Ln dem Heiligsten der Natur, an ihren Erstlingen. Wieviel blühende Kirschenzweige und Apfelknospen werden so zugrunde gerichtet, wieviel Frucht im Keime durch einen rohen Zugriff der Menschenhand getötet! Besonders der Städter ist den ersten Blüten gefährlich. Kehren die Ausflügler abends heim, dann tragen sie ganze Bündel Blust, Anemonen, Himmelsschlüssel, Schlehenblüten mit, die nach kurzer Zeit verwelkt weggeworsen werden. Da gehört Schutz her, Schutz der Natur. Die Feldsteißler müssen im Frühjahr streng ihres Amtes walten, und Schule und Elternhaus mutz dabei durch Lehre und Beispiel mithelfen.
^b. Mutmaßliches Wetter. Der bereits gestern angekündigte Witterungsumschlag dürfte nur einige Tage Vorhalten. Für Sonntag und Montag steht zeitweilig trübes und kühleres, dann aber wieder aufheiterndes und wärmeres Wetter bevor.
Zur Beurteilung des landwirtschaftlichen Notstandes auf dem Schwarzwald.
Hierzu wird dem „L. Wochenbl." geschrieben:
„Auf den in Nr. 15 des „Württ. Wochenblatts für Landwirtschaft erschienenen Artikel (vergl. auch „Calwer Tagbl." Nr. 89) „Zur Beurteilung des landw. Notstandes auf dem Schwarzwald" erlaube ich mir aus langjähriger Erfahrung folgendes zu berichten:
Fichten- und Tannennadelstreu von alten, 69—80- jährigen Bäumen gibt eine vortreffliche Streu, und werden solche Reisschläge in strohknappen Jahrgängen hier in Münsingen und Umgegend sehr gut bezahlt. Dagegen aus Reinigungshieben von jungen Nadelholzbeständen hat die Streu nicht viel Wert und rentiert sich gegenwärtiger Zeit bei den hohen Taglöhnen nicht.
1. Geben Reinigungen von jungen Fichtenbeständen kein gutes Streumaterial, weil die Zweige viel zu glatt liegen und von unten herauf dürr find.
2. Das Material aus den jungen, fast undurchdringlichen Beständen herauszuschaffen, verursacht viel zu viel Zeit und Mühe zu jeglicher Jahreszeit, denn gegenwärtig rechnet jedermann.
3. Dagegen hängen von alten, ausgewachsenen Fichten die Zweige von den Aesten in 20 bis 30 Zentimeter langen Zettern herunter, und da hat man, wenn ein größerer Ast ausgeputzt ist, bald einen Korb voll Streu und noch gutes Brennmaterial. K. M."
c?o Gechingen, 26. April. Unsere Bevölkerung wird aus einer Aufregung in die andere versetzt. Kaum, datz sich über den Fall, in dem eine verwitwete, begüterte Frau durch Erhängen sich selbst das Leben nahm, die Gemüter wieder etwas beruhigt haben, ereignete sich schon wieder ein Unglück, das schon durch die Umstände, wie es sich ereignete, allgemein bedauert wird. Die Tochter des Schäfers Schaible, Anna, war damit beschäftigt, die Böden in den Zimmern zu ölen, welche sie nach ihrer Hochzeit, die am kommenden Mittwoch stattfinden sollte, beziehen wollte. Dabei war sie so unvorsichtig, auf den Boden, auf dem sie kniete, neben sich den brennenden Spiritus-Apparat zu stellen, um das Oel darauf heitz zu machen. In einem unbewachten Augenblick fingen die Kleider des Mädchens Feuer, und ehe sie sichs versah, brannten diese lichterloh. Einer lebenden Feuersäule gleich lief die Unglückliche die Treppe hinunter, vors Haus hinaus zum nächsten Nachbarhaus, wo die Nachbarsleute in anerkennens-
Tyrann Ehre.
29) Roman von K. Lubowski.
(Fortsetzung.)
