Gegründet

1877.

A»fch«irrt täglich «tt Ausnahme der Tonn- und Festtage.

Bezugspreis für daS Vierteljahr t« Bezirk und RachbarortSoerkehr Mk. 1.25.

außerhalb Mk. 1.35.

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Fernsprecher Nr. 11.

Anzeigenpreis bei einmaliger Ein­rückung 10 Pfg. dis einspaltige Zeile; Lei Wiederholungen entsprechend erRabatt.

Reklamen 15 Pfg. die Textzeile.

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Dberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg

«r. 804

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Dienstag, de« 1. September

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1908.

Amtliches.

Den nachstehend aufgeführten Viehversicherungs­vereinen sind zu den ihnen im Geschäftsjahr 1907 er­wachsenen Betriebsunkosten, bezw. zur Bildung eines Reserve­fonds die beigesetzten Staatsbeiträge verwilligt worden: Altensteig-Stadt 40 Mk., Berneck 10 Ml., Ebershardt 40 Mk., Ebhausen 40 Ml., Egenhausen 60 Mk., Simmers­feld 100 Mk., Walddorf 10 Mk., Wart 80 Mk., Breitenberg 25 Mk., Martinsmoos 15 Mk., Neubulach 15 Mk., Neu­weiler 140 Mk., Oberhaugstett 50 Mk., Oberkollbach 25 Mk.

DaS kommt davon.

Herr Georg Clemenceau, der leitende Staatsmann der französischen Republik, hatte am Tage nach seinem Besuche beim König Eduard von England in Marienbad Magen­beschwerden; sie sind ja schnell wieder vorübergegangen; am Ende sind sie auch nach einem opulenten Diner nichts un­gewöhnliches, zumal Herr Clemenceau schon in der zweiten Hälfte der sechziger ist, aber seine boshaften Landsleute in Paris meinen, die neue russische Milliarden-Anleihe, dre zum Nachtisch serviert worden wäre, sei dem Minister-Präsidenten im Magen liegen geblieben. Mit anderen Worten, der König und. der ebenfalls anwesende russische Minister des Auswärtigen, Herr Jswolsky, hätten den Premierminister herumgekriegt, die neue große russische Anleihe vielleicht in Gemeinschaft mit England zu übernehmen. Darum hieß es auch schon seit acht Tagen an der Seine, Herr Clemenceau wird sich nach Marienbad begeben, um die Befehle Seiner Majestät des Königs entgegenzunehmen. Auch das war der reine Hohn, aber man kann es den Gegnern des Mi­nister-Präsidenten nicht verübeln, wenn sie die Tatsache, daß der König nicht von einem seiner Minister begleitet war, und Clemenceau seinen Kollegen vom Auswärtigen auch nicht bei sich hatte, gehörig ausbeuten. Es muß doch wirk­lich nicht so schwer sein, internationale Politik zu machen!

Zwölf Milliarden russischer Anleihe hak Frankreich seit dem Bestehen des beiderseitigen Bündnisses ausgenommen, die letzten Millionen allerdings bereits mit sehr gemischten Gefühlen. Hat Herr Clemenceau nun auch die dreizehnte Milliarde seufzend unter dem Zureden des britischen Königs bewilligt, denn die englischen Finanzkreise wollen wohl Einiges

hinzugeben, aber bei Leibe keine Milliarde in das russische Geschäft hineinstecken? Von Petersburg aus hieß es ja immer, wir gebrauchen kein Geld, aber das war lediglich Blendwerk. Das Zarenreich gebraucht nicht nur viel Geld, sondern sogar ungeheuer viel Geld, und es will die neue britisch-französische Freundschaft ausnützen. Freilich viele Franzosen beginnen auch schon zu rechnen, ob die russische Allianz, die doch nur Theorie bedeutet, ihre Dutzend Milli­arden wert ist, die jetzt noch weiter vermehrt werden sollen. Und darum wird es auch Clemenceau nicht leicht geworden sein, endlichJa" zu Allem, was ihm zugemutet ward, zu sagen.

