Tagespolitik.

Kronprinz und Marine. Ter Kronprinz soll sich für die Zeit vom 29. Mai bis 6. Juni auf dem Linienschiff Deutschland" einschiffen, um Gelegenheit zu haben, einer größeren Uebung der vereinigten Hochseeflotte beizuwohnen. Von Bord derDeutschland" aus wird Prinz Heinrich als Flottenchef die Uebungen leiten, an denen 16 Linienschiffe, 4 große und 6 kleine Kreuzer neben den in Dienst befind­lichen Torpedoflottillen beteiligt sein werden.

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Abgewinkt. Wie dasBerl. Tagebl." schreibt, wird der Plan, nach dem Vorbild des Bundes der Landwirte einen politischen Bund gewerblicher Arbeitgeber zu begrün­den und auf diesem Wege einen stärkeren Einfluß auf dir

politischen Parteien zu gewinnen, allem Anschein nach ins Wasser fallen. Schon haben zwei der bedeutendsten indu­striellen Vereinigungen, nämlich der Gesamtvorstand des Bun­des der Industriellen und der Gesamtvorstand des Verban­des sächsischer Industrieller deutlich abgewinkt, und damit dürfte das Schicksal des Planes besiegelt sein.

Der Entwurf eines Weingesetzes wird in der Nr. 93 desReichsanzeigers" veröffentlicht. Wir heben hervor: 8 1. Wein ist das durch alkoholische Gärung aus dem Safte der frischen Weintraube hergestellte Getränk. Z2. Es ist gestattet, Wein aus Erzeugnissen verschiedener Herkunft oder Jahre herzustellen (Verschnitt). Ein Verschnitt von Weißwein mit Süd-, Süßwein darf jedoch nicht statt­finden. 8 3. Bei ungenügender Reife der Trauben darf dem Traubenmost oder dem Wein, bei Herstellung von Rot­wein auch der vollen Traubenmaische so viel Zucker oder Zuckerwasser zugesetzt werden, als erforderlich ist, um Wein zu erzielen, der dem aus Trauben gleicher Art und Herkunft in Jahren der Reife ohne Zusatz erzielten Weine entspricht. Der Zusatz an Zuckerwasser darf jedoch in keinem Falle mehr als ein Fünftel des in die Mischung gelangenden Mostes oder Weins betragen. Die Zuckerung darf nur innerhalb des Weinbaugebiets vorgenommen werden, aus dem die Trauben stammen. Ausnahmen können an den Grenzen der Weinbaugebiete für Erzeugnisse benachbarter Gemarkungen durch die Landeszentralbehörden bewilligt werden. Die Zuckerung darf nur in der Zeit vom Beginn der Weinlese bis zum Schluß des Kalenderjahres vorgenommen werden. Die Frist kann, wenn es die besonderen Verhältnisse eines Jahres erfordern, durch die höhere Verwaltungsbehörde bis zum 31. Januar verlängert werden. Auf die Herstellung von Wein zur Schaumweinbereitnng finden die Vorschriften keine Anwendung. Zucker darf noch bei der Umgärung kranken Weins verwendet werden. 8 5- Es ist verboten, gezuckerten Wein unter einer Bezeichnung feilzuhalten oder zu verkaufen, die auf Reinheit des Weins deutet. Auch ist verboten, einen Jahrgang, eine Weinbergslage usw. anzu­deuten, wenn nicht gleichzeitig der Wein als gezuckert be­zeichnet wird. 8 6. Geographische Bezeichnungen dürfen im Handel mit Wein nur zur Bezeichnung der Herkunft ver­wendet werden. 8 7- Es ist verboten, Wein nachzumachen. 8 8. Unter das Verbot fällt nicht die Herstellung von dem Wein ähnlichen Getränken aus Frucht oder Pflanzensüften. 8 11- Getränke, die den Vorschriften der 88 2, 3, 4, 7, 8 zuwiderlaufen, dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. 8 13. Getränke, die nach 8 11 vom Verkehr ausgeschlossen sind, dürfen zur Herstellung von weinhaltigen Getränken, Schaumwein oder Kognak, nicht verwendet werden. 8 16. Trinkbranntwein, dessen Alkohol nicht ausschließlich aus Wein gewonnen ist, darf nicht als Kognak bezeichnet werden. Weitere Bestimmungen gelten der Kontrolle und den Strafen (bis zu 6 Monate Gefängnis und bis zu 3000 Mk)

Das Osterei.

Novelle von R. Hoffmann.

Nachdruck verboten.

(Fortsetzung.)

