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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u.
Neuenbürg.
Rr. 94.
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Donnerstag, den 83. April
Wie kann die Frau Meisterin zur
Hebung des Handwerks beitragen?
Unter obiger Ueberschrift bringt die „Handwerks-Zeitung" unter ihrem redaktionellen Teil „Die praktische Meisterin" folgenden, sehr beachtenswerten Aufsatz:
Die Frau Meisterin ist für das Handwerk viel, viel wichtiger, als man wohl denkt. Ein unverheirateter Beamter kann seine Amtspflicht ebenso gut erfüllen, wie ein verheirateter; seine Häuslichkeit kann er sich schließlich auch durch gemietete Personen so behaglich einrichten, wie er es wünscht oder sein Geldbeutel erlaubt. Und so ist's auch beim Rechtsanwalt und beim Arzt; beim Händler und allen möglichen Berufen; ein unverheirateter Handwerksmeister aber ist nur ein halber Meister und kommt schwerer in seinem Geschäft vorwärts. Denn die Frau Meisterin ist nicht bloß das „Ehegemahl," nicht bloß die Besorgerin der Hauswirtschaft, sondern sie ist und soll sein die treueste Freundin und Berufsgehilfin des Mannes. Sie nimmt an seinen Sorgen und Plänen innigen Anteil, sie geht ihm zur Hand und unterstützt ihn gerade in den Fällen, wo fremde Arbeitskräfte versagen oder aus irgend welchen Gründen nicht in Anspruch genommen werden können.
„Ei!" — so höre ich eine praktische Frau Meisterin einwenden. „Sie haben da gut reden! Eine Meistersfrau die für den Mann, die Kinder und wo möglich noch für Lehrjungen und Gesellen kochen und wirtschaften soll, hat den ganzen Tag über so viel zu tun und sich abzurackern, daß ihr nicht noch zugemutet werden kann, dem Mann im Geschäft zu helfen. Dafür sind die Gesellen da! Eine Frau ist schließlich auch nur ein Mensch und will ihr wohlverdientes Ruhestündchen haben, wenn sie abends mit ihrer Arbeit fertig ist!"
Ganz recht, liebe Meisterin! Du sollst keineswegs um dein wohlverdientes Ruhestündchen des Abends kommen, im Gegenteil, du sollst es dir noch verlängern und ver- jchönern. Du mußt nämlich stets das eine im Auge behalten: wenn du dich ganz und gar in deine Wirtschaftssorgen begräbst und dich um nichts kümmerst, was sonst noch um dich herum in Familie und Geschäft vorgeht, so trübst du dir selbst den Lebenshimmel und untergräbst langsam aber sicher das eheliche Glück und den gewerblichen Wohlstand. Wenn der Mann sieht, daß du kein Interesse für seine Arbeit hegst, wird er sich auch mit dir nicht aussprechen, er wird dir seine Sorgen, seine Pläne, seine Hoffnungen nicht anvertrauen, an dem, was doch sein ganzes Sinnen und Trachten erfüllt, nimmst du keinen Anteil, du bist ihn: kein Freund, kein Kamerad, du wirst ihm innerlich fremd und in recht vielen Fällen dauerts dann nicht mehr lange, bis auch äußerlich eine Entfremdung eintritt. Auf jeden Fall entbehrt der Mann das schönste und beste, was uns bei allem irdischen Arbeiten und Streben zuteil werden kann, was uns erhebt und anspornt, den Beifall und die Anteilnahme einer treuen, gleichgesinnten Seele.
Gar mancher wackere Handwerksmeister ist zeitlebens auf keinen grünen Zweig gekommen, weil er nicht die rechte Frau genommen. Weil die Meisterin, statt an einem Strang mit ihm zu ziehen, immer anders wollte, wie er, bloß an sich und ihre Wünsche dachte, immer nur ihre eigenen Ansichten durchsetzen wollte und es nicht verstand, ihm eine geordnete und behagliche Häuslichkeit zu bereiten. Weil die Meisterin kein Interesse fürs Geschäft zeigte und durch ihr fortwährendes Zersen und Keifen auch dem Meister die Lust und Liebe zur Arbeit verdarb.
