Erscheinungsweise: kmal wöchentlich.

Bezugspreis: In der Stadt incl. Trägerlohn Mk. 1.25 viertel­jährlich, Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarorts- verkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die Inseratannahme 10 Uhr vormittags. Fernsprechnummer 9.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

113 . Mittwoch, den 15. Mai 1912. 87. Jahrgang.

Amtliche Bekanntmachungen.

Erlaß an die Orlbehörden

betr. die Verzeichnisse über gewerbliche Betriebe, welche der Gewerbe-Aufsicht unterstehen.

Die Ortspolizeibehörden werden aufgefordert, die ihnen zugegangenen Verzeichnisse über

1) die in den Gemeinden vorhandenen gemäß K 154 Abs 24 der Gewerbeordnung und Min.-Erlaß vom 9. September 1909 (Min.-Amtsbl. S. 361) der Ge­werbeaufsicht unterstehenden gewerblichen Betriebe, wozu auch die in Z 1 der Kaiserlichen Verordnung vom 21. Februar 1907 (Reichsgesetzbl. S. 65) ge­nannten Werkstätten gehören, in welchen nicht aus­schließlich zur Familie des Arbeitgebers gehörige Personen beschäftigt werden,

2) Bäckereien und Konditoreien,

3) Gast- und Schankwirtschaften, ci. Min.-Erl. vom 27. Dez. 1902, Min.-Amtsbl. 1903 S. 1.

4) gewerbliche Betriebe, welche fremde Kinder beschäf­tigen, ck. Min.-Erl. vom 24. Februar 1905, Min.- Amtsbl. S. 120,

5) Betriebe, in denen Maler-, Anstreicher-, Tüncher-, Weiß-inder- oder Lackiererarbeiten ausgeführt wer­den, ct. Min.-Erl. vom 26. Januar 1906, Min.- Amtsbl. S. 17,

unter alphabetischer Ausführung der Betriebe bezw. der Betriebsinhaber auf den neuesten Stand ergänzt, bezw. mit beurkundeten Fehlanzeigen sofort hieher wieder vor­zulegen.

6) Ferner sind, falls im vergangenen Jahr in einer Gemeinde Rotzhaarfpinnereien, Haar- und Borsten- zurichtereien oder Bürsten und Pinsemachereien entstanden sind, Verzeichnisse nach Ziffer III, Min.- Erl. vom 27. Dez. 1902, Min.-Amtsbl. 1903 S. 1, sofort einzusenden.

7) Desgleichen haben die Ortsbehörden hieher zu be­richten, welche Steinbruch- oder Steinhauereibe­triebe, die unter Ziffer IV der genannten Min.- Verfügung fallen, in der Gemeinde vorhanden sind. Die Vorlagen haben als portopflichtige Dienstsache

zu erfolgen.

Calw .13. Mai 1912.

K. Oberamt:

Amtmann Ripp mann.

Parlamentarisches.

Berlin, 14. Mai 1912.

Aus dem Reichstag.

Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 1.05 Uhr. Am Bundesratstisch sind Staatssekretär Delbrück und Kriegsminister v. Heeringen erschienen. Auf der Tagesordnung stehen zunächst kleine An­fragen.

Die Anfrage des Abg. Dr. Frank (Soz.) an den Reichskanzler betr. Zustimmung Hollands zur Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein be­antwortet Geh. Rat. Lehmann. Der Reichskanz­ler ist zu seinem Bedauern nicht in der Lage, darüber Auskunft zu geben. Auf zwei weiteren Ergänzungs­anfragen, ob Holland sich geweigert habe, in Ver­handlungen einzutreten, oder ob überhaupt Verhand­lungen stattgefunden hätten, erwiderte Geh. Rat Lehmann, auch darüber könne er keine Auskunft geben. Auf die zweite Anfrage des Abg. Fischer (Soz.) betreffs die Hinzuziehung von Vertretern der Seeleute zu den Verhandlungen der internationalen Schiffahrtskonferenz erwiderte Staatssekretär Del­brück, über das Zusammentreten einer internationa­len Schiffahrtskonferenz, insbesondere über den Ort, den Zeitpunkt und das Programm stehe Endgiltiges noch nicht fest. Daß zu den diplomatischen Verhand­lungen Vertreter der Seeleute hinzugezogen wür­den, erscheine unwahrscheinlich. Die zu unterbreiten­den Vorschläge würden zuvor der Seeberufsgenossen­schaft vorgelegt werden, da die Sicherheitsmaßregeln für Deutschland im allgemeinen durch die Unfallver­hütungsvorschriften festzusetzen sei. Der Vorstand der Seeberufsgenossenschaft werde die Vertreter der

