X. Mehr weibliche Kräfte für Kranken- und Ee- meindedienst . Je mehr sich in weiten Kreisen die Er­kenntnis von der Wichtigkeit der Diakonissensache durch­setzt, desto schwieriger wird die Frage der Gewinnung der geeigneten Kräfte. Beim Jahressest der Stuttgar­ter Diakonissenanstalt, das am Himmelfahrtstag unter großer Beteiligung von Stadt und Land stattfand, konn­ten 37 Diakonissen für den Kranken- und Eemeinde- dienst eingesegnet werden. Dem Bedürfnis ist aber damit nicht gedient. Die Nachfrage der Gemeinden steigt und kann immer weniger befriedigt werden. Denn der scheinbar großen Zahl neu eingesegneter Schwestern steht auf der andern Seite immer wieder ein großer Abmangel durch Krankheit, Todesfälle und anderes gegenüber. Im vergangenen Anstaltsjahr konnten von 50 wartenden Gemeinden nur drei eine Gemeinde­schwester erhalten, obwohl zwei bisherige Schwestern- Stationen aufgegeben wurden. Trotzdem arbeitet die Stuttgarter Diakonissenanstalt jetzt schon auf 184 Arbeitsfeldern, darunter in 109 Gemcindepflegen, 54 Krankenhäusern, 22 sonstigen Anstalten, 9 Krippen mit im ganzen 970 Schwestern. Eine besondere Aufgabe der letzten Zeit war die Pflege der Pockenkranken in Mühlacker. Die Gesamtausgabe des Jahres beläuft sich auf 75l 524 Mk., der eine Einnahme von 751 865 Mk. gegenübersteht, während die Eesamtschuld der Anstalt noch 609 807 Mk. beträgt. An Stelle des auf 1. Juli zurücktretenden bisherigen Leiters der Anstalt, Dekan Üeypoldt, wurde der seitherige 2. Geistliche, Pfarrer Ris, gewählt.

>cl>. Mutmaßliches Wetter. Die über Europa verteilten flachen Depressionen lassen die Wetterlage immer noch unsicher erscheinen. Für Samstag und Sonntag ist deshalb veränderliches, aber meist trocke­nes und mäßig warmes Wetter zu erwarten.

Warnung! DieFranks. Ztg." schreibt: Von allen Seiten wird das deutsche Publikum in neuerer Zeit wieder mit unerbetenen Ratschlägen ausländi­scher Bankiers überschüttet. Darin tut sich haupt­sächlich die an dieser Stelle wiederholt genannte Firma Charles F. Meunier in Paris hervor, die eine große Hausse in einem nicht genannten Papier ankündigt. In ganz ähnlicher Weise geht auch die Firma Nicolas Th. Pollak in Paris vor, deren Re­klamebroschüreKapitalsanlage mit Vermögensver­waltung" nichts ist als ein völlig wertloses Mach­werk, das in plumper Weise durch Antworten auf fingierte Briefkastenanfragen zu Spekulationen zu verleiten sucht. Als Dritter im Bunde ist der satt­sam bekannte Jaques Rosenthal in Paris zu nennen, dessen AnimierorganVon der Pariser Börse" schon häufig gekennzeichnet wurde. Von allen Ratschlägen, die von diesen und ähnlichen Seiten unerbeten kom­men, kann das deutsche Publikum gar nicht nach­drücklich genug gewarnt werden.

i-. Gechingen, 23. Mai. Nochmals die Eisenbahn­frage. Zwar wurde mir von anderer Seite in der Erwiderung auf meine Einsendung das Verständnis zur Beurteilung dieser Frage, bezw. einen Meinungs­austausch herbeizuführen, ganz abgesprochen. Dennoch aber, oder vielmehr gerade deshalb, erlaube ich mir, nochmals darauf zurückzukommen. Schon zum vor­aus war ich mir darüber klar, daß man uns von jener

