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1877.

täglich «tt NuSnrhrue der Sonn- und Festtage.

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MMblatt für

Fernsprecher Nr. 11.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

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Ausgabeort Altensteig-Stadt.

EamStag. -e« S8. Rovembsr.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

19VS.

Deutscher Reichstag.

Für den Monat Dezember

werden Bestellungen auf unsere Zeitung Aus den Tannen fortwährend entgegengenommen.

Das Gespenst der Derrtscherrfnrcht in England.

Nachdruck verboten.

Kein geringerer als der berühmte Feldmarschall Lord Roberts hat im englischen Oberhause am Montag wiederum die Frage eines möglichen Einfalles eines deutschen Heeres in England aufgerollt und die beschleunigte Verstärkung des englischen Landheeres in einem von dem Oberhause zu fassen­den Beschlüsse verlangt, und dazu auch die Zustimmung der ehrwürdigen Lords mit großer Mehrheit erlangt. Da kein Mensch in Deutschland an einen Angriff auf England denkt, und vom deutschen Kaiser in England selbst über die fried­lichsten Gesinnungen Deutschlands gegenüber England öffent­liche Zusicherungen gegeben worden sind, so verbietet es eigentlich die nationale Würde, daß wir in Deutschland vom politischen Standpunkte über diese englische Gespensterfurcht vor Deutschland viele Worte verlieren, zumal Lord Roberts für diese Wahnvorstellung vieler Engländer nicht viel neues im englischen Oberhause hervorgebracht hat. Er hat nur gesagt, daß die deutsche Flotte im Stande sei, ein Heer von zweihunderttausend Mann in verhältnismäßig kurzer Zeit in England zu landen, und zwar von den französischen Häfen aus. Lord Roberts nimmt also an, daß Deutschland erst Frankreich noch einmal Niederschlagen und dann sich über England hermachen will. Solche Ausführungen erwecken in Deutschland ein vergnügtes Lächeln, da solche Pläne in Deutschland noch nicht einmal geträumt werden. Wir er­innern dabei auch an ein berühmtes Wort von dem ver­ewigten Generalfeldmarschall v. Moltke, der über eine Kriegs- srage zwischen England und Deutschland einmal gesagt hat, daß er schon wisse, wie er hunderttausend Soldaten nach England hineinbringe, aber er wisse nicht, wie er die deutschen Soldaten wieder herausbringe. Deutsche Kriegspläne gegen England vom Standpunkte des Angriffs sind also durch ein Landheer bis auf Weiteres ein Unding, und der wackere Lord Roberts hat nur deshalb jährlich 20 Millionen Pfund Sterling für die Landesverteidigung mehr verlangt, um Eng­land in den Besitz eines halbwegs leistungsfähigen Landheeres zu bringen. Als geschickter Politiker benutzt er dazu die immer noch in England vorhandene Furcht vor einem deut­schen Angriffe, und er weist zu diesem Zwecke sogar darauf hin, daß in 6 Jahren Deutschland nach England die größte Kriegsflotte haben werde. Dabei hat aber der wackere Lord ganz vergessen, darauf hinzuweisen, daß die englische Kriegs­flotte auch in 6 Jahren noch doppelt so groß, als die deutsche fein und es für absehbare Zeit auch bleiben wird. Man hätte eigentlich annehmcn sollen, daß Lord Roberts auf den bevorstehenden Bau von Luftkriegsschiffen in Deutschland Hin­weisen würde, denn der Vorsprung Deutschlands auf dem Gebiete der Luftschiffahrt liegt den Engländern auch schwer auf dem Herzen, und das Gespenst von dem Auftauchen zehn großer deutscher Luftkriegsschiffe vor den englischen Kriegshäfen hätte vielleicht in England noch beffer gewirkt, aber davon hat der brave Lord Roberts nichts gesagt und seine Gespenfterfurcht richtet sich nur in der Hauptsache gegen den Einmarsch eines deutschen Landheeres in England. Nicht alle Mitglieder des englischen Oberhauses teilen ja diese Meinung des Lord Roberts, und selbst vom englischen Regierungstische aus sind seine Ausführungen wegen der ge­genwärtigen politischen Lage getadelt worden. Trotzdem ist aber der erwähnte Antrag des Lords vom Oberhause ange­nommen worden, und wir müssen in Deutschland fortgesetzt mit dem unbegründeten Argwohne Englands gegen die deutsche Friedenspolitik rechnen. An der Fortdauer dieses Argwohns hat bekanntlich auch der deutsche Kaiser großen Anstoß ge­nommen, aber nachdem nun den Engländern auf alle mög­lichen Arten hundertmal erklärt worden ist, daß Deutschland eine Friedenspolitik auch gegenüber dem britischen Jnselreiche verfolgt, verbietet es unsere Würde, immer und immer wieder den Engländern diese Versicherungen abzugeben und ihnen in demütigender Weise als Friedensapostel extra nachzulaufen. Deutschland treibt trotz stärkster Rüstung nur eine Friedens­politik und wird seine Waffengewalt nur zur Abwehr feind­licher Angriffe benutzen.