Offiziell hieß es natürlich, es sei nur über Türkei und Marokko gesprochen; aber dem russischen Minister Jswolsky brennen seine heimischen Geldsorgen weit mehr auf die Finger, als alle fremden Fragen, und darum war der große Anleihe-Coup der Zweck dieser ganzen Begegnung mit seinem guten Essen und dem famosen Wein. Wird's heute noch in Abrede gestellt, das macht nichts aus, zum Herbst werden wir es schon sehen. Uns soll es zwar nicht wundern, wenn man uns nun auch mit mehr oder minder versteckten An­deutungen kommen wollte, das Deutsche Reich sollte so und so viel Hundert Millionen von dem russischen Geldbedarf übernehmen, denn dafür sind wir stets gut genug, und dazu gibt man uns auch liebenswürdige Worte. Aber der Reichskanzler wird hoffentlich sagen, nur nicht zu dicht heran mit der neuen Freundschaft, denn zum Geldgeben gehören erstens Garantien und zweitens können wir unser Geld selbst gebrauchen. Franzosen und Engländer sagten ja sowieso, wir seien Matthäi am Letzten. Also!

Wir können in dem Verankern des Portemonnaies der Westmächte mit den russischen Schulden keine Gefahr für den Frieden suchen, denn in Paris, wie in London muß man befürchten, nicht nur das eigene, sondern auch das in den russischen Anleihen steckende Geld zu verlieren. Und dann würden die französischen Sparer noch etwas anders Hallo machen, wie s. Z. beim großen Panamakrach. Ja, die Magenschmerzen des Herrn Clemenceau find wirklich un­erklärlich, seine Landsleute haben schon recht, wenn sie bos­haft sagen, die neue Milliarden-Anleihe des Zarenreiches habe es ihm angetan. Aber er konnte nicht herum kommen !

Tagespolitik.

Die Frage der Budgetbewilligung stand in einer Versammlung der sozialdemokratischen Partei Stuttgarts Freitag abend zur Beratung. Redakteur Westmeyer, Dr. Dunker und mehrere weitere Redner bekämpften den Standpunkt der Fraktion des Landtags in deren Auf­trag Abgeordneter Heymann die Gründe vortrug, die für die Budgetbewilligung sprachen. Der Versammlung wurden zwei Resolutionen unterbreitet, wovon sich die eine für, die andere gegen die Budgetbewilligung aussprach. Aus der Besprechung ist namentlich die Rede des Abg. Heymann bemerkenswert. Gegenüber dem Vorwurf, daß einzelne Abgeordnete, die für das Budget gestimmt haben, früher eine gegenteilige Ansicht vertraten, erinnerte Heymann an den Abg. Liebknecht, der einmal erklärt habe, daß er seine Taktik in 24 Stunden 24mal ändere, wenn es die Situation erfordere. Die Ge­sichtspunkte, von denen aus die badischen und bayerischen Genossen in diesem Jahr für das Budget stimmten, seien nahe verwandt mit den Erwägungen, die im vor. Jahr zur Bewilligung des Etats durch die württ. sozialdemokr. Abge- orneten führten. Aus dem zu immer größerer Heftigkeit sich steigernden Ton dieser Auseinandersetzungen über die Butget- frage könne gefolgert werden, daß diese Fragen nicht mehr nach sachlichen Gesichtspunkten entschieden würden, sondern daß man sich leiten lasse von leidenschaftlichem persönlichem Haß. Der zweite Absatz der Lübecker Resolution, der hinsichtlich der Etatsbewilligung Ausnahme zulasse, bestehe und solange er bestehe, hätten nur die Abgeordneten hierüber zu entschei­den, die auch die Verantwortung zu tragen hätten. Man könne dem bürgerlichen Staat nicht unter allen Umständen die Mittel seiner Existenz verweigern. Die Budgetfrage sei eine Frage der parlamentarischen Taktik. Das Budget sollte nur verweigert werden, wenn es sich um eine wichtige poli­tische Aktion handelt. Wenn der Etat unter allen Umstän­den abgelehnt werde, dann entwerte man den Parlamentaris­mus. Die Erörterung konnte nicht zu Ende geführt werden; sie geht Montag abend weiter.