Seite bezüglich meiner Andeutung die eventuelle Ausnützung unserer zahlreichen Steinlager betref­fend, uzen werde. NUn, das sind wir schon gewöhnt und macht uns weiter nichts am Leben. Denn so wenig jene dafür können, wie man sagt, daß sie auf so wasserarmer Höhe wohnen, ebensowenig können wir dafür, daß wir in unserem bergigen Terrain zum Teil sosteinreich" sind. Welch gewinntragen­des Kapital aher heutzutage ein richtig ausgenlltztes Steinlager bei günstigen Absatzverhültnissen präsen­tiert, brauche ich hier nicht erst lange zu erörtern. Hätte anders sonst die Eisenbahnverwaltung kürzlich im Herrenberger Amt soviel Gelände zwecks eigener Schottergewinnung aufgekauft? Ferner habe ich doch gar nicht in Abrede gestellt, daß wir bei jenem Pro­jekt auch Anschluß bekommen sollen. Sodann ist es ganz unrichtig und unwahr, daß man hier verzweifelt um eine Bahn nach Stuttgart ringe und deshalb jenes Projekt bekämpfe. Wir leben eben in einer Zeit, wo jedes nur auf seinen Vorteil und Nutzen zuerst bedacht ist. Und man verspricht sich auch hier von einer Bahn, von der wir den Bahnhof in direkte Nähe des Ortes bekämen, mehr Nutzen, als wenn wir, wie beim andern Projekt verlautet, wohl eine halbe Stunde weit dahin hätten. Dies ist der wunde Punkt, weshalb man hier der Bahn Calw-Herren- berg so skeptisch gegenübersteht.

Württemberg.

Das neue Sportelgesetz.

Aus einem Entwurf eines Gesetzes betr. Aenderung der Nr. 94 des Sporteltarifs ist hervorzuheben: Die Wirtschaftserlaubnissporteln betragen für die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Gast- oder Schankwirtschaft bei einem Gewerbesteuerkapital

bis- 250 ^ 30 bis 150

von 251 500 100 250

501 1000 200 400

1001 2500 300 600

2501 5 000 500 850

5 001 7500 750 1100

7501 10000 1000 1350

10001 15 000 1260 1650

15001 20000 1500 1950

20001 30000 1800 2300

bei einem höheren Steuerkapital für je angefangene 1000 Mk. höchstens 50 Mk. mehr bis zum Höchst­betrag von insgesamt 5000 Mk.

Stuttgart, 23. Mai. Fürst zy Schaumburg-Lippe ist heute vormittag ^12 Uhr zum Besuche des König­lichen Hofes hier eingetroffen, nachdem heute vor­mittag 8 Uhr der König und die Königin aus Carls- ruhe in Schlesien zurückgekehrt sind.

Stuttgart, 23. Mai. Wie dieCannstatter Ztg." berichtet, hat die Stuttgarter Stadtverwaltung auf der Markung Hofen neue Grunderwerbungen in grö­ßerem Umfang gemacht. Die neuen Käufe schließen sich direkt an die jüngsten Erunderwerbunaen der Stadt auf der Cannstatter Markung an und es sind an ihnen über 100 Grundbesitzer von Hofen beteiligt.

Es handelt sich um ein vollständig ebenes Terrain, um das GewandOberes Feldle", auf dem aus­schließlich Ackerbau getrieben wurde. Der Kaufpreis beträgt durchschnittlich 2.80 Mk. pro Quadratmeter. Bei den gesamten Erwerbungen handelt es sich um eine Kaufsumme von 400 000 Mk. Was die Ver­wendung der Neuerwerbung anbelangt, so spricht man von der Anlage eines neuen Friedhofs; ande­rerseits hört man aber auch, daß die Stadt die Güter erworben habe, um sie später einmal dem Militär- ftskus für den großen Exerzierplatz im Wege des Umtausches zur Verfügung stellen zu können.

Sindelfingen, 23. Mai. Die Volkspartei hat be­schlossen, den bisherigen Landtagsabgeordneten Fa­brikant Leibfried um Wiederannahme der Kandida­tur zu ersuchen.

Vaihingen a. Enz, 23 .Mai. Stationsdiener Nepper, angestellt aus dem hiesigen Stadtbahnhof, wurde wegen Verdachts des Diebstahls aus Bahnsen­dungen verhaftet und dem Amtsgericht eingeliefert. Eine Hausdurchsuchung lieferte die Beweise seiner Schuld.

