W

Gegründet 1877.

Fernsprecher Nr. 11.

8

Arsctzeint täglrch M Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Anzeigenpreis bei einmaliger Ein rückung 10 Pfg. di« einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechenderRabatt,

MenMa.M

MMblatt für

Bezugspreis stir das Merteljahr i« Bezirk und NachbarortSverkehr M. 1.25

swßerhalb Mk. 1.35.

Reklamen 15 Pfg. die Textzeile.

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Zreudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

«r. 170.

Ansgabeort Altensteig-Stadt.

Donnerstag, de« 23. Juli

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

ISO«.

Die Unabhängigkeit deS Wotten-Bereins.

(Ein Wort zur Verständigung.)

Man schreibt uns:

In dem Flotten-Vereins-Streite spielt eine große Rolle das Schlagwort von derUnabhängigkeit" des Vereins. Da ist es vielleicht verstattet zu fragen, wer eigentlich die Unabhängigkeit bedroht habe oder bedrohen wolle. Die Regierung, die Protektoren, die dessidierenden Verbände Baden, Bayern, Berlin-Brandenburg usw. ? Oder wer sonst? Vergebens suchen wir nach einer Antwort auf diese Frage; vergebens nach Umständen, die die Sorge vor Beeinträchtigung der Unabhängigkeit rechtfertigen.

Kann jemand ernstlich glauben, daß man an den so­genanntenhöheren Stellen" weniger warm oder weniger weitgehende Wünsche für die Entwicklung unserer Seemacht hege als die Extremen im Flotten-Verein, oder daß nur jene es seien, die das richtige patriotische Empfinden, das richtige Augenmaß für das Notwendige und Erreichbare haben?

Es besteht zunächst ein Unterschied zwischen dem Wünschenswerten und dem Erreichbaren, und es sprechen verschiedene Gründe dafür, daß die ganze Frage subtil be­handelt und gewisse Rücksichten genommen werden.

Die Frage der Flottenverstärkung ist vor allem technisch eigenartig und schwierig. Es spielen Momente eine Rolle, die geheim gehalten werden müssen. Ausschlaggebend sind Dinge, die bei anderen Nationen vorgehen, die Entwicklung der dortigen Marine, Verhältnisse, von denen nur die ver­antwortlichen Stellen eingehende und sachverständige Kennt­nis haben können. Es darf darum die Ansicht von Laien nicht ausschließlich Geltung beanspruchen, es muß Vertrauen zu den verantwortlichen Stellen vorhanden sein.

Die Marine-Verwaltung kann dieses Vertrauen nicht entbehren. Sie muß es haben, weil sie, wenn Aenderungen, wenn eine Vermehrung notwendig wird, an die Volksver­tretung mit Geldforderungen herantreten muß.

Man darf auch nicht Leute, die nicht ohne weiteres dem, was eine extreme Richtung fordert, zustimmen, vor den Kopf stoßen, sie Dummköpfe und Vaterlands-Verräter schelten und ihnen fremde Motive unterschieben. Dadurch wird die Stimmung für die ganze Sache verdorben, die Be­reitwilligkeit, Opfer zu bringen, nicht gefördert.

Warum ohne weiteres an dem ehrlichen Patriotismus jener zweifeln, die in das Urteil der Marine-Verwaltung mehr Vertrauen setzen als in die Kundgebungen von Män­nern, denen bei aller patriotischen Begeisterung doch eine eingehende Sachkunde mangelt? Warum diese Männer Leise­treter, weshalb einen Flotten-Verein nach ihrem Sinn einen Regierungs-Verein nennen? Was wäre denn der Preis, mit dem die Regierung sich die Abhängigkeit jener Männer er­kauft hätte? Niemals hat sich die Opposition der gemäßigten Richtung im Flotten-Verein gegen eine Flotten-Verstärkung irgend welcher Art gerichtet. Immer nur gegen die Formen, in denen der gemeinsame Wunsch zum Ausdruck gebracht und ihm Freunde geworben werden sollten.