* Berlin, 26. Novbr.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der e r st e n Beratung der Reichssinanzreform.

Abg. Speck (Ztr.): Wir sind im Gegensatz zu dem Abg. Gamp der Ansicht, daß noch nie eine Finanzvorlage in den weitesten Kreisen des Volkes so großen Unwillen er­regt hat, als diese. (Sehr richtig im Zentrum.) Alle mög­lichen Mittel und Wege sind versucht worden, um die Sache populär zu machen. Mit der ungeheuren Steuer­belastung von 500 Milk. Mark soll die Beschränkung des Budgetrechts des Reichstages Hand in Hand gehen. Dazu kommt ferner, daß die neue Steuer in erheblichem Maße den Massenverbrauch weiter Volksschichten belastet, während die wirklich Besitzenden durch allerlei Manipulationen künstlich sreigelassen werden. So ist unser Vorschlag einer Automobilsteuer auf ein Minimum reduziert worden, weil eine Körperschaft wie der kaiserliche Automobilklub gegen diese Steuer mobil gemacht hat. Wir erkennen an, daß der Friede uns erhalten worden ist und daß große wirtschaftliche Fortschritte zu verzeichnen sind, aber diese günstige wirtschaftliche Entwickelung beschränkt sich auf kleine Kreise von Personen. Zur Verbesserung unserer Fi­nanzen sind die gegenwärtigen Vorlagen nicht zu empfehlen. Durch die Elektrizitätssteuer würde dem Süden des Reichs die Erfüllung wichtiger Kulturauf- gaben erheblich erschwert werden. Der Mittel­stand würde durch diese Steuer aufs schwerste geschädigt werden. Die Nachlaßsteuer ist ebenso verwerflich. Sie würde wie ein Sprengpulver auf unser Familienleben wirken. Der Gedanke eines Monopols ist mit dem Charakter des Reiches unvereinbar. Das Branntweinmonopol würde nur der erste Schritt zu weiteren Monopolen sein und zur Ver­staatlichung der Produktion überhaupt führen, d. h. zum sozialistischen Staate. (Sehr richtig im Zentrum.) Die alt­preußische Sparsamkeit sollte zunächst von den oberen Schichten geübt werden. Die Lebensgewohnheiten des alten Kaisers waren doch wesentlich einfacher als die des jetzigen und dabei ist das Ansehen des Reiches im Auslande nicht gestiegen. Ich beantrage, die Vorlage an eine be­sondere Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen.

Graf v. Schwerin-Löwitz (kons.) Ich möchte die Aus­führungen meines Parteifreundes v. Richthofen dahin er­gänzen, daß wir auch für die Besteuerung alkoholfreier Ge­tränke sind. Wir behalten uns vor zu beantragen, daß ein hoher Prozentsatz der zu erwartenden Ueberschüsse zur Schuldentilgung verwendet wird. Wir sind ferner darin einig, daß eine Deckung der notwendigen Ausgaben auch durch eine stärkereBesteuerung des Luxus er­strebt werden soll. Soweit durch die indirekten Steuern der Bedarf nicht gedeckt wird, sind wir auch für die Heran­ziehung der Erbschaftssteuer und der Wehrsteuer. Wir sind aber grundsätzlich gegen die Nachlaßsteuer wegen der Aus­dehnung auf Deszendenten und Ehegatten. Bei einem et­waigen Scheitern der Reichssinanzreform würde einzig und allein das Reich den Schaden davon haben. Das Verant­wortlichkeitsgefühl der Regierungen würde größer erscheinen als das der Reichstagsmehrheit. Ich weise auch die mir und meiner Partei gemachte Unterstellung, als ob wir die Frage mit unserer parteipolitischen Stellung verkoppeln wollten, entschieden zurück. Wir lehnen auf einer solchen Basis auch eine Verständigung mit der Linken ab. Mag sie dann die Verantwortung für das Scheitern der Finanz­reform tragen. Das deutsche Volk in seiner Mehrheit ist für eine durchgreifende Reform der Finanzen. Ihr Nicht­zustandekommen mangels einer Verständigung des Reichs­tages würde im Lande nicht verstanden werden.

Weber (Natl.). Auch wir lehnen die Verquickung der Reichssinanzreform mit anderen Forderungen ab. Wenn eine gewisse Verteuerung eingetreten ist, so steht dem gegen­über die Steigerung der Einkommen und das Gedeihen unserer Landwirtschaft. Durch eine Vermögenssteuer würden die Matrikularbeiträge ganz überflüssig. Die Einführung einer Reichseinkommensteuer ist dagegen zur Zeit unmöglich. Ohne eine erhebliche Heranziehung des Besitzes zu den neuen Steuern sind wir für eine Regulierung der Reichsfinanzen nicht zu haben. Die Vermögenssteuer ist der Nachlaßsteuer vorzuziehen. Ein Branntweinmonopol wäre ebenso gerecht­fertigt, wie ein Eisenbahn- oder Telephonmonopol. Für die mittleren Brauereien wünschen wir gewisse Erleichterungen. Der Banderolesteuer können wir nicht zustimmen, die Jnse- ratensteuer enthält soviele Schwächen und Fehler, daß sie

in dieser Form keine Aussicht auf Annahme hat. Die Elek­trizitätssteuer lehnen wir aus volkswirtschaftlichen Gründen ab. Alle geäußerten Bedenken werden uns aber nicht ab­halten, in der Kommission an der Vorlage tüchtig mitzu­arbeiten.