* *

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Die Stärke der deutschen Marine ist nach einer statistischen Zusammenstellung in den Münch. N. N.

Kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse im Bezirk Nagold im Vergleich zum übrigen Württemberg.

V. Dem soeben erschienenenStatistischen Handbuch für das Königreich Württemberg für 1906 und 1907" entnehmen wir eine Reihe interessanter Angaben für unfern Oberamts­bezirk und Württemberg.

1. Wohnplätze Im Jahr 1907 hatte Württemberg 9283 Wohnplätze, wovon 1552 auf den Schwarzwaldkreis entfallen. Der Oberamtsbezirk N'agold wies 74 Wohn­plätze auf und zwar 5 Städte, 14 Psarrdörfer, 19 Dörfer, 14 Weiler, 5 Höfe und 17 besonders benannte Einzelwohn­sitze. Bewohnte Wohnhäuser waren es am 1. Dezember 1905 in Württemberg 327 254, im Schwarzwaldkreis 84 420, im Bezirk Nagold 4196.

2. Militärverhältnisse. Die Zahl der Militär­pflichtigen Württembergs ging von 1901 bis 1906 stetig zurück (1901: 21036, 1906: 18 944) und erst das Jahr 1907 mit 19 383 Militärpflichtigen brachte wieder eine Zu­nahme ; von diesen waren 9 620 zum Dienst mit der Waffe und 88 zum Dienst ohne Waffe tauglich. Im Bezirk Nagold betrug die Zahl der

1903

Militär-

pflichtg.

176

Diensttauglichen mit Waffe ohne Waffe 94 2

1904

210

68

1

1905

99

40

1

1906

145

60

1

1907

179

79

1

Von den Nichttauglichen unseres Bezirks waren letztes Jahr 35 Ersatzreserve, 25 zeitig untauglich, 25 nur tauglich zum Landstum I, 14 dauernd untauglich zu jedem Militärdienst.

3. Vieh stand. Am 1. April 1907 (in Klammern ist der Stand vom 1,- April 1906, also vom Porj-.hr bxi- gefügt) waren in ganz Württemberg 109 275 (109190) Pferde und 1 052 111 (1 019 537) Stück Rindvieh vorhanden und entfielen auf den Schwarzwaldkreis 19 814 Pferde und 225 244 Stück Rindvieh. Auf den Bezirk Nagold kamen 1110 Pferde und 12 686 Stück Rindvieh gegen 1136 bezw. 11532 pro 1906.

4. Genossenschaften. Am 31. Dez. 1906 wies Würt­temberg 1666 Genossenschaften mit 271 363 Mitgliedern auf, darunter 1432 mit unbeschränkter und 234 mit beschränkter Haftpflicht und zwar betrug die Gesamthaftsumme der letzteren 26185 689 Mk. Aus den Bezirk Nagold entfielen 37 Genossenschaften mit 4578 Mitgliedern und zwar 32 Ge­nossenschaften mit unbeschränkter Haftpflicht und 5 mit be­schränkter Haftpflicht, 168 Mitgliedern und 141 900 Mk. Ge­samthaftsumme.

5. Wirtschaften. Am 1. April 1905 wurden in Württemberg 15 863 Wirtschaften gezählt, davon 8016 Gast­wirtschaften, 6842 Schankwirtschaften mit und 1005 ohne Branntweinausschank; Flaschenbierhandlungen (Februar 1907) waren es 5667. Im Bezirk Nagold wären es 218 Wirt­schaften, darunter 103 Gastwirtschaften, 54 Schankwirtschasten, mit und 1 ohne Branntweinausschank, ferner 19 Flaschen­bierhandlungen.

