1877.

Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Bezugspreis für das Vierteljahr tm Bezirk und Nachbarortsverkehr Ml. 1.W

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Fernsprecher Nr. 11.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

Kr. SS.

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Mittwoch, de« 2S. April

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1SVS.

Amtliches.

Infolge der im März und April d. I. abgehaltenen Prüfung sind u. a. nachstehende Präparanden in das Seminar in Nagold ausgenommen worden: Gotthold Auer von Neubulach, Johann Bühler von Rohrdorf, Friedrich Dürr von Mindersbach, Gottlob Holzäpfel von Mindersbach, Hermann Kläger von Nagold, Eugen Memminger von Wildberg, Otto Süsser von Althengstett.

Der evangelische Pfarrer Luz in Unterr eiche nbach wurde seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand versetzt und ihm bei diesem Anlaß das Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichs-Ordens verliehen.

Die Gemeinde Pfa lz g r a f e n w ei le r hat um Erlaub­nis zur Abhaltung zwei weiterer Vieh Märkte und zwar am 4. Donnerstag im Monat Januar und am 3. Dienstag im Monat November nachgesucht. Einwendungen gegen die Genehmigung des Gesuchs sind innerhalb drei Wochen beim Oberamt Frendenstadt anzubringen.

Ein Wirtshausgeseh.

Das englische Unterhaus wird sich dieser Tage Mit einem interessanten Gesetzentwurf beschäftigen, der auch in Deutschland Interesse erregen wird. Es ist dies die Li- censing Bill, das Wirtshansgesetz. Bereits seit Woche« tobt in der Presse und in dwr Wählerversammlungen ein heftiger Kampf um dieses Gesetz und bei der Wahl in Peckham führte es sogar zur Niederlage der Liberalen. In Nordwest-Manchester siel der neue Haudelsmiuister Churchill durch und auch diese Niederlage wird mau wohl auf das Konto des Wirtshausgesetzes setzen dürfen. Dieses Gesetz trifft das in der Brauereiindustrie investierte Pri­vatkapital ziemlich empfindlich. Von 95000 Wirtshaus­lizenzen, die im Lande bestehen, und jährlich erneuert werden, will die Regierung innerhalb 14 Jahren etwa ein Drittel eingehen lassen. Die Inhaber sollen von den übrigbleibenden entschädigt werden. Nach Ablauf der 14 Jahren sollen die übrigbleibendcn zwei Drittel ihr Mo­nopol und das Recht auf Entschädigung verlieren. Das ist eine Härte und das hat auch die Regierung eingeseheu. Sie gab nämlich zu verstehen, daß sie bereit ist, einer Hinaus­schiebung der Zeitgrenze von 14 ans 21 Jahre zuzustim- men, was immerhin eine Milderung bedeuten würde. Auf dem Prinzip aber, daß der Staat berechtigt ist, die von ihm verliehenen Konzessionen zurückzuziehen, wenn er es im Interesse der Gesamtheit und der allgemeinen Wohl­fahrt für geboten hält, steht sie unbedingt fest. In der Tat handelt es sich um ein Gesetz, das einen schweren Schaden am Volkskörper ernstlich bekämpfen will. Be­sonders stark werden d«rch die große Gelegenheit zum gewohnheitsmäßigen, wie zum gelegentlichen Genuß al­koholischer Getränke die arbeitenden Klassen in Mitleiden­schaft gezogen und wenn die Regierung hier Abhilfe schaffen will, so muß man ihren Gesetzentwurf dem Sinne nach tmen wichtigen Bestandteil der sozialen Reformen nennen. Mit den Verfechtern des Gesetzes vom sozialen Stand- Punkt aus gehen die Temperenzler, die gerade in Eng­land Wer sehr viele Anhänger verfügen, Hand in Hand, -Allerdings sind die Bischöfe Gegner des Gesetzes, weil sie den Liberalen nicht grün gesinnt sind, die auch ein den kirchlichen Interessen ungünstiges Unterrichtsgesetz ein­gebracht haben. Aus diesem Grunde haben sie sich auf die Seite der Opposition geschlagen, obwohl auch sie sicher gern für das Gesetz eintreten würden, wenn es von anderer Seite eingebracht worden wäre. Natürlich steht auf der Oppositionsseite an erster Stelle das an den Brauereien interessierte Großkapital, das nun, um sich selbst möglichst zu maskieren, die kleinen Anteilseigner, die Witwen und Waisen, als die eigentlich Geschädigten hinstellte. Mit einem brennenden Eifer ist von dieser Seite her die Re­gierung und das Gesetz bekämpft worden, und Persön- keiten wie Lord Rothschild sind selbst in Volksversamm­lungen als Redner gegen das Gesetz ausgetreten. Die Re­gierung hat sich mit diesem Gesetzentwurf auf einen ge­fährlichen Posten begeben, auf dem es einen hartnäckigen Kampf zu bestehen gibt. Es ist sehr schwer, gegen ein Großkapital zu streiten. Die Stellung der englischen Re­gierung ähnelt ein wenig derjenigen, in der sich Präsident Roosevelt gegenüber den Trusts befindet. Die Regierung

hat sich erneuert und frische Kräfte gewonnen. Es wird sich nun zeigen müssen, ob sie Mit diesen und dem Gewicht ihrer Gründe imstande ist, ihre Gesetzgebung durchzusetzen. Wenn auch die Interessenten und Großkapitalisten da­gegen opponieren, das Volk selbst würde unter den Fol­gen des Gesetzes nicht leiden. - -

Tagespolitik.