Versicherten gemäß den gesetzlichen Vorschriften be­reits für Begutachtung der diesseitigen Vorschläge hören. Auf eine Ergänzungsanfrage Fischers, ob der Reichskanzler bereit sei, wenn die anderen Staa­ten Seeleute zu dieser Konferenz hinzuziehen, dies auch zu tun, erwiderte Staatssekretär Delbrück: Ich habe meinen Worten nichts hinzuzufügen. (Hei­terkeit und Unruhe.) Damit sind die kurzen An­fragen erledigt. Die Beratung des Militäretats wird fortgesetzt, und zwar beim Kapitel Artillerie- und Waffenwesen. Dr. Liebknecht (Soz.) bringt Wünsche der Arbeiterschaft in den Spandauer Militärwerkstätten zur Sprache. Die Kündigungs­frist müsse gleichmäßig für Arbeiter und Behörden bemessen werden. Mit der Teuerungszulage darf nicht zu sehr gespart werden. Die Enadenpensionen für die alten Arbeiter sind völlig unzureichend. Die Arbeiterausschüsse müssen weiter ausgebaut werden. Die politische Ueberzeugung der Arbeiter sollte ohne Einfluß auf ihre Beschäftigung sein. Trimborn (Z.) bringt Wünsche für die Beamten der Duis­burger Militärwerkstätte vor. Abg. Pauli (kons.): Die Lohneinteilung in Spandau muß so geregelt wer­den, daß der gelernte Handwerker besser gestellt ist als der ungelernte. Der Militärarbeiterverband betreibt verkappt die Geschäfte der Sozialdemokratie. Generalmajor Wandel geht auf die vorgebrachten Wünsche ein und schließt: Wir werden dafür sorgen, daß Sozialdemokraten in unseren Betrieben nicht in Arbeit bleiben, da wir von unseren Arbeitern eine besondere Zuverlässigkeit verlangen müssen. (Bravo rechts.) Pekler (natl.): In bezug auf die Lohnverhältnisse ist noch manches zu bessern. Ich Höffe und wünsche, daß ein gegenseitiges Vertrauen wieder Platz greift, dann werden auch wieder ge­sunde Zustände einkehren.. Abg. Weinhaus e n (F. V.): Die Militärverwaltung sollte weniger Ver­sprechungen machen, dafür aber die Verhältnisse der Arbeiterschaft tatsächlich verbessern. Generalmajor Wandel: Die Militärbetriebe sollen insofern Musterbetriebe sein, als sie bei guter Bezahlung Für­sorge für eine gesunde und sichere Lebensexistenz der Arbeiter übernehmen. Darauf wird ein Schlußan­trag angenommen und das Kapitel bewilligt. An­genommen wird eine Resolution des Zentrums auf Bemessung der Löhne entsprechend den ortsüblichen Löhnen, sowie Ausbau der Arbeiterausschüsse, und von einer sozialdemokratischen Resolution diejenigen Teile, die sich auf dieselben Punkte beziehen, sowie auf die Gewährung einer Gesundheitszulage, Som­merurlaub und Beschäftigung der Arbeiter ohneRück- sicht auf ihre politische Gesinnung oder Betätigung. Beim Kapitel Verschiedene Ausgaben wird eine Resolution angenommen betr. Vorlegung einer Denk­schrift über versicherungstechnische Erwägungen zur Errichtung einer Pensionskasse für Handwerker und Arbeiter der Militärbetriebe, ferner eine Resolution auf Verbesserung der Unterkunft der Offiziere. Die dauernden Ausgaben werden bewilligt, desgleichen der außerordentliche Etat und die Einnahmen. Die restlichen Resolutionen werden in dritter Lesung er­ledigt werden. Damit ist der Militäretat erledigt. Nach kurzer Debatte wurde dann die zweite Lesung der Ergänzungen zum Militäretat, Erhöhung der Mannschaftslöhne usw. nach den Kommissionsbe­schlüssen angenommen. Es folgt die zweite Lesung der Flottenvorlage in Verbindung mit dem dazu ge­hörigen Ergänzungsetat. Berstein (Soz.): Die Vorlage kennzeichnet den Angriffscharakter der Ma­rine. Die Kosten kommen nicht recht zum Ausdruck. Unser Ueberseehandel ist groß geworden ohne die Flotte. Unsere Bevölkerung hat kein Interesse an der Flottenvermehrung. Die organisierte Arbeiterschaft ist durchaus friedlich und verurteilt den Krieg aufs schärfste. Diese Flottenvorlage könnte Befürchtungen uno Antipathien anderer Völker Hervorrufen. Die Anspannung der deutschen Forderungen an Frank­

