Ergründet
1877.
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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.
«r. 171.
Ausgabeort Altensteig-Stadt.
Freitag, de« 24. Juli
Amtsblatt für Pfalzgrasenweiler.
1SVS.
Bo« allerlei Fürstenbegegrrungerr.
Für die Monate
Tagespolitik.
(Nachdruck verboten.)
Im Allgemeinen stand bei den Zusammenkünften von regierenden Herren als Motto über dem Programm stets: „Ü'sntrsvus o'sst In paix" — „Die Begegnung ist der Friede/ In der Regel ist auch wohl der Friede das aufrichtig erstrebte Ziel gewesen, aber recht oft waren die Verhältnisse stärker, wie der gute Wille. Und der Umschwung kam mitunter wider Erwarten schnell, aus dem Frühlingsfest ward ein Donnerwetter.
Wenn bei dem bevorstehenden Besuch des Präsidenten der französischen Republik, des Herrn Armand Fallieres in Rußland wieder auf die ja abgrundtiefen Gegensätze zwischen gallischem und moskowitischem Regiment hingewiesen wird, so kann man immer wieder nur daran erinnern, daß es in der Politik keine Unmöglichkeiten gibt. Die Kontraste zwischen Russisch und Französisch waren früher noch viel stärker, wie in der heutigen modernen Zeit, und man kam trotzdem zu einander.
Kaiser Alexander I. von Rußland traf sich mit Napoleon I. nach den Niederlagen von Austerlitz und dann am Schluß des preußisch-russischen Feldzuges von 1807. Damals war die Gegnerschaft so groß, wie nur möglich, aber sie hinderte nicht im mindesten den Fürsten-Kongreß von Erfurt, auf dem Napoleon und Alexander als die besten Freunde miteinander verkehrten. Wenige Jahre darauf folgte dann der Feldzug von 1812 mit dem Drama von Moskau. Im Gegensatz zu seinem Bruder Alexander !. wollte Zar Nikolaus I. von Rußland absolut nichts von Napoleon lll., dem aus der Revolution hervorgegangenen zweiten Cäsar, wissen, und es kam darüber zum Krimkrieg. Aber wozu sein Vater Nikolaus sich nicht bequemen konnte, zum demütigenden Friedensschluß, das mußte sein Sohn Alexander II. tun. Er traf darauf mit Napoleon in Stuttgart und 1867 in Paris zusammen und bei der letzteren Gelegenheit war es, wo ihm der damalige radikale Politiker und spätere französische MinisterpräsidentFloquet zurief: „VirsIakoloKoolvovsisur!"
Die französisch-russische Bündnis-Vereinbarung ist erzielt unter Zar Alexander III., einem Monarchen von einem solchen selbstbewußten Eigenwillen, daß man nur schwer daran glauben mochte, wie er bei dem Besuch der französischen Flotte in Kronstadt entblößten Hauptes den Vortrag der republikanischen Nationalhymne, der Marseillaise, anhören konnte. Und diese Allianz kam zu Stande bald nach einem Besuche des Kaisers in Berlin, noch nicht zehn Jahre nach der großen Dreikaiser-Begegnung won Skierniewice, die eine dauernde Freundschaft der drei Monarchen und ihrer Reiche besiegeln zu sollen schien. Zar Nikolaus II. war zwei Mal in Frankreich, in Paris und Compiegne, zum Besuche der Präsidenten Felix Faure und Loubet, er wird in absehbarer Zeit zum dritten Male dorthin gehen, um die jetzige Visite des Herrn Fallieres zu erwidern.
König Wilhelm I. von Preußen und Kaiser Franz Joseph begrüßten sich kaum ein Jahr vor 1866 zum letzten Mal persönlich; freilich lag der große deutsche Auseinandersetzungskrieg schon damals in der Lust. Und hierüber mögen wir noch fortsehen, denn wir wissen, der ehrwürdige Habsburger ist Deutschland's treuster Freund geworden. Geschlossen sward aber das deutsch-österreichische Bündnis, das nun schon ein Menschenalter besteht, unmittelbar vor einer Begegnung Kaiser Wilhelms I. mit Kaiser Alexander I. von Rußland. Damit war auch das glänzende Bild der Dreikaiser-Begegnung von 1873 in Berlin zerstöt. Der Großvater unseres jetzigen Kaisers war zum letzten Mal in Paris im Sommer 1857: drei Jahre später kam der Nationalkrieg.