Sundheim starrte jetzt die Sprecherin noch einige Augen­blicke an und dann rief er lachend und mit Galgenhumor:

Der Maskenball mit seinen Larven und bunten Kostümen hat mir einen Streich gespielt? Ich bin das Opfer einer Verwechslung! Ta ist Fräulein Helmbrecht gar nicht die Dame, die ich meine und ich habe sie wohl gar mit ihrer Cousine im Trubel des Maskenballes verwechselt. Aber der Rufname Martha stimmt doch für Fräulein Helmbrecht?"

Ja, das stimmt schon," lachte die dicke Köchin,aber ihre Cousine heißt eben auch Martha und zwar Martha Weiser, und die hat dunkle Augen und braunes Haar."

Und wo lebt Fräulein Martha Weiser?" frug Sund­heim erregt.

Nun, sie lebt hier in der Stadt und ist die Tochter des Maschinensabrikanten Herrn Georg Weiser, des Bruders der Frau Helmbrecht."

Ich danke Ihnen, Fräulein Anna," sagte Sundhelm und drückte der dicken Köchin noch einen Taler in die Hand, aber sagen sie, bitte Ihrer Herrschaft und dem Fräulein nichts von der Verwechselung, sie werden sie später schon noch erfahren. Nur heute bitte ich den Mund zu halten. Doch ich muß nun fort, rasch fort von hier, sonst wird meine Verlegenheit noch schlimmer. Es wird sich später ja alles aufklären. Sagen Sie den Herrschaften, ich würde mir erlauben, morgen oder übermorgen meinen Besuch zu wiederholen."

Mit fieberhafter Eile lief jetzt Sundheim aus Helm- brechts Hause, stieg in den unien wartenden Wagen und fuhr schnell davon.

Zusammenschluß der demokratisch-liberalen Parteien. Eine große Versammlung der deutschen Volkspartei der Pfalz beschloß in Kaiserslautern nach einem Vortrag Kon- rad Haußmanns folgende Resolution:Die heute in der städtischen Fruchthalle gehaltene Versammlung der deutschen Volkspartei der Pfalz erkennt nach wie vor die Notwendig­keit eines festen Zusammenschlusses der demokratisch-libera­len Partei Süddeutschlands an und verurteilt die auf ein­seitige Sprengung der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft ab­zielenden Sonderbestrebungen, weil dadurch der deutsche Ge­samtliberalismus schwer geschädigt würde. Sie erwartet in Zukunft von der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft ein ent­schiedenes Eintreten für freiheitliche Forderungen, erhebt flammenden Protest gegen die von Preußen betriebene reak­tionäre, volksfeindliche Beeinflussung der deutschen Reichs­politik und bekundet den norddeutschen Brüdern im Kampf um die Erringung eines freiheitlichen Wahlrechts, das ge­rade vom Standpunkt des Staats- und des Volkswohls aus nicht länger vorenthalten werden darf, ihre herzlichste Sym­pathie."

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Der Streit mit Venezuela. Der Vorsitzende der Se­natskommission für auswärtige Angelegenheiten hat nach verschiedenen Besprechungen mit Präsident Roosevelt und Staatssekretär Root eine von Roosevelt gut geheißene Ent­schließung aufgesetzt, in der der Präsident ermächtigt wird, gegen Venezuela derart vorzugehen, wie es die Aufrechter­haltung der Würde der Vereinigten Staaten und die Wah­rung der amerikanischen Interessen erheischten. Man rech­net darauf, daß der Kongreß die Entschließung annehmen wird, nach der zunächst die Regierung nochmals eine schieds­gerichtliche Erledigung verlangen, dann aber, wenn erforder­lich, zu schärferen Maßregeln greifen soll.

Unruhen. Aus Indien wird gemeldet, daß an der Nordwestgrenze neue Unruhen ausgebrochen sind. Die Mit­glieder des Mohmandstammes griffen englische und indische eingeborene Truppen an, wobei ein Engländer und ein ein­geborener Reiter getötet und andere verwundet wurden. Die Regierung hat sofort Verstärkungen an die Grenzstationen rbgesandt, weitere sollen folgen. Shatbandar und Abazai lad sei' n Tagen durch die Truppen von Peschawar be­setzt, die jetzt verstärkt wurden und unter dem Kommando von Colonel Fane vom 21. Kavallerieregiment stehen. Etwa >0 000 Mohmands haben sich an der Grenze in der Nach­barschaft von Prangghur vereinigt, infolgedessen sind große Verstärkungen nach der Grenze abgegangen.

Landesnachrichten.

In Haiterüach hat ein einjähriges Kind beim Hinein­klettern in die Wiege sich in eine Schnur verwickelt und ist, da es von: Kindsmädchen allein gelassen war, erstickt.