Mach's anders, liebe Frau Meisterin!
Wer einen Schuhmacher heiratet, darf sich nicht scheuen, Pech anzufassen, und die Frau eines Tischlers muß sich eben an den Leimgeruch gewöhnen. Das ist doch nichts besonderes. Die Frau eines Arztes muß ja auch Karbol riechen lernen und die Frau eines Rittergutsbesitzers muß den Anblick der Misthaufen ertragen. Also das Erste und Selbstverständlichste ist: an unangenehme Einzelheiten, die jeder Beruf hat, muß man sich gewöhnen und sich dafür an das Gute und Schöne, das auch in jedem Beruf, sicher aber in jedem Handwerk liegt, halten. Man muß das Handwerk des Mannes lieben und schätzen. Man muß sich wenigstens soweit mit ihm vertraut machen, daß man es versteht, wenn der Mann sich darüber aussprechen will. Und es ist selbstverständlich, daß jeder Mann sich gern einmal über das, was ihn tagsüber beschäftigt, ausspricht. Und mit wem könnte er das besser tun, als mit seiner Frau, d. h. mit demjenigen Menschen, der mit ihm lebenslang verbunden
ist, Anteil an seinen Geschästserfolgen und Fehlschlägen nimmt und gewissermaßen einen Teil seines Selbst bildet. Wenn der Mann Mißerfolge und Sorge hat, sucht sie ihn aufzurichten und zu erheitern; der Blick einer Frau sieht oftmals noch einen Ausweg, wo der Mut eines Mannes verzweifeln will. Blanche, — die dummen, törichten Meistersfrauen — können sich nicht enthalten, in solchen Fällen dem Manne Vorwürfe zu machen, und im Tone des Allesbeffer- wissens ihm vorzuhalten, welche Fehler er gemacht. Was ist die Folge? Der Mann wird verärgert, verliert die Lust an Geschäft und Häuslichkeit und arbeitet weniger und schlechter, sitzt aber dafür länger im Wirtshaus.
Die praktische Meisterin soll ihrem Manne aber auch tätige Hilfe leisten beim Geschäft. Damit ist nicht gemeint, daß sie ihm einen Lehrling oder Gesellen ersetzen soll, daß sie direkt im Handwerk mit tätig sein soll. Im Gegenteil! Wenn es sich auch vielfach, zumal in kleinen Betrieben, nicht umgehen läßt, daß die Frau ihre Arbeitskraft mit ausnutzen muß (z. B. beim Schuhmacher mit Schäftesteppen, beim Schneider mit Knopslüchernähen usw.,) — besser ist es sicher, wenn das nicht nötig ist. Die Frau kann ihrem Mann vielmehr in anderer Weise nützen, nämlich wenn sie ein bißchen hinterher ist, eingehende Bestellungen zu notieren, Rechnungen herauszuschreiben und für das Geldeinziehen zu sorgen.
