis in die kleinsten Verkaufsstellen des Reichs ausdehnt, dann brauchen wir ein ganzes Heer von Beamten mehr! (Zustimmung links.)

Weiter sind diese beiden Paragraphen ein Beweis dafür, daß das Monopol wohl nicht Halt machen wird beim Roh­spiritus, sondern daß es sich auf Spirituserzeugnisse aller Art erstrecken wird. Es ist ja schon heute kein Rohspiritus­monopol mehr, sondern ein Feinspiritusmonopol; denn die Regierung schreibt vor, daß der Spiritus gereinigt werden müsse, und zwar durch Spritfabriken, und daß die Reinigung durch Kohlenfiltration, wie sie im ganzen Deutschen Reich noch gang und gäbe ist, nur inangemessenen" Grenzen erfolgen dürfe.

Ein weiterer Beweis dafür, daß man beim Rohspiritus­monopol nicht stehen bleiben wirv, ist, daß die wichtigsten Punkte der Vorlage nicht durch das Gesetz selbst, sondern durch den Bundesrat geregelt werden sollen. Das trifft in nicht weniger als 35 Fällen zu. Und darin liegen gerade die Fußangeln für die Spiritusindustrie! Was diese von dem Monopol zu erwarten hat, dafür hat sie einen gründ­lichen Vorgeschmack bekommen durch die Spirituszentrale. Es ist richtig, daß auch aus Interessentenkreisen Stimmen zu­gunsten des Staatsmonopols laut geworden sind. Es waren dies aber nur vereinzelte Stimmen, die aus die Ver­ärgerung zurückzusühren waren, welche das Geschäftsgebahren der Spirituszentrale in allen Kreisen hervorgerufen hat. (Sehr richtig, links.)

Mir ist ganz unverständlich das Loblied, das in der Begründung aus die Spirituszentrale gesungen wird, in welches auch der Herr Abgeordnete Paasche eingestimmt hat. (Sehr richtig!)

Hat man den Gang der Kartellverhandlungen im Fe­bruar 1906 ganz vergessen? Oder hat man sie vielleicht im Reichsschatzamr gar nicht gelesen? Sind denn alle die bitteren Klagen, welche damals gegen das Spirituskartell laut geworden sind, ganz wirkungslos verhallt? Alan scheint in Regierungskreisen gar keine Ahnung von der Erbitterung zu haben, welche durch die Spirituszentrale in den Abnehmer­kreisen entstanden ist. Wenn die Verdienste heroorgehoben wurden, welche sich die Zentrale durch den Vertrieb an denaturiertem Spiritus erworben haben'soll, so möchte ich darauf Hinweisen, daß die Steigerung des Verbrauchs an denaturiertem Spiritus vor Bestehen der Zentrale prozentual höher war. Ich möchte ferner daraus Hinweisen, daß die Zentrale sich Mittel bedient hat, welche keineswegs einwand­frei sind. (Sehr richtig!) Sie hat den Zwischenhandel all­mählich auszuschalten gesucht durch Verkürzung der an und für sich schon unzulänglichen Verkaufsgebühr; und dem Klein­handel hat sie Verpflichtungen auserlegt, denen er gar nicht Nachkommen kann, durch Unterschrift von Reversen, durch welche er sich bei Vermeidung hoher Strafen verpflichten muß, den Spiritus zu einem bestimmten, sehr niedrig be­messenen und geradezu verlustbringenden Preise weiter zu verkaufen. Die Zentrale hat sich dafür schadlos gehalten da­durch, daß der Kleinhandel sich gleichzeitig verpflichten mußte, alle übrigen Sorten von Branntwein von der Zentrale zu beziehen. Tie amerikanischen Petroleumgesellschaften find ge­wiß rücksichtslos vorgegangen; aber sie haben nicht gewagt, dem Kleinhandel solche Verpflichtungen aufzuerlegen, wie die Spirituszentrale.

Ein Vorteil liegt in der neuen Steuervorlage, daß nämlich die verschiedenen Steuern durch eine einheitliche Steuer ersetzt werden. Aber ich muß dem Herrn Abgeord­neten Spahn recht geben, wenn er schon in diesem Früh­jahr gesagt hat, daß ein Monopol noch lange nicht bar

Geld ist. Die Regierung macht sich die Sache außerordentlich einfach. Die 220 Millionen Mark Steuern sollen auf den Trinkbranntwein gelegt werden. Man bedenkt aber nicht das Risiko, das dabei für das Reich vorhanden ist (Sehr richtig!) und rechnet zu wenig mit der Wahrscheinlichkeit, daß der Könsumrückgang ganz bedeutend sein wird. Dann müssen die 220 Millionen Mark auf das verbleibende Quan­tum Spiritus gelegt werden. Dadurch wird der Preis weiter verteuert, der Konsum wird weiter zurückgehen, und so ge­raten wir schließiich in einen Kreislauf hinein, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Es sind auch die Minderein­nahmen nicht genügend berücksichtigt, welche dadurch ent­stehen, daß Brennspiritus und der Spiritus, welcher zu ge­werblichen Zwecken und zur Essigfabrikation verwendet wird, unter dem Ankaufspreis abgegeben werden soll.

