Ergründet

1877.

sckt Ausnahme drr Sonn- und Festtage.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

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Ansgabeort Altensteig-Stadt.

Mittwoch, de« 11. November.

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1908.

Amtliches.

Der Forstamtmann Frhr. v. Stein in Kloster - reichenbach wurde ans Ansuchen aus die Forftamnnann- stelle in Tuttlingen versetzt.

Tagespolitik.

Der Buttdesratsausschuß für auswärtige Angelegenheiten, der in dieser Woche aus Anregung des Reichskanzlers und des bayerischen Ministerpräsidenten v. Podewils Zusammentritt, war zuletzt im Juli 1905 Ma­rokkos wegen versammelt. Es wird von München aus be­stätigt, daß die Ursache des Zusammentritts die Darlegung der Orientfrage im weitesten Umfange, also einschließlich des Verhältnisses zu England, ist. Auch die Interview - Ange­legenheit wird besprochen werden.

Das Ergebnis der Jnterpellationsbe- sprechung am Dienstag läßt sich bereits voraussehen. Es wird wahrscheinlich in der vom Reichskanzler empfohlenen Bildung eines ständigen parlamentarischen Ausschusses für auswärtige Politik bestehen. In einemBürgschaften" überschriebenen Artikel, der anscheinend zum Teil amtlicher Herkunft ist, sagt dieKöln. Ztg.": Neben den Worten muß man vom Reichskanzler Taten verlangen. Darüber, was nach dieser Richtung hin geschehen soll, herrscht noch immer Unklarheit. Es heißt, im Kreise der Parteien gehe man mit dem Gedanken um, eine Adresse an den Kaiser zu be­antragen, in der die Meinungen und Beschwerden der Mehr­heit niedergelegt werden sollen. Gegen eine solche Adresse, die freilich etwas ganz Neues in unserm Parlamentsleben darstellen würde, wäre an sich nichts einzuwenden, besonders dann nicht, wenn sie etwa vom Präsidium des Reichstags persönlich überreicht und vertreten würde.

Die sozialdemokratische Parteiorgani­sation hat in Berlin für Dienstag abend 20 Volksver­sammlungen einberufen, in denen zu den letzten Vorgängen in der inneren und äußeren Politik, besonders zu dem Kaiser­interview Stellung genommen werden soll.

JederDeutsche besitzt 5000 MarkNatio nai­ve rmö gen, da dieses im Ganzen 320 bis 350 Milliarden Mark beträgt. So hat es eine vom Zentralverbande deut­scher Industrieller veranlaßte Statistik feftgestellt, die von der Nordd. Allg. Ztg. veröffentlicht wird. Der Hohn des Auslandes, daß Deutschland vor dem Bankerott stehe, sowie die Behauptung, daß durch die Reichsfinanzreform das deutsche Volk über sein Können belastet werde, sind dem Regierungs­organ zufolge durch jene Feststellung als grundlos erwiesen. Von den 350 Milliarden deutschen Nationalvermögens ent­fallen 160 Milliarden auf das Vermögen in Immobilien und Mobilien, 40 Milliarden auf den städtischen Wohnungs­boden, 50 Milliarden auf den ländlichen Grundbesitz, 40 Milliarden aus das im Ausland angelegte einheimische Ka­pital und den deutschen Besitz an fremden Wertpapieren, 19 Milliarden auf die vollspurigen Staatseisenbahnen und 5 Milliarden auf Domänen-, Forst- und Bergwerksbesitz. Das macht zusammen 314 Milliarden. Dazu ist noch hinzu­zufügen der nicht feststellbare oder noch nicht sestgestellte Wert des privaten Bergwerksbesitzes, des Anlagekapitals der Post- usw. Verwaltung, der Wert der in Bewegung be­findlichen Güter, der See- und Binnenschiffahrt, der Kanäle, Schiffahrtsstraßen usw. Der Schluß auf die Reichsfinanz­reform aus diesen Darlegungen lautet bei dem Zentralverbande deutscher Industrieller: Die Höhe unserer Reichsschuld ent­spricht der Vermögenslage des deutschen Volkes nicht. Was bedeutet eine Staatsschuld von 20 Milliarden einem Volks­vermögen von weit über 320 Milliarden gegenüber, was eine Steuererhöhung um 500 Millionen einem Volkseinkom­men von jährlich 35 Milliarden gegenüber! Man muß sich dieser Lage voll bewußt werden, damit die bisherige Schulden­wirtschaft beseitigt wird und nicht mehr im Stande ist, den Landeskredit nnd damit auch die hauptsächlichsten Stützen des Volksvermögens, Industrie und Landwirtschaft zu schädigen. Freilich ist das alles graue Theorie, vom Standpunkt der grünen Praxis bekommt die Sache einen ganz anderen Anstrich und kein Vernünftiger wird es dem Deutschen ver­übeln, daher trotzkeiner" 5000 Mark Nationalvermögen beim Steuerzahlen das Hurrahrusen verschluckt.

