Nr. 4.
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Schwarzwälder SonntagSblatt.
Kchwenninger hat bekundet, daß die Frau v. Elbe nach
seiner ärztlichen Ueberzeugung keineswegs den Eindruck einer Hysterischen gemacht habe, sondern durchaus glaubwürdig erschienen sei und daß sie die Vorfälle tatsächlich so erzählt habe, wie später vor dem Schöffengericht. Die Frau Schwenningers, eine geborene Gräfin Moltke, Nichte des Grasen Kuno, bestätigte diese Bekundung. Prof. Schwenninger ertlärt auch, daß Fürst Bismarck wiederholt aus abnorm geschlechtliche Neigungen im Kreise des Fürsten Eulenburg angespielt habe, und er erklärre weiter, daß er den Grafen Moltke für einen süßlichen, weibischen Mann gehalten habe und daß ihm derartige Gerüchte zu Ohren gekommen seien. Taffachen wußte indessen Schwenninger nicht auzunehmen. Lauteten dessen Aussagen durchaus günstig für Harden, so versagte ein anderer Kronzeuge in ziemlich überraschender Weise, nämlich Chefredakteur Dr. Liman, in dessen Gegenwart Fürst Bismarck mit Bezug auf den Fürsten Eulenburg und den Liebenberger Kreis als von Hintermännern auch im physischen Sinne gesprochen haben sollte. Liman erklärte zwar, daß Fürst Bismarck, der nach seinem Ausscheiden auf den damaligen Grafen Philipp Eulenburg schlecht zu sprechen war, in einer Aufwallung „prachtvollen Zornes" von den „Hintermännern"' von der Kamarilla der „Kinäden" gesprochen habe, daß das aber nicht in sexuellem Sinne geschehen sei. Die Ueberzeugung, die Chefredakteur Dr. Liman unter seinem Eid ausgesprochen, in allen Ehren. Immerhin darf man hier wohl ein Fragezeichen anbringen, denn im alten Griechenland verstand man unter „Kinäden" etwas sehr Unzweideutiges, und wenn ein Mann wie Fürst Bismarck eine solche Bezeichnung wählte, so ist doch wohl anzunehmen, daß er damit wirklich etwas sagen wollte. Doch das ist schließlich nur in zweiter Linie von Interesse.
Fürst Eulenburg hat in seiner eidlichen Vernehmung nicht nur jede homosexuelle Betätigung, sondern auch jede homosexuelle Neigung und Veranlagung entschieden von sich gewiesen. Daran ist natürlich nicht zu rütteln. Ferner hat Fürst Eulenburg, der trotz seines leidenden Zustandes seine Aussagen mit bemerkenswerter Regsamkeit und Energie machte, auch die Reden von der „Kamarilla" von der Hand gewiesen und erklärt, daß er nie versucht habe, als unverantwortlicher Ratgeber des Kaisers politischen Einfluß zu üben. Er hat sich insbesondere, was die Rolle des ehemaligen franz. Botschafters Lecomte anbelangt, darauf berufen, daß er, als er von Lecomte nach dessen Rückkehr aus Paris zur Zeit der Marokkokrisis bemerkenswerte Mitteilungen erhalten habe, sogleich zum Fürsten Bülow gegangen sei, um oiesen darüber zu unterrichten. Das muß zweifellos als ein durchaus korrektes Verfahren anerkannt werden.
Aber im Ganzen wird doch durch die Zeugenaussage,des Fürsten Eulenburg die Auffassung von der Nützlichkeit der Schädlichkeit seiner politischen Wirksamkeit kaum erheblich korrigiert werden können. Tatsache ist, daß er sich immer geweigert hat, ein verantwortliches Amt in der Regierung anzunehmen, das er oft hätte haben können,
Tatsache ist auch, daß Fürst Bismarck der erste Reichskanzler wie sein Nachfolger Liebenberger Einflüsse übel empfunden haben, und sie werden wohl gewußt haben, warum.