Das ist ja bekanntlich der wunde Punkt bei sehr vielen Handwerkern. Sie arbeiten und schuften den ganzen Tag und doch sind sie stets in der Geldklemme, weil sie es nicht verstehen, das Geld für die Arbeit prompt hereinzuholen, lieber Tag kommt der Meister fast nie dazu, eine Feder in die Hand zu nehmen und abends in er meist so müde und abgespannt, daß er auch keine Lust spürt sich noch hinzusetzen und Schreiberlein zu spielen. Aber die Frau Meisterin kanns machen. Sie hat eine leichtere Hand und das Schreiben wird ihr nicht so schwer. Wenn sie sich die häusliche Arbeit richtig einteilt, kann sie Zeit genug finden, um tagsüber die Bestellungen zu notieren oder abends ein Viertelstündchen darauf zu verwenden, Rechnungen herauszuziehen. Man predigt soviel jetzt den Handwerkern vor: Führt Bücher. Viel genützt hat die Mahnung bis jetzt noch nicht; aus den angedeuteten Gründen kommt eben der Meister oft nicht dazu. Das sollte ihm nun die Frau Meisterin abnehmen. Viel Arbeit ists durchaus nicht. Man braucht nicht gleich mit Inventuren, Bilanzen, Kontokorrent, Memorial und Journal anzufangen, sondern man nehme sich zwei nicht zu kleine festgebundcne Bücher. Das eine wird für die Kasse benutzt, auf die eine Seite kommen alle Einnahmen, auf die andere die Ausgaben. Das andere Buch soll das allgemeine Merkbüchlein sein. Da hinein wird alles notiert, was im Geschäft wichtiges vorsällt. Wenn jemand was bestellt hat, oder wenn zu einem bestimmten Tag eine Arbeit im Haus eines Kunden erledigt werden soll, oder wenn ein Reisender einen Auftrag erhielt, oder wenn Waren abgeliefert und nicht sofort bezahlt worden sind. Und so weiter! Seht sich abends der Meister mit der Frau Meisterin gemütlich zusammen so kann er sein Pfeifchen oder seine Zigarre rauchen, sein Bier dazu trinken und der Meisterin erzählen, was tagsüber im Geschäft vorgekommen. Die Frau Meisterin notiert mit flinken Fingern, was zu notieren ist. Und so ist's für beide Teile keine Arbeit, sondern eine Erholung und Anregung. Durch diese regelmäßige Aussprache fühlen sich Meister und Meisterin im gemeinsamen Interesse für das Geschäft verbunden. Die Frau lernt die Arbeit, die der Mann leistet, schätzen und verstehen, und das ist zunächst die Basis für eine glückliche Ehe, ein gutes Familienleben. Sie kann aber auch praktisch helfen, denn sie sieht aus ihren Notierungen, was zu tun ist, kann den Mann oder den Gehilfen erinnern, kann Ordnung halten mit dem Einziehen der Rechnungen, und das ist unendlich wichtig für das Gedeihen des Berufs. Und wenn die Meisterinnen alle so denken, so können sie viel, sehr viel zur Hebung des ganzen Handwerks beitragen.
(Vom Meister Tobias.)
Türkisch-italienischer Konflikt.
Ueber Nacht hat es im Mittelmeer einen ernsten Konflikt gegeben, der berufen scheint, die Gemüter etwas in Auf- regung zu setzen. Die Pforte hat nämlich seit einiger Zeit großen Mut, ein seltenes Ereignis, aber für das Reich des „kranken Mannes" nicht gut. Schon kürzlich mußte sich die römische Regierung bei der Pforte über den undiplomatischen Ton einer türkischen Note ernstlich beschweren und heute haben wir «ms anderem Anlaß den schönsten Konflikt, den
Amtsblatt für Pfalzgrasenweiler.
1908
man sich nur denken kann. Und das kam so. Die Pforte teilte in einer Note dem italienischen Botschafter mit, daß sie die Neuerrichtung italienischer Postanstalten in der Tür- kei nicht mehr gestatte. Das wäre nun nicht schlimm gewesen, da aus diplomatischen« Wege leicht eine Einigung geschaffen worden wäre. So aber leistete sich die Pforte de« kühnen Satz, sie habe bestiminte Befehle erteilt, die Eröff- nung italienischer Postanstalten zu verhindern. Auf Umwe- gen erfuhr der italienische Botschafter den Sinn dieser Be- fehle. Danach sollen türkische Truppenabteilungen die neueröffneten Postanstalten bewachen und das Publikum mit G e- Walt am Betreten der Posten verhindern.