Tie französische Presse hat in den letzten Tagen ge­waltig mit dem Säbel gerasselt und ungeheure Massen von Papier zu Bomben zusammengeballt, die sie über die deutsche Grenze warf. Man fühlte sich in die Zeit versetzt, da noch der selige Boulanger auf schwarzem Rappen die Ckamps Elyses entlangtänzelte und den Jour de Gloire endlich wieder über Frankreich heraufzusühren verhieß. Die Sprache der Presse wurde um so lauter, je mehr man die innere deutsche Lage ins Auge faßte und je sicherer man zu dem Schluffe kam, daß wir aus einer Periode der verpaßten Gelegenheiten in eine neue Periode der größten Verlegen­heiten geraten seien. Nur ist das Augenmaß der Herren, die von dem Geiste Delcasses erfüllt sind, nicht ganz richtig, sie haben die Operngläser, durch die sie die deutsche Bühne betrachten, falsch eingestellt. So glauben sie vor allem, daß die Krisis, in sie uns wieder einmal der mangelnde poli­tische Blick des Kaisers gestürzt hat, unsere Abwehrfront völlig durchbrochen habe. Das ist der erste Irrtum. Denn wenn auch das Vertrauen zu unserer Führung in Deutsch­land schwer geschädigt ist, so werden wir doch alles, was hier­mit zusammenhängt, ohne Erlaubnis des Auslandes zu erbitten, völlig unter uns ausmachen, und wir werden uns erlauben, daran zu erinnern, daß Preußen in König Friedrich Wilhelm dem Dritten einen König hatte, der den Freiherrn von Stein als aufsässigen Rebellen verjagte, und daß dennoch alle, alle kamen, als der König rief. Oder glaubt man in Frankreich, daß die nationalen Elemente, die jetzl gerade am schärfsten sich gegen die grauenhaften Ergebnisse einer direktionslosen Politik kehren, im Augenblick einer von draußen drohenden Gefahr versagen könnten? Und glaubt man, daß die Schlagkraft der deutschen Armee auch nur den geringsten Schaden erleidet, wenn der Kaffer die ministeriellen Bekleidungsstücke in der Garderobe läßt und Fürst Bülow Staatsdokumente wie gedruckte Geschäftspapiere behandelt? Glaubt man auch, daß die Bündnistreue der deutschen Fürsten nicht stark genug sei, um selbst einem Orkan standzuhalten, wie er jetzt über das deutsche Land gebraust ist? Die herausfordernde Haltung der Pariser Presse hat noch andere starke Gründe, die freilich für das Selbstgefühl der Fran­zosen nicht sonderlich rühmlich sind: Das Mißtrauen auf die eigene militärische Kraft wird ausgeglichen und in süße Zukunftshoffnungen verwandelt durch den Glauben an die Hilfe der Verbündeten, an die alte, zähe Eifersucht Englands und an das Bedürfnis der Russen, sich für die Niederlage im fernen Osten Revanche bei dem westlichen Nachbarn zu holen. Aber man sollte doch in Paris weder die militärische Macht Rußlands zu hoch einschätzen, noch sollte man vergessen, daß die Kriegslust Englands im umgekehrten Verhältnis zu dem Eifer steht, mit dem man sie bekundet. Und vor allem sollte man in Paris daran denken, daß in einem Kampfe Deutschlands gegen drei Fron­ten die Kriegskosten in erster Linie von Frankreich getragen werden würden. Da ist der Trost dürftig, daß der einzige Staat, der als Bundesgenosse für Deutschland in Betracht kommt, Oesterreich, durch die Wirren im Orient in seiner Aklionskraft gehemmt ist. Für uns Deutsche genügt es im schlimmsten Falle auch, daß wir uach dieser Seite hin wenig­stens auf eine freundliche Neutralität rechnen können, die auch tschechische Gelüste nicht in ihr Gegenteil verkehren wird. Und hofft man in Paris auf unsere polnischen Sorgen, auf die Mißstimmung des Zentrums und auf den Umsturz, so vergißt man mit dem b'uror tsutovious zu rechnen, der doch in dem Augenblick alle Schranken durchbricht, wo der Ruf ertönt:Das Vaterland ist in Gefahr!" Tie Unterschätz­ung des Gegners durch Frankreich bildet in der Tat den tieften Grund dafür, daß jetzt die Welt von der Sorge vor einem Kriege zwischen Frankreich und Deutschland durch- zittert wird. Dabei hat das langsam unbestimmte Auftreten der deutschen Diplomatie den Franzosen Mut gegeben, hätte man für die Beleidigung von Casablanca sofort die richtigen Schritte getan, so hätte Frankreich sicherlich sich nicht ge­weigert, das zu tun, was in solchen Fällen üblich ist: es hätte sein Bedauern über das handgreifliche Vorgehen gegen den deutschen Konsulatsbeamten ausgesprochen. Jetzt hat die Sache bei dem deutschen Zögern ein wesentlich anderes Gesicht ge­wonnen, jetzt muß man in Frankreich unter dein Eindruck stehen, daß man in Berlin einer Affäre, die man zuerst im Gegensatz zu der nationalen Presse als unbedeutend einschätze, künstlich aufbauscht, vielleicht um sich an Frankreich gesund zu pauken. Am 25. September fand die Herausforderung von Casa­blanca statt, Fürst Bülow aber blieb in Norderney, fast 23 Tage später kam seine Seele ins Kochen, fand die Unter­redung mit Cambon statt und wieder nach mehr als vier­

