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BezuzSprei s flr daS Vierteljahr t« Bezirk und Rachbarortsverkehr M. 1.25.
außerhalb Mk. 1.35.
Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.
177.
Ausgabeort Altensteig-Stadt.
Greitag, de« 3t. Juli
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
1908.
Amtliches.
In den Beirat der Verkehrsart st alten sind u. gewählt worden: als Mitglied: Fabrikant Albert Koch in Rohrdorf; als Ersatzmann: Fabrikant Otto Wagner in Calw.
Tagespolitik.
Im Bezirk Oberndorf ist das Gerücht verbreitet, die Wahl des Abg. Andre soll abermals angefochten werden. Als Gründe werden angegeben, daß im Wahllokal in Oberndorf (Rathans) ein Vertreter der Zentrumspartei sich im Jsolierraum häuslich niedergelassen habe, um die Namen der Wähler zu notieren. Er habe dabei einen Platz eingenommen, von dem aus es ihm möglich gewesen sei, das Einlegen der Stimmzettel in die Wahlkouverts zu beobachten. Bei der großen Mehrheit, bemerkt dazu der Schwäb. Merkur, mit der der Abg. Andre gesiegt hat, erscheint es undenkbar, daß jemand eine nochmalige Wahlanfechtung einleiten werde. Da müßten Verstöße gegen die Wahl vorliegen, die weit über das hinausgehen, was hier gerüchtweise von Oberndorf gemeldet wurde.
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Der Groß Herzog und die Großherzogin von Baden haben gestern dem Prinzregenten Luitpold von Bayern ihren offiziellen Antrittsbesuch abgestattet.
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Auf der Hauptversammlung des Landesverbands Mecklenburg vom deutschen Flottenverein hielt Großadmiral v. Köster eine Rede, in deren Verlauf er u. a. sagte: Meine Herren! Der Entschluß zur Uebernahme des Präsidiums ist mir nicht leicht geworden. Es ist schwer, Differenzen kurzerhand zu beseitigen. Charaktervolle Männer sind gewohnt, an ihrer Ansicht festzuhalten. Ich bin mir ferner bewußt, was der Verein unter der Führung des Fürsten Salm geleistet hat, mit dem in den letzten Wochen in freundschaftlichen Meinungsaustausch treten zu können, mir eine Freude war. Ich habe es erfahre» in der kurzen Zeit, welcher Liebe und Verehrung sich der Fürst im Flottenverein erfreut. Andererseits freut es mich, der Marine, der ich alles verdanke, weitere Dienste leisten zu können. Es ist darüber gesprochen worden, daß zwei Admirale in leitender Stellung im Präsidium seien. Als Ehrenmänner würden wir nicht in der Lage gewesen sein — ich spreche auch im Namen des Kontreadmirals Weber — die Ehrenämter übernehmen zu können, wenn wir uns
nicht als freie, unabhängige Männer gefühlt hätten. Ich hoffe und erwarte aber, daß das Verhältnis des Flottenvereins zum Reichsmarineamt stets ein gutes sein wird. Bitte, fassen Sie Vertrauen zum neuen Präsidium! Prägen Sie unserer heißgeliebten Flagge die Worte ein: Einigkeit macht stark! (Stürmischer langanhaltender Beifall.)
Einige Verstimmung hat es in Frankreich erregt, daß es der russische Ministerpräsident Stolypin nicht für nötig gehalten hatte, der Entrevue beizuwohnen. Auch verschnupft die Tatsache einigermaßen, daß dem Präsidenten keine Gelegenheit gegeben wurde, an Land zu gehen und russischen Boden zu betreten. — Nachdem am Dienstag eine Frühstückstafel bei dem Präsidenten Fallieres stattgefunden hatte, verließ dieser schon am Abend des nämlichen Tages die Reede von Reval, um sich nach Christiania zu begeben und dort der norwegischen Königsfamilie einen Besuch abzustatten.
Nach einer amtlichen englischen Meldung wird im Herbst ein aus vier großen Kreuzern bestehendes Geschwader unter dem Oberbefehl des Admirals Scott Afrika besuchen. Das von ihm zu befehlende Sondergeschwader zählt zwei Kreuzer weniger als das erste Kreuzergeschwader. — Das neue Kommando bedeutet also nichts weniger als ein Avancement, und das Marineamt spricht in seiner Uebertragung unzweideutig aus, wen es nach den inzwischen abgegebenen Erklärungen der Admirale Beressord und Scott über die bekannten Differenzen im Flottenkommando für den Schuldigen hält.
