Fernsprecher Nr. 11.
Sigrun) et 1877.
8
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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigenlatt, verbreitet in den Dberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.
Rr. 145.
Ausgabeort Altensteig-Stadt.
Mittwoch, de« 24. Juni
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
1908.
Der Erfinder der Zeppeline?)
Es war im Juni oder Juli 1897, da erschien eines Tages einer meiner Freunde in meinem Bureau, um mir mitzuteilen, der David Schwarz aus Berlin sei wieder da. Und wer war der? Nun, ein damals in Petersburg, Berlin und Paris nicht Unbekannter; er war der Erfinder des ersten lenkbaren A l u m i ni u m b a l l o n s, der um jene Zeit unter den Auspizien des deutschen Generalstabs auf dem Tempelhofer Felde gebaut wurde, und dem Grafen Zeppelin ist der Name auch vertraut. Denn nachdem Schwarz, wie hier erzählt werden soll, gestorben war, associierte sich Graf Zeppelin mit dessen Witiüe zum Ausbau und zur weiteren Entwicklung der Schwarzschen Erfindung.
Nun, mit diesem David Schwarz war es im Leben sonderbar gegangen, und wenn bei einem, so wurde bei ihm das Wort vom Erfinderschicksal und der Erfindertragik wahr. Er war ein geborener Ungap und in Kroatien zu Hause; und wenn nzan ihm in oen späteren Jahren schmeicheln wollte, apostrophierte man ihn als den Landsmann Teslas. Nur hatte Tesla einen regelmäßigen und methodischen Studiengang hinter sich, indessen Schwarz beinahe bis in sein vierzigstes Lebensjahr von phisikalischen Problemen nicht einmal träumte, sondern als Kaufmann, der er war, und zwar als Holzhändler, wohl eher an indische Pagoden und den Sultan von Kaschgar dachte, als an die Fragen der Luft und des Flugs. Nun brachte es sein Geschäft mit sich, daß er einmal in unangenehmer geschäftlicher Situation und dazu gerade zu Winterbeginn in einen frisch angekauften Forst hinausziehen mußte, um, in einer elenden Blockhütte einquartiert, in Person die Holzfällerarbeiten zu kontrollieren; und in Schaf- und Ziegenpelze eingehüllt, lebte er also im Walde, während seine Familie in Agram war. Und da ging's an, denn er verzweifelte schier vor langer Weile, wenn das Tagewerk vorüber war und die lange Nacht in der Blockhütte begann. Und die Bücher, die man ihm aus der Stadt schickte, schickte er wieder zurück, weil sie ihn noch heftiger und ungeduldiger machten. Romane, über die er lachte, Versifiziertes, das ihn anödete. Den Blick immer auf Positives gerichtet, das zugleich der Kombinationsluft Raum gab, verlangte er also immerfort nach etwas anderem — nur wußte er selbst nicht, wonach. Im folgenden Sommer war er nur noch halb beim Geschäft; ebenso im wiederkehrenden Winter, und Verwandte und Bekannte klagten über die Umwandlung, die mit dem früher so klugen und grundgescheidten Manne vor sich gegangen war. Denn das Geschäft ging zurück, ohne daß er dessen achtete. Was treibst Du? fragte man ihn, und er antwortete mit den ironischen grauen Augen, die einen immer förmlich verschlangen, die Leute anblitzend: „Ich? Dummheiten! Ich konstruiere ein lenkbares Luftschiff/ Und natürlich erzielte er mit dem Worte die gewünschte Wirkung; denn daß es kein Luftschiff sei, was er glaube, darauf schwor nun jeder — und natürlich war es ein Luftschiff: eben der lenkbare Aluminiumballon.