Emmi Brandhuber wurde sehr rot. Sie konnte ja einfach als Entschuldigung sagen, datz ihr die Zeit zu Besuchen gefehlt habe, datz neue Stellen zu den alten hinzugekommen wären, und datz sie während der ganzen Zeit nicht in der Gegend der Maximilianstraße gewesen sei. Aber lügen konnte sie nun mal nicht. Darum verschmähte sie auch jetzt die Ausreden und überging seine Vorwürfe mit Stillschweigen.
„Wo drückte denn bei ihr?" fragte sie hastig.
„Ach Gott, das ist an böse Eeschicht, traurig zum Herzbrechen, Fräulein Emmi. Eines Mittags, als i nach Haus komm, liegt sie starr und kalt am Boden, kanns sich net rühren ,kann net sprechen. A bissel besser ists gottlob geworden, aber die rechte Seite ist immer noch gelähmt. I Hab sie auch heut net allein lassen wollen, aber sie hat sich so arg darüber aufgeregt, datz i, blotz um sie ruhig zu haben, hierher gegangen bin. An Freud Hab i net davon."
„Du meins! Das ist ja schrecklich. Hats denn wenigstens an ordentliche Pflegerin?"
,',Heut ist die Nachbarin drüben, Fräulein Emmi."
„Und sonst?"
Er schüttelte trübselig den Kopf.
„Sonst niemand — sie wills net."
„Und warum in aller Welt net? Sie war doch immer an verständige Frau."
Mit scheuem Seitenblick wandelten seine Augen zu den beiden anderen hin, die mit offenem Munde
werter Hilfsbereitschaft sofort mit den Nächstliegenden entsprechenden Gegenständen die Flammen erstickten. Der ortsansässige Wundarzt brachte die erste Hilfe, und nach kurzer Zeit war auch der Arzt aus Weil- derstadt im Automobil zur Stelle, der dann die eigentliche ärztliche Behandlung des schwer verbrannten Körpers übernahm. Die Brandwunden bedeckten den ganzen Unterleib des Mädchens, sie sind sehr schwer; doch ist Hoffnung, datz sie ihre Unvorsichtigkeit nicht mit dem Leben bezahlen mutz.
Württemberg.
Stuttgart, 26. April. Im Vrenzhaus hielt gestern unter dem Vorsitz von Professor Dr. Götz- Tübingen der Württembergische Landesverband des Ev.-sozialen Kongresses seine Frühjahrsversammlung ab. Der Vorsitzende berichtete zunächst über die Arbeit im vergangenen Winter. Hierauf wurde ein Antrag, die Herbsttagung in Tübingen abzuhalten, angenommen. Oberfinanzrat Professor Dr. Losch erstattete in der öffentlichen Versammlung ein Referat über „Die Lanoflucht in Württemberg". Pfarrer Kappus-Upfingen ergänzte den Vortrag des Vorredners nach der persönlich ethischen Seite hin. An die Vorträge schloß sich eine längere Erörterung an.
Herrenbcrg, 26. Avril. Die Staatsanwaltschaft des Landgerichts Tübingen weilte dieser Tage hier, um in kur Strafsache des Waldschützen Vrotz eine ganze Anzahl Zeugen zu vernehmen. Gutem Vernehmen nach kommt der Fall nicht mehr in der augenblicklichen, sondern erst in der nächsten Schwurgerichtsperiode zur Verhandlung. — Als gestern früh um 8 Uhr ein Güterzug nach Nufringen einfuhr, stand plötzlich ein Pferd auf dem Geleise, sodatz der Zug mit Müye noch rechtzeitig zum Stehen gebracht werden mutzte. Das Pferd war kurz zuvor von der 24 Jahre alten Tochter des Totengräbers Bucken- berger, die im Herbst Hochzeit halten wollte, vor die Ackerwalze gespannt worden und beim Herannahen des Zuges durchgegangen. Das Mädchen selbst kam unter die Walze und erlitt so schwere Verletzungen, datz es im Bezirkskrankenhaus verstorben ist.
Neckarsulm, 25. April. In Widdern wurde an mehreren jungen Bäumen die Rinde losgeschült, ohne datz es gelungen wäre, des Täters habhaft zu werden. Nun wurde aus Neuenstadt ein Polizeihund nach Widdern gebracht, der ein 16jähriges Mädchen verbellte. Es hat die Tat eingestanden.
