Gegründet
1877.
Grfch«iM ILgtrcH «it AllSsuHme der Sonn- vnb Festtage.
Bezugspreis für !-os Vierteljahr i« Bezirk und Nachbarortsverkehr ML. 1.25. -.ußerhalb Mk. 1.8b
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Fernsprecher Nr. 11.
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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.
K». S»5
Ausgabeort Mtensteig-Stadt.
Freitag, Nerr 4. Dezember
Amtsblcktt für Pfalzgrafenweiler.
19V8.
Im Dezember
dem Monat der geschäftlichen Konjunktur, ist das Hallen unseres Blattes Aus den Tannen notwendig, wenn man im Weihnachtsverkehr fortlaufend unterrichtet sein will. Was von diesem Monat in politischer Hinsicht zu erwarten ist, davon sich zu überzeugen, genügt ein Blick in die Zeitung.
Ein Probeabonnemenl aus unsere Zeitung für den Monat Dezember kostet
nur 4L Pfg. "W,
Amtliches.
Infolge der an dem Seminar in Künzelsau abgehaltenen Dienstprüfung ist u. a. der Lehramtskandidat Hrch. Bohnet von Besenfeld für befähigt zur Versetzung von unständigen Lehrstellen an Volksschulen erklärt worden.
O du mein Oesterreich.
(Nachdruck verboten.)
Ueber den heillosen Unfug, mit dem von den nichtdeutschen Nationalitäten der habsburgischen Monarchie namentlich die Czechen das sechzigjährige Regierungsjubiläum des Kaisers Franz Joseph zu feiern beliebten, haben iHr berichtet. Daß die pöbelhaften Ausschreitungen und Beleidigungen, deren Opfer die Deutschen waren, weit über das sonstige Maß hinausgingen, steht fest; es ist auch anerkannt, daß es sich keineswegs nur um Ausbrüche der Leidenschaft der niedersten Volksklassen gehandelt hat, sondern daß eine regelrechte politische Führung vorhanden war. Wenn die Wiener Regierung durch die Annektion von Bosnien und Herzegowina die Kraft des Kaiserstaates zu stärken gedachte, so bezwecken diese czechischen und anderweitigen Demonstrationen nur, die habsburgische Monarchie zu zertrümmern, eine Anzahl von antideutschen Staaten zu bilden, in welchen die Deutschen dje Prügeljungen sein sollen, denen höchstens das Recht gelassen wird, so viel wie möglich Steuern zu bezahlen. O du mein Oesterreich! So mag der alte Kaiser am Tage seines Jubiläums im Stillen gedacht haben, denn er kann sich der Erkenntnis nicht mehr verschließen, daß aus den Szenen, die man früher wohl Straßen-Krawalle zu nennen beliebte, eine staatsgefährliche Bewegung geworden ist.
Wenn die Minister in Wien bisher immer gedacht haben, wir haben ja für den äußersten Notfall das Militär, so sind sie heute zur Einsicht gelangt, daß die fanatische Czechenmasse sich darum wenig bekümmert. Sie weiß, daß die unglücklichen Partei-Verhältnisse im Wiener Parlament den nichtdeutschen Abgeordneten einen großen Einfluß sichern, der noch durch die Schwäche der Regierung vermehrt wird. Das Militär ist da, aber es ist nicht anzuwenden bei den politischen Irrwegen, die das Unglück Oesterreich-Ungarn's darstellen. Nur dann, wenn Kaiser Franz Joseph's Minister sich dazu entschließen können, ohne jede Rücksicht geradeaus zu gehen, dann können sie die Position gewinnen, die sie immer haben müßten. Was werden soll, wenn die Dinge so weiter gehen, ist nicht etwa nicht abzusehen, sondern das Alles kann man sich leicht denken. So sind die Aussichten recht trüb für die Zukunft.
