Gegründet
1877.
KrscHeint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
Bezugspreis für das Vierteljahr im Bezirk und Nachbarortsverkehr Mk. 1.25
außerhalb MI. >.35.
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Fernsprecher Nr. 11.
Anzeigenpreis bei einmalige in- >ü>kung 10 Psg. »te eiuspalth.e Zeile; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.
Reklamen 15 Pfg. die Textzeile.
Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.
Nr. 225.
Ausgabeort Altensteig-Stadt.
Freitag, de« 20. Dezember
Amtsblatt für Psalzgrafenweiler.
1907.
Gegen de« ««lauteren Wettbewerb.
(Nachdruck verboten.)
Der Reichskanzler Fürst Bülow ist fortgesetzt bemüht, den an ihn herantretenden berechtigten Wünschen nach Kräften zu entsprechen. Das hat er soeben wieder durch sein Schreiben an die Bundesregierungen bewiesen, in dem eine mildere Handhabung derjenigen Gesetzesbestimmungen empfohlen wird, nach welcher im Falle der Zeugnisverweigerung die Haftstrafe verhängt werden kann. Es handelt sich dabei bekanntlich um das Einschreiten gegen Redakteure, die nicht zu Angebern werden wollen und deshalb die Namen ihrer Gewährsmänner verschweigen. Fürst Bülow stellte in seinem Schreiben auch eine Abänderung der fraglichen Gesetzesbestimmung in der dem Bundesrat demnächst zugehenden Strafprozeßreform in Aussicht. Wird hiermit besonders dem liberalen Flügel des Blocks ein wertvolles und lange vergeblich herbeigewünschtes Weihnachtsgeschenk dargebracht, so hat der Reichskanzler darüber doch auch nicht die Wünsche der Tausende vergessen, die sich zu der großen Gruppe des Mittelstandes vereinigen, den eigentlichen Nährstand darstellen und wirtschaftlich wie politisch die stärksten Stützen des Staates sind. Der Nährstand in Stadt und Land erhob seit Jahren nnt immer lauterer Stimme die Forderung nach einem verstärkten Schutz gegen den unreellen Wettbewerb, der Treu und Glauben in Frage stellt und namentlich den kleineren ehrlichen Geschäftsmann in seiner Existenz gefährdet. Und nun ist auch diesen Wünschen entsprochen worden. Die Veröffentlichung des vorläufigen Gesetzentwurfs zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ist ein Weihnachtsgeschenk an den deutschen Nährstand, das von diesem hoch willkommen geheißen worden ist.
Konnten auch nicht alle Wünsche der Beteiligten erfüllt werden, wie z. B. die Frage der Bestechung von Angestellten, die einer gesetzlichen Reglementierung des Ausstellungswesens und die des Zugabewesens und der Rabattgewährung, so ist doch den hauptsächlichsten Forderungen entsprochen worden. Der neue Entwurf enthält gegenüber dem Gesetze vom Jahre 1896 so energische Verschärfungen, daß die dem reellen Geschäftsmanns aus dem unlauteren Wettbewerb erwachsenden Gefahren, wie man hoffen darf, verschwinden werden.
Diese Hoffnung gründet sich namentlich auf zwei Bestimmungen des neuen Gesetzentwurfs. Die erstere dieser beiden bedroht mit Geldstrafe bis zu 500 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre denjenigen, der im Falle der Ankündigung eines Ausverkaufs Waren zum Verkauf stellt, die den durch die Ankündigung betroffenen Waren nachträglich hinzugefügt worden sind, oder für deren Verkauf der bei der Ankündigung angegebene Grund des Ausverkaufs nicht zutrifft. Nach der andern wird mit einer Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft, wer es unterläßt, in der Ankündigung eines Ausverkaufs die Gründe anzugeben, die zu dein Ausverkauf Anlaß gegeben haben, oder wer bei Befolgung dieser Anordnung unrichtige Angaben macht.