Crailsheim, 25. April. Infolge der schönen und sonnigen Witterung sind die Landwirte des Bezirks in den Stand gesetzt, die Feldbestellung bequem zu vollziehen. Die Sommersaat ist nahezu der Mutier Erde anvertraut und großenteils sind auch schon die Kartoffeln eingelegt. Die Frostnächte im April haben, abgesehen vom Frühobst, wenig geschadet. Wintersaaten, Wiesen und Kleeäcker zeigen üppigen Wuchs, besonders der Roggen hat schon eine ziemliche Höhe erreicht. Der reichliche Knospenansatz bei den Kernobstbäumen berechtigt zu den besten Hoffnungen.
Aalen, 25. April. Der Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohenzollern hielt gestern seine 7. Hauptversammlung in hiesiger Stadt ab. Es hatten sich die Mitglieder aus allen Teilen des Landes eingefunden. Die Zentralstelle
andächtig zuhörten, als wollten die traurigen Blicke sagen: „Ich möchts dir schon erzählen, aber die da müssen erst weg sein."
Sie verstand ihn sofort.
„Wann ihr mögt, Schnatterer Eret und du, Franzi, könnt ihr an bissel schlandern gehen, aber wohlverstanden, immer so, datz i euch unter Augen behalt." Otto Hüssingers erstaunten Blick auffangend, fügte sie schnell hinzu: „Damit i euch ab- rufen kann, wenn wir heim wollen. — So — und nun nehmens an bissel Platz," sagte sie, als die beiden vergnügt davon sprangen, und sammelte sorglich das Stullen- und Kugelhupfpapier von den Stühlen zusammen."
Er setzte sich auf die äußerste Kante eines Holzschemels.
„Warum hats also kan Pfleg?" half sie ihm ein.
Er holte tief Atem.
„Es sind noch von meinem selgen Vater her an paar hundert Mark Schulden abzuzahlen," stammelte er, „und bis die net bei Heller und Pfennig bezahlt sind, sperrt sie sich gegen jede neue Ausgabe."
„Und wer macht die Stube blank und kocht 's Essen?" examinierte Emmi weiter.
Er sah sie offen und fest an, ohne eine Spur von Scham.
„I, Fräulein Emmi, wann i heimkomm."
Ihr schießt es heitz in die Augen empor.
„Wenn i nun von morgen an alle Tag zwei Stunden zu Ihnen käm und an bissel nach dem Rechten sehen tät," sagt sie bittend, und sieht ihn warm an.
Er hebt abwehrend die Hand.
für Wohltätigkeit, die K. Kreisregi'erung in Ell- wangen, das Oberamt und das Stadtschultheitzenamt hatten Vertreter gesandt. In der am Vormittag stattgefundenen Mitgliederversammlung wurde vom Vorsitzenden, Regierungsrat Frhr. v. Soden-Tü- bingen, der Geschäftsbericht des Geschäftsführers Pfarrer Kappus-Eönningen erstattet, vom günstig abschließenden Kassenbericht Kenntnis genommen, das Programm für das kommende Vereinsjahr aufgestellt und die Neuwahlen bestätigt. Das gemeinsame Mittagsmahl fand in der Harmonie statt. Am Nachmittag tagte eine öffentliche Versammlung im Spritzenhaussaal, in der Kunstmaler Lauxmann- Eannstatt über „Volkstrachten in Vergangenheit und Gegenwart" und Pfarrer Küster-Neufra über „Re- krutenfürsorge als Ausgangspunkt für ländliche Jugendpflege" sprach. Ersterer Redner befürwortete die Erhaltung der Volkstrachten als ein Stück vaterländischer Geschichte, während letzterer Redner die Notwendigkeit und die Wichtigkeit der Jugend- und Rekrutenfllrsorge betonte und Mittel und Wege zeigte, die eine Bekämpfung der unserer Jugend drohenden Gefahren ermöglichen. Letzterer Vortrag soll gedruckt und sämtlichen Orten des Landes zugesandt werden. Die Tagung nahm einen schönen Verlauf.
