nisftrafe zu beantragen und zwar von vie" Monate n. Außerdem soll der Nebenkläger berechtigt sein, den entscheidenden Teil des Urteils in einer Reihe von Zei­tungen auf Kosten des Angeklagten zu veröffentlichen, selbst­verständlich auch an leitender Stelle in der Zukunft. Platten und Formen sind zu vernichten und Harden die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zum Schluß teilte der Oberstaatsanwalt mit, daß ihm ein Drohbrief zugegangen sei. Es würde ihn jemand aus dem Hinterhalt erschießen, wenn Harden verurteilt werde. Er könne nur mit Bismarck sagen: Da lach ick öwer.

Nach dem Plaidoyer des Oberstaatsanwalts äußerte sich Justizrat Dr. Sello, und entwirft ein Charakterbild vom Grafen Moltke. Hierauf erklärt Graf Moltke, er habe die Uniform ausgezogen, weil er sie nicht mit Schmutz habe be­werfen lassen wollen. Er betont, daß es in der Umgebung des Kaisers keinGrüppchen" und keineKamarilla" gebe. Es gebe nur eine Tafelrunde, und zwar die der kaiserlichen Familie, zu der dieser oder jener befohlen werde, und die das Volk liebe und verehre. Daran werde sich nicht rütteln lassen. (Lebhafter Beifall.) Hierauf tritt eine Pause ein.

Nach Wiederaufnahme der Sitzung hält-Justizrat Bern­stein ein zweistündiges Plaidoyer zu Gunsten Hardens und führt.aus, daß, wenn schon die Anklage Harden die edle Absicht, dem Vaterlande zu dienen und den guten Glauben zubillige, auf eine Gefängnisstrafe nicht erkannt werden könne. Der vom Oberstaatsanwalt ausgesprochenen Aufforderung, dem Fürsten Eulenburg aus Anlaß der im ersten Prozeß gegen ihn getanen Aeußerungeu Abbitte zu leisten, könne er nicht entsprechen, da er seiner Vernunft und seiner Logik nicht Gewalt antun könne. Nach kurzen Ausführungen des Oberstaatsanwalts und des Juftizrats Sello ergreift der zweite Verteidiger Hardens, Justizrat Kleinholz, das Wort zu einem halbstündigen Plaidoyer und beantragt Freisprech­ung seines Klienten, eventuell Geldstrafe. Nach einigen Aus­einandersetzungen, an denen sich Oberstaatsanwalt Dr. Jsen- biel und die Juftizräte Dr. Sello und Dr. Kleinholz betei­ligen, wird die Weiterverhandlung kurz nach 4 Uhr auf Donnerstag vormittag 10 Uhr vertagt. ' (Harden selbst wird am Donnerstag das Schlußwort erhalten und dann wird das Urteil gesprochen werden.)

Ausländisches.

jf Barcelona, 1 . Jan. Vor dem Hause San Pablo­straße 40 ereignete sich heute abend eine Bombenexplo- s i o n, durch welche ein Schutzmann getötet und ein anderer Schutzmann und ein Händler schwer verwundet wurden. Die Bombe war eine Artillerie-Granate und hat bedeuten­den Sachschaden angerichtet. In dem nahegelegenen Ly- ceumthcater, wo gerade eine Tannhäuser-Aufführung statt­fand, zersprangen alle Fensterscheiben, so daß die Vorstellung abgebrochen werden mußte.

js Teheran, 1 . Jan. Sämtliche Minister erschienen heute im Parlament, um die Interpellation bezüglich der gerichtlichen Verfolgung derjenigen Personen zu beantworten, denen die Schuld an den letzten Unruhen beizumessen ist. Die Interpellation ist bekanntlich das Resultat der Ver­ständigung des Parlaments mit dem Schah. Der Kriegs­minister und der Gouperneur von Teheran, Prinz Salar es Saltaneh, versprachen baldigste Bestrafung der Schuldigen. Der Hosraum, das Treppenhaus, ein Teil des Sitzungs­saales und die Wandelgänge des Parlaments wurden während der Beratung von einer bewaffneten, unter dem Befehl eines Generals stehenden Miliz bewacht.

js El Paso (Texas), 1. Jan. Ein Telegramm von San Antonio besagt, daß durch Explosion 30 Bergleute verschüttet wurden. Man befürchtet, daß alle tot find.