(-) Teiuach, 21. April. Die hiesige Station war heute morgen 8 Uhr der Schauplatz eines kleinen Eisenbahnun- salls. Es entgleiste ein Güterzug, der nach Nagold weiter fahren sollte. Zwei Wagen wurden umgeworfen. Perso­nen wurden nicht verletzt. Der Materialschaden ist nicht bedeutend.

X Neuenbürg, 21. April. Am Karfreitag wurde der Goldarbeiter Ehmann in Birkcnfeld beim Wildern im Walde ertappt und verhaftet.

js Neuenbürg, 21. April. Bei der Lungenheilanstalt in Langenbrand sind im Walde etwa zehn Morgen Forchen­bestand niedergebrannt. Das Feuer mußte durch die Calm- bacher Feuerwehr gelöscht werden. Der Schaden beträgt einige tausend Mark. Durch den Wald führt ein vielbe­gangener Fußweg nach Schömberg.

Mein Göttchen, mein Göttchen, so eine Verwechselung!" murmelte Anna vor sich hin.Wie so etwas einem feinen Herrn passieren kann. Den hätte ich wirklich gern als Bräutigam hier im Hause gesehen und hatte mich schon auf die Verlobung gefreut, und nun wird es aus der ganzen großen Freude nichts. Den Weisers gönne ich den feinen Schwiegersohn gar nicht. Na, vielleicht ist es dort auch wieder eine Verwechselung. Hahaha. Es kommen doch dumme Geschichten in der Welt vor."

Inzwischen fahndeten Herr und Frau Helmbrecht im Schloßparke eifrig nach ihrer Tochter nnd nach deren Stell­dichein mit dem unbekannten Verebrer. Unermüdlich gingen sie die langen Kreuz- und Querwege des Parkes auf und ab und suchten auch dessen lauschige Plätzchen auf, aber das Suchen war vergebens.

Weiß Tu, Susanne, daß ich jetzt das Herumlaufen hier im Parke satt habe," sagte jetzt Herr Helmbrecht und wischte sich den Schweiß von der Stirne.Martha kann sich doch nicht Hals über Kopf einem uns unbekannten Ver­ehrer an den Hals werfen, nur um den unbequemen Freier Herrn Sundheim aus Hamburg los zu werden. Wir haben doch auch noch! ein Wort in ihre Verlobung hineinzureden. Wir lassen uns eben nicht überrumpeln, und im übrigen gehen wir jetzt nach Hause."

Tu hast recht, Erich," entgegnete Frau Susanne, wenn es sein muß, soll Martha unfern Willen spüren. Wir wollen jetzt über den Stern nach Hause gehen."

Der Stern war ein schöner, von hohen Bäumen um­gebener Platz im Parke, auf den von allen Seiten schattige Wege symetrisch einmündeten und den man dieserhalb den Stern nannte. Auf einem solchen Wege schritt nun alsbald das würdige Ehepaar nach dem Stern, und als sie aus dem Parkwege nach etwa fünf Minuten hinaus aus den großen freien Platz traten, da sahen sie, wie eben auf der

X Herrenalb, 21. April. Während der Osterfeiertage sind einem Küblermeister 13 000 M. in Gold und Wert­papieren gestohlen worden. Man vermutet, daß die Ein­brecher aus dem Badischen herüberkamen und eine Lunrpen- sammlerin als Kundschafterin bei sich hatten.

ss Reutlingen, 21. April. Die Handwerkskammer Reut­lingen hat in ihrer letzten Vorstandssitzung an fünfzehn An­gestellte (hauptsächlich im Bauhandwerk beschäftigte) für lang­jährige treue Dienstleistungen bei einem Arbeitgeber Ehren­urkunden verliehen.

X Reutlingen, 21. April. In einem Privatwald bei Mägerkingen ist der 74 Jahre alte Bauer Ruckwied beim Löschen eines im Walde entstandenen Feuers erstickt und verbrannt. Bis Hilfe kam, war der alte Mann beinahe ganz verkohlt.

(-) Reutlingen, 21. April. Eine eigenartige Diebstahls­affäre wird aus Rommelsbach gemeldet. Dort entwendeten drei junge Burschen die Maulwürfe, die in den auf Grund­stücken der Markung aufgestellten Fallen des Reutlinger Maulwurffängers gefangen waren. Dann ließen sich die Burschen aus der Gemeindekasse das übliche Fanggeld be­zahlen. Die Sache wird ihnen teuer zu stehen kommen.

X Tuttlingen, 21. April. In der mechanischen Schuh­fabrik von Gebrüder Rieker (vormals Rieker und Seitz) wurde dem verheirateten etwa 40 Jahre alten Zuschneider CH. Kaufmann am Aufzug der Kopf vom Rumpfe durch Abdrücken des Genickes getrennt. Um den Verunglückten jammert eine Witwe mit zehn unmündigen Kindern.