Und dann, wozu wirkliche oder vermeintliche Mängel unserer Marine fortwährend bloßlegen? Das, was noch zu geschehen hat, hat die Marine-Verwaltung vielleicht längst erkannt und vorbereitet. Warum in alle Welt hinausschreien, unsere Marine sei minderwertig? Erhöht das unser Gewicht in der Welt? Oder erleichtert es die Führung unserer aus­wärtigen Politik?

Auf der anderen Seite erweckt das Geräusch der extre­men Richtung den Anschein, als hege die deutsche auswärtige Politik Aspirationen, die ihr tatsächlich ferne liegen. So kann es leicht kommen, daß der Vorsprung, den wir durch patriotischen Opfermut zu gewinnen trachten, durch über­mäßige Kraftanstrengungen der anderen Nationen wieder wett gemacht wird.

Die verantwortlichen Stellen im Reiche bedürfen keines Vorspannes, sie bedürfen keines Vereins, der durch Vor­bieten ihnen zum Erreichen des Notwendigen verhelfe. Sie können eines Flotten-Vereines entraten, in dem eine Rich­tung die andere mit Verunglimpfung behandelt, Unruhe und Streit heroorruft, die weit über den Rahmen des Vereins hinaus in das Leben der Nation eingreifen.

Was dem Volke nottut und was die verantwortlichen Stellen im Reiche nicht dankbar genug begrüßen können, das ist ein Flotten-Verein, der aufklärende Arbeit leistet über das Wesen, die Bedeutung und den Zweck der Wehrmacht zur See, ein Flotten-Verein, der das Nationalgefühl nach dieser Richtung hin belebt, die Liebe gerade zu dieser nationalen

Sache weckt und erwärmt, so wie es im Schreiben des Prinzen Heinrich von Preußen an die Danziger Versammlung hieß in stiller einmütiger Arbeit".

Tagespolitik.

Die Gerüchte, daß der Kaiser und Präsident Falliöres eine Begegnung in den nordischen Gewässern haben werden, wollen nicht verstummen. Für die Richtig­keit dieser Angaben wird neuerdings ein Umstand ins Gefecht geführt, der in hohem Maße charakteristisch wäre und des pikanten Interesses nicht entbehren würde. Es handelt sich um folgendes : Die Industriellen Frankreichs waren bekannt­lich ungehalten darüber, daß die Ausstattung des Kreuzers Vßritö", auf dem Präsident Fallieres seine Reise zurücklegt, nicht privaten Firmen, sondern der Regierungswerft in Brest übertragen worden war. Und jetzt heißt es, dieser Weg sei gewählt worden, weil die Tatsache nicht in die große Oeffentlichkeit dringen sollte, daß für dieVörits" deutsche Flaggen und andere auf Deutschland bezügliche Aus­stattungsgegenstände angesertigt wurden mit Rücksicht auf die Möglichkeit einer Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Präsidenten Fallieres.