In diesen Bestimmungen ist das Verbot des unreellen und gefährlichen Nachschubes von Waren grundsätzlich ausgesprochen. Nach der Fassung des Entwurfs soll das Verbot auch nicht nur den eigentlichen Nachschub von Waren nach der Ankündigung des Ausverkaufs treffen, sondern auch den Fall der mißbräuchlichen Ergänzung des Lagers vor der Ankündigung. Es wird hier, wie es in der Begründung der Vorlage heißt, z. B. an den Fall gedacht, daß ein Kaufmann sein durch Brandschaden betroffenes Lager durch neue Waren ergänzt und alsdann den Ausverkauf wegen Brandschadens ankündigt. Aber auch die Fälle, daß vor der Ankündigung eines „Totalausverkaufs wegen Todesfalles" oder auch eines „Saisonausverkaufs" oder eines Ausverkaufs wegen „Geschäfsverkleinerung", „Raummangels", „langer Lagerung der Waren" das Lager für den Zweck des Ausverkaufs vervollständigt wird, sind hierher zu rechnen.
Man ersieht aus diesen Bestimmungen das ernste Bestreben, dem unlauteren Wettbewerb den Garaus zn machen und damit die Bahn für den lauteren und reellen Wettbewerb unserer Geschäftswelt frei zu geben. Die Steine des Anstoßes, an denen auch der redlichste Wille, und gerade dieser, scheitern mußte, sollen aus dem Wege geräumt werden, der große Wettbewerb soll nur mit ehrlichen Mitteln und anständigen Waffen geführt werden dürfen, und der fleißigen Arbeit, der Tüchtigkeit und der wirklichen Leistungsfähigkeit soll der Erfolg garantiert werden. Treu und Glauben sollen in der deutschen Geschäftswelt auch da wieder ihren guten alten Klang erhalten, wo sie in leichtfertiger und gewinn
süchtiger Weise mit Füßen getreten worden waren, sie sollen wieder für alle das feste Fundament werden, auf dem der große Wettlauf in dem komplizierten Mechanismus unseres modernen Wirtschaftslebens sich vollzieht. Die reelle Geschäftswelt bedarf eines Schutzes gegen unsaubere Machenschaften und begrüßt daher den neuen Entwurf als willkommene Weihnachtsgabe.
Tagespolitik.
Die Ansprache, die P apst Pius X in dem jüngsten geheimen Konsistorium hielt, war die schärfste Kriegserklärung, die ein Papst seit Jahrzehnten gegen die moderne Weltanschauung überhaupt und gegen diejenige von Mitgliedern der katholischen Kirche im besonderen gerichtet hat. Es scheint, daß der Papst von dem bösen Beispiele Frankreichs schlimme Folgen erwartet und sich dadurch veranlaßt sieht, jede freiheitlichere Auffassung unter den Angehörigen der katholischen Kirche mit den schärfsten Maßnahmen zu unterdrücken. Wir können uns nicht verhehlen, daß es speziell der „Modernismus" in Deutschland ist, gegen den Papst Pius X seine scharfen Waffen richtet, lieber den Erfolg des päpstlichen Kampfes, der sich in die Politik des deutschen Reiches natürlich nicht einmischt, kann erst die Zukunft Klarheit geben.
Anatoli Michailowitsch Stöffel trägt in seinem.Prozesse Zivil. Seine mächtige Gestalt ist mit einem schwarzen Gehrock begleitet, an dem zwei weiß emaillierte Georgskreuze glänzen. Er stützt sich auf einen dicken Stock, denn sein linkes Bein gehorcht ihm nicht, nicht etwa wegen einer Verwundung, — er hat nur einen leichten Kratzer an der Stirn erhalten, mit dem er während der Ueberfahrt prunkte —, sondern wegen eines soliden Ziinperleins. Das feiste Gesicht Stöffels schaut wohlgemut drein und seine Stimme dröhnt mächtig durch den Saal. Er ist der Typus des „braven" russischen Generals, der sich aus heldenhafter Pose, dröhnender Stimme, soldatischer Derbheit und einer Dosis Gutmütigkeit zusammensetzt. Aus einem gewissen Abstande betrachtet sind solche Generale, die man hierzulande „Adler" zu nennen pflegt, wahre Prachtkerle. Bei näherer Untersuchung entdeckt man jedoch, daß sie außer der gewölbten Heldenbrust, der Löwenstimme und der Haltung nichts ihr eigen nennen und eigentlich schmähliche Tröpfe sind.
