Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich.

Bezugspreis: In der Stadt incl. Trägerlohn Mk. 1.25 viertel­jährlich, Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarorts­verkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Psg., außerhalb desselben 12 Psg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die Inseratannahme 10 Uhr vormittags. Fernsprechnummer 9.

Amts- und Anzeigebl att für den Oberamtsbezirk Calw.

108. Donnerstag, den 9. Mai 1912. 87. Jahrgang.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung,

betr. die Belehrung über die zweckmäßige Aufbewahrung von Fleisch in Kühlräumen.

Um Fleisch frisch zu erhalten ist neben niedriger Tem­peratur erforderlich, daß die Feuchtigkeit der Lust einen bestimmten Grad nicht überschreitet.

Bei einer Temperatur von 35 Grad, wie sie in den Kühlräumen herrschen soll, wird die Vermehrungs­fähigkeit der Mikroorganismen und deren zersetzende Einwirkung auf das Fleisch erheblich herabgesetzt, aber keineswegs völlig verhindert.. Es gibt eine ganze Reihe von Bakterien, die sogar bei 0 Grad sich zu vermehren und diejenigen Veränderungen im Eiweiß hervorzu­rufen vermögen, welche man als Fäulniserscheinungen bezeichnet. Das längere Zeit im Kühlraum lagernde Fleisch unterliegt also der Gefahr der bakteriellen Zer­setzung und wird, auch wenn es nach dem Herausnehmen aus dem Kühlraume noch tadellos frisch erscheint, sehr viel schneller als frisches Fleisch der Fäulnis anheim- saffen, da die Zahl der Bakterien sich inzwischen schon außerordentlich vermehrt hat. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß das im Eisschrank oder auf Eis aufge­hobene Fleisch trotz niederer Temperatur in verhältnis­mäßig kurzer Zeit der Verderbnis anheimfällt.

Um in den Kühlräumen das Fleisch in gutem Zu­stande zu erhalten, muß zu der niedrigen Temperatur noch ein zweiter Umstand hinzukommen: ein gewis­ser Trockenheitsgrad der umgebenden Luft. Die Luft darf nicht mit Feuchtigkeit gesättigt sein. Wenn die Luft noch imstande ist, Feuchtigkeit aufzunehmen, so wird sie die Oberfläche des Fleisches eintrocknen und für die Entwicklung der Mikroorganis­men ungeeignet machen. Also erst das Zusam­menwirken von niedriger Temperatur und trockener Luft gewährleistet die Haltbarkeit des Fleisches. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß schon gute Resultate erzielt werden, wenn die Luft in den Kühlräumen eine relative Feuch­tigkeit von 6070 A (jedenfalls nicht über 75 A) besitzt.

Ebenso wie die Ermittelung der Temperatur, muß auch die Feststellung des Feuchtigkeitsgrades mit Hilfe eines Instruments geschehen, und zwar empfiehlt sich am meisten die Benützung selb st eintragender Haarfeuchtigkeitsmesser (selb st regi­strier ende Haarhygrometer), wie sie sich in den der Kühlhallenpraxis schon bewährt haben. Ein selbsteintragendes Instrument ist deshalb vorzuziehen, weil es die Feuchtigkeitsverhältnisse fortlaufend auf­schreibt und somit eine ununterbrochene Kontrolle er­möglicht.

Die Ortsbehörden werden beauftragt, hievon den Beteiligten zur Nachachtung Eröffnung zu machen. Vgl. Min.-Erl. vom 29. August 1906, Min.-Amtsbl. S. 257.

Calw, 3. Mai 1912.

K. Oberamt:

Amtmann Rippmann.

Bekanntmachung.

Erlaß au die Herren Ortsvorsteher, betr. die Hagel­versicherung und die Hagelstatistik.

I. Die Herren Ortsvorsteher werden beauftragt, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit den Landwirten die Versicherung ihrer Felderzeugnisse gegen Hagelschlag dringend zu empfehlen. Dabei wird darauf hingewie­sen, daß die Norddeutsche Hagelversicherungs-Gesellschaft in Berlin auf Grund der von dem württembergischen Staat mit ihr abgeschloffenen Uebereinkunft verpflich­tet ist, auf Antrag der Beteiligten die Feldfrllchte sämt­licher Landwirte in Württemberg gegen Hagelschaden in Versicherung zu nehmen, und daß die württember­gischen Landwirte, welche der Norddeutschen Hagelver­sicherungs-Gesellschaft beitreten, infolge der llebernahme der Verpflichtung zur Nachschußleistung auf die Staats­kaffe durch Bezahlung eines dem staatlichen Hagelver­sicherungsfonds zufließenden Zuschlags von 50 A der Vorprämie von der Gefahr der Anforderung einer Nach- schußprämie unbedingt befreit, also gegen feste Prämien versichert sein werden.