Allerlei. Zu der laufenden Landesverrats-Angelegenheit wird aus Aachen gemeldet: Bei dem Ueberschreiten der deutsch-holländischen Grenze wurde ein vor 3', Jahren desertierter deutscher Sanitätsuuteroffizier verhaftet, der in die Landesverrats-Angelegenheit Schiwara verwickelt sein soll. Ein schweres Brandunglück ereignete sich in Oranienburg bei Berlin. Der Eisschuppen einer Brauerei war in Brand geraten und das Feuer dehnte sich mit großer Schnelligkeit aus. Plötzlich brach die Decke eines Schuppens ein, auf dem sechs Wehrleute standen und spritzten. Vier wurden ziemlich schwer verletzt, während die beiden anderen mit leichten Quetschungen davonkamen. Nach Unterschlagung von Iff-r Mill. Peseta wurde ein spanischer Mönch in Neapel verhaftet. In Bukarest wurde die Witwe eins Millionärs unter dein Verdacht verhaftet, ihren Mann vergiftet zu haben. Aus Duisburg wird gemeldet: Aus der Gewerk­schaftDeutscher Kaiser" wurden sechs Bergleute verschüttet. Drei konnten sofort, die übrigen, die schwere Verletzungen erlitten, erst nach langer Arbeit geborgen werden. Dem Lokalanz." zufolge nahm infolge verzweifelter Notlage eine Familie in der Ortschaft Gröba bei Riesa (Sachsen) Gift. Der Vater ist tot. Die Mutter und zwei Kinder ringen mit dem Tode, nur das jüngste Kind gilt als gerettet.

Vermischtes.

8 DieMillionenerbschaft" des Bettlers. Vor einigen Tagen wurde auf einem Polizeirevier zu Paris ein ver­hafteter Vagabund durch einen originellen Trick befreit. Während er auf seine Vernehmung wartete, trat plötzlich ein anständig gekleideter Herr in den Raum, blickte um sich, ging dann schnell aus den Vagabunden zu und legte ihm die Hand auf die Schulter:Sind Sie nicht ein gewisser L. aus Lille?" lleberrascht blickte der Angeredete auf und sagte zögernd:Allerdings. Aber wer sind Sie?" Der Fremde schüttelte dem Bettler beide Hände und erzählte ihm, er suche ihn schon seit einigen Wochen, um ihm die Mit­teilung zu macheu, daß ein Verwandter von ihm gestorben sei und ihm ein Vermögen von rund 800 000 Frc. hinter­lassen habe. Als der Polizeikommissär hiervon hörte, ließ er den Verhafteten sofort unter lebhaften Glückwünschen frei, und dieser entsernte sich schnell mit dem Ueberbringer der Freudenbotschaft. Als später die Personalien des angeb­lichen Millionenerben nachgesehen wurden, merkte man, daß es sich mn ein Jndividium handelte, das wegen verschiedener Delikte längst gesucht wurde! Die Geschichte hatte aber noch eine weitere Folge. DieErbschaft" wurde ruchbar, und nun wurde der Kommissär von allen Seiten um die Adresse des neugebackenen Millionärs bestürmt. Eine ältere Witwe wollte ihn heiraten; Erfinder wollten ihn um Unter­stützungen bitten, und verschiedene Wohltätigkeitsanstalten machten nicht ganz deutliche Anspielungen auf Zuwendungen. Schade nur, daß die ganze Erbschaftsgeschichte sich als ab­gekartetes Spiel erwies.

Z Der Setzkasten-Kobold. Wenn man heutzutage in einer Zeitung einen Druckfehler findet, sagt man, falls man überhaupt etwas sagt:Der Setzer oder der Faktor hat Schuld" und liest dann ruhig weiter; vor einem halben Jahrhundert aber scheint man die Sache noch nicht so leicht genommen zu haben; damals machte man für jeden Druck­fehler, den man in einer Tageszeitung entdeckte, den Chef­redakteur persönlich verantwortlich und im buchstäblichen Sinne des Wortes auch haftbar. DieJllustrazione Jtaliana" hat aus einer amtlichen Zeitung vom Jahre 1852 sestgestellt, daß die österreichische Regierung die verantwort­lichen Redakteure durch Auwendung einer etwas scharfen Niethode zur sorgfältigen, genauen Wiedergabe der druck­fertigen Manuskripte zwang. DieGazette di Mantova" berichtete eines Tages über ein Geschenk, das eine Dame für ein Soldatenheim gemacht hatte, und schrieb infolge

eines Druckfehlers 100 Lire statt 400, die in Wirklichkeit gespendet worden waren. Der Druckfehler hatte eine uner­wartete Wirkung: das kaiserlich-königliche militärische Kommando von Mantua ließ, in Erwägung des Umstandes, daß dieGazette" eine staatlich konzessionierte Zeitung mar, daß in dein ihr zur Veröffentlichung übergebenen Manuskript klar und deutlich400 Lire" geschrieben stand, und daß die falsche Angabe der gespendeten Summe zu Verdächtigungen des so reich bedachten Soldatenheims führen könnte, den Chefredakteur des Blattes festnehmen und zu 8 Tagen Mittelarrest verurteilen.

