Württemberg.

Stuttgart, 15. Mai. Die vom Verein für Zeppelinfahrten veranlagte Fahrt des Luftschiffes Schwaben" nach Stuttgart, die infolge ungün­stiger Winde am 28. April nicht ausgeführt werden konnte, soll nun am Himmelfahrtstag morgen statt­finden. Hoffentlich ist das Wetter diesmal besserer Laune! Aus dem kürzlich bekannt gegebenen Pro­gramm der Zeppelinfahrten ist zu ersehen, daß die Luftschiffe sich fast nur noch auf den großen Ver­kehrslinien Basel-Freiburg, Baden-Baden, Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Hamburg sehen lassen, während unser Schwabenland abseits liegen bleibt. Umso wertvoller sind die Bestrebungen des Vereins für Zeppelinfahrten in Württemberg, dem es hof­fentlich häufiger im Jahr möglich sein wird, Zep­pelinfahrten ins Wllrttemberger Land zu veran­stalten.

Stuttgart» 14. Mai. In dem Betrieb des Metz­gers Georg Buckele in Eßlingen hat es schon viele Anstände gegeben. Wegen ständiger Eesundheitsge- fährdung ist eine öftere Kontrolle nötig. Bei einer am 30. Dezember in seinem Stand auf dem Markt vorgenommenen Revision wurde auf dem Ladentisch ein schmieriger Knochen und ein Stück angelaufenes Fleisch, das mindestens eine Woche alt war, vorge­funden. In einem Korb befand sich ein in Fäulnis übergegangenes Kalbsherz, das grün aussah. Es wurde Anklage wegen Vergehens gegen das Nah­rungsmittelgesetz erhoben und das Schöffengericht verurteilte ihn wegen fahrlässigen Feilbietens zu 12 Tagen Gefängnis. Gegen das Urteil hatte er Be­rufung eingelegt. Wie in der Berufungsverhand­lung zur Sprache kam, hat der Angeklagte einen un­ordentlichen Betrieb. Außer einem dumpfigen Laden ist sonst kein Raum vorhanden, insbesondere fehlt es an einem Kühlraum. Wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz ist er schon einmal bestraft worden. Die Strafkammer hielt ein Feilbieten des in dem Korb gefundenen Fleisches nicht für erwiesen und erkannte, da dieser Teil der Anklage wegfiel, nur auf eine Woche Gefängnis. Auch das Berufungs­gericht war der Ansicht, daß eine Freiheitsstrafe am Platze sei. Von der vom Schöffengericht ausgespro­chenen Publikation des Urteils wurde abgesehen.

Stuttgart, 14. Mai. Wegen Milchfälschung wurde die Bauersfrau Marie Brunner von Kaltental auf die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen ein frei­sprechendes Urteil des Schöffengerichts von der Straf­kammer zu 30 Mk. Geldstrafe verurteilt. Der Was­serzusatz betrug an zwei aufeinander folgenden Tagen 4 41/2 Liter unter 40 Liter Milch.

Freudenstadt» 14. Mai. Ein hier beschäftigter Schreinergeselle rannte auf der Strecke Altensteig-

Heselbach mit seinem Fahrrad gegen eine Mauer derart auf, daß er einen doppelten Schädelbruch er­litt. Er wurde ins Bezirkskrankenhaus geschafft.

Ludwigsburg, 14. Mai. Die Generalversammlung der hiesigen Fortschrittlichen Volkspartei hat sich in einer Resolution einmütig mit einer Kandidatur Hartenstein einverstanden erklärt und den Ausschuß beauftragt, dem Oberbürgermeister die Kandidatur anzubieten.

Göppingen, 14. Mai. In sämtlichen hiesigen Metallwarenfabriken wurde gestern nachmittag ein Anschlag ausgehängt des Inhalts, daß auf Beschluß des Süddeutschen Metall-Jndustriellen-Verbandes 60 Prozent der Arbeiter bis zum 1. Juni ausgesperrt werden sollen. Die Firma Schüler wird während der Aussperrung den Nichtorganisierten dieselbe Unter­stützung bezahlen, wie sie die Organisierten von ihrem Verbände erhalten.