Schwarz wählte das Aluminium, weil es das leichteste Metall ist, und entdeckte dabei als Allererster eine Methode zu der bis dahin für unmöglich gehaltenen Aluminium- lötung. Neu und überraschend war ferner das System vor Versteifungen, die er innerhalb seines Schiffkörpers anbrachte ; einerseits bewirkte er durch sie eine überraschende Erleichterung der Druckverteilung, andererseits erhielten sie das Metall trotz seiner Biegsamkeit und Nachgiebigkeit gegen die stärksten Luststöße in Form. Den Holzboden, auf dem seine Motoren ruhten, sowie das starre Gestänge, welches die Gondel mit dem Schiffskörper verband, machte er zu schwer; dafür schuf er an anderen Stellen Stangen, Platten und Bänder aus ingeniös zusammengesuchtem Material von leichtestem Gewicht. Da gab es u. a. ein Gerüst aus sich verjüngendem Bambusrohr mit schier gertendünnem Ende, von welchem die Techniker gutachtlich erklärten, daß es mit seiner töricht-dünnen Spitze oben die hellste Lächerlichkeit sei; bei der Probe hingen sich drei Mann an dieses Nichts am Ende des -Rohres und es hielt sie, vermöge der Versteifungen, auf welche die Last abglitt, hoch oben und trug sie ganz gut. Das Schiff hatte bereits die Steuerung nach unten und nach oben; ferner hatte es rechts und links je zwei Motoren zu vier Pferdekräften, die in dem Maße, als er sie gleichzeitig, oder nur die einen oder die anderen spielen
*) Das „Neue Pester Journal* veröffentlicht diesen Artikel von Adolf Gelber (Wien), der durch den letzten Aufstieg Zeppelins doppelt interessant sein dürfte.
ließ, das Schiff entweder in gerader Linie sortbewegten, oder ihm die Neigung nach rechts, respektive nach links gaben, womit von selbst auch der Antrieb zum Kurvenlauf gegeben war. Für den Fall der Notwendigkeit sollte aber, wenn die Motoren versagten, das Gas eintreten und den ganzen Körper als Ballon weitertragen; und hier wieder eine Reihe von Ideen, die wie das Ei des Kolumbus anmuten.
Eines Tages trat er nun mit seiner Erfindung vor den damaligen Kriegsminister Krieghammer und bot ihm sein Luftschiff zun: Ankauf für die österreichisch-ungarische Armee an. Vergeblich. Da wendete sich Schwarz denn an Rußland, dessen kluger und technisch hochgebildeter Militärattache in Wien ihm auf die Sache einging, und stellte dort nach zweijährigem Bau ein Aluminiumschiff her, das bei zwei Probefahrten auch bei widrigem Winde die dem Lenker erst hoch oben in der Luft bekanntgegebenen Routen, Linien und Kurven beschrieb. Nur die dritte Probefahrt stand noch aus, da wurde dem Erfinder von einer Seite, deren Nennung hier nichts zur Sache tut, schwarz auf Weiß der Beweis erbracht, daß er nach geglückter dritter Tour nach bekannter Methode als Spion festgenommen und irgendwo zum Verschwinden gebracht werden sollte — und wenn der in seinem Besitze befindlickie Präliminarvertrag beseitigt war, überschrieb man sein Recht auf Schiff und Vertrag aus eine andere Person . . . Und spät nachts dann, im Novembernebel, unmittelbar vor dem dritten Termin, blieb Schwarz allein noch im Werkhause und vernichtete sein Werk, machte die Versteifungen unbrauchbar, zerriß die Ballonets, perforierte das Aluminiumdach, lädierte die Motore und fuhr in aller Morgenfrühe, vermummt und verkleidet, mit falschem Paß und unter falschem Namen aus Petersburg davon.