X Eningen, 21. April. Am Ostersamstag ist dem Fa­brikarbeiter Karl Löffler beim Holzhacken ein Ast auf den Kopf gefallen. Löffler ist seinen Verletzungen erlegen. Er hinterläßt eine Witwe mit 6 unmündigen Kindern.

X Stuttgart, 21. April. Die diesjährige zweite Staats­prüfung im Bauingenieurfach haben 30 Kandidaten bestanden, die zu Regierungsbauineistern ernannt worden sind.

X Stuttgart, 21. April. Das Opfer des Familien­dramas in der Karlstraße, in Cannstatt, die 30jährige Muster­druckersehefrau Luise Delle wurde gestern nachmittag auf dem Staigsriedhof beerdigt. Die große Trauerversammlung umstand tief erschüttert das Grab der unglücklichen Frau. Stadtpfarrer Kübler hielt eine ergreifende Grabrede. Wie man hört, befindet sich der Mann außer Lebensgefahr.

ss Bückingen -OA. Heilbronn, 21. April. Die Ehefrau eines hiesigen Flaschnermeisters hat sich in Abwesenheit ihrer Angehörigen mit Salzsäure vergiftet. Obwohl alsbald Ge­genmittel angewendet wurden, ist die Frau nach einigen Stunden unter gräßlichen Schinerzen gestorben.

X Knittlingen OA. Maulbronn, 21. April. Frau Vogt von hier, die wegen Verdachts der Brandstiftung mit ihrem Mann in das Maulbronner Amtsgerichtsgefängnis einge­liefert worden war, ist wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ihr Mann hat sich am Sonntag abend sin seiner Zelle erhängt.

js Pforzheim, 21. April. Ein früherer hiesiger Bijouterie­fabrikant hat auf Ostern seine Familie in bedürftigen Ver­hältnissen hier zurückgelassen. Der Betreffende war längere Zeit in Amerika. Es heißt, daß er mit einer Kellnerin das Weite gesucht habe.

js Berlin, 21. April. Der ehemalige Staatssekretär im Reichsamt des Innern, Graf v. Posadowsky, wurde, wie das Reich meldet, aus Anlaß des Wichern-Jubiläums von der Berliner Theologischen Fakultät zum Ehrendoktor der Theologie promoviert.

' Berlin, 21. April. Vom Wahlverein der Freisinnigen Vereinigung erhält das Berliner Tageblatt nachstehende Mitteilung: Nach dem Verlauf der heute in Frankfurt a. M. abgehaltenen Sitzung des Vorstands des Wahlvereins der Liberalen und nach den vertraulichen Vorbesprechungen der

anderen Seite ein junger Herr und eine junge Dame Arm in Arm auf einem entgegengesetzten Wege weiter gingen.

Das ist doch Martha!" sagte Frau Susanne.

Siehst Dst sie nicht, Erich?"

Ja, es ist Martha," erwiderte Helmbrecht,und der, der sie am Arme führt ist Johannes. Na so ein Duck­mäuser. Heute früh konnte er nicht den Mund auftun und seine Mutter mußte für ihn reden und eine Stunde später hat er mit Martha ein Stelldichein."

Es ist ein Skandal, wie man von seinem einzigen Kinde hintergangen wird," zeterte Frau Susanne jetzt beinahe laut los.

Beruhige Dich nur, Susanne, ein Skandal ist es gerade noch nicht, wenn Johannes und Martha ein Stell­dichein hatten, es ist ja am HAlen Tage, und er hat sicher­lich ehrliche Absichten," sagte Helmbrecht beschwichtigend.

Ja, ja, Du steckst ja mit dein Menschen schon lange unter einer Decke," entgegnete jetzt Frau Susanne erbost, und ich werde wie eine Null behandelt. Der simple Oberlehrer soll uns jetzt auf einmal als Eidam recht sein, wo wir einen ganz anderen Freier für unsere Tochter haben. Aber in solchen Dingen sind die Männer immer am kurz­sichtigsten und schwächsten. Da heißt es, das Mädchen muß unter die Haube, der erste beste kann sie ja kriegen."

Höre, Susanne, Johannes ist der erste beste nicht, sondern er ist ein ehrbarer, tüchtiger junger Mann aus guter Familie," sagte jetzt Helmbrecht energisch,und es wäre uns nicht eingefallen an der Partie etwas zu tadeln, wenn nicht plötzlich ein ganz anderer Freier ausgctaucht wäre. Ich werde aber gerade keinen großen Druck auf Martha ausüben, es hat keinen Zweck, wenn Martha einmal Johannes liebt, und ich werde schließlich noch heute das Osterei, das mir Johannes für Martha gab, mit Anstand nnd Würde in die richtigen Hände geben."

(Schluß folgt.)