8 In der Strafsache gegen den Grafen Hohenau und Lynar finden Vernehmungen namentlich von Polizeibeamten über den Ruf der Angeschuldigten statt. Auch der Berliner Polizeipräsident v. Borris soll gehört worden sein. Der Vorsitzende des ersten Harden-Prozess es, Amtsrichter Kern, ist auf seinen Wunsch aus der Straf­abteilung in die Zivilabteilung versetzt worden.

8 Zur Beisetzung des verstorbenen Geheimrats Hinzpeter, des einstigen Erziehers des Kaisers, am heutigen Donnerstag werden der Kaiser und Prinz Heinrich von Preußen in Bielefeld erwartet.

8 Auch der Sekt wird teurer. Die meisten deutschen Sektfirmen haben ihren Abnehmern soeben mitgeteilt, daß sie ab 1. April die Preise ihrer Marken unter 3,50 Mark exklusive Steuer um 25 Pfg. pro Flasche erhöhen. Die Preiserhöhung wird mit der Verteilerung sämtlicher Roh­materialien und mit Lohnerhöhungen begründet.

8 Ein Lehrer als 14facher Lebensretter. Auf dem Eise eines Teiches bei Eichstätt in Bayern brachen 14 Schul­mädchen ein. Dem Hilfslehrer Jung gelang es, alle Kinder zu retten, aber beinahe wäre er selbst ertrunken. Er geriet unter eine Eisscholle und konnte nur mit Mühe befreit werden.

8 Reicher Ordenssegen hat sich über die Lehrerschaft Posens und Westpreußens ergossen. 'Als Anerkennung für das tatkräftige Verhalten im polnischen Schulstreik erhielten viele Kreisschulinspektoren, Rektoren und Lehrer Rote Adler­orden, Kronenorden und Adler der Inhaber des Hollen- zollernschen Hausordens.

Handel und Verkehr.

! Stuttgart. 81. Dezember. Fleischpreise. Die Komm, für die Feststellung der Fleischpreise hat den Preis des Kalbfleisches um 5 Pfennig für das Pfund hinaufgesetzt. (1. Qual. 80 Pfg.) L. Qual. 76 Pfg.

Voraussichtliches Wetter

am Freitag den 3. Januar 1908: Kalt, Schneefälle.

Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk, Altensteig.

Gedenket der darbenden Bogelinell'

Dieser Mahnruf ergeht an alle Tierfreunde, nachdem der Winter eingekehrt ist und die Schneedecke der kleinen ge­fiederten Welt die Nahrung im Freien entzogen hat.

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W. Rieker'Schen Buchdruckerei

L. Lank, Altenfteig.

Adieu, Ihr Lieben! Prosit Neujahr! Ich reite jetzt aus dem Fasse uach Hause!" schrie jetzt Karlchen lustig auf und sprang in drolligen Kapriolen, ehe es einer seiner Freunde hindern konnte, die Stufen des tiefen Kellers empor und hinaus auf die Straße.

Der Rausch hatte ihn ganz erfaßt. Er fühlte nur noch, daß er schwebte, und zwar auf dem Rücken des Fasses, das ihn im Wahn des Weinrausches aus dem Keller getragen und nun fortführte durch Straßen und Gassen seiner Wohnung zu, die sich im Nachbarhause neben den: Hause seines Chefs befand. Das Faß donnerte einige Male an die Haustüre, und dann wurde diese wie mit Zauberkraft geöffnet und leicht getragen auf des Fasses Rücken flog Karlchen die finsteren Treppen hinauf seiner Wohnung zu. Aber dort hielten sie nun, Karlchen und das Faß, vor der fest verschlossenen Türe, und das ungeduldige Faß donnerte so mächtig und so unaufhörlich vor die Tür, daß dieselbe plötzlich von einem wütenden Menschen aufgerissen, Karlchen und das Faß von ihm gepackt, die Treppe hinuntergekngelt und auf die Straße in den hohen Schnee geworfen wurde. Durch die Abkühlung von Karlchens heißem Kopfe in dein kalten Schnee wurde er bald ganz munter. Das verdammte Faß, das er noch zwischen den Beinen zu fühlen glaubte, war glücklicherweise verschwunden und etwas ernüchtert überschaute Karlchen die Situation. Sein Blick fiel gerade auf die Tür des Hauses seines Chefs und ein entsetzlicher Gedanke überkam ihn. Sollte er seinem Chef und erhofften Schwiegervater im Weinrausche mit dem Fasse einen nächt­lichen Besuch gemacht, und dieser ihn aus dem Hause ge­worfen haben? Karlchens Knie schlotterten und er jammerte:

Nun ist alles, alles vorbei!"