Und jetzt erst kam er nach Deutschland, erhielt von der Luftschifferabteilung die besten Gutachten, fand das stärkste Interesse beim Chef des Großen Generalstabs und hatte die Freude, daß Kaiser Wilhelm II. selbst den außerordentlichsten Anteil an der Sache nahm. Nach rasch beendigten Vorver- verhandlungen wurde ihm auf dem Tempelhoser Felde für den Bau seines Schiffes ein eigenes Werkhaus errichtet, und eine Elsässer Fabrik, glaube ich, lieferte das Aluminium. Damals nun wurde ich mit ihm bekannt, er stand auf der Höhe seines Glücks und seiner Hoffnung. Da begann es an Geld zu fehlen, die Lohnauszahlungen machten Sorgen, und er kam nach Wien und Agram auf der Suche nach Mitteln, doch vergebens! Alte Freunde sagten: Nein. Nur einer, ein kleiner Gewerbsmann, den er in seinen guten Tagen viel beschäftigt hatte, fühlte Mitleid, als der Herr von einst mit so kreideweißem Gesicht vor ihm dastand, und lieh ihm 800 sl.; aber was lag daran? War doch der Termin für die Probefahrt in Gegenwart des Kaisers bereits angesagt! Am 23. oder 24. August sollte sie vor sich gehen, und der Erfolg war so sicher; hatte das Schiff doch in Rußland schon so exakt manövriert! Und dann war alles erreicht, das Schiff ging um soundsoviel Hunderttausende in das Eigentum der deutschen Kriegsverwaltung über, .und kraft Vorvertrags gab sie dann sofort zwanzig weitere Schiffe um zusammen sechs Millionen Mark in Bau. Und richtig begann man schon auf dem Tempelhofer Felde das Werkhaus niederzureißen, da sich das Schiff am Probetermin direkt von dort aus in die Luft erheben sollte, und in unzähligen Flaschen lag, unt^c Sand und Strohmatten verwahrt, die nötige Menge Wasserstoffgas zur Füllung der Ballonets da. Denn man weiß ja, das Gas muß vor Verdünnung und Verflüchtigung geschützt werden, weil es sonst ungeheuer an Tragkraft verliert. Da auf einmal ein Donnerschlag: Absage des Termins und Verschiebung des Probeaufstiegs, weil sick> gerade für die Zeit des Termins Czar Nikolaus II. zu den Breslauer Manövern ansagte und Kaiser Wilhelm also dort gefesselt war. Und als dann drei oder vier Wochen später und nach schweren Regenwettern der Aufstieg stattsand, erhob sich das Schiff, machte einige Bewegungen und fiel, weil das Gas um seine Tragkraft gekommen war, rasch wieder zurück.
Man spricht von den Schmerzen, in denen ein Autor der Aufführung seines Dramas entgegenbangt, und schildert die hundert Zufälle, von denen der Ruhm und Erfolg abhängt. Welches Schicksal aber verglich sich mit dem hier? Nicht mehr mutig, sondern gebrochen kehrte also der arme Erfinder noch einmal nach Wien zurück, auf der ewigen Suche nach Geld; es handelte sich nicht mehr um 800 oder 1000 fl., sondern um das Sechsfache des Betrages, und wenn er auseinandersetzte, daß einzig die Jnsuffizierung des durch wochenlange Lagerung auf feuchter Erde entkräfteten Gases den Mißerfolg verschuldet habe, daß aber sein Werk
sich darum doch beim zweiten Male triumphierend in die Luft emporschwingen und sie meistern werde, sagte Jeder artig und teilnahmsvoll: Sie werden ja recht haben, und innerlich dachte man: „Ach, inkurabel! Jetzt sieht man's ja!" Gerade in diesen letzten Tagen seines Lebens sah ich an ihm aber, was Stolz ist. Ueberall hörten wir: „Luftschiff? Sprechen Sie mit Jules Verne . . . Eisenbahn zum Monde", und er klagte nicht, sprach nicht, wie Andere in ähnlicher Lage es tun, von Menschenbrut und dem Elend des Feuergeistes auf Erden; sondern er lächelte, ich kann nicht einmal sagen, mit Bitterkeit, und sagte mit der alten Leuchtkraft in den großen Augen einfach: „Man glaubt's nicht — man wird es glauben, wenn ich tot sein werde. Eine Schachpartie gefällig?" Und wir spielten Partien, in denen er hartnäckig immer die Königin preisgab, um zu demonstrieren, daß man sich genial verteidigen kann — nur nützt es nichts. Dabei rasselte und röchelte die Stimme und das Gesicht war aschfahl. An einem jener Tage saß ich nun mit einem Freunde im Stephanskeller beim Speisen, da stand auf einmal einer seiner Freunde im Türrahmen, wortlos und stumm wie eine Bildsäule — ich verstand nicht gleich. Aber auf einmal durchfuhr es mich, und ich fragte, die Bewegung des Schießens nachmachend: „Selbstmord?" — „Nein", erwiderte er, „aber zehn Schritte von hier, bei dem Restaurant „zur Linde", ist er soeben gestorben, an Berstung der Aorta . . . Und so war Alles aus."