Göppingen, 14. Mai. Die erste Erscheinung, die der heutige Tag der Gesamteröffnung der Neben­bahn Göppingen-Gmünd brachte, war die Fahrt des Postillons, der zum letztenmale die Reststrecke- schenbeuern-Göppingen fuhr und aus seinem Horn Abschiedslieder von dem bekränzten Wagen herab­schallen ließ. Pünktlich zur festgesetzten Zeit fuhr der mit Bändern, Tannengrün und Kränzen geschmückte Festzug mit den aus Göppingen und von anderen Städten herbeigekommenen Festgästen in den lachen­den Frühlingsmorgen hinein. An jeder Station wurde Halt gemacht, um die Vertreter der einzelnen Gemeinden aufzunehmen. Unter dem Klang einer Musikkapelle fuhr der Zug in den Gmünder Bahnhof ein, wo der Singchor des dortigen Liederkranzes Auf­stellung genommen hatte und den Gästen einen Gruß darbrachte. Die in Gmünd weilenden Teilnehmer gesellten sich zu den Ankommenden und in stattlichem Zug ging es durch die geschmückten Straßen Gmünds nach dem Stadtgarten, wo das Frühstück eingenom­men wurde, bei dem Bürgermeister Dr. Mehler eine Ansprache hielt, in der er den Werdegang der Bahn, die einen Gesamtaufwand von 5 780 MO Mk. er­forderte und mit deren Fertigstellung ein Jahrzehnte lang gehegter Wunsch erfüllt ist, kennzeichnete, und zum Schluß den mit Begeisterung aufgenommenen Toast auf den König ausbrächte. Eine auffallende Erscheinung ähnlich der in Welsheim ist nicht bemerkt worden. Dann wurde die Rückfahrt angetreten. An jeder Station der von der Bahn berührten Orte, alle im Festschmuck prangend, wurde Halt gemacht, wo den Gästen lebhafte Huldigungen durch Ansprachen der Ortsvorsteher und Anwälte, Vorträge von Sing­chören und durch Eedichtvorträge von Dorfschönen dargebracht wurden und Ministerpräsident von Weiz­säcker, außerdem Dankesbezeugungen und sonstige Wünsche entgegennehmen mußte. Der Zug, dem zwei

Maschinen vorgespannt waren, langte um ^4 Uhr in Göppingen und unter den Klängen einer Musik­kapelle, die den Einzugsmarsch spielte, zogen die ca. 4M Festteilnehmer durch die festlich geschmückten Straßen Göppingens nach dem Apostel-Hotel, wo das Mittagessen eingenommen wurde. Hier entbot Ober­bürgermeister Dr. Keck den Festgästen, insbesondere den Vertretern der Regierung, der staatlichen und städtischen Behörden und der Württ. Abgeordneten­kammer herzlichen Willkommgruß, toastete auf den König und brachte zum Schluß seiner Ansprache den Ausdruck des Dankes für das Zustandekommen der Bahn in einem Hoch auf den Ministerpräsidenten v. Weizsäcker und die Regierung zum Ausdruck, welches lebhaften Widerhall fand. Ministerpräsident v. Weizsäcker stieß sodann auf eine erfolgreiche Zukunft der durch die Bahn erschlossenen Städte und Dörfer an. Kammerpräsident von Payer toastete auf das fortschrittliche Württemberg, Obmann Endriz-GLp- pingen auf die Landesstände, Kommerzienrat Ehr­hardt-Gmünd auf die Bauleitung und Baurat Ott auf die Bahnkommission. Bei Musik, Gläserklirren und nach manchen ernsten und lustigen Worten ver­gingen die Stunden in Eile gleich wie in Gmünd. Während lautere Freude über das bedeutsame Er­eignis des Tages und über die Naturschönheiten der von der Bahn berührten Gegenden herrschte, blieb für den Rest des Tages die Stimmung eine gehobene und begeisterte, und man trennte sich mit demWunsch, daß die Bahn, die nach so vielen Mühen und Ent­täuschungen endlich unter so großem Kostenaufwand zustande kam, die Hoffnung, welche auf sie gesetzt wird, in vollem Maß erfüllen möge.