Die für die einzelnen Markungen geltenden Prä- mien-Tarifsätze der Norddeutschen Hagelversicherungs-

Gesellschaft können die Versicherungslustigen bei den für den Bezirk Calw aufgestellten Agenten derselben,

Herrn Kassier Eberhard in Calw,

Eemeindepfleger Dongus in Deckenpfronn,

Oekonom Karl Hanselmann in Liebelsberg, Oberlehrer Brodbeck in Liebenzell ,

Wagner Auer in Neubulach,

Oekonom Ioh. E. Luz in Neuweiler und Schreiner Ganser in Simmozheim erfragen.

II. Durch Ministerial-Erlaß vom 27. Juni 1901, betr. die Hagelstatistik, ist vorgeschrieben, daß die Orts­vorsteher von jedem Hagelfall ohne Verzug an die K. Meteorologische Zentralstation Stuttgart Anzeige (Be­richt nach Form. I, M.-Amtbl. 1901 S. 179/180) und spätestens nach vier Wochen einen Bericht nach Form. II (S. 181/182 a. a. O.) an das K. Statistische Landesamt in Stuttgart zu erstatten haben. Die genaue Befolgung der Vorschriften dieses Erlasses wird den Herrn Orts­vorstehern auch bei dem vorliegenden Anlaß in Er­innerung gebracht.

Den 6 .Mai 1912.

Regierungsrat Binder.

Parlamentarisches.

Verlin. 7. Mai 1912.

Aus dem Reichstag.

Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 1.10 Uhr. Am Bundesratstisch sind Staatssekretär Dr. Sols und llnterstaatssekretär Wahnschaffe erschienen. Als erster Gegenstand steht auf der Tagesordnung die erste Beratung der Haushaltungsrechnung für die Schutzgebiete, ausschließlich Kiautschau, für das Rechnungs/ahr 1909.

Abg. Noske (Soz.): Auch im Jahre 1909 sind ähn­liche Etatsüberschreitungen vorgekommen, wie wir sie beim Kolonialamt geradezu gewohnt sind. Er fordere genaue Nachprüfung und beantrage deshalb, Ueber- weisung dieser Sache an die Rechnungskommiffion. Abg. Erzberger (Z.): Es tut not, insbesondere die Aus­gaben für Rohmaterialien, Tinte, Federn, Papier usw. nachzuprüfen. Unterstaatssekretär Dr. Eenze: Die Etatsüberschreitungen ließen sich nicht umgehen, so sehr auch die Kolonialverwaltung auf Sparsamkeit bedacht ist. Nach weiteren Bemerkungen des Abg. Door- mann (F. V.) wird die Etatsrechnung der Rechnungs­kommiffion überwiesen. Es folgt der mündliche Be­richt der verstärkten Geschäftsordnuttgskom- misfion über die Frage, ob eine Reichstagsgruppe, die nicht 15 Mitglieder stark ist, als Fraktion anzu­erkennen sei. Gröber (Z.) empfiehlt als Berichter­statter den Grundsatz, als Fraktion nur eine Mitglieder­vereinigung von 15 Mitgliedern und zwar Vollmitglie­dern und Hospitanten anzuerkennen. Dieser Stand­punkt sei im Jahre 1887 auch den Polen und Sozial­demokraten gegenüber eingenommen worden und zwar gerade auf Betreiben der Reichspartei. Ueber den Antrag der Reichspartei wird morgen namentlich abge­stimmt werden. Auch die übrigen Abstimmungen wer­den morgen vorgenommen. Ga mp (Reichsp.): Den Minoritäten sollte Gelegenheit gegeben werden, sich in den Kommissionen zu betätigen. 47 Mitglieder des Reichstags sind jetzt davon ausgeschlossen. Haase (Soz.) begründet den Antrag seiner Partei, wonach als Fraktion eine Mitgliedervereinigung gilt, deren Par­tei bei der letzten allgemeinen Wahl mindestens 15mal soviel gültige Stimmen erhalten hat, als der 397. Teil aller bei der Wahl abgegebenen gültigen Stimmen be­trägt und weist darauf hin, daß gerade die Reichspariei seinerzeit beim Sozialistengesetz den Sozialdemokraten keinen Platz in der Kommission eingeräumt habe. Kreth (kons.): Jede Partei kann einmal eine Wahl­niederlage erleiden. Deshalb sollten wir darauf Rück­sicht nehmen, die stets eifrig tätig gewesene Reichsvartei nicht von der politischen Mitarbeit auszuschließen. Arendt (Reichsp.): Wir verlangen kein Ausnahme­recht für uns. Im Interesse des Seniorenkonvents liegt es, sich nicht so exklusiv zusammenzusetzen. Müller- Meinigen (F. V.): Wir werden für die Kommissions- saffung stimmen und die Abänderungsanträge ableh­nen. Spahn (Z.): Es handelt sich lediglich um die Zusammensetzung des Seniorenkonvents. Die Frage der Kommissionen scheidet ganz aus. Will (Elsässer):

