Ergründet

1877.

A,sch«in1 täglich «it Ausnahme der Sonn- und Festtage.

BezugSprei 8 str das Merteljahr bo Bezirk und RachbarortSverkehr Mk. 1.25.

«cherhalb Mk. 1.35.

W

S

UtteMeiL.Ir

AMblalt für

«LE

Fernsprecher Nr. 11.

Anzeigenpreis bei einmaliger Ein­rückung 10 Pfg. di« einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechenberRabatt.

Reklamen 15 Pfg. die Textzeile.

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg

«r. L75.

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Mtttwsch, de« 2S. Juli

Amtsblatt für Pfalzgrasenweiler.

1S0S.

Amtliches.

Die niedere Verwaltungsdienstprüfung haben u. a. be­standen: Karl Hermann von Nagold, Johannes Maulbetsch von Göttelfingen, OA. Freudenstadt.

Tagespolitik.

Ein deutscher Lu ftflottenverein ist nunmehr in Mannheim gegründet worden. Der Verein hat den Zweck, Mittel zu beschaffen, für die Vervollkommnung von lenkbaren Luftschiffen, welche vaterländischen Zwecken dienen sollen. Er will weiter das Verständnis und das Interesse des deutschen Volkes für die Bedeutung und die Aufgaben der zu schaffenden und weiter auszubauenden Luftflotte wahren, stärken und pflegen. Der Verein erblickt die Hauptaufgabe der deutschen Luftflotte darin, die Ehre und Weltmachtstellung des Deutschen Reiches zu wahren; insbesondere soll sie auch die überseeischen Interessen Deutschlands und die Ehre und Sicherheit seiner im Auslande tätigen Bürger gewährleisten helfen. Der Verein wird als seine Hauptaufgabe betrachten, dafür zu sorgen, daß lenkbare Luftfahrzeuge in hinreichender Anzahl und Größe gebaut werden. Er will auch gegebenen­falls mit allen dazu geeigneten gesetzlicheil Mitteln auf die ganze Nation einwirken.

Nach einer aus französischer Quelle stammenden Meldung soll ein ernsterdiplomatischerKonfliktzwischen Deutschland und Portugal wegen der Grenzberich­tigung zwischen Kamerun und Angola bevorstehen. Angeblich soll England der portugiesischen Regierung Beistand gegen die deutschen Ansprüche versprochen haben. Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt von anderer Seite nicht vor.

Wie es Jung-Armenier und Jung-Perser gibt, die alle Nöte der Welt und einer Jahrhunderte alten Unkultur be­seitigt glauben, sobald sie die äußeren Formen des alten Europa auf ihre Verhältnisse übertragen, so gibt es auch Jungtürken. Durch Aufreizung des Heeres und durch Ermordung von Offizieren haben sie beim Sultan Furcht erweckt und ihn bewogen, ihrem Verlangen nachzugeben und ein türkisches Parlament einzuberirfen. Die Türkei hat schon einmal den Versuch gemacht, sich den modernen Formen anzupassen und den Absolutismus des Sultans durch eine Volksvertretung zu begrenzen. Midhat Pascha war der Urheber eines Verfassungsentryurfes, der sogar die Reform­vorschläge der Großmächte noch überbot, und am 19. März 1877 sah man in der Tat die Abgeordneten zum ersten Parlamente vereinigt, die von Asiens entlegener Küste eben­so wie vom Schwarzen Meere und von der serbischen Grenze her nach dem alten Stambul zogen. Aber Midhat Pascha wurde alsbald in die Verbannung geschickt, er liegt in Taif in Südarabien begraben. Begraben war auch alsbald das Parlament, von dessen Wirksamkeit auch nicht eine einzige vernünftige Maßregel zeugt, und Abdul Hamid konnte sich wieder seines durch die Freuden des Harems verschönten Daseins ungehindert erfreuen. Aber die Sehnsucht nachdem Parlamente blieb. Die Träger des Verlangens nach einem auf europäischem Muster aufgebauten Verfaffungsleben sind eben die Jungtürken, die zugleich für all die Drahtzieher zu haben sind, die ein Interesse daran besitzen, das Feuer auf dem Balkan wach zu erhalten. Wer diesmal geschürt hat, ist noch nicht recht klar. Vor kurzem loderte plötzlich die jungtürkische Bewegung wieder empor, gespornt durch Komitees, die ihren Sitz in Gens, Paris, Brüssel und Kairo haben und die sogar vor drei Jahren einen großenKongreß der liberalen Ottomanen" abhielten, auf dem man sich mit den Armeniern zum Kampfe um eine türkische Verfassung verbrüderte. Gefährlich wurde diese Bewegung vor allem dadurch, daß sich ihr ein Teil des Militärs anschloß, das oft Wochen und Monate lang auf seinen dürftigen Sold warten und zusehen muß, wie das Land zwar durch Steuern ausgesogen, die zusammengescharrten Summen aber lediglich Zum Nutzen der Großen verwendet werden. Bedenklich wurde andererseits, daß die jungtürkische Bewegung Gegenden Mm Schauplatz wählte, die ohnehin, wie Albanien, schon häufig von schweren Unruhen heimgesucht wurden. Die Jungtürken riefen bereits in diesen Gebieten die Einführung d« Verfassung aus. Hätte der Sultan nicht nachgegeben, so hätte er den Bürgerkrieg im Lande gehabt. So wich er zurück und erklärte die Verfassung von 1876 von neuem für giltig. Vielleicht hofft er auch, daß die Volksvertretung, die aus so ungleichmäßigen Elementen bestehen wird, bald