Göllsdorf OA. Rottweil, 14. Mai. Gestern spielte sich hier eine wüste Szene ab. Der 23jähr. Pfläster- geselle Adolf Schobel von hier, der in Schwenningen in Arbeit steht und zum Besuch seiner Mutter, der Witwe Schobel hier weilte, bedrohte sie mit Tot­schlägen usw. und hieb mit einem Prügel auf sie ein. Da diese Auftritte, auch unter Androhung des Er­schießens, schon öfter vorkamen, nahm die Frau einige Mannspersonen für ihre persönliche Sicher­heit in Anspruch, sobald der Sohn zu Hause war. Auch diese Personen bedrohte Schobel mit Totschlägen und verfolgte sie. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als bei dem gefährlichen Charakter des unge­ratenen Sohnes zu fliehen. Soviel man hört, soll Schobel geistig nicht ganz normal sein und die Ver­bringung in eine Irrenanstalt notwendig werden.

Pfaffenhofen, 14. Mai. In ganz unheimlicher Weise breitet sich hier die Maul- und Klauenseuche aus. Jetzt sind bereits 32 Ställe verseucht. Welchen Einfluß der Sonntag auf die Ausdehnung der Seuche hat, kann man daraus ermessen, daß am Montag

Tyrann Ehre.

42) Roman von K. Lubowski.

(Fortsetzung.)

Wachenhusen kam mit keinem Wort auf sie zurück. Er trank vergnügt seinen Kaffee, brannte sich eine Havanna an und sagte nach der dritten Tasse:

Weißt du, Hans Weddo, du könntest eigentlich dein Samariterwerk damit krönen, daß du mich jetzt zur Bachwirtschaft hinaus begleitest. Ich soll für meinen alten Herrn die Jagd auf dem Stadtfelde um das Jnspektorhaus herum, die morgen zur Neuver­pachtung kommt, ansehen. Eventuell reflektiert er nämlich."

Du Haft wohl gänzlich in deinen süßen Träu­men vergessen, daß ich noch vor dem Mittag bin?"

Befinde ich mich vielleicht in sattem Zustande, mein Lieber? Wir essen eben draußen in der Bach- wirtschast. Die Alte macht einen famosen Eierkuchen und bessere Bratfische, wie sie euer Kasinoladislaus jemals zustande bringen wird."

Trotzdem muß ich streiken, Jürgen. Ich habe noch sehr viel zu arbeiten. Sieh mal her! Das alles muß zur nächsten Post erledigt sein. Außerdem noch die Beantwortung von zwei wichtigen Fragen, die mein Verwalter stellt. Er will wissen, wie ich über einen Beitritt zur Raaßfcheuer Genossenschafts­molkerei und die Anschaffung einer Drillmaschine denke."

Na, dann laß dich nur recht genau über diese wichtigen Sachen aus, Hans Weddo, wenn du mir deine Gegenwart nun doch mal nicht schenken willst. Im übrigen danke ich für Logis und Gastfreund­schaft bestens, und was ich noch fragen wollte: Hast du dir vielleicht während meines Schlafes einen Chartreuse zugelegt?

Raus," sagte Tarenberg lachend und schob den Unverbesserlichen zur Tür hin.

Wachenhusen nahm im Sturmschritt die Treppen und ging durch die weiche, regenschwere Lust über die Wiesen in der Richtung des Jnspektorhäuschens weiter.

Er wollte doch lieber, bevor er sich die Bratfische und die Einsicht in die Schießliste leistete, die als Ausweis über die Ergiebigkeit der Jagd in der Bach­wirtschaft ausliegt, die Größe des Jagdreviers aus­schreiten.