Sie waren dort Beide vorbeigegangen, und David Schwarz sagte eben: „Das ertrage ich nicht länger" — da quoll plötzlich ein Strom von Blut aus seinem Munde, er stürzte in den Hausflur, hielt sich, beide Arme gegen die Wand stemmend, noch eine Sekunde aufrecht, brach dann zusammen und war tol.
Tagespolitik.
Zu der offiziös enErklärung inderNordd.
Allg. Ztg. schreibt der „Pariser Temps", die deutsche Reichskanzlei vergesse das Wort: zugleich geben und nehmen taugt nichts. Was mir dem Dementi der Kaiserworte von Döberitz gegeben werde, werde wieder zurückgenommen durch den übrigen Inhalt des Artikels. In den deutschen Zeitungen lese man das einemal, die „Einkreisung" sei bedrohlich, dann wieder, es sei kein wahres Wort daran. Man befürchte in Deutschland, daß Rußland in Abkehrung von dem Mürzsteger Programm seine traditionelle Orientpolilik wieder aufnehme, aber habe denn nicht Oesterreich, der Verbündete Deutschlands, die Initiative zu einer selbständigen Orientpolitik ergriffen?" Es sei eine bedauerliche Voreingenommenheit Deutschlands, zu glauben, jede ohne Deutschland abgeschlossene Verständigung richte sich ge g en Deutschland. Diese Voreingenommenheit habe ihre Quelle in einem Anspruch auf die Hegemonie in Europa, einem Anspruch, den niemand anerkennen könne. Möge Deutschland aushören, sich verfolgt zu glauben; dann werde es eine heitere Gemütsruhe wiedergewinnen, die sich auch den anderen Mächten mitteilen werde. Deutschland beunruhige sich wegen der mazedonischen Frage und nehme das Recht für sich in Anspruch, seine Meinung nicht opfern zu müssen. Möge es dasselbe Recht auch anderen zugestehen und ihnen die Möglichkeit lassen, unter sich übereinzustimmen, ohne sich gleich beleidigt zu fühle». Die Absichten der Mächte seien entgegenkommend; das einzige Mittel, sie unnachgiebig zu machen, sei das, wenn man sie verdächtige. Deutschland gestehe sich heute selbst, daß es sich getäuscht habe über die Wirksamkeit der Politik, die nach Algeciras geführt habe. ^ Möge es sich hüten, sich abevmals zu täuschen. Dies der aufrichtige und ganz und gar nicht unfreundliche Rat, den man Deutschland heute geben müsse.
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Die drahtlose Telegraphie wird am 1. Juli ds. Js. in die amtliche Telegraphie des Deutschen Reiches ausgenommen. Der Staatssekretär des Reichspostamts hat jetzt eine entsprechende Aenderung der Telegraphenordnung auf Grund des internationalen Berliner Vertrags vom 3. November 1900 erlassen.
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Eine deutsche Intervention in derKongo- frage wird nach einer Brüsseler Meldung erfolgen, sobald die Annexion des Kongostaates durch die belgische Kammer erfolgt ist. Die deutsche Regierung werde gegen eine Bestimmung des Uebernahmevertrages Protest erheben, und dieser Protest werde den Zusammentritt einer neuen inter-