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Im internationalen Friedenskongreß hat nun auch der englische H a nd e ls m in ist er Lloyd George dem Frieden das Wort geredet und das gegenseitige Mißtrauen zwischen Deutschland und England als grundlos bezeichnet. Er sagte u. a.: Es gibt Männer bei uns in bedeutender Stellung und von großer Erfahrung, die vollständig unter dem Eindruck stehen, daß Deutschland die Absicht habe, uns anzugreifen, und es gibt Leute in Deutschland, die in gleicher Weise davon überzeugt sind, daß wir im Begriffe sind, sie zu überfallen. Aus dieser Furcht vor einander bewaffnen wir uns und stürzen uns in eben diesen Konflikt, über den beide so erschreckt sind und vor dem wir beide uns fürchten. (Beifall) Früher, zu einer anderen Zeit, habe es sich genau so mit Frankreich verhalten. Tatsache sei, daß beide Länder einander fürchten, daß sie gegeneinander Schiffe bauen und sich gegenseitig Absichten unter
schieben, die gleichermaßen grundlos seien. Das einzig Wirkliche seien die Kosten. Lloyd George schloß mit der Bemerkung, es sei beklagenswert, daß zwei große und fortschrittliche Gemeinwesen wie Deutschland und Großbritannien nicht im stände sein sollten, ein gutes Einvernehmen zwischen sich herzustellen. Wir haben es mit Frankreich, Rußland und den Vereinigten Staaten fertiggebracht. Weshalb sollten wir es nicht mit Deutschland können?
Die Revaler Trinksprüche werden von der „Nat. Ztg." gelobt. Das Blatt sagt u. a.: Die ausdrucksvolle Friedenskundgebung, an deren Ehrlichkeit zu zweifeln, kein Grund vorliegt, wird auch durch die ebenso ausdrucksvolle Betonung der Bande aufrichtiger und beständiger Freundschaft zwischen Rußland und Frankreich nicht beeinträchtigt, da der von Fallieres betonte Zweck des Bündnisses eine Bürgschaft des Gleichgewichts in Europa zu sein, eben nur durch festes und treues Zusammenhalten erreicht werden kann. Die Trinksprüche vor Reval können somit auch in Deutschland mit Befriedigung ausgenommen werden, zumal sie die Ansprache in glücklicher Weise ergänzen, die König Eduard gerade am Tage vorher.— mit oder ohne Voraussicht und Kenntnis der Revaler Trinksprüche? — in London beim Empfang der internationalen Friedenskonferenz gehalten hatte. Er sagte darin: Die Herrscher können sich kein höheres Ziel setzen, als die Förderung eines guten Einvernehmens und herzlicher Freundschaft zwischen den Nationen. Drei offene Bekenntnisse zum Frieden innerhalb zwei Tagen haben also die Häupter Englands, Rußland und Frankreichs abgelegt. Wenn es auch nur Bekenntnisse in Worten sind, werden sie doch nicht verfehlen, beruhigend zu wirken und allerlei Wolken am politischen Himmel zu verwehen. — Die Kommentare der Pariser Presse zu den Revaler Trinksprüchen sind sehr spärlich; viele Franzosen haben offenbar mehr von Reval erwartet. — Einen wertvollen politischen Inhalt erblickt der „Temps" in den Revaler Trinksprüchen, und zwar liege dieser in dem vom Präsidenten Fallieres gebrauchten Ausdruck „Gleichgewicht", der zum ersten Male in einer offiziellen Ansprache angewandt worden sei. Die Hegemonie Deutschlands habe die Bündnisse und Freundschaften notwendig gemacht und das diplomatische Gleichgewicht bedinge auch das militärische Gleichgewicht.
Die Verhaftung desMinisteriumsFranco, das für den Königsmord verantwortlich sei und seine Aburteilung durch die Pairskammer, forderte in der portugisischen Deputiertenkammer am Dienstag der Deputierte Alionso Costa.
M A«s«frucht. K-
Mut und Bescheidenheit sind die unzweideutigsten Tugenden, denn sie sind von der Art, daß Heuchelei sie nicht nachahmen kann.
Goethe.
Drr Befreier.
Erzählung von Reinhold Ort m a n n. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
»Es hat mich einigermaßen überrascht, daß das Arrangeure m Mcht einem Künstler, sondern einem Offizier übertragen worden Man sollte doch meinen, daß es nicht allzu schwer gewesen Ware, eine geeignetere Kraft dafür zu finden."
»Von welchem Arrangement svrechen Sie denn? — Noch immer von diesen lebenden Bildern?"
-Allerdings! — Der Leutnant von Kainach erfreut sich mutmaßlich auch in Ihrem Hause ganz besonderer Gunst?"
. Ech nicht wüßte! — Ich habe ihn bisher nur ein ein-
naes Mal gesehen, da er mich als der Adjutant des Prinzen Egon in dessen Begleitung besuchte. — Ein angenehmer und Nebenswürdiger junger Mann - soweit es sich eben bei wichtigster Bekanntschaft beurteilen läßt. - Sie haben drei vnche, Herr Brandshöfer — versäumen Sie nicht, das zu Markieren!"