abwirtschaftet, wie die Duma. Ein Volk muß erst inner­lich reif geworden sein, wenn es die alte Kultur und die politischen Bedingungen eines anderen Volkes in sich auf­nehmen will. Und an politischer Schulung fehlt es den Türken noch vollständig.

Die Streitmacht des Sultans Abdul Aziz soll auf ihrem Vormarsch gegen Marakesch von hafidischen Stämmen geschlagen und zurückgeworfen worden sein.

* *

*

Aus Südafrika treffen Nachrichten ein über einen drohenden Aufstand der Zulus und die in aller Eile getroffenen militärischen Vorkehrungen der Regierung von Natal. Diese habe sich durch die vertragswidrige Ver­weigerung der Gehaltszahlung an den Häuptling Dini Zulu während seines Prozesses nicht nur bei allen Zulus, sondern auch bei der Mehrzahl der englischen Kolonisten sehr unbe­liebt gemacht.

Landesnachrichlen.

Altenst-ig, 28. Juli.

Eine Seltenheit kann man zur Zeit in einem hiesigen Garten beobachten: Einen blühenden Apfelbaum, der da­neben reichlich mit Früchten beladen ist.

! Die Nachsendung von Postsachen ist in der gegen­wärtigen Reise- und Ferienzeit für viele von großer Wich­tigkeit. Wenn jemand die nach seiner Wohnung gelangenden Briefschaften nachgesandt erhalten will, so muß dem Postamt rechtzeitig die vorübergehende auswärtige Adresse angegeben werden und gewöhnliche' und eingeschriebene Briefe, Druck­sachen usw., Postanweisungen, werden dann unentgeltlich nachgesandt. Wenn es sich jedoch um Ortsbriefe handelt, die mit einer 5-Pfg.-Marke frankiert sind, wird bei der Nach­sendung der Unterschied zwischen dem Porto für den Orts­und Fernverkehr erhoben. Strafporto gibt es hier nicht. Unangenehm ist es aber, wenn geschäftliche Anpreisungen, die gewöhnlich in den Papierkorb wandern, nachgesendet und schließlich mit 15 Pfg. Nachzahlung (bei starken Einlagen) auf das tarifmäßige Porto von 20 Pfg. gebracht werden müssen. Wem es nicht erwünscht ist, daß ein von ihm aufgegebener Ortsbries dem Empfänger auf die Reise nach­geschickt wird, muß den Brief mit der Aufschrift versehen: Nach außerhalb nicht nachsenden."