Dann schwankte er nach einein Kasfeehause, ernüchterte sich noch mehr mit Hilfe einer Tasse Mokka und schlich sich dann zu Tode betrübt nach Hause.

4- »

Herr Maifahrt, Herr Maisahrt!" erklang es am Morgen vor Karlchens Tür.Sie müssen gleich aufstehen, es ist bald elf Uhr und Sie haben doch bei Herrn Rudlofs Neujahrsvisite zu machen!"

Es ist gut, Frau Müller, ich danke Ihnen," rief Karlchen mit weinerlicher Stimme, denn nun kam ja der schwerste Gang seines Lebens, zur Herrn Rudlofs sollte er zur Neujahrsgratulation gehen und dabei wollte er um Frieda Rudlofss Hand bitten, aber in der unseligen Neujahrsnacht war er schwer berauscht in Rudlofss Haus geraten und von diesem an die Luft befördert worden. Das würde einen schönen Empfang geben. Aber der Gang mußte gemacht werden. Mit klopfendem Herzen trat Karlchen etiva eine Stunde später in die Wohnung seines Chefs, um die Ent­scheidung über sein Schicksal zu hören.

Verehrter Herr Rudlofs, ich bitte tausendmal um Ent­schuldigung, sagte Karlchen mit zitternden Lippen bei dein Eintritt in Rudlofss Wohnzimmer und verbeugte sich sehr tief.

Warum haben Sie denn tausendmal um Entschuldigung zu bitten, lieber Maifahrt," ries Herr Rudlofs, jovial lächcnd.

Na, na, na," stotterte Karlchen und wollte mit seiner Entschuldigung deutlicher herausdrücken. Da er aber die Augen seines Chefs immer noch so freundlich strahlend auf sich gerichtet sah, blitzte ihm der Gedanke durch den Kopf, daß wohl ein anderer als Herr Rudlofs ihn letzte Nacht aus dem Hause geworfen haben müsse.

Ich habe mich heute sehr verspätet, verehrter Herr Rudlofs und bitte, meine herzlichen Glückwünsche zum neuen Jahre für Sie und Ihre werte Familie noch gütigst anzn- nehmen", sagte dann Karlchen gefaßt und blickte seinein Chef mutig in's Gesicht.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Glückwünsche, mein lieber Maifahrt", entgegnen: Rudlofsund wegen der Ver­

spätung hat es am Neujahrstage nicht viel aus sich. Setzen Sie sich und trinken Sie ein Glas Wein mit mir!"

Bevor ich von Ihrer gütigen Einladung Gebrauch mache, verehrter Herr Rudlosf," fuhr Karlchen jetzt aus einmal mutig geworden fort,möchte ich Ihnen noch eine Herzens­bitte vortragen. Das Vertrauen, das Sie mir geschenkt und die Auszeichnungen, die Sic und Ihre verehrte Frau Gemahlin mir wiederholt zuteil werden ließen, geben mir den Mut, Sie nur die Hand Ihrer Fräulein Tochter Frieda zu bitten, die ich aus vollem Herzen liebe, und die, wie ich hoffe, meine Liebe erwidert.

Ja, ja, es, ist wahr, Vater," erklang es jetzt aus Friedas Munde, die im Nebenzimmer gehorcht hatte und herbeieilte, um dem Vater um den Hals zu fallen.

Nun, so gebe ich herzlich gern meinen Segen zu Eurer Verlobung", erklärte nun Rudloü und führte das verlobte Paar seiner Frau und den Neujahrsgratulanten zu, die noch im Nebenzimmer weilten.

Das Verlobungsfeft wurde gleich am Neujahrstage ge­feiert, aber wegen der vorhergegangenen Sylvesterseier schon um zehn Uhr abends beendet. Karlchen ging sehr glücklich und gleich nach zehn Uhr uach Hause. Als ihm sein Haus­wirt, Herr Müller die Tür öffnete, sagte dieser lächelnd zu ihm:

Wissen Sie, Herr Maifahrt, wenn ich nicht wüßte, daß Sic ein so solider junger Mann wären, da glaubte ich, ich Hütte Sie letzte Nacht im Silvesterrausche aus dem Hause geworfen. Die Bowle im goldenen Löwen war zu schwer. Mir ist alles noch wie im Traume."

Mir auch!" rief Karlchen lachend.

Ende.