zehn Tagen, nach dem durch die Kaisergespräche verursachten Zwischenfall, kochte das Wasser zum zweitenmale aus, so daß eine ganze Anzahl von Blättern jetzt höhnisch von einer langvergessenen Affäre" sprechen kann. Das ist doch ein merkwürdig lahmes und zahmes Vorgehen, das ist eine Chamade, aus der selbst die Kunst eines Bismarck nicht* eine Fanfare machen könnte. Durchaus treffend schreibt darum dieDeutsche Zeitung":Wir verstehen nicht, warum das Deutsche Reich die Forderung, den Ausdruck des Bedauerns, nicht sofort gestellt und durchgesetzt hat. Sie war das na­türlichste von der Welt, sieht jetzt aber willkürlicher aus, weil man so lange gewartet hat, und Frankreich natürlich von Tag zu Tag hartnäckiger geworden ist. Das ist jenes un­praktische und wenig klugeTreiben vor dem Winde", das uns überall Niederlagen einbringt, oder aber die Konflikte verschärft, anstatt sie zu lindern. Man glaubt nicht mehr an die Farbe deutscher Entschließung, und gerade deshalb wächst sich jeder Zwischenfall zu einer ernsten Kriegsgefahr heraus. Sie wird freilich um Montag oder Dienstag, wenn die Jnterpeüaiion ftattfindet, glorreich beseitigt sein. Natür­lich mit Hilfe dervermittelnden Formel". Alsäio tutissiwus ibis nach Karlchen Mießnick:In der Mitte ist der Ibis am sichersten."

König Manuel von Portugal befindet sich auf einer Tournee durch sein Land, um sich seinem Volke zu präsentieren. Er ist in Oporto eingetroffen und von der Bevölkerung bei seiner Ankunft mit Begeisterung begrüßt worden. Der König beabsichtigt, noch mehrere der größeren Städte im Norden des Landes zu besuchen und gegen Ende des Monats nach Lissabon zurückzukehren.

Ein positiver Fortschritt in den Verhandlungen der Mächte über die Einberufung einer Balkan-Kon­ferenz ist, wie auch dieNordd. Allg. Ztg." feststellt, noch nicht zu verzeichnen; aber andererseits haben sich auch die Aussichten einer Verständigung nicht verschlechtert. Das ist namentlich der Fall, seitdem sich Rußland und Oester­reich mit ihren Auffassungen näher kommen. Der serbische Kronprinz Georg ist bei seiner Rückkehr in Belgrad mit un­beschreiblichem Jubel empfangen worden, hat auch seinen Freunden erzählt, Serbien könne sich bei Verfechtung seiner guten Sache auf seinen starken russischen Freund verlassen; gleichwohl ist der Erfolg der Mission des Kronprinzen Georg in Petersburg kein überwältigender gewesen. Der Appell an die Demokratie hat auf die russische Regierung ab­schreckend gewirkt. Die türkisch-bulgarischen Verhandlungen scheinen mit der Berührung der Entschuldigungsfrage auf einem toten Punkte angelangt zu sein.

Deutscher Reichstag.

sj Berlin, 9. November.

Das Haus erledigte heute die erste Beratung des WeingesetzeS. Die Vorlage geht an - eine Kommission von 28 Mitgliedern. Es folgt die 1. Beratung eines Ge­setzentwurfs zur Preisfeststellung beim Markthandel mit Schlachtvieh. Staatssekretär v. Bethmann-Holl- weg: Da gegenwärtig das Schlachtgewicht auf den Märkken verkauft wird und das Stück vielfach nach Schätzung be­wertet wird, so gibt das kein richtiges Bild von der Preis­lage. An einer durchsichtigen klaren Preisabteilung haben alle Stände das gleiche Interesse und diesen Zustand will die Vorlage herbeiführen. Die Formen des Handels bleiben dabei unberührt. Der Antrag auf Ueberweisung an die Viehseuchenkommission wird abgelehnt. Die 2. Lesung findet somit im Plenum statt. Nächste Sitzung, Dienstag 1 Uhr: Interpellationen betr. die Aeußerungen des Kaisers. Schluß 6 />- Uhr.

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Landesnachrichten.

Aktensteig, 10. Nov.

-I- Vortrag. Mindestens 200 Personen, darunter viele Damen, hatten sich am Sonntag im Saale desgrünen Baum" eingefunden, um den Vortrag des bekannten Ho­möopathen Dr. H ähl überd ieLungen schwindsucht," der jedes Jahr in Deutschland etwa 150 000 Menschen zum Opfer fallen, zu hören. Nach längerem Verweilen bei dem Wesen" der Krankheit ging der Redner über zu denUr­sachen" derselben. Viele Menschen haben schon von Geburt

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