Wer ein Herz im Leibe hat, wird die Vertagung des Eulenburg-Prozesses nicht tadeln und nichts dagegen haben, daß dem Angeklagten viel Milderungen zuteil wurden. Nur wird man fordern dürfen, daß in ähnlichen Fällen nicht nur dem Fürsten, sondern auch dem einfachsten Manne gleiche Rücksichten gewidmet werden. Auch dem Armen, der als Kranker sich in Untersuchung befindet, der gleichfalls nicht imstande ist, an dem Spaziergang im Ge- sängnishose teilzunehmen, müßte doch wohl eine erfrischende Spazierfahrt gegönnt werden, auch ihm müßte man die Gunst gewähren, Gattin und Kinder, auch wenn sie als Zeugen berufen sind, in der Haftzelle und in jeder Phase der Ver­handlung um sich zu sehen. Es ist bitter an den Fall des Genossen Peus zu denken, dessen Frau im Wochenbette starb, ohne daß es ihm erlaubt wurde, einen kurzen Urlaub aus der Untersuchungshaft anzutreten. Erwünscht wäre ferner, daß auch in anderen Prozessen, in denen es sich uni Ehre und Leben handelt, die Zeugen auf ihre Glaubwürdigkeit so genau an Herz und Nieren geprüft werden, wie es im Prozesse Eulenburg geschieht, wo man häufig den Eindruck gewann, als ob nicht er, sondern die Zeugen einem hoch­notpeinlichen Verfahren wegen Meineids ausgesetzt wären. Die Vernehmung der Schöffen aus dem Münchener Prozeß hat sich sogar bis zu der Erforschung der Geheimnisse des Beratungszimmers erstreckt. Diese Sorgsamkeit ist sicherlich nicht zu tadeln, aber sie sollte nicht einseitig auf den ein­zelnen Fall, sondern ohne Rücksicht auf die der Justizpflege erwachsenden Schwierigkeiten überall angewendet werden. Sonst ist eben diese so gewissenhafte Methode doch ein Stück Klassenjustiz. Die Rechtslage die jetzt geschaffen wurde, ist einfach, aber nicht erfreulich : Der Prozeß befindet sich wieder­um in dem Stadium der Voruntersuchung. Wenn es zu einer neuen Verhandlung kommt, muß das ganze Beweis­material noch einmal vernommen werden. Auch die Ge­schworenen können sich nach all der Arbeit jetzt nur mit dem Bewußtsein trösten, Wasser in ein Sieb geschöpft, den Prozeß aber in keiner Weise vorwärts gebracht zu haben. Wie der erste Hardenprozeß, so ist auch, wenn auch aus völlig verschiedenen Gründen, der erste Prozeß Eulenburg wie mit einem Schwamme fortgelöscht worden. Man kann also an das fröhliche Ende den fröhlichen Anfang knüpfen. Das ist im Interesse der Allgemeinheit schauderhaft. Denn man wird überall den Tag segnen, an dem diese Affäre, die längst den politischen Anreiz eingebüßt hat, für immer von der Bildfläche verschwindet.

* *

*

Der französische Botschafter in Berlin, Cambon, hat einem Schriftsteller bemerkenswerte Erklärungen über die deutsch-französischen Beziehungen gemacht. Er sagte u. a.: Keine Schwie­rigkeit trennt unsere Regierung von der kaiserlichen Regierung. Ich habe nie daran gezweifelt und zweifle auch jetzt nicht an dem guten Willen der Deutschen Regierung. Ich bleibe bei meiner Methode des offenen Spiels: Immer die Wahr­heit sagen, macht stark. Unsere Beziehungen zu Deutschland sind so gut, w.ie wir sie nur wün­schen können. Ich gehe aber nicht so weit, zu sagen, daß sie gegen jede Schwierigkeit gesichert sind. Die öffent­

liche Meinung in Deutschland ist ebenso nervös und leicht zu beeinflussen wie die Frankreichs. Aber für den Augenblick sehe ich keinen Grund zur Unruhe. Wir treiben keine Angrifsspolitik gegen Deutschland, werden sie niemals treiben und fortfahren wie bisher, so auch in Zukunft, die Loyalität unserer Absichten und Handlungen darzutun. Meine innerste Ueberzeugung aber ist, hüten Sie sich vor Illusionen! Wenn Frankreich vom Weltfrieden spricht, stellt es sich gerne vor, die ganze Welt sei friedlich gesinnt. Dasselbe gilt auch für die deutsche Regierung und für einen großen Teil des deutschen Volkes. Ein anderer Teil aber und nicht der geringste, erinnert sich gerne daran, daß Deutschlands Wohlstand mit 1870 seinen Anfang nahm. Der deutsche Lehrer ist von Grund aus patriotisch, er erzieht die künftigen Generationen im Kultus des Vaterlandes, und diese tiefe patriotische Empfindung gibt dem deutschen Volke eine gewaltige Kraft. Auch wir dürfen diesen Patriotismus nicht verlieren. Kein Mensch in Frankreich denkt an einen Krieg. Aber so abgebraucht ist unser Volk nicht, daß es ohne Empörung die ungerechteste Behandlung ertragen kann. Viele Gelegenheiten, etwaige Mißverständnisse zu zerstreuen, werden sich ergeben. Die intellektuelle Annäherung der Kongresse ist z. B. eine solche Gelegenheit. Verlangen wir vorläufig nichts mehr und hüten wir uns vor den Träumen und vor den Träumern, die nach der Laune ihrer Einbild­ungskraft die Ereignisse zu lenken versuchen.'