In der allerletzten Zeit war die Zahl der Begegnungen der Staatsoberhäupter so zahlreich, daß das Me Scherzwort: „Was sieht ein König selten, der Bauer aber alle Tage?" (nämlich seinesgleichen) beinahe von seiner Richtigkeit verloren hat. Jede Zusammenkunft stand unter dem Zeichen des Friedens, aber alle Trinksprüche, die der Erhaltung dieses ersehntesten Zustandes gewidmet waren, haben doch nicht hindern können, daß nur zu oft ein verdächtiges Rauschen im internationalen Blätterwalde folgte. Alle die Feldzüge, der serbisch-bulgarische und der griechisch-türkische Krieg, der amerikanisch-spanische, der japanisch-chinesische, der russischjapanische Krieg und der Buren-Feldzug tauchten jäh auf, nachdem nicht lange vorher Begrüßungen und Konferenzen stattgehabt hatten. Und man sagte von Kaiser Nikolaus II. von Rußland, daß er vielleicht nicht in den Krieg mit Japan eingewilligt haben würde, wenn bei seinem Besuch in diesem Lande nicht ein Fanatiker seinen Säbel gegen das Haupt des damaligen Thronfolgers geschwungen hätte.
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Ist D<«tfchla«d ärmer geworden?
Die sogenannte „stille" Sommerzeit hat soviel Trubel und Sensation gebracht, daß darüber manche nüchterne, aber im höchsten Grade wichtige Tatsachen übersehen worden sind. Wir hören heute immer noch die Klage, daß trotz des bei der Reichsbank billiger gewordenen Geldes doch für die mittlere und kleinere Geschäftswelt, für manchen Haus- und Grundbesitzer doch noch lange kein flüssiges Geld zu haben ist. Selbst nicht wenige Städte haben damit zu kämpfen, wenn es auch wohl deutschen Kommunen nicht so schlecht ergangen ist, wie neulich der Kaiserstadt an der Donau. Wien legte eine Anleihe von 150 Millionen auf, aber nur 100 Millionen wurden gezeichnet, für eine Kaiser- und Residenzstadt gerade kein liebliches Resultat. Pessimisten stoßen die Behauptung aus, Deutschland sei ärmer geworden, die Optimisten bestreiten es. Die ruhigen Beurteiler, die sich einzig und allein auf den Boden der Tatsachen'stellen, sagen, Deutschlands Geldvorrat nimmt immer noch zu, wir werden also nicht ärmer, sondern wohlhabender, freilich wachsen noch stärker die Ansprüche, die an unser National-Portemonnaie , gestellt werden. Es ist doch eine Riesenleistung für die heutige teure Zeit, daß im ersten halben Fahr 1908 für Anleihen, Obligationen usw. 2270 (also zweitausendzweihun- dertundsiebzig) Millionen deutsches Bar-Kapital auf den Tisch gelegt wurden. Aber das ist bei Weitem nicht Alles! Rechnen wir die Fonds, welche sich in unseren großen Versicherungskassen angesammelt haben und noch weiter vermehren, die ebenfalls hoch in die Millionen gehen, beachten wir endlich auch noch die Anlagen in Hypotheken und zuletzt den Bestand der Sparkassen. Das Guthaben der kleinen deutschen Sparer bei denselben beträgt zur Zeit etwa achttausendfünfhundert Millionen (acht und eine halbe Milliarde), kein anderer Staat, auch das reiche England nicht, kommt uns darin gleich. Das sind nüchterne Ziffern, die sür sich selbst sprechen und die gegenüber den Schwarzmalereien des Auslandes am besten sagen: Wir können es schon noch aushalten!
Natürlich ist dieser nationale Kapitalbesitz nicht gleichmäßig verteilt, nicht einmal das Vermögen der kleinen Sparer. Wie wir im deutschen Vaterlande außerordentlich verschiedenen Acker haben, so haben wir auch dicht beieinander mitunter, einen ganz wechselvoll entwickelten Sparsinn. So gibt es auf dem Thüringer Walde, der nicht zu den reichen Gegenden Deutschlands gezählt werden kann, Dörfer mit recht lebenslustigen Einwohnern, deren Nachbarn, ein paar Stunden weiter nach der Ebene zu, dagegen einen geradezu erstaunlichen Sparsinn entwickeln, nicht selten dermaßen, daß die Ernährung darunter leidet. Wenn einmal übersichtlich zusammengestellt würde, was in diesen nur recht mäßig bemittelten Gegenden alljährlich auf die hohe Kante gelegt wird, in viel wohlhabenderen Orten würde man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die Lebensgewohnheiten machen eben unendlich viel aus!
Wir^würden kaum jemals in eine Geldklemme geraten sein, wenn die so leicht erscheinenden Ansprüche an das flüssige Geld nicht übertrieben worden wären. Ueberall, wo Anleihen, Obligationen usw. ausgegeben werden sollten, war man der Ansicht, das Geld wird nicht alle, kann nicht alle werden. Das ist es auch nicht geworden, aber es reichte nicht, weil die Anforderungen zu üppig wurden. Unsere deutschen Städte haben sich allesamt schmuck herausgemacht, nirgendwo sind moderne Errungenschaften unbeachtet geblieben, aber nun rechne man einmal die Gesamtsumme der Anleihen zusammen. Und dann kommt das Reich, die Staaten, die Kommunalverbände, unsere kolossal gewachsene Industrie, die Hypothekengelder, das liebe Ausland, ja, da kann die deutsche Kapital-Kuh schon sehr reichlich Milch geben, aber einmal genügt sie doch nicht. Die weiteren Geldexperimente werden schnell genug ergeben, wie, in welchem Maße die Geldflüssigkeit wieder wächst. Darnach richtet sich nicht das Haben-Wollen, sondern sich Bescheiden-Müssen. Ohne ein ernstes Sparsamkeits-Rezept geht es kaum ab.