Fürst Bismarck hat die Sache richtig gekennzeichnet als er sagte, wenn die Sache so dumm gemacht würde, daß der regierende Herr es merkte, wenn man ihn beeinflusse, konnte sich eine Kamarilla nirgends halten. So ist es. Leute in der Umgebung des Monarchen können schon durch ein bei Gelegenheit geschickt hingeworsenes Wort dein verantwortlichen Ratgeber entgegenarbeiten, und das braucht durcbaus nicht immer in vorbedachter Absicht zu geschehen. Jedenfalls darf man bei der Ansicht bleiben, daß Leute von der mystisch-romantischen, weichlichen Sinnesrichtung— auch ohne „normwidrige" Gefühle, in der Umgebung des Monarchen vom Uebel sind. Uebrigens ist die Behauptung, daß Graf Moltke der Vertrauensmann des Fürsten Eulenburg war und diesen fortlaufend über die Vorgänge in der Umgebung des Kaisers und die Stimmungen auf dem Laufenden hielt, nicht widerlegt worden, ebenso wenig die Behauptung, daß der Kaiser in dem Briefwechsel der Freunde als „Liebchen" bezeichnet wurde. Doch für heute genug davon. Es wird noch öfter von dem, was mit diesem Prozesse zusammenhängt, geredet werden, denn die politische Seite ist mit dem Urteilsspruch noch keineswegs abgetan. Freuen darf man sich, daß der Sumpf, der sich in der ersten Verhandlung auftat, in dem zweiten Prozeß seine Abscheulichkeit zum größten Teile verloren hat. So schlimm ist es mit den widernatürlichen Lastern gottlob denn doch noch nicht in Deutschland, und wir brauchen uns nicht vor der Welt zu schämen, daß es an den Stufen des Thrones sich besonders breitgemacht hätte. Insbesondere muß man Genugtuung darüber empfinden, daß es dem so schwer geprüften Grafen Moltke gelungen ist, sich zu rehabilitieren und daß auch Fürst Eulenburg den Schmutz hat von sich abstreifen können. Und was den Herausgeber der Zukunft anbelangt, so sollte man, wie schon eingangs gesagt, nicht vergessen, daß er in gutem Glauben
und nicht aus unlauteren Motiven gehandelt hat. Er hat sich, wohl nicht unbeeinflußt von der Autorität seines Freundes Schwenningers, des Arzies, von einer hysterischen Frau täuschen lassen und er hat dann den Fehler begangen, vor dem Schöffengericht den schwersten Bezicht zu erheben. Dafür muß er im Gefängnis büßen, schwer büßen, denn für einen in seiner Gesundheit so stark erschütterten Mann wie Harden ist eine längere Gefängnisstrafe eine ernste Sache. Der Staatsanwalt hat 4 Monate beantragt, weniger als man erwartet hatte. So lautet auch das Urteil. Harden wurde zu 4 Monaten Gefängnis und zur Tragung der Kosten, auch des ersten Prozesses, verurteilt.
Der ehemalige Erzieher des Kaisers gestorben.
In Bielefeld ist am Sonntag Geh. Rat Dr. Hinzpeter, der ehemalige Erzieher des Kaisers, im 81. Lebensjahre gestorben. Er hat auf die geistige Entwicklung des Kaisers einen großen und nachhaltigen Einfluß geübt und der Kaiser hat seinem früheren Lehrer eine dankbare Anhänglichkeit bewiesen und bis in die letzten Jahre persönlichen Verkehr mit ihm unterhalten. 1904 ernannte er Hinzpeter zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz.
Flottenvereinskrisis und kein Ende.
Die 'Krisis im Flottenverein zeitigt ohne Unterbrechung eine Flut lebhafter, teilweise leidenschaftlicher Erörterungen. Die Landesvereinigungen sind dabei, sich über ihre Stellung
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Abenteuer einzulassen. Allein gerade das hat in Paris mißfallen. Die offiziellen Weisungen und Erklärungen ivaren eben darauf berechnet, das Ausland über das französische Vorgehen und die französischen Absichten zu beruhigen. Im Geheimen aber wünschte man, daß General Drude von sich aus weitergehen werde. Aber dieser begriff das nicht und hielt sich einfach an seine Weisungen. Infolgedessen schickt man einen anderen General nach Marokko, der weniger begriffsstutzig ist. Er soll zunächst die Kasbach der Mediunas einnehmen und die rebellischen Eingeborenen von dort vertreiben. Zu diesem Zwecke werden aus Oran Verstärkungen nach Casablanca geschafft. Es wird erklärt, daß die Kasbach, wenn Ruhe und Ordnung wiederhergestellt seien, den Truppen des Sultans übergeben werden soll und überhaupt tut man so, als habe man die Absicht, die französischen Truppen zurückzuziehen. Aber das wird wohl noch gute Weile haben. Der Sultan Abdul-Aziz scheint sich vollständig in die Hände der Franzosen begeben zu haben. Was es mit der Anleihe, die Frankreich ihm gewähren will, und den Bedingungen für eine Bewandtnis hat, erfährt inan immer noch nicht. An der algerisch-marokkanischen Grenze sind die französischen Truppen immer noch dabei, die marokkanischen Stämme zu „züchtigen".
Tages-Ereignisse.
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nähme auf dem bevorstehenden Delegiertentage in Kassel klar zu machen. Auch der Ausschuß des Württembergischen Vereins ist zu diesem Zwecke einberufen worden. In München waren letzthin die Delegierten des bayerischen Landesverbandes versammelt. Dje langen Erörterungen hatten das Ergebnis, daß der bayerische Verband sich durchaus auf die Seite des Prinzen Rupprecht von Bayern stellt. Er betrachtet die trotz des Einspruchs des Prinzen Rupprecht erfolgte Wahl des Generals Keim zum geschäftsführenden Vorsitzenden des Flottenvereins als eine Brüskierung des Prinzen und verlangt dafür Genugtuung in der Form des Rücktritts des Generals Keim. Im Norden dagegen ist man aus die Bayern sehr böse. So geht es hin und her. Frei von Schuld und Fehler bei dieser Krisis ist man nach unserer Meinung weder hüben noch drüben.