In der Mittwoch-Verhandlung im Stöffel-Prozeß machte Kuropatkin interessante Aussagen. Der Statthalter, A d m ir a l A l ex ej ew, und Kuropat- kin wählten Stössel zum Kommandanten von Port Arthur. Später wurde Stöffel nur Korpskommandeur und General Smyrnow Kommandant. Letztere Ernennung erfolgte gegen Kuropatkins Willen, welcher Smyrnow für unfähig und auch Stöffel für untüchtig hielt, nach seiner Berichterstattung zu urteilen. Stöffel wurde deshalb dreimal aufgefordert, in die Armee Kuropatkins zurückzukehren, er folgte dem Befehl aber nicht, indem er erklärte, daß seine Anwesenheit in Port Arthur notwendig sei. Bezüglich Port Arthur äußert Kuropatkin, daß es sehr schwach befestigt war. Außerdem enthielt es technisch unvollkommene Kanonen.
Die jUebungsfahrt des atlantischen Geschwaders der Vereinigten Staaten von Nordamerika in dem Stillen Ozean hat bei den Staaten an der Westküste der Union großen Jubel hervorgerufen. Alan ist dort überzeugt, die Fahrt werde den Japanern zur heilsamen Warnung gereichen und sie namentlich auch veranlassen, ihre Auswanderung nach dem amerikanischen Westen einzuschränken. Wie weit die Reise gehen wird, verschweigen die amerik. Marinebehörden noch beharrlich. Sie werden indessen, wie man erwarten darf alles unterlassen, was in Tokio als eine Herallsforderung Japans aufgefaßt werden könnte. Sie werden das voraussichtlich auch tun, obwohl Japan im gegenwärtigen Augenblick schwerlich in der Lage wäre, eine Provokation Amerikas mit einer Kriegsdrohung zu beantworten. Denn Japan hat kein Geld, seine Kassen sind so ausgeplündert, daß es vorläufig seine Rüstungen erheblich einschränken muß.
In dem marokkanischen Hexenkessel brodelt es noch immer, die Lage ist ziemlich unklar. Meldungen von der Unterwerfung des Gegensultans Muley Hafid haben die notwendige Bestätigung bisher nicht gefunden.
Landesnachrichten.
Attensteig, 19. Dezember.
Expreßgutverkehr vor den Weihnachtsfeiertagen. Zur Vermeidung von Störungen im Lauf der Schnell- und Personenzüge durch den Expreßgutverkehr wird in der Zeit vom 18. bis 24. Dezember die Expreßgutbeförderung in einer Anzahl von Zügen ganz ausgeschlossen und in anderen nur in beschränkter Weise zugelassen, während dagegen zur Beförderung von Expreß- und Eilgütern besondere Züge ausgeführt werden. Näheres ist aus dem Anschlag aus den Stationen zu entnehmen, auch erteilen die Gepäckstellen weitere Auskunft. Aus frühzeitigen Versand deutliche und genaue Adressierung, gute Verpackung und dauerhafte Befestigung der Adressen rc. an den Stücken möchte auch hier hingewiesen werden.