Die Reich seinnahmen für das Etatsjahr 1907 liegen nach dem Ausweis für den März nunmehr vollständig vor. Sie werden durch die definitive Gestaltung der Ziffern zwar noch einige Korrekturen erfahren, in ihrem Hauptergebnis aber nicht verändert werden. Dies Ergebnis kann nun nicht als besonders erfreulich bezeichnet werden. Wenn es auch keine Verschlechterung gegen den Etat bedeutet, so ist doch auch die Hoffnung auf eine bessere Gestaltung der Etats­ziffern nicht erfüllt worden, und was vor allem ins Auge fällt, die neuen Steuern der letzten Finanzreform haben sich immer mehr als unzureichend erwiesen. Obgleich diese neuen Steuern ohnehin schon um 32 Millionen geringer angesetzt waren, als sie nach der ursprünglichen Annahme bringen sollten um 20 Millionen bei der Fahrkartensteuer und um 12 Millionen bei der Erbschaftssteuer, so sind auch diese Ansätze bei weitem nicht erreicht worden, vielmehr bleibt das Ergebnis hinter dem Voranschlag um rund 30 Millionen Mark zurück. Von diesem Minus entfallen 11,8 Millionen auf die Fahrkartensteuer, l1,3 Millionen auf die Erbschafts­steuer, 5,6 Millionen auf die Besteuerung der Aufsichtsrats- tantiemen und 1,3 Millionen auf die Automobilsteuer. Nur die Zigarettensteuer ergab ein Mehr von 1,2 und die Fracht­urkundenstempel ein solches von 1,9 Millionen. Wenn trotzdem die dem Reich verbleibenden Einnahmen mit einem Mehr von rund 11 Millionen Mark gegen den Etatsansatz abschließen, so ist dies fast ganz auf die Zölle zurückzuführen, die einen Mehrertrag von 42,6 Millionen Mark ergaben. Hierfragt es sich aber, wie viel davonsan denHinterbliebenenfonds abzuführen ist, für den der Etat 48 Millionen Mark vorgesehen hatte. Mehreinnahmen lieferten noch Zuckersteuer, Salzsteuerund Reichseisenbahnen, die Post- und Telegraphenverwaltung aber ist hinter dein Anschlag mit 13,2 Millionen zurückgeblieben. Von den zur Ueberweisung an die Bundesstaaten bestimmten Steuern haben die Börsenstcuer und Lotteriestempel einen Minderertrag von 12,7 Millionen geliefert, der nur durch das Mehr der Branntweinsteuer in Höhe von 6,7 Millionen zu einem Teil ausgeglichen worden ist. Im besten Fall also stellt sich die Schlußrechnung der Gesamteinnahmen um 5 Millionen günstiger als der Etat, gegenüber ungedeckten Matritülarbeiträgen in Höhe von 87 Millionen, von denen 53 Millionen Mark den Einzelstaaten gestundet worden sind.

Djis k o n tzerm ä ß igu ng. Der Statuts der Reichs­bank hat in der am 26. April abgelaufenen Bankwoche eine Besserung um 127 Millionen Mark erfahren, so daß eine steuerfreie Notenreserve von 98 Millionen Mark vor­handen ist. Wenn sie auch noch gegen diejenige um die gleiche Zeit des Vorjahres zurücksteht, damals betrug sie 113 Millionen Mark, so ist sie doch bedeutend genug, daß die Herabsetzung des Diskonts um Vs"/« nunmehr vor­genommen werden kann. Die Reichsbank hat daher den Diskont auf 5Ld unchden Lombardzinsfuß auf siZd. herab­gesetzt.

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Rüstungen, sowohl in der russischen Kriegsmarine wie in den russisch-türkischen Grenzbezirken im Kaukasus sind in vollein Gange und nehmen große Ausdehnungen an. Tie militärischen Kreise in Kon- stantinvpel drängen^ auf Ergreifung von Vorsichtsmaßregeln im Korpsbereich von Erzerum.

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König Eduard und die Königin vvnEng- land sind zur Zeit Gäste des schwedischen Hofes. Im Stockholmer Schlosse fand aus diesen: Anlaß ein Galamähl statt, bei dem die beiden Könige herzliche Trinksprüche wechselten. König Gustkv sprach die Hoffnung aus, daß das Nordseeabkommen, dessen Ziel die Erhaltung des Friedens in Europa sei, dazu beitragen werde, das gute jund freundschaftliche Verhältnis zu dem englischen und dem schwedischen Volk zu entwickeln und zu befestigen. König Eduard dankte für den herzlichen Empfang und tagte, er

glaube ebenfalls, daß das kürzlich abgeschlossene Ueberein- kommen zur friedlichen Entwicklung beider Länder und zur dauernden Wahrung des Friedens beitragen werde.