Das Sumpffieber in der französischen Marokkopo litik.
In der französischen Marokkopolitik scheint eine neue Phase einzutreten. Darauf läßt der Wechsel im Kommando der französischen Truppen in Casablanca schließen. General Drude ist zurückberusen und durch den Brigadegeneral d'Amade ersetzt worden. Angeblich besteht der Grund für diesen Wechsel lediglich darin, daß General Drude am Sumpffieber erkrankt ist. Aber daran glaubt man nicht recht. Es scheint vielmehr, daß die Regierung in Paris mit Drude nicht zufrieden ist. Er hat sich zwar genau an die ihm erteilten offiziellen Weisungen gehalten, nicht über einen Tagemarsch von Casablanca hinauszugehen und sich auf keine
In Nagold fiel der 44 Jahre alte Telephonarbeiter Müller von Isenburg beim Leitungsdrahtziehen von beträchtlicher Höhe ab und fftarb nach kurzer Zeit. Er hinterläßt eine Witwe mit 3 Kindern.
Beim Neujahrsschießen verunglückte der 22jährige Schreinergeselle G. Gutekunst in Neu-Nuifra. In unvorsichtiger Weise hatte er die rechte Hand vor dem Lauf seiner Pistole, während dieselbe losging, wobei ihm die Hand nahezu zerrissen wurde.
In Ulm erschoß in der Neujahrsnacht der Oekonom Ernst Wiedemann den Lokomotivführer Alfons Dettinger aus Fahrlässigkeit. Wiedemann gab Schlag zwölf aus einem Mausergewehr einen Schrotschuß ab und traf damit den Dettinger, der aus einem Fenster seiner Wohnung auf die Straße sah. Die Schrotladung zerriß dem Getroffenen die linke Gesichtshälste und führte nach kurzer Zeit den Tod herbei.
In Bonndors im bad. Schwarzwald wurde die 50jährige Witwe eines Handwerksmeisters im Walde erfroren aufgefunden. Sie wollte ihrer in einem hiesigen Nachbardorf wohnenden Tochter Christgeschenke bringen.
In All enstein in Preußen hat sich ein Aufsehen erregendes Drama abgespielt. Der Major v. Schönebeck wurde von seinem Freund dem Hauptmann v. Gäben in ganz feiger Weise ermordet. Hauptmann v. Göben hatte mit der Frau v. Schönebeck hinterm Rücken seines Freundes Verkehr und diese bestürmte ihn, sie von ihrem Gatten zu befreien. Anfangs sträubte sich der Hauptmann gegen derartige Zumutungen. Allmählich unterlag er aber den immer dringenderen Bitten der Frau und schließlich hatte das verbrecherische Paar einige Tage vor dem Weihnachtsfest verabredet, wie der Major beseitigt werden sollte. Da Hauptmann von Göben sich scheute dem bisherigen Freund und Kameraden mit der Waffe vor die Augen zu treten, kaufte er sich eine Maske, die er sichIvor das Gesicht band, stieg nachts in das Haus seines Freundes, um das Verbrechen auszuführen. Er muß
hierbei Geräusch gemacht haben, denn als er in
die Stube des Majors trat, war dieser bereits aufgewacht und hatte seinen Revolver aus dem Gewehrfchrank geholt. Zweimal drückte der Unglückliche umsonst ab, ehe der Vermummte dicht an ihn herang'ekommen war und ihn durch den Schuß in die Stirn zu Boden streckte. Der Mörder floh sofort auf dem gleichen Wege, auf dem er gekommen war, nach seiner Wohnung, und fuhr morgens wieder am Hause des Majors vor, als wäre nichts passiert. — Hauptmann v. Göben und Frau v. Schönebeck wurden verhaftet.;
Arbeiten....
Eine Probezeit ist dir gegeben; nie wirst du eine zweite haben. Ewigkeiten werden dahinrollen, aber dir wird keine zweite Probezeit vergönnt sein.
Die stillen Sterne und ewigen Sonnen scheinen noch heute dem, der eiu Auge für sie hat. An diesem Tag, wie an allen Tagen, sind Stimmen der Götter um und in jedem Menschen, — allen gebietend, ob ihnen auch keiner gehorcht — die deutlich vernehmbar sagen: „Stehe auf, du Sohn Adams, Sohn der Zeit; sorge, daß dieses göttlicher wird und jenes — und du selbst vor allen Dingen. Arbeite und schlafe nicht; denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann." Wer Ohren hat, zu hören, kann noch heute hören.