Aidingen, O.-A. Spaichingen, 25. April. Auf dem hiesigen Friedhof erschoß sich gestern der 50 Jahre alreHarmonikamacher Johannes Oefinger von hier am Grabe seines einzigen Kindes, das vor Jahresfrist im Alter von 5 Jahren gestorben war. Er schien in letzter Zeit geistesgestört._
Aus Wett und Zeit.
München, 25. April. In der Kammer der Abgeordneten richtete bei der heutigen Beratung des Etats des Ministeriums des Aeutzern der Referent Abg. Eierl an die Staatsregierung die Anfrage, wie es sich mit dem Befinden des Königs Otto verhalte. Ministerpräsident Frhr. v. Hertling erklärte: Ich muß auf diese Anfrage lediglich die Antwort geben, die alle meine Vorgänger gegeben haben: Das Befinden des Königs Otto ist völlig unverändert. Ich habe mich persönlich davon überzeugt, als ich vor zwei Tagen nach Fürstenried gefahren bin. Das Haus nahm diese Erklärung zur Kenntnis.
Berlin, 25. April. Im Abgeordnetenhaus kam es heute zu einem Zwischenfall. Während seiner mehr als zweistündigen Rede hatte der Abg. Liebknecht (Soz.) bereits zwei Ordnungsrufe erhalten. Seine Rede fand ein jähes Ende, als ihm der Präsident unter lebhafter Zustimmung und großer Unruhe im Hause wegen seiner Aeutzerung: „Preußen wird immer mehr zum Kinderspott" den dritten Ordnungsruf erteilte und er deshalb ge- schäftsordnungsmätzig die Rednertribüne verlassen mutzte. Nach Einsicht in das Stenogramm erteilte der Präsident dem Abg. Liebknecht einen weiteren Ordnungsruf wegen seiner Aeutzerung: Rußland ist das barbarischste und verächtlichste Land in Europa." Der soz. Abg. Ströbel rief: „Außer Preußen!", wofür auch er einen Ordnungsruf erhielt. Dann ergriff Minister von Dallwitz das Wort, um unter lebhaftem Beifall namens der Staatsregierung entschieden Verwahrung gegen einen derartigen Angriff gegen einen
„I weiß net, ob i — das — Opfer — annehmen darf."
„Wanns Ihnen an Opfer ist, dann net."
„Verstehens mich net falsch," bittet er dagegen, „wir wollen doch offen miteinander sein. Sie ringen doch ums tägliche Brot so gut wie wir. Nur darum Hab i 's Bedenken."
„Das war an offenes Wort, Herr Hüssinger, und an offene Antwort g'hört drauf. I will Ihnen an Vorschlag machen. Sie zahlen 's Fahrgeld, alle Tag zwanzig Pfennig, und i bring mein Kochtöpfli mi. I spar somit an Zehner oder noch mehr für das Feuer zu Haus, und nachher erlaubens noch, daß der Franzi, der ganz in der Näh im G'schäft ist. zum Essen rüber kommt — und wir sind quitt. Wollens so?"
Er nickt und bemächtigt sich ihrer Hand.
Wie sonderbar ihr das ist. Sie war schon vielfach in Anspruch genommen, diese feste, rauhe Mäd- ckenhand, aber immer nur, wenn es galt, Arbeiten zu vsrrichren, für die sich keine bessere, weichere gefunden haben mochte. Niemals in Dankbarkeit oder barmherziger Liebe für das elternlose Mädchen. Wer nimmt sich heutzutage auch, wenn er den äußeren Menschen speist, die Mühe, nach dem Hunger des inneren zu fragen?"
„Ja, Fräulein Emmi, so solls sein, und tausend Vergeltsgott für Ihre Herzensgüt," sagt er fast jubelnd, „und wenns mal daheim in Ihrem Stübel an hübsch Tavete oder an schön gemalt Stubendecke gemacht haben möchten, so solls mir an Ehr und an Freud sein, wann i's tun darf."
(Fortsetzung folgt.)