Das ist eine schwere und ungerechtfertigte Provokation Italiens durch die Türkei und die römische Regierung will sich dies begreiflicherweise nicht gefallen lassen. Sie ist nach einer offiziösen Meldung fest entschlossen, ihr Ansehen ::nd ihre Rechte energisch zu wahren und hat zu diesem Zwecke Befehl gegeben, daß drei Flottendivisionen nach den türkischen Gewässern abgehen, um dort für jede Eventualität bereit zu sein. Man vermutet, daß diese demonstrierende Flotte eine der zahlreichen Inseln im Aegä- ischen Meere gegenüber Kleinasien besetzen lassen wird und diese Besetzung solange durchführt, bis der Konflikt beseitigt ist. Sobald das Geschwader, das bereits am Osterheiligabend zusammengestellt wurde, an seinein Bestimmungsort angekommen ist, wird Italien an die Pforte und die europäischen Großmächte eine Note richten, in der es auf die Verletzung der internationalen Rechte durch die Türkei Hinweisen wird. Nicht nur in der jetzt aktuell gewordenen Postfrage, auch in anderen Fragen habe sich die Türkei Uebergriffe und Gewalttaten zu Schulden kommen lassen. Von der türkischen Antwort hängt die künftige Haltung Italiens und die künftige Aktion der Demonstrationsflotte ab.
Das Ziel ist klar, das die italienische Regierung in Verfolg des ihr angetanen Unrechtes vorhat: Schutz der italienischen Rechte. Das Vorgehen der Italiener hat mit einer Abenteuerpolitik L la Frankreich in Marokko nichts gemein, es ist vielmehr eine Politik der gerechten Notwehr und keine Großmacht wird den Italienern daher die Sympathie verweigern. Es kam« den Türken absolut nichts schaden, wenn sie für ihre zahllosen Ungehörigkeiten einmal einen Denkzettel bekommen. Jedenfalls mutet das Vorgehen Italiens recht schneidig an und wird der Pforte mehr imponieren als das deutsche Manöver den Schandtaten Femin Paschas gegenüber. Verwunderlich ist, woher die Türkei seit einiger Zeit ihren Mut, um nicht zu sagen Uebcrmut, her hat. Der Sultan rühmt sich ja, der Freund des deutschen Kaisers zu sein. Das gibt ihm aber nicht das Recht, im Vertrauen auf eine Hilfe Deutschlands — an die übrigens in solchen Fällen nicht zu denken ist — ungerechtfertigte Streiche zu begehen. Außerdem mußte die Pforte doch ganz gut wissen, daß Deutschland aus seiten seines Dreibundbruders steht. Die Aktien stehen also sehr schlecht für die Türkei und es kann ihr nur geraten werden, recht bald — che es zu spät ist — nachzugeben. Wo sich aber zwei streiten, da fehlt der lachende Dritte nicht und dieser ist natürlich Rußland. Es würde dein Zarenreiche ganz lieb sein, wenn die Türken etwas Unangenehmes erleben, das wäre Wasser auf seine Mühle. Daß die Türken und Russen wie Hund und Katze leben, ist ja bekannt und erst in der letzten Zeit kamen wieder alarmierende Gerüchte, die nun allerdings durch den italienisch-türkischen Zwischenfall in den Hintergrund treten. Die Hauptfrage ist jetzt die: Was wird aus dem Konflikt? Ein Krieg wird schwerlich die Folge sein, das verhindern schon die anderen Mächte, und an eine größere Sühne ist Wohl auch nicht zu denken. Man darf die Türkei nicht zu sehr schröpfen, sie hat nichts. Aber eine entsprechende Abbitte und einige wirtschaftliche Konzessionen wird Italien Wohl herausschlagen und seine Popen werden auch eröffnet werden. Höchstwahrscheinlich verrinnt die groß aufgebauschte Sensationsaffäre geräuschlos im Sande wie so mancher frühere Konflikt.
So ist es auch geschehen. Die Pforte hat schleunigst sich eines Besseren besonnen und die Neueröffnung der Postanstalten genehmigt. Die italienische Regierung wünscht nun auch die Erledigung anderer Beschwerdepunkte. Indessen hat die teilweise bereits nach der Türkei in See gegangene italienische Flotte Befehl erhalten, einstweilen Halt zu machen. Auch diese Beschwerdepunkte werden wohl bald erledigt sein, sodaß sich alles in Wohlgefallen anflösen kann.