Eine gewisse Mißstimmung hat auf dem Deutschen Turnfeste das Fernbleiben des Protektors, des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, hervorgerufen. Ursprünglich war der Kaiser als Protektor ausersehen, allein schon die erste Fühlungnahme ergab, daß keine Geneigtheit für ein solch kaiserliches Protektorat bestand. Der Festausschuß wandte sich an den Kronprinzen, der nach längeren Verhandlungen zusagte, jedoch dann plötzlich eine Reise nach seinen Vorarlberger Besitzungen ankündigte und diese auch gerade in den Tagen des Festes durchführte. Im letzten Moment mußte daher nach einem Stellvertreter gesucht werden, und nachdem auch Prinz Eitel Friedrich abgesagt hatte, wurde dieser in der Person des Prinzen Oskar gefunden, der zurzeit noch seinen Studien in Bonn obliegt. Doch konnte das erst in später Stunde erfolgte Eintreffen des Prinzen die Verstimmung ebenso wenig beschwichtigen wie seine vielfach gerühmte persönliche Liebenswürdigkeit. Wenn man bedenkt, daß die deutsche Turnerschast nahezu eine Million wehr- und waffenfähige Mitglieder zählt, die zum Teil gediente Soldaten sind, zum Teil demnächst unter die Fahne treten werden, und daß die deutsche Turnerschaft außerdem ihr möglichstes getan hat, um das in früheren Jahren bestandene Mißtrauen hoher und höchster Kreise gegen die deutsche Turnerei zu beseitigen, so kann man die herrschende Erregung schon verstehen. Sie kam sowohl vor wie nach dem Festzuge zum Ausdruck und dauert auch heute noch in unverminderter Stärke an. Es kommt hinzu, daß das Frankfurter Turnfest sich tatsächlich zu einem großen deutschen nationalen Fest ausgewachsen hat, daß die Beteiligung eine allgemeine war und daß der Eindruck, den die frischen und ihrer Kraft bewußten Turner machten, überall hervorragend günstig war. Schließlich hätte wohl auch noch in Betracht gezogen werden sollen, daß das Turnfest an einem historisch bedeutsamen Orte wie Frankfurt a. M. abgehalten wurde, der Stadt der alten deutschen Kaiserkrönungen, die kaiserliche Besuche aus weit weniger bedeutsamen Anlässen wiederholt empfangen hat.
Die Erkläryng des französischen Botschafters in Berlin, Jules Cambon: „Ein gewisser Teil des deutschen Volkes, und nicht der wenigst wohlhabende und tätige, ist nicht friedlich gesinnt und erinnert sich gern daran, daß Deutschlands wirtschaftlicher Aufschwung von 1870 datiert" hat selbst bei den Landsleuten des Botschafters vielfach Unwillen erregt. So meint z. B. der Pariser „Eclair": Durch diese Aeußerung schaffte sich der Botschafter gefährliche Schwierigkeiten. Laut versichern, daß die deutsche Regierung korrekt ist, viele ihrer Landleute es aber vielleicht weniger sind, heißt Hader säen, statt Mißverständnisse aufklären.
Im österreichischen Herren Hause hat am Dienstag Fürst Schönburg bei der Beratung wegen der Erhöhung der Landwehrrekrutenzahljdas Bündnis mit Deutschland berührt. Er erklärte unter dem Beifall des Hauses, dieses Bündnis sei im wesentlichen ein militärisches Bündnis. Er hege ein felsenfestes Vertrauen zu der Bundestreue der beiden Staaten und sehe die Armee Oesterreich-Ungarns mit der Armee des Deutschen Reiches lieber verbündet, als mit sämtlichen Armeen des Festlandes.
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Eine französisch-deutsche Entente cor- diale fordert der bekannte Sozialist Sembat in einem längeren Leitartikel in der „Humanite". Er bedauert es auf das lebhafteste, daß die Nachricht von einer Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Präsidenten Fallieres dementiert worden ist und erklärt: Diese Begegnung wäre mehr wert gewesen als die ganze übrige Reise Fallieres. „Wenn wir die Lage mit kaltem Blut betrachten", so schließt der Artikel, „so müssen wir zu der Ueberzeugung gelangen, daß es kein eiglück sichere diplomatische Aktion gäbe, als eine Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland. Wenn die Diplomaten nicht wollen, muß das Volk sie dazu zwingen."
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Tie jungtürkische Bewegung, deren Endziel die Gewährung einer Verfassung ist, hat zu einem richtigen Aufstand geführt. Eine Versammlung in Berissowitz erklärte sich mit den Jungtürken einig und sandte ein Telegramm mit 1200 Unterschriften nach Konstantinopel. Auch die