Daß sich die deutschfeindlichen Nationalitäten an der Donau heute in mehr wie selbstbewußter Stimmung befinden, ist ganz offensichtlich. Sogar die Truppen, die doch ein großes Kulturvolk bilden wollen, hacken auf die Deutschen los; darin sind sie Alle gleich, die Magyaren, Polen, Czechen, Slowenen, Kroaten, Wälsch-Tiroler, daß sie von den Deutschen eine Unterwürfigkeit verlangen, die unwürdig ist. Alle erheben sie laut das „nationale" Banner, die Deutschen allein haben sich zu ducken. Und an den österreichischen Gesamtstaat denkt eigentlich Niemand. Kennzeichnend ist, was sich bei der Eröffnung des neuen Parlament- Gebäudes in Wien geltend machte: Man sah im Sitzungssaals die großen Wappenbilder aller österreichischen Provinzen, aber das Wappen des österreichischen Gesamtstaates hatte man glänzend vergessen. Eine kaum glaubliche, aber wahre Tatsache!
Die inneren Verhältnisse in Oesterreich-Ungarn sind derartig, daß sie für den kritischen Fall auswärtiger Verwicklungen zu denken geben und daher mit in Betracht gezogen werden müssen. Wenn die Czechen Allem begeistert zujubeln, was seine Spitzen gegen die Deutschen richtet, dann ist das keine gleichgültige Angelegenheit mehr, zumal wenn sich da
mit brurale Gewaltätigkeiten, wie die letzt vorgekommenen verbinden. Oesterreich-Ungarn ist unser guter Verbündeter; denn deshalb dürfen wir nicht vergessen, daraus zu halten, daß es auch ein stark Verbündeter bleibt. Bei den beutigen Zuständen ist das aber kaum möglich.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, Z. Dez.
Am Dienstag ging die Erörterung über die Arbeitszeit der Arbeiterinnen weiter. Abg. Erzberger (Ztr.) glaubte den Konservativen und Freisinnigen ins Gewissen reden zu sollen. An den Kommissionsbeschlüssen sollte nicht mehr gerüttelt werden, nachdem dort schon so viele Wünsche zurückgestellt worden seien. Die Beschlüsse lägen im Interesse des Familienlebens. Abg. Molkenbuhr (Soz.) meinte, im Punkte Arbeiterschutz hätte Abg. Erzberger auch seine eigene Partei angreifen können. Der Redner befürwortete den sozialdemokratischen Antrag, die Höchstarbeitszeit für Arbeiterinnen sofort auf 9 und von 1912 ah auf 8 Stunden festzusetzen. Abg. Schack (wirtsch. Vg.) war im allgemeinen für die Kommisssonsbeschlüsse, hielt aber den Vorschlag der Sechsstundenarbeit an Sonnabenden für undurchführbar. Abg. Streßemanu (uatlib.) führte aus, daß die Bedenken der Interessenten sehr wohl beachtet sein wollten. Das Haus nahm den Vermittlungsantrag des Zentrums an, lehnte aber merkwürdigerweise die so abgeänderte Bestimmung (an Sonnabenden höchstens 6 Stunden, jedoch wenn dies durch die Weiterarbeit anderer Arbeiter bedingt ist, 8 Stunden Arbeitszeit) ab. Angenommen wurden die Bestimmungen über das Verbot der Mitgabe von Arbeit ins Haus über Ausnahmen, die die Verwaltungsbehörde zulassen kann, und über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen. Mittwoch: M inist er - V er au tw ort li ch ke i t.
Die Berfafsungsdebatte im Reichstag.
Am Bundesratstisch sind die Staatssekretäre v. Beth- mann-Hollweg, Dernburg und Dr. Nieberding erschienen. Das Haus ist gut besetzt. Auf der Tagesordnung stehen die Anträge des Zentrums, der Freisinnigen, der Sozialdemokraten und der Polen auf Abänderung der Reichs- versassung.