^ »Ich danke für die Erinnerung. — Aber es ist merkwürdig, wie man sich täuschen kann. Nach der Art des Verkehrs zwischen »raulein Astrid und dem Leutnant hätte ich als sicher an. genommen. daß sie sehr gute, alte Bekannte seien."
o, -^äbrscheinlich finden sie Gefallen aneinander", erwiderte «mobolm sehr unbefangen. »Man muß dazu doch nicht not. mndrg jahrelang nebeneinander hergelaufen sein. — Halt — vte haben mir sechs Karten gegeben."
»Bitte um Verzeihung! — Das gegenseitige Gefallen schien allerdings ein sehr lebhaftes zu sein. Es waren sicherlich manche da» die diesen etwas selbstbewußten Herrn nicht wenig darum beneideten. — Es tut mir leid, Herr Lindholm, aber ich habe schon wieder den Atout-König und alle fünf Stiche."
»Den Henker auch!" lachte der Bildhauer, während er dir Karten zusammeuwarf! „Was gibt es dabei zu bedauern! — Als Wirt müßte ich schon aus Höflichkeit verlieren. — Und wir find überdies erst im Begriff anzufangen."
Sie spielten weiter und das Glück blieb beharrlich auf der Seite des Bankiers. Fast eine ganze Stunde lang schienen ihn Gedanken ganz von den Wechselfällen des Ecarts in Anspruch genommen: daun kam Willv Brandshöfer mit einemmal ganz unvermittelt auf das vorhin angeschlagene Thema zurück.
«Uebrigens ein ganz mittelloser Mensch, dieser Herr von Kainach! — Aber das werden Sie ja ohne Zweifel wissen."
„Wie sollte ich dazu kommen? — Ich pflege mich nicht uw Dinge zu kümmern, die mich nichts angehen."
Das war eigentlich eine recht deutliche Abfertigung: aber der andere beharrte nichtsdestoweniger bei dem einmal aufgenommenen Gegenstand.
„Ich kenne die Verhältnisse der Familie zufällig ziemlich genau. Der Vater war irgendwo im Westen Regierungspräsident und verlor kein ohnedies sehr bescheidenes Vermögen bei dem Bankrott eines betrügerischen Bankiers bis auf den letzten Pfennig. Die Witwe lebt von ihrer Pension, und es mag ihr sauer genug geworden sein, davon auch noch den erforderlichen Zuschuß für den Sohn berzugeben. Ich glaube, es geschah in erster Linie aus Mitleid mit ihrer bedrängten Lage, daß man den Leutnant zum Adjutanten des Prinzen Egon machte. Seine militärische Karriere wird infolgedessen ja vielleicht eine etwas schnellere sein; bei seiner etwaigen Verheiratung aber wird der junge Herr selbstverständlich in erster Linie auf eine bedeutende Mitgift zu sehen haben."
„Möge er denn in Gottesnamen die Land einer Millionärs-
ivchter gewinnen! — Pique ist Atout, Herr Brandshöfer — meine Sieben ging also über Ihre Coeur-Dame."
„Pardon! — Es scheint, daß ich mit den Herzdamen kein Slück habe."
„Hoffentlich nur im Spiel! — Ein Mann in Ihren Jahren, der jedem weiblichen Auge zudem in der verklärenden Be« leuchtung des Reichtums erscheint, bar doch sicherlich alle Anwartschaft auf glänzende Erfolge bei dem schönen Geschlecht."
Brandshöfer zuckte mit den Achseln.
„Die Frauen lassen sich mitunter auch durch andere Dinge bestechen — durch eine goldbetreßte Uniform zum Beispiel oder durch die zweifelhafte Anwartschaft auf einen in nebelhafter Ferne winkenden Exzelleuztitel. — Wer kennt die unberechenbarer Launen eines weiblichen Herzens!"
»Ah bah. Sie sind viel zu bescheiden, mein Lieber! - Machen Sie nur einmal ernstlich die Probe, und ich wett« Tausend gegen Eins, daß Ihre Millionen über alle Titel und Uniformen der Welt den Sieg davontragen werden. Auch das naivste und unschuldigste Geschöpschen weiß in nuferer gruud- verderbten Zeit nur zu gut. daß das Gold nicht nur Vergnügen und Genuß, sondern daß es auch Macht und Ansehen, Unabhängigkeit und Herrschaft bedeutet. Was gilt den meisten unserer jungen Damen daneben noch das bißchen altmodisch« Liebe!"
„Auf Ihre Gesundheit, Herr Lindholm!" sagte Brandshöfer indem er artig sein Glas erhob. „Ich hoffe, daß wir uns übel dies Thema noch einmal an anderem Orte und unter anderen Voraussetzungen unterhalten werden."
Der Künstler batte bei diesen mit einer gewissen Feierlichkeit gesprochenen Worten zwar etwas verwundert aufgesehen, aber die rätselhafte Andeutung, welche sie enthielten, interessierte ibu jedenfalls nicht genug, um ihn zu einer weiteren Frage zu veranlassen.
„Die letzten drei Partien, wenn es Ihnen genehm ist", meinte er. die Karten wieder ergreifend. „Es ist schon spät, und
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