-v. Ebhausen, 27. Juli. Vom schönsten Sommerwetter begünstigt feierte gestern der hiesige Turnverein ein Wald - f e st. Nachmittags '^3 Uhr ordnete sich beim Gasth. z. Sonne ein stattlicher Festzug, der sich unter den Klängen der Na­golder Stadtkapelle durch das obere und untere Dorf auf den FestplatzReuterwasen" begab. Bald sammelten sich dort zahlreiche Gäste aus hier und der Nachbarschaft. Für Er­frischungen war gut gesorgt, und durch die schneidigen tur­nerischen Uebungen: Gemeinsamer Marsch, Frei- und Sprungübungen, die von Turnwart Niederer geleitet wurden, durch gute musikalische Vorträge der Kapelle und Tanz wurde der Nachmittag angenehm ausgefüllt. Abends war noch musikalische Unterhaltung im Gasthaus z. Traube für die hiesige Turnerschaft.

* Calw, 27. Juli. Eine von etwa 150 Volksschullehrern aus den Bezirken Böblingen, Calw, Leonberg, Nagold und Neuenbürg besuchte Gauversammlung nahm folgende Re­solution an:Damit die Lehrerschaft nach langem Kampfe um die berufliche Selbständigkeit ihrer eigentlichen päda­gogischen Ausgabe ungeteilt sich hingeben kann und damit ein gedeihliches Zusammenarbeiten mit den Volkserziehern aus dem geistlichen Stand ermöglicht werde, hält die Gau­versammlung die Beseitigung der Aufsichtsbefugnisse des Ortsgeistlichen und ihre Uebertragung an den Bezirksschul­inspektor für notwendig. Die zweckmäßigste Ordnung der Bezirksaufsicht besteht in der Besetzung der Aemter mit den bewährtesten und tüchtigsten Kräften des Lehrerstandes. Außerdem erklärt die Versammlung, daß sie ganz auf dem Boden des vom Gesamtausschuß ausgegebenen Pro­gramms steht.

Bad Teinach, 27. Juli. (Korr.) Letzten Samstag, den 25. ds. Mts. fand hier unter überaus zahlreicher Be­teiligung von nah und fern bei schönstem Wetter das Iacobifest mit Hahnentanz statt. Nach dem Fest­zug, in dem Wald- und Gäutrachten in beträchtlicher Zahl vertreten waren, begannen auf dem Festplatz die Kinderspiele, Sacklaufen, Sackhüpfen, Mastklettern, Wassertragen usw.,

denen der Hahnentanz folgte. Den Schluß bildete eine Tanzunterhaltung. Als ein erfreuliches Zeichen ist es zu betrachten, daß, nachdem sich die hiesigen Vereine des Festes angenommen haben, die Beteiligung der Volkstrachten von Jahr zu Jahr zunimmt.

js Oberthalheim, 27. Juli. Gestern abend schlug der Bauer Ade imEngel" den Händler Schmid mit einem Untersätzchen derart an die Schläfe, daß letzterer schwer ver­letzt darnieder liegt.

js Wildbad, 27. Juli. Außerordentliches leistete gestern der Hoffeuerwerkstechniker Wilhelm Fischer aus Cleebronn bei der Enzpromenaden-Beleuchtung mit Feuerwerk. Ein Triumphbogen in allen möglichen Farben bildete die Ein­gangspforte der märchenhaft illuminierten Promenade. Auf den Bäumen und in der Lust schwebten Hunde, Katzen und Eulen in bengalischer Beleuchtung, geisterhafte Physiognomien glotzten von der Vogelperspektive hohnlächelnd herab. Die Enz selbst erstrahlte in einem Farbenmeer. Wie aus dem Boden gewachsen, erheben sich weiter rechts Schlangen, Türmchen rc. in unzähliger Menge und magischem Lichte. Um ^9 Uhr setzte die Musik mit einem Marsche ein und kurz daraus verkündeten Kanonenschläge den Beginn des Feuerwerks. Drei Georginensonnen in allen Farben zeigten sich als erste Front, zwischen durch Raketen, Pots a feu und Bomben. Hierauf verwandelten sich fünf Brillantfontänen in' fünf Kaiserfontänen mit blauen Perlen und Edelweißsternen. Ein indischer Juwelenbaum, Fontänen und laufende Sonnen entrollten sich wie in einem Märchen zu einer Brillantperle. Als Schlußeffekt erschien unter Bombardement von römischen Lichtern und Sternen in allen Farben bei schmetternder Musik des Kurorchesters:Heil dir im Siegeskranz" das württembergifche Wappen umgeben mit Lorbeeren.