6. Verkehrsverhältnisse. Württemberg hatte am 31. März v. I. 607 Eisenbahnstationen, am 1. Juni v. I. 1894 öffentliche Fernsprecheinrichtungen, am 31. Dez. v. I. 816 Post- und 2058 Telegraphenanstalten, während am 31. März 1905 die Länge der Staatsstraßen 3116,8 Km. betrug. Auf den Bezirk Nagold entfielen 55,4 Km. Staatsstraßen, 9 Post- und 39 Telegraphenanstalten, 36 Fernsprech einricht- ungen und 8 Eisenbahnstationen.

7. Steuerverhältnisse. Im Rechnungsjahr 1905 betrug der Gesamtbetrag der der Gemeindeumlage zugrunde gelegten Katastersumme im Bezirk Nagold 2261062 Mk. (Württemberg 296014413 Mk.), der Gesamt­betrag der Einheitssätze der staatlichen Einkommensteuer im Bez. Nagold 94045Mk. (Württemberg 16 947 732 Mk.), die Gemeindeumlage auf Grundeigentum, Gebäude und Ge­werbe im Bezirk Nagold 182 173 Mk. (Württemberg 24899 868 Mk.), hierunter Amtskörperschaftsumlage im Bezirk Nagold 72 000 Mk. (Württemberg 5 524 248 Mk.). Der Gesamtbetrag der Gemeindeeinkommensteuer bezifferte sich im Bez. Nagold auf 28294 Mk. in Württemberg auf 8 368 587 Mk.

8. Sparkassenwesen. Einen gewissen Maßstab für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes bilden die

Sparkassen und wir lassen deshalb nicht nur die Ergebnisse von 1905 und 1906, sondern auch der drei vorhergehenden Jahre folgen. In ganz Württemberg betrugen bei der Württ. Sparkasse und den Bezirkssparkassen (Oberamtsspar­kassen) in Mark:

Einlagen

Rückzahlungen

1902

68 341 913

46 241 447

1903

77 597 748

51 105 494

1904

84 407 294

56 253 176

1905

86 104 352

71 128403

1906

85 308 059

70 334 527

Hieraus

ergibt sich, daß sich

in den letzten

Mehrbetrag d. Einlagen 22 100 446 26 492 254 28 154118 14 975 949 14 973 562

Bezirk Nagold bezifferten sich Einlagen und Rückzahlungen bei der Württ. Sparkasse und der hiesigen Oberamtssparkasse

wie folgt:

Einlagen

Rückzahlungen

Mehrbetrag d. Einlagen

1902

540 700

259 664

281 036

1903

555 200

333 924

221 276

1904

575 166

332 016

243 150

1905

583 854

437 222

146 632

1906

696 449

416 016

280 433

9. Feuerversicherung Am 1. Jan. 1907 waren in Württemberg 357 942 Haupt- und 313 383 Nebengebäude bei der K. Gebäudebrandversicherungsanstalt mit 3 704856047 Mark (Katastersumme) versichert, Umlagekapital 4 305 050 274 Mk. Auf den Bezirk Nagold entfielen 4671 Haupt- und 2737 Nebengebäude mit 30 560 595 Mk. Brandversicherungs- anscblag bezw. 36 704 293 Mk. Umlagekapital. Brand­entschädigungen wurden bezahlt: 1905 in Württemberg 3 478 350 Mk., Bez. Nagold 33 743 Mk., 1906 Würt­temberg 3 157 574 Mk., Bez. Nagold 34746 Mk.

10. Rentenempfänger. Unfall-, Alters-, In­validen- und Kranken-Renten empfingen am 15. Nov. v. I- in Württemberg 48 257 männl. und 23 272 weibl. Personen, im Bezirk Nagold 603 männl. und 492 weibl. Personen.