* *

»

Der jungtürkischen Reformbewegung, der durch die fortgesetzte Einmischung auswärtiger Mächte in die Balkanangelegenheiten mächtig der Kamm geschwollen ist, sind in jüngster Zeit schon zwei türkische Generäle zum Opfer gefallen. Da die Unzufriedenheit auch noch durch die un­pünktliche Löhnung gesteigert wird, so besteht für den Sultan und dessen Regierung zur Zeit eine ernste Gefahr, zu deren Beschwichtigung Truppenverstärkungen aus Asien herangezogen wurden.

Mulay Hafid hat sich entschlossen, von Fez nach Marakesch bezw. Rabat, wie es in anderen Meldungen hieß, aufzubrechen. Nach den neuesten Meldungen aus Fez scheint Raisuli an dem Zustandekommen dieses Beschlusses stark beteiligt zu sein. Es wird nämlich berichtet, zwischen ihm und Mulay Hafid habe in letzter Zeit ein ständiger Brief­wechsel stattgefunden. Am 15. d. M, jsei ein Eilbote von Raisuli in Fez eingetroffen, nach dessen Empfang sich Mulay Hafid zum Aufbruch entschlossen habe. Mittlerweile setzt Mulay Abdul Aziz seinen Vormarsch fort. Seine Aktien" scheinen wieder zu steigen. Wenigstens meldet General d'Amade aus Casablanca nach Paris: Die Notabeln des Medakraftammes sollen Fez verlassen haben, .um sich Abdul Aziz zu unterwerfen.

Die Regierung Guatemalas hat dem New- Horker Staatsdepartement mitgeteilt, daß zwischen Nicaragua und Honduras der Au sbruch eines Krieges bevorstehe, da Nicaragua den Aufständischen von Honduras in Verletzung der Verträge Beistand geleistet hätte.

Landesnachrichten.

Attensteig, 23. Juli.

* Die Fünfzigpfennigstücke der älteren Geprägeformen mit der Wertangabe50 Pfennig" gelten vom 1. Oktober 1908 ab nicht mehr als gesetzliches Zahlungs­mittel. Es ist von diesem Zeitpunkt ab außer den mit der Einlösung beauftragten Kassen niemand mehr verpflichtet, diese Münzen in Zahlung zu nehmen. Sie werden bis zum 30. September 1910 bei den Reichs- und Landeskaffen zu ihrem gesetzlichen Werte sowohl in Zahlung genommen, als auch gegen Reichsmünzen umgetauscht. Die Verpflichtung zur Annahme und zum Umtausche findet auf durchlöcherte und anders als durch den gewöhnlichen Umlauf im Gewichte verringerte sowie auf verfälschte Münzstücke keine Anwendung.

js Haiterbach, 21. Juli. Gestern nacht wurde der hiesige Postillon auf der Fahrt zwischen Unterschwandorf und hier von einem Strolch angefallen. Er sprang vom Bock und rang mit dem Strolch, den er bezwang. Darauf fuhr er davon. Anzeige ist erstattet.

Röthenbach, 20. Juli. (Korr.)Wenn auch der Regen fließt in Strömen, soll er uns den Humor nicht nehmen?" Unter diesem Losungswort wurde gestern unsere Fahne ein-