! Rottenburg, 27. Juli. Eine römische Wasserleitung wurde bei Grabarbeiten hier freigelegt. Die ganze Anlage ist völlig unversehrt. Der Kanal ist etwa 1 Meter tief und 60 Cm. breit, lieber dem Kanal liegt eine etwa 40 Cm. starke, schwarze Kulturschicht mit römischen Scherben. Ueber dieser Kulturschicht folgt sodann die über 2 Metter starke gelbe Humus- und Lehmschichte als geschlossenes Ganzes, wie sie sich ganz von selbst in anderthalb Jahrtausenden gebildet hat, vielleicht unter dem Einfluß von Ueberschwem- mungen des westlich benachbarten Weggentalbaches. Die große Tiefe des Humus, die übrigens westlich des Weggen­talbachs nicht so bedeutend ist, läßt es erklärlich erscheinen, warum frühere Grabungen in dieser Gegend völlig erfolglos blieben.

js Stuttgart, 27. Juli. Am Sonntag, den 2. August findet für den Verein der württembergischen Baumwarte eine Kreisversammlung für den Schwarzwaldkreis imTrei- könig" in Freudenstadt unter Leitung des Vorstandes, Oberamtsbaumwart Haller-Erzingen, statt. Die Versamm­lung beginnt vormittags halb 11 Uhr. Den Hauptgegenstand bildet die Gründung einer eigenen Unterstützungskasse. Nachmittags findet ein Vortrag statt.

! Stuttgart, 27. Juli. Das hief. Oberlandesgericht hatte sich kürzlich mit einem für Jagdpächter prinzipiell wichtigen Fall zn beschäftigen. Ein Bierbrauereibesitzer hatte sich ver­schiedene Verstöße gegen das Jagdgesetz zu schulden kommen lassen und es wurde ihm schließlich die Jagdkarte entzogen. Als Pächter einer größeren Jagd hatte er aber ein Interesse daran, diese nicht nutzlos liegen zu lassen, weshalb er jagde- berechtigten Bekannten sein Jagdgebiet überließ und sich beim Treiben beteiligte. Ein Forstwart erstattete daraufhin An­zeige, worauf das Oberamt in der Voraussetzung, daß der Betreffende auch geschossen habe, auf eine Geldstrafe von 25 Mk. erkannte. Nachdem das Schöffengericht diese Strafe bestätigt hatte, kam die Sache vor die Strafkammer, die den A. freisprach mit der Begründung, es sei nicht nachgewiesen, daß er selbst geschossen habe. Das Oberlandesgericht, das alsdann angerufen wurde, stellte sich aber auf einen anderen Standpunkt. Hiernach liegt eine Uebertretung des Jagdge­setzes schon darin, wenn ein zur Jagd nicht Berechtigter, wie dies im vorliegenden Fall geschah, seinen Hund zu Auf­suchung von Hühnern losläßt und durch den Hund geschossene Hühner apportieren läßt. Die Strafe wurde dann von der Strafkammer auf 10 Mk. festgesetzt. Strafmildernd kam in Betracht, daß der A. bereits dadurch sehr geschädigt ist, daß er Jagdpacht zahlen muß und die Jagd nicht selber ausüben darf.

js Vom Ries, 27. Juli. Das Interesse der Reisenden erregte am Samstag abend eine mit einem riesigen Kranz geschmückte Lokomotive. Es war die MaschineOlmütz" aus Aalen, die den letzten Kirschenzug das Remstal herauf-