Staatssekretär v. B eth mann -H o ll w e g: Bei Erlaß der Verfassung für den Norddeutschen Bund und für das Deutsche Reich sind alle Anträge abgelehnt worden, welche Be st im m ungen über die Rechtsform der Mini st erverant wortlichkeit enthielten. Nichtsdestoweniger hat die Frage, welche für die staatsrechtliche Doktrin allezeit ein Gegenstand besonderen Interesses gewesen ist, auch in der Folgezeit dieses Haus beschäftigt, ohne daß indessen die Erörterungen zu festen Beschlüssen sich verdichtet hätten. So ist es gekommen, daß der andere Faktor der Gesetzgebung, der Bund es rat, seither weder Veranlassung noch Gelegenheit gefunden hat, über diese Frage zu beraten und zu beschließen. Wenn nunmehr verschiedene Parteien den Zeitpunkt für gekommen erachten, über diesen Gegenstand erneut zu verhandeln, allerdings unter Einbringung viel weitergehender Anträge, dann ist es begreiflich, daß die verbündeten Regierungen sich außer stand sehen, über diese Frage, ehe sie Gelegenheit haben, die festen Beschlüsse des Reichstags zu kennen, ihrerseits an eine Beschlußfassung heranzutreten. Aber auch mit einer solchen nicht unmittelbaren Beteiligung, mit der sie bei der heutigen Beratung von der Gepflogenheit, die sonst bei der Verhandlung von Initiativanträgen beobachtet wurde, abweichen, wollen sie zu erkennen geben, welchen Wert die verbündeten Regierungen darauf legen, auch ohne unmittelbares Eingreifen in Ihre Ansichten, Ausführungen und Beschlüsse sich eine besondere Unterlage zu schaffen. (Lebh. Beifall.)
Müller-Meiningen (frs. Vp.): Ich beantrage namens der Liberalen, die sämtlichen Anträge an die auf 38 Mitglieder verstärkte Geschäftsordnungskommission zu verweisen. Wir beantragen, die Geschäftsordnung des Reichstags einer durchgreifenden Revision zu unterziehen. Dieser Antrag beruht auf der Ueberzeugung, daß unsere Geschäftsordnung noch lange nicht klar und deutlich genug ist. Es sollte möglich sein, bei Interpellationen auch Anträge zu stellen und dem Seniorenkonvent einen würdigeren Platz in der Geschäftsordnung anzuweisen. Wir .wollen mit unserem Antrag statt der sogen, moralischen Verantwortlichkeit des Reichskanzlers die staatsrechtliche Verantwortlichkeit. Der Kaiser ist nicht Souverän in Deutsch
land, sondern er ist der Erste unter Gleichen. Was wir fordern, entspricht dem Verfassungsrecht konstitutioneller Staaten der Welt. Lehnt der Reichskanzler die Verantwortlichkeit ab, so muß er notwendigerweise demissionieren. Als logische Folge der Ministerverantwortlichkeit verlangen wir die Verantwortlichkeit der Reichsminister. Die Stellung der Staatssekretäre ist auf die Tauer völlig unhaltbar.
Spahn (Ztr.): Der Kaiser nimmt einen vollständig selbständigen Posten ein, namentlich auf völkerrechtlichem Gebiet. Wir sind ihm dankbar dafür, daß er in dieser Selbstständigkeit stets den Frieden erhalten hat. Indessen ist seine Stellung nicht schrankenlos. Seine Anordnungen bedürfen zur Gültigkeit der Genehmigung des Reichskanzlers. Die Notwendigkeit der Erweiterung der Ministerverantwortlichkeit durch ein besonderes Gesetz ist sogar von Fürst Bismarck anerkannt worden. Befremdlich ist es dabei, daß der Staatssekretär aus unseren Erörterungen und Beratungen noch etwas lernen will. (Sehr gut! im Zentrum.) Die Ministerverantwortlichkeit muß auch auf solche Handlungen und Aeußerungen des Monarchen ausgedehnt werden, die nicht gegengezeichnet zu werden brauchen. Hierunter können auch Privatgespräche und Briefe fallen. Natürlich verlangen wir nicht, daß der Reichskanzler die Verantwortung übernimmt für Aeußerungen des Kaisers, bevor er sie gekannt hat. Aber nachdem er Kenntnis davon erhalten hat, muß er die Verantwortung übernehmen oder demissionieren. Die bloße Erklärung von der Uebernahme der Verantwortlichkeit genügt uns nicht.