Wie der Staats-Anzeiger schreibt, ist die württem- bergis cheE isenbahn v erw altung der in diesen Tagen auf den preußisch-hessischen Bahnen und den Reichseisenbahnen eingesührten Tarifmaßnahme beigetreten, wonach zunächst bis zum 31. Dezember 1909 sämtliche Sendungen von Steinkohlen, Steinkohlenbriketts und Steinkohlenkoks zu den Sätzen des Rohstosstarifs zu befördern sind, soweit nicht noch billigere Ausnahmetarife bestehen. Da für den Bezug der Kohlen von deutschen Zechen wie von den in Betracht kommenden Umschlagplätzen heute schon ermäßigte Frachtsätze zur. Verfügung stehen, wird die Maßnahme den württem- bergischen Interessenten nur mittelbar zugute kommen, sofern sie durch Erleichterung der Einfuhr die allgemeine Kohlenknappheit in Deutschland zu mildern geeignet ist.
In Dietersweiler wurde beim Holzfällen der Holzhauer und Wegwart Winter von einer fallenden Tanne erschlagen. Der so tragisch ums Leben gekommene Mann hinterläßt eine Witwe und 4 Kinder.
* Klosterreichenbach, 19. Dez. Der in der Möhrle'schen Sägmühle inHuzenb ach beschäftigte Taglöhner G. Klumpp kam unter einen Langholzwagen und wurde schwer verletzt. — Auf der Straße zwischen Forbach und Schönmünzach wurde der ledige Joh. Frey ebenfalls von Huzenbach morgens schwerverletzt und blutüberströmt aufgefunden. Der Verunglückte ist offenbar im Schlaf vom Langholzwagen gefallen und überfahren worden. Diese Vorfälle sind ernste Mahnungen zur Vorsicht!
js Liebenzell, 18. Dez. Am Sonntag abend drohte in der Mietwohnung des Kettenmachers Laible ein Brand auszubrechen, der aber auf den Holzschopf und Schweinestall beschränkt werden konnte. Laible ist nun unter dem Verdacht der Brandlegung verhaftet worden, da dies in etwa 5 Jahren der achtzehnte Brand ist, der in der Nähe von Laibles Wohnung in Holzschopfen und Scheunen entstanden ist.
* Tübingen, 18. Dezember. Die bürgerlichen Kollegien haben Staatsrat Dr. Schönberg in Anerkennung seiner großen Verdienste um die Stadt zum Ehrenbürger ernannt. Die Ueberreichung der Urkunde geschah heute vormittag 11 Uhr durch Oberbürgermeister Hausier und Bürgerausschußobmann Sontheimer.
js Nürtingen, 18. Dez. Der Automatenhändler Beck von Unterboihingen, der seit einigen Tagen fehlt, wird vom Gericht wegen Wechselfälschungen verfolgt.
* Oberndorf, 17. Dez. Gestern feierte Bach-Altenberg die Einweihung ihres neuen Schulhauses. Es wurde im Lause dieses Jahres unter Leitung von Oberamtsbaumeister Buck in Oberndorf erbaut und enthält einen geräumigen, Hellen und luftigen Schulsaal und eine schöne, vierzimmerige Wohnung für einen ständigen Lehrer.
* Tuttlingen, 17. Dez. Das Anwesen der im Konkurs befindlichen Firma Storz u. Manz wurde heute bei der zweiten und letzten Versteigerung von dem Bankhaus Neuburger in Konstanz um den Preis von 74 100 Mk. ersteigert.
! Ebingen, 18. Dez. Das Festkomitee für das nächstjährige S ch w arzw ald g aus än g e rfe st hat den 12. Juli 1908 als Festtag bestimmt.
" Stuttgart, 28. Dezbr. (Zur Gemeinderatswahl.) Ebenso wie beim Stuttgarter Proporz für die letzte Landtagswahl haben auch für die bevorstehende Gemeinde- ratswahl die Konservativen und das Zentru m ihre Wahlvorschläge wieder verbunden.
' Stuttgart, 19. Dez. Es ist beabsichtigt zur Förderung der L uf ts ch i sf a h rt auch hier einen Verein zu gründen. Am kommenden Samstag wird Hauplmann v. Krogh aus Berlin im kleinen Saale des oberen Museums