Tübingen, 23. Mai. Der Ausläufer Vollmer, aus Nehren gebürtig, wurde dieser Tage von einem Hunde gebissen und hat dabei eine Blutvergiftung davongetragen, die ihn zwang, die chirurgische Kli­nik aufzusuchen. Der junge Mann schwebt in Lebens­gefahr. ,

Tübingen, 23. Mau Auf der Straße von Bodels- hausen nach Hemmendorf wurde der Landwirt Maier von Schwalldorf gestern mittag beim Einsvannen der Pferde an seinen Wagen von einem unruhig gewor­denen Tiere an den Kopf geschlagen. Er erlitt einen schweren Schädelbruch und war bald darauf tot.

Tübingen, 23. Mai. Die 25. Versammlung des württ. Forstvereins findet am 24.26. Juni statt. Forstliche Exkursionen sollen stattfinden in dem Staatswald Großholz zur Besichtigung des Gartens der forstlichen Versuchsanstalt und in dem Forstbe­zirk Entringen. Vorträge werd enhalten: Prof. Dr. Buhler aus der Geschichte des Schönbuchs, Forst­meister Münz in Tübingen über die Wirtschaft im Schönbuch und Prof. Dr. Wagner in Tübingen über die Weiterentwicklung der Forsteinrichtungen. Für den 26. Juni nachmittags ist eine Wagenfahrt nach Bebenhausen vorgesehen, voraussichtlich mit Emp­fang der Vereinsmitglieder durch das Königspaar.

Hohenheim, 23. Mai. Die Instrumente der hie­sigen Erdbebenwarte registrierten heute früh ein starkes Fernbeben, dessen Maximum um 4 Uhr 6 Min. eintrat.

Geislingen a. St., 22. Mai. Ueber die Erteilung von Arbeitsunterricht an den hiesigen Volksschulen besteht schon länger eine Meinungsverschiedenheit. Die kath. Oberschulräte wollen den Unterricht kon­fessionell getrennt haben, während die Stadtväter Simultanunterricht verlangen. In ihrer letzten Sit­zung haben die bürgerlichen Kollegien jetzt den Be­schluß gefaßt, daß die Ortsschulräte unter allen Um­ständen Mittel und Wege zu suchen haben, um den

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Tyrann Ehre.

48) Roman von K. Lubowski.

(Fortsetzung.)

16. Kapitel.

Leutnant von Tarenberg steht vor seinem Oberst. Mit knappen Worten hat der Vorgesetzte die bunten Gerüchte, die über Hans Weddo im Umlauf sind, wiedergegeben. Er hat es ängstlich vermieden, seine eigene Meinung durchblicken zu lassen. Es liegt ihm daran, in diesem Augenblick nichts weiter als der unerbittliche Hüter zu sein, der über den Offizieren seines Regiments Wache zu halten hat, damit in das alte Ehrenkonto kein Defizit komme. Sein väter­liches Gefühl, das für die verratene Tochter ein- treten muß, darf erst später sprechen. Scharf und kalt stellt er die einzelnen Fragen. Er muß sich dabei innerlich zusammenreißen, um ein starkes Gefühl des Unbehagens zu unterdrücken. Der Mann, den er nicht nur für den Tüchtigsten, sondern auch den Un­tadeligsten in moralischer Beziehung gehalten hat, beweist ihm, wie mangelhaft seine gerühmte Men­schenkenntnis in Wahrheit ist. Das versetzt seiner Eitelkeit einen empfindlichen Stoß und gibt seiner Stimme bei dem beginnenden Verhör einen eis­kalten Klang.

Wollen Sie in Abrede stellen, Herr Leutnant von Tarenberg, daß Sie seit nahezu drei Monaten in dem auf dem Stadtfelde belegenen Jnspektorhaus ein Mädchen eingemietet haben, für besten gesamten Unterhalt Sie Sorge tragen?"

Nein, Herr Oberst, das bestreite ich nicht."