Ledebour (Soz.): Wir haben erwartet, daß uns über die merkwürdig diplomatisch stilisierte Erklärung des Reichskanzlers über die Aussprache zwischen dem Kaiser und dem Kanzler in Potsdam hier die notwendigen Erklärungen würden gegeben werden. Heute ist der Reichskanzler nicht einnial hier erschienen. Selbst wenn die Reden Kaiser Wilhelms !). nicht gehalten worden wären, so würde doch ein vollständiges Fiasko auf unserer inländischen und ausländischen Politik zu Tage getreten sein. Das parlamentarische Regime läßt sich nur erreichen, wenn dem Reichstag neue Machtmittel gegeben und die vorhandenen ausgenützt werden, um zu erzwingen, daß die Minister ernannt werden aus der Mitte des Reichstags und auf Wunsch der Majorität. Die Mehrheit hat die Macht zur Durchführung der notwendigen Verfassungsreformen. Sie brauchen nur zu erklären, daß Sie ohne solche keine Finanzreform bewilligen. (Beifall bei den Sozialdemokraten. Zischen rechts.)
Graf v. Brudzewo-Mielzynski (Pole) begründet den Antrag seiner Partei auf Einberufung des Reichstags, wenn ein Drittel der Mitglieder es verlangt. Wir Polen bekämpfen das deutsche Volk nicht (hört, hört), ivir bekämpfen aber das preußische Regierungssystem, das Deutsche wie Polen gleichmäßig bedrückt.
D r. Junck (natl.): Dem Antrag die Geschäftsordnung dahin auszubauen, daß im Anschluß an Interpellationen Anträge gestellt werden können, stimmen wir zu. Unannehmbar für alle Zeiten scheint uns der sozialdemokratische Antrag, daß eine Kriegserklärung der Zustimmung des Reichstags bedürfe. Ein derartig unberechtigtes Mißtrauen gegen Kaiser und Bundesrat märe völlig unangebracht. Die Mitwirkung des Reichstags bei derErn^en- nungund Abdankung des R eichskanzle rs lehnen wir ab; ebenso lehnen wir auch eine Verquickung der verfassungsrechtlichen Fragen mit der Reichsfinanzresorm ab. (Hört! Hört! links.) Dagegen sind wir vollkommen damit einverstanden, daß eine Person da sein muß, die für alle Regierungshandlungen verantwortlichist. Deshalb werden wir auch dem Gesetz betreffend weitere Ausgestaltung der Ministerverantwortlichkeit unsere Mitarbeit nicht versagen. Dagegen lehnen wir entschieden den sozialdemokratischen Entwurf über Ministerverantwortlichkeit ab. Auch eineVerfass» ng s ä n d e r u n g h a lten wirjsnicht für richtig. Das ist keine Verfassungsfrage, sondern eine Machtfrage. Wir werden in der Kommission dazu beiz ulragen suchen, das Kaisertum zu schützen vor Einwirkungen, mögen sie von unten kommen oder von oben.
v. Dirksen (Reichsp.) Ter Antrag der Polen auf Einberufung des Reichstags, falls 'Z der Mitglieder es wünschen, hat an sich etwas Bestechendes, praktisch durchführbar dürste er aber nicht sein. Das Recht der Kriegserklärung lassen wir am besten beim Bundespräsidium. Bei einer Mitwirkung des Parlaments bei Ernennung oder Verabschiedung