In den Ve r e inigten S ta a te n steht das politische Leben bereits seit Wochen unter der mit jedem Tage stärker hervortretenden Einwirkung der Präsidentenwahl. Die Amts­dauer Roosevelts läuft zwar noch bis zum 4. März des nächsten Jahres, und die Wahl der Elektoren, welche ihrer­seits den neuen Präsidenten zu wählen haben, findet erst im November statt, aber die beiden großen historischen Parteien der Republik, Deinokraten und Republikaner, sind eifrig da­mit beschäftigt, die Vorbereitungen für den Aufmarsch zu treffen. Von der sogenannten Volkspartei, die vor andert­halb Jahrzehnten und auch nachher bei Präsidentenwahlen in den politischen Wettbewerb mit eintrat, hört man wenig mehr. An ihrer Stelle wird vielleicht die Nationalpartei des Herrn Hearst, des Patrons der Sensationspreffe, ein Faktor von Bedeutung für die Präsidentenwahl, zu werden suchen. Mit welchem Erfolg, läßt sich in diesem Studium der erst beginnenden Entwicklung nicht wohl sagen. Ter fieberhafte Eifer, mit dem in den Vereinigten Staaten die Präsidentenwahl betrieben wird, erklärt sich wenigstens zu einem erheblichen Teil aus der Bedeutung, die sie für eine Legion von Existenzen hat. Eine Aenderung in der Partei, die den Präsidenten stellt, bedeutet nicht bloß, wie in ande­ren Staaten, einen Wechsel in den obersten Amtsstellen, sondern vielmehr eine vollständige Erneuerung bis zum letzten Steuereinnehmer hinab. So ist das Interesse, mit dem die Präsidentenwahl betrieben wird, bei Tausenden nicht bloß ein politisches, sondern auch ein wirtschaftliches.

Landesnachrichten.

Altensterg, SS. April.

In den nächsten Tagen verläßt nach 8jähriger, erfolg­reicher Tätigkeit an der hiesigen Lateinschule Präzeptor Treuber unsere Stadt, um in gleicher Eigenschaft an das Realprogymnasium in Böblingen überzunedeln. Zahlreiche Eltern und Schüler werden ihm eine dankbare Erinnerung bewahren, -m.-

js Nagold, 27. April. Eine aufregende Szene gab es im Hause des Bauern Hirth, da dessen arbeitsscheuer Stiefsohn mit seinem Metzgermeffer der eigenen Mutter den Hals durch- schneiden wollte und den Stiefvater mißhandelte. Der junge Metzger mußte an Händen und Füßen gefesselt ins Gefängnis weggefahren werden.

Hochdorf OA. Horb, 26. April. Gestern begingen die David Frank, Schmieds Eheleute hier, das Fest ihrer gol­denen Hochzeit, umgeben von 5 Kindern und 24 Enkeln. Der Jubilar ist 80, die Jubilarin 73 Jahre alt; beide dürfen sich noch allgemeiner Rüstigkeit erfreuen. Vormittags fand im Anschluß an den Gottesdienst kirchliche Feier statt, wobei den Jubilaren eine von Sr. Majestät dem König übersandte Prachtbibel mit eigenhändiger Widmung über­geben wurde, der kirchlichen folgte nachmittags eine weltliche Feier. Ges.

js Metzingen, 27. April. Durch einen Sturz von der Scheune hat ein Sohn des Th. Hechtle das Leben eingebüßt.

js Hülben OA. Urach, 27. April. Seit 186 Jahrs« befindet sich die hiesige Lehrerstelle bei ein und derselben Familie. Der Ahne des jetzigen Lehrers Kullen, Jörg Kulten, war schon 1722 Schulmeister in Hülben. Seither hat sich das Amt stets vom Vater auf den Sohn vererbt.

ss Plieningen, 27. April. In vergangener Nacht war der Brandstifter schon wieder hier tätig, zum viertenmal seit Ende Dezember. Niedergebrannt ist die Doppelscheuer der Gebrüder Christian und Ludwig Eininger, nur das Vieh konnte gerettet werden. Tie Abgebrannten sind versichert. Ter Gemeinderat hat, da die Einwohnerschaft sich in großer Aufregung befindet, eine Belohnung von l 00 Mark auf die Entdeckung des Täters ausgesetzt.

!j Stuttgart, 27. April. Tie feierliche Eröff­nung des neuen Wirtschaftsgebäudes im Kur­saal in Cannstatt fand heute vormittag um II Uhr in Anwesenheit des Königs statt. Zu diesem Festakt hatten sich die bürgerlichen Kollegien, mit Oberbürgermeister v. Gauß an der Spitze, eingesunden.

jj Stuttgart, 27. April. In die evangelischen Schullehrer­seminare sind aus Grund der im März und April abgehal­tenen Prüfung 135 Präparanden ausgenommen worden und