Tarenberg steht gerade und aufrecht. Seine Stimme ist ganz ruhig. In seinen Augen liegt ein

Heller, zuversichtlicher Schein. Das anfängliche Er­schrecken über die ihm durch seinen Oberst gemachten Enthüllungen, die in sorgfältigem Aufbau alle Mo­mente, aus denen man seine Schuld herauslesen kann, enthalten, ist überwunden. Er hofft, daß er mit dieser Stunde die Klarheit und Sicherheit zurück­erobern wird, die ihm in der letzten Zeit abhanden gekommen ist. Auch das unnatürliche Verhältnis, das sich zwischen Jürgen und ihm herausgebildet hat, und dessen Ursache er nun endlich kennt, wird auf­hören und die alte treue Hingabe wiederkommen. Das Wort, das er seiner Mutter auf dem Sterbebett gab, will und kann er nicht brechen, und dennoch wird er von seinem Kommandeur als ein freier, gerecht­fertigter Mensch gehen. Das traut er der Kraft seiner Persönlichkeit zu.

Der Oberst fragt weiter:

Ich bitte Sie ferner um Auskunft darüber, ob Sie eben dasselbe Mädchen wiederholt aufgesucht und zweimal, einmal am 29. Dezember, das andere- mal am 11. Januar je eine Nacht mit ihr unter dem­selben Dach zugebracht haben."

Tarenberg verliert nun doch das frohe, hoffnungs­freudige Gefühl. Seine Hände ballen sich zusammen, als möchten sie den Feind, der dies Material heran­schaffte, zermalmen. Wie gemein das alles ist, wie ekelhaft!

Ich habe das Mädchen sehr oft besucht, Herr Oberst. In der Zeit vom Dezember bis Januar so­gar täglich. Und zwar gewöhnlich zur Abendzeit. Sie schwebte damals in Lebensgefahr und meine Gegenwart beruhigte sie. Später, nachdem die Ge­nesung sicher war, in regelmäßigen Zwischenräumen von drei zu drei Tagen. An den beiden von Herrn Oberst bezeichnten Daten verbrachte ich tatsächlich die Nächte im Jnspektorhaus. Ein plötzlich herein­

brechendes Unwetter machte mir die Rückkehr in die Stadt unmöglich."

Ich möchte Sie noch weiter bemühen, Herr Leut­nant von Tarenberg. Halten Sie das, was ich nun­mehr, Ihrem eigenen Zugeständnis zufolge, als un­umstößliche Wahrheit annehmen darf, was sich die Frauen der Untergebenen errötend zuflüstern, an dem die Gattinnen der Kameraden Aergernis neh­men, ja, ich darf wohl sagen, an dessen Verlauf die ganze Stadt Anteil genommen hat, nicht als geeig­net, die Standesehre zu verletzen?"

Nein! Denn das, was Herr Oberst gleich den anderen aus diesen Gründen herausgelesen haben, ist ein großer Irrtum. Ich selbst habe niemals diese ernsten Konsequenzen/ die aus einer Kenntnis mei­ner Privatangelegenheiten kommen, ins Auge ge­faßt.. Wohl habe ich, als mir das Schicksal die Be­schützerrolle über ein unmündiges, noch völlig kind­liches Mädchen aufzwang, in heimlichem, inneren Grimm dagegen rebelliert. Doch nicht die Angst vor dem, was die Leute sagen könnten, entzündete ihn. Ich war so sicher, daß die Menschen, an deren Mei­nung und Achtung mir allein gelegen ist, trotz aller Gerüchte an mich glauben würden. Diese Sicherheft ist mein einziger Fehler in der von Herrn Oberst dar- aetanen Angelegenheit. Sonst habe ich keinen zu be­kennen. Ich habe nichts getan, worüber ich nötig hätte zu erröten. Nur der Schein ist gegen mich. Wollen Herr Oberst giftigst annehmen, daß das Mädchen eine Verwandte von mir sei, die ich in meine Obhut zu nehmen feierlich gelobt habe. Mehr darf ich darüber nicht sagen. Ein Ehrenwort bindet meine Zunge, und Herr Oberst werden nicht wollen, daß ich ein Wortbrüchiger werde."

(Fortsetzung folgt.)