Wir stimmen dem Antrag der Reichspartei zu. Grö­ber (Z.): Der Antrag der Eeschäftsordnungskommis- sion sollte für alle Parteien annehmbar sein. Er be­zieht sich lediglich auf den Seniorenkonvent. Schultz (Reichsp.): Unsere Wähler haben ein Recht darauf, daß auch sie wirksam teilnehmen an den Beschlüßen des Hauses. Ich beantrage, den zweiten Teil des konser­vativen Antrages dahin abzuändern, daß eine Vereini­gung von 15 Mitgliedern einschließlich der Zugezählten zur Teilnahme am Seniorenkonvent und an den Kom­missionen ausreicht. Damit schließt die Debatte. Es folgt die Fortsetzung der Beratung über die Resolution betreffend die Mischehen in den Schutzgebie­ten. Gröber (Z.): Der Erlaß über das Verbot der Mischehen ist eine Brutalität. Die Mischehen sind ge­wiß eine unerfreuliche Erscheinung, aber praktisch un­vermeidlich. Deshalb müsse auch ihre Rechtsgültigkeit anerkannt werden, v. Böhlendorf (kons.): Wir schließen uns den Abänderungsanträgen der Fortschritt­lichen Volkspartei und der Nationalliberalen an, wo­nach nach Anhörung der Selbstverwaltungsorgane ein Gesetzentwurf zur Regelung der betr. Rechtsverhältnisse vorgelegt werden soll. Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf morgen nachmittag 1 Uhr. Außer­dem Abstimmungen über die Etatsberatungen. Schluß nach 7 Uhr.

Berlin, 8. Mai 1912.

Am Vundesratstisch sind der Staatssekretär Dr. Solf und der llnterstaatssekretär Wahnschaffe erschienen. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung um 1.17 Uhr. Auf der Tagesordnung steht zunächt die Fort­setzung der Beratung über die Resolutionen betreffend die Mischehen.

Abg. Erzberger (Z.): Die Samoaner sind größ­tenteils Christen und nun will ein christlicher Staat den Christen verbieten, einander zu heiraten. Ich bitte Sie, es bei den Kommissionsbeschlüssen zu lasten, von Böh­lendorf (kons.): Wir sind Gegner jedes außerehe­lichen Lebens und wollen, daß unsere kolonialen Brüder so erzogen werden, daß sie sich vor einer derartigen Ras­senvermischung von selbst schützen, v. Richthofen (natl.): Es ist nötig, zunächst die Deutschen in den Ko­lonien zu hören. Deshalb bitte ich, unseren Antrag an­zunehmen. Dr. David (Soz.): Mit dem Christentum sollten die Konservativen in dieser Frage nicht kommen. Es ist doch eine ungesunde Logik, die Ehe mit den christ­lichen Samoanerinnen zu untersagen. Die Samoaner sind ein stark entwickelter Stamm und ein hervorragend gesundes, schönes Volk, und mit Negern nicht in einen Topf zu werfen. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Erzberger und v. Richthofen schließt die Diskus­sion. In der Abstimmung stimmen 203 für die Reso­lution der Kommission, 133 dagegen bei 1 Enthaltung. Die Resolution ist somit angenommen. Mit der An­nahme der Resolution der Kommission ist die gesetzliche Gültigkeit der Mischehen in Samoa gewährleistet. Da­mit ist der Kolonialetat erledigt. Es folgen die Ab- stimungen über die Abänderung der Geschäfts­ordnung (kleine Anfragen u. Interpellationen). Der konservative Antrag: die Stellung eines Antrages ist bei der Besprechung einer Interpellation unzulässig, es bleibt aber jedem Mitglieds des Reichstages überlasten, den Gegenstand in Form eines Antrages weiter zu ver­folgen, wird mit 265 gegen 67 Stimmen bei 3 Enthal­tungen abgelehnt. Auch die übrigen Abänderungsan­träge werden abgelehnt und die Vorschläge der Kom­mission angenommen. Die abgeänderte Geschäftsord­nung tritt sofort in Kraft. Die ersten kleinen Anfragen können am Freitag dieser Woche gestellt werden und sind bis heute abend einzureichen. Es folgt die Abstimmung über die Anträge betr. die Mindestmitgliederzahl einer Fraktion. Der Antrag der Reichspartei, wonach die Vereinigung von Mitgliedern und Hospitanten zur Teilnahme an den Kommissionen und dem Senioren­konvent für ausreichend erachtet wird, wenn sie mit den zugezählten Mitgliedern die Zahl 15 erreicht, wird mit 188 gegen 146 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Es folgt die Fortsetzung der Etasberatung beim Etat des Reichsschatzamtes. Abg. Nacken (Z.): Der Resolution der Sozialdemokraten auf Beseitigung der Unstimmigkeiten und Härten, wie sie sich bei der Ein­teilung der Ortsklaffen ergeben haben, stimmen wir zu. Staatssekretär Kühn: 1918 soll eine vollständige Nach­prüfung der Klaffeneinteilung erfolgen. Inzwischen ist