Südekum (Soz.) Wir verlangen konstitutionelle Garantien in Verbindung mit dieser Vorlage. Solange das persönliche Regiment besteht ist eine Steuererhöhung in irgend einer Form für uns indiskutabel. Niemand hat bessere Finanzen bei seinem Amtsantritt vorgefunden als Fürst Bülow. Von da an folgte in der aus­wärtigen Politik ein Fehler dem anderen, und nach jedem hieß es: mehr Geld für Heer und Marine. Das beständige Eingreifen des beweglichen Faktors in unsere Politik (Heiterkeit) zw in gt die fremden Völker zu einem Akt d e r S e lb st v er te i d i g u n g gegen üns. Wahrscheinlich wollen Sie der Erörterung dieser Frage aus dem Weg gehen, weil Sie genau wissen, daß die Schuldenlast des Reiches nichts anderes ist als das Schuldbuch des jetzigen Systems, aber die Zeit des ruhigen Ertragens des per­sönlichen Regiments ist vorbei. (Vizepräs. Paasche bittet den Redner, sich mehr an die Sache zu halten.) Die Erhöhung der Biersteuer und noch mehr die Besteuerung der alkoholfreien Getränke führt dazu, daß die Arbeiter zum Fusel greifen. Das Branntweinmonopol' lehnen wir ab, weil es eine parlamentarisch nicht qualifizierbare Begünsti­gung eines einzelnen Gewerbes ist.

Finanzminister Frhr. v. Rheinbaben: Durch die Elektrizitätssteuer wird bei einem Steuersatz von 5 Prozent und bei einem Satz von 2,4 Pfg. pro Kilowattstunde eine Schädigung von Landwirtschaft und Handwerk nicht her­beigeführt. Aus den wachsenden Beitragsleistungen zu den Gewerkschaften, die im Jahre 1907 nicht weniger als 51 Mill. Mark aufgebracht haben, geht hervor, daß auch die Arbeiter sehr wohl zu den neuen Steuern beizutragen in der Lage sind. Die Beiträge zu den Gewerkschaftskassen werden dazu noch zwangsweise erhoben. Bei der Steuer der entbehrlichen Genußmittel dagegen kann der Arbeiter diese selbst bestimmen. Jedermann ist bei der indirekten Besteuerung' sein eigener Exekutor. (Heiterkeit.)

Abg. Südekum hat vorgeschlagen, alle indirekten Steuern abzuschaffen und nur direkte Steuern zu erheben. Dann verzehren Sie doch den Regenwurm auf einmal und konfiszieren alles und jedes Vermögen. Ich muß bestreiten, daß die Sozialdemokratie das Recht hat, namens der deutschen Arbeiter zu sprechen. (Lärm bei den Soz.) Auch hinter den anderen Parteien steht eine große Zahl von Arbeitern, die zu Opfern für das Reich gern bereit find. (Beifall rechts.) Hierauf vertagte sich das Haus. Nächste Sitzung morgen Nachmittag 1 Uhr. Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung. Schluß nach 7 Uhr.

Landrsnachrichten.

Vom Lande. (Einges.) Ein eigenartiger Handel kam in' G. zu Stande. Verkaufte da ein Pferdebesitzer sein Pferd dem Kilometer nach an einen Bauern des benachbarten G. er erhält pro Kilometer 1000 Mk. Durch den Verkäufer wurde geometrische Messung ausbedungen. Dieselbe ist je­doch bis jetzt noch nicht erfolgt. So viel kann jetzt schon gesagt werden, daß das Pferd mit Kopf und Schweif ca. 3,50 Mtr. mißt, also auf 3 Mk. 50 Pfg. solches zu stehen kommt. Ob der Kauf bindend gemacht wird, oder die Kontrahenten denselben durch Vergleich wieder aufheben, bleibt dahin gestellt. Wer die freundlichste Mine zu diesem Handel macht, Verkäufer oder Käufer ist nicht schwer zu er­raten.

js Nagold, 26. November. Eine sehr zeitgemäße An­regung hat der hiesige Gewerbeverein gegeben, der auf Grund vielfacher Klagen eine Umfrage nach solchen Mit­gliedern von Unfallversicherungsgesellschaften hält, die gleich nach dem ersten Unfall von der Gesellschaft ausgeschlossen worden sind.

Freudenstadt, 26. Nov. Nächsten Sonntag bietet der Kirchenchor im Verein mit einem Schülerchor in der evang. Stadtkirche eine größere Fesiaufsührung: die Feft- kantateDer Einzug Jesu in Jerusalem" von Stern. Gr.

' Calw, 27. Nov. (Corr.) Gestern früh starb nach nur 5tägiger Krankheit im besten Mannesalter der hier sehr geachtete und allgemein beliebte Friedrich Schüler, Schuh­machermeister (ein gebürtiger Altensteiger).