Es kommen weiter dazu die großen Kosten des Be­amtenapparates, die, wie ich schon erwähnt habe, viel größer sein werden, als die Regierung anzunehmen scheint. Weiler kommt hinzu die Entschädigung der Spritfabriken, die Amor­tisation und Verzinsung der hierzu erforderlichen Anleihe in Höhe von 190 Millionen Mark. Gerade diese Entschädigung der Spritfabriken ist eine ganz ungeheure (Sehr richtig!) und sie ist mir ein Beweis dafür, wer an diesem Entwurf mitgearbeitet hat. Ich bin durchaus damit einverstanden, daß die Regierung bei Ausarbeitung eines solchen Entwurfs Sachverständige zu Rate zieht; aber ich möchte mir die Anfrage an das Reichsschatzamt erlauben, ob auch solche Sachverständige zugezogen worden sind, welche dem Spiritus- ring nicht angehören. (Sehr gut! in der Mitte und links')

Schon im Februar dieses Jahres hat der der Spiritus­zentrale nahestehende Geheimrat Professor Dr. Delbrück dem Deutschen Landwirtschaftsrat in seiner Plenarversammlung eine Resolution vorgelegt, in welcher die Grundzüge dieses Entwurfs enthalten sind. (Hört! hört! in der Mitte und links.) Und diese Resolution finden Sie beinahe wörtlich in dieser Vorlage. Es fehlte nur noch, daß auch der Teil dieser Resolution darin enthalten wäre, welcher eine Erhöhung des Pelroleumzolles verlangt, der natürlich nur deshalb ge­fordert wird, um die Petroleumpreise und damit auch die Spirituspreise in die Höhe treiben zu können. (Sehr richtig! in der Mitte und links.) '

Weiter wird in dieser Resolution empfohlen das ist auch bezeichnend, daß die Erträgnisse aus dem höheren Petroleumzoll nicht etwa dem Reich zugute kommen, sondern zu einer Herabsetzung der Zuckersteuer Verwender werden sollen (hört! hört!) um der notleidenden Zuckerindufrrie wieder auf die Füße zu helfen.

Die Spritfabriken haben es durch günstige Verträge mit der Zentrale und den Brennereien verstanden, sich ganz enorme Gewinne zu sichern. Die Spritsabriken verteilen 20, 25 Prozent Dividende und wären in der Lage, auch die doppelt» Dividende ausschütten zu können. (Hört! hört! links.) Ihre Reserven, die stillen und die offenen, sind gefüllt, sie betragen zum Teil mehr als das Aktienkapital; die Grund­stücks- und die Fabrikanwesen sind alle abgeschrieben. Nach 8 143 sollen sieangemessen" entschädigt werden, und was man unter angemessener Entschädigung versteht, geht daraus hervor, daß z. B. eine Spritfabrik mit einer Verarbeitung von 50 000 Hektoliter zu 2,15 pro Hektoliter jedes Jahr 107 000 Mk. vom Reich bekommen soll. Das macht in lO Jahren über eine Million Mark aus. (Hört! Hört! in der Mitte und links.) Die Verträge, die die Spritfabriken ab­geschlossen haben, sollen in dieser Weise abgelöst, ihre Fa­briken außerdem vom Reiche zum vollen Werte übernommen werden. Andere Spritsabriken aber, welche nach dem 30. Juli 1907 in Betrieb getreten sind und doch auch schon Verträge auf längere Dauer abgeschlossen haben, sollen nichts bekom­men. (Erneute Rufe: Hört! hört! in der Mitte und links.) Nur ausBilligkeitsgründen" will man ihnen die Kosten vergüten, welche ihnen nachweislich entstanden sind. Und dafür soll nun eine Anleihe von 190 Millionen Mark aus­genommen werden. Ich meine, Herr Schatzsekretär, Schulden sind gerade genug gemacht worden (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und links), und Sie werden kaum daraui rech­nen können, daß in diesem hohen Haus Geneigtheit vorhanden sein wird, einer Anleihe von 190 Millionen Mark zuzustim­men, welche in der Hauptsache denen zugute kommen, welche es verstanden haben, unter der He'-'Vafl d^'->s verfehlten Branntweinsteuergesetzes sich große ( w z' n. (Sehr

richtig! links.) Wenn man sich sa,,.. mit Monopol

befreunden will, dann beschränke man es auf das Rohspiritus- monopvl und überlaste die Reinigu"" w sher der Privat-