Der Weg über die Wiesen war feucht und schlüpf­rig. Wachenhusen sprang deshalb mit kühnem Satz über den Graben auf das weite Moor hinüber. Er hoffte den Richtsteig, den sie im Sommer benutzen, auch jetzt trocken zu finden. Er teilte sich an dieser Stelle und führte rechts ab in die Heide, links über das Jnspektorhaus zum Stadtfelde hin. Zuerst hatte es wirklich den Anschein, als ob Wachenhusens Ver­mutung richtig sei. Er lachte bereits den vorsichtigen Freund aus, der ihm dringend von der Benutzung dieses Abkürzungsweges abgeraten hatte. So war er immer, der alte treue Kerl. Ein wenig Weis­heitskrämer, doch mehr Pedant und ein gut Teil Pessimist dazu. Aber trotzdem der beste, famoseste Kamerad und der zuverlässigste Freund, der auf der ganzen Welt existierte. Ihm war jetzt, nachdem die frische Luft den Rest des dumpfen Drucks von seinem Hirn genommen hatte, so weltstürmend und leicht zumut, beinahe erwartungsfroh. Seine tolle, junge Kraft, die während des langweiligen Dien­stes der letzten Monate, der so gar kein Austoben erlaubt hatte, beinahe eingerostet war, regte sich wieder.

Wohin mit dem Ueberschuß, der partout an die Oberfläche wollte. Da lag schon das Jnspektorhaus vor seinen Augen und damit der Anfang des städti­schen Jagdreviers dem sein Besuch galt. Das dun­kelnde Gewölk am Himmel, das feuchte, dunstschwere Nebelschleier auf die Erde herabsandte, die wehenden Riesentüchern gleich über dem Moor schwebten, hatte sich auseinander geschoben. Ein Helles, blaues Äuge blickte neugierig heraus, geradewegs in Wachen­husens junges, erhitztes Gesicht. Offenbar gefiel es ihm. Denn es wurde größer und erstaunter und eine Fülle schimmernden Lichts war plötzlich darin. Wachenhusen achtete nicht mehr auf den schmalen Steg. Er sah nur das goldene Lachen in den Wolken

und fteute sich wie ein Kind darüber. Der Sonnen­strahl fuhr in sein Herz hinein und entzündete jenes andere blendende Licht, das sie die Sehnsucht nach der Liebe nennen.

Er wußte jetzt, was das tolle heiße Krastbewußt- sein in ihm erforderte. Als er ernsthaft nachzudenken begann, wie er ihm zu seinem Rechte verhelfen könnte, und alle Mädchen seiner Bekanntschaft an sich vorüberziehen ließ, kam die Prosa und vertauschte das goldene Lachen und die Sehnsucht mit der elen­den Alltäglichkeit.

Er trat fehl und versank mit seiner linken Kör­perhälfte in die weiche moorige Masse, die hart an den höher gelegten Fußsteig grenzte. Was nun? Mühsam krabbelte er heraus und versuchte, den Schlamm mit dem Taschentuch zu entfernen. Im Nu hatte es sich in einen pechschwarzen Lappen ver­wandelt, ohne daß er auch nur ein bißchen sauberer geworden war. Sein rechtsseitiger Mensch sah sehr anständig aus, aber wo blieb er mit dem linken? Hätte er wenigstens den Mantel angezogen, aber der war ihm viel zu heiß und zu schwer gewesen. Nun hatte er es. In diesem Zustand in die Stadt zurück? Um keinen Preis! Dazu war es viel zu hell. Die fünfunddreißig Minuten bis zur Bachwirtschaft dauerten ihm zu lange, denn er fühlte, wie die Masse durch das dicke Tuch sickerte und langsam an seinem Körper herumkroch. Oder gar bis zum Einbruch der Dunkelheit hier, wo er stand,Hänschen hinter dem Kohlblatt" zu spielen, das paßte ihm erst recht nicht.

Heiliger Bimbam! Es war wirklich zum Toll­werden. Wenn wenigstens das Jnspektorhäuschen bewohnt gewesen wäre! Halt! Hatten sie gestern abend im Kasino nicht irgend eine dunkle Geschichte erzählt von von ja, das wußte et heute nicht mehr. Es war nämlich zwischen der vierten und fünf­ten Flasche gewesen. Aber wo eine Geschichte war, mußte doch auch notgedrungen ein Held sein. Und diesen wollte er jetzt in Anspruch nehmen. Wasser, Seife, ein paar Besen und altes Lappenzeug würde er ja wohl haben, selbst wenn er nur ein ganz ge­wöhnlicher Sterblicher wäre. (Forts, folgt.)