reich wegen Marokko steigerte die internationale Er­regung. Aus den Verhandlungen ist soviel durchge­sickert, daß Frankreich offiziell bei England anfragte, ob es sich an einer Demonstration gegen das deutsche Vorgehen in Agadir beteilige. England redete der Verständigung das Wort. Aus finanziellen und po­litischen Gründen verwerfen wir die Vorlage. Ein richtiger und echter Friede ist nur erreichbar durch den Ausbau der internationalen Völkerbündnisse. Frhr. Marschall v. Bieberstein geht nach Eng­land, um die Verständigung zu fördern, aber einen dauernden und festen Frieden wird er uns nicht brin­gen, solange diese Rüstungen bestehen. Abg. Vogt­herr (Soz.): Das Schweigen der bürgerlichen Par­teien ist ein sehr beredtes Zeichen. Die große Masse des Volkes ist an derErenze der steuerlichenLeistungs- fähigkeit angelangt. Nun wollen Uebereifrige auch noch eine Luftflotte schaffen. Man könne andere Wege finden für die Betätigung des Patriotismus durch Kulturarbeit und Arbeiterschutz. (Ironisches Bravo rechts.) Damit schließt die Debatte. (Der Reichskanzler betritt den Saal.) Die Vorlage wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Polen und Welfen angenommen. (Bravo rechts, Zischen bei den Soz.)

Morgen nachm. 1 Uhr: Marineetat und Etat für Kiautschou. Schluß 7^ Uhr.

Stadt und Bezirk.

Calw. 14. Mai 1912.

scb. Mutmaßliches Wetter. Eine neue große De­pression ist aus dem Atlantischen Ozean im Anzug, die den Hochdruck über den Kontinent allmählich ab­flacht. Für Donnerstag und Freitag ist vielfach trübes, kühleres und auch strichweise zu Nieder­schlägen geneigtes Wetter zu erwarten.

(Egsdt.) Die Separatvorstellung, die das Gastspiel-Ensemble Beyschlag am Montag abend der Vürgergesellschaft mit dem LustspielDie gold'ne Eva" gab, hatte sich eines zahlreichen Besuches zu erfreuen. In dem anspruchslosen Dreiakter von Frz. Schöntan und Koppel Ellfelo, dessen Schauplatz ein Augsburger Patrizierhaus im Mittelalter ist, werden zwei Vertreterinnen des schönen Geschlechts der hübschen Goldschmiedswitwe Eva und ihrer Wirtschafterin Barbara, von ihrer durch Eitelkeit und Stolz genährten Sucht nach einem blaublütigen Gatten mit prächtigem Humor kuriert. Die Dar­stellung war durchweg befriedigend, zum Teil sogar recht gut. Tony Beyschlag hat als Eva ihren inneren Konflikt zwischen Herz und Sinn, d. h. zwischen ihrer echten Neigung zu dem trefflichen Gesellen Peter in ihrem Geschäft und dem eitlen Streben nach der Erafenkrone, die der herunter­gekommene Graf Zeck mit ihrem Golde neu auf­frischen zu können hoffte, vortrefflich zur Anschauung gebracht. Auch Hans Lang hat mit seinem Peter die Tüchtigkeit und Solidität des bürgerlichen Hand­werkers als Gegensatz zu den beiden adeligen Wind­beuteln, dem Grafen und seinen Genossen, dem trinkfesten Ritter Hans von Schwetzingen, den Max Clouth nicht übel spielte, sehr gut dargestellt. Franz Beyschlag war mit dem Altgesellen Christoph eine zwar kleine, aber immerhin dankbare Rolle zugefallen, der er sich mit gewohnter Meisterschaft entledigte. Unserer Meinung nach hat Kurt Quaiser bei seinem Grafen Zeck, dessen hohle Trottel- haftigkeit etwas zu stark markiert: weniger wäre hier mehr gewesen. Die übrigen Mitspieler haben ihr möglichstes getan, um der ganzen Aufführung zu einer Wiedergabe zu verhelfen, von der das Publikum, wie man allgemein hören konnte, sehr befriedigt war. Daß, um nochmals auf den Inhalt des Stückes zu kommen, Eva und Peter sich zum zum Schluß kriegen, ist ganz in der Ordnung, wenn auch die Eva den trefflichen Gesellen wirklich nicht verdient hätte.