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Gegründet

1877.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

Nr. 218.

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Tagespolitik.

Donnerstag, den 12. Dezember

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1907.

Amtliches.

Verursachung von Bränden durch das Spielen der Kinder mit Zündhölzern.

Im Hinblick auf die außerordentlich große Zahl von Brandfällen, die durch mit Zündhölzern spielende Kinder in letzter Zeit entstanden sind, wird vom Kgl. Oberamt darauf hingewiesen, daß den durch einen Brand an ihren Gebäuden Beschädigten eine Entschädigung von der Gebäude­brandversicherung nicht zuteil wird, wenn sie die Entstehung des Brandes selbst durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet haben, daß ebenso den Mobiliarfeuerversicherungsanstalten ge­setzlich verboten ist, irgend eine Entschädigung an solche durch Verbrennen ihrer Fahrnis Beschädigte aus- zubezahlen, denen bezüglich des ihnen zngestoßenen Brandunglücks eine Feuerverwahrlosung zur Last fällt und daß einegrobeFahrlässigkeitoder eineFeuer- Verwahrlosung auch in dem Unterlasse «genügen­der Beaufsichtigung der Kinder oder gehöri­ger Verwahrung der Zündhölzer oder der besonders feuergesährlichenStoffegesunden werden kann.

Eine Friedenskonferenz für das deutsche Holzgewerbe tagt gegenwärtig im Berliner Rathause unter dem Vorsitz des Magistratsmitglieds v. Schultz. Die Veranlassung zu der Zusammenkunft hat die Tatsache ge- gegeben, daß in diesem Jahre in einer ganzen Reihe von Städten die Tarifverträge in der Holzindustrie ablausen. Obermeister Rahard vertrat die Anschauung, daß eine Herabsetzung der Arbeitszeit untee 54 Stunden wöchentlich als ausgeschlossen zu gelten habe. Der Vertrter der Arbeitnehmer verteidigte dagegen die Forderung aus He­rabsetzung der Arbeitszeit. Heute hofft man zu einem Ergebnis zu kommen.

Dem Reichstage ist der Nachtragsetat zum Etat von 1907 zugegangen, welcher 400,000 Mark zur Förderung von Versuchen auf dem Gebiete der Motorluftschiffahrt verlangt. Die im Hauptetat ausgeworfenen Mittel sollten zur Errichtung einer- schwimmenden eisernen Ballonhalle auf dem Bodensee, sowie zur Vornahme der erforderlichen Versuche im Sommer und Herbst 1907 dienen. Die Halle konnte jedoch nicht vor Ende September in Benutzung genommen werden, so daß die vorgesehenen Probefahrten erst im Herbst zur Ausführung gelangten. Wenn diese Fahrten auch befriedigende Ergebnisse gezeigt, insbesondere die Stabilität, Steuerbarkeit und die Fähigkeit des Luftschiffs, sich durch lange Zeit manövrier­fähig zu erhalten, erwiesen haben, so empfiehlt es sich doch, wie es in der Begründung heißt, Tag und Nacht umfassende Dauerfahrten und den Nachweis des sicheren Landens auf festem Boden bis zu günstiger Jahreszeit zu verschieben, sowie die gewonnenen Erfahrungen schon jetzt für den Ban eines zweiten Luftschiffes zu verwerten. Dieser Bau ist begonnen und wird voraussichtlich Anfang Februar 1908 fertiggestellt sein. Mit diesem zweiten und dem vor­handenen Luftschiffe sollen alsdann bis Ende Mai diejenigen Fahrten ausgeführt werden, die zur vollständigen Erprobung des starren Systems für Verkehrs- und Beobachtungszwecke sich als erwünscht herausgestellt haben. Da die für 1907 bewilligten 500,000 Mk. durch den Bau der Halle und die bisherigen Versuche vollständig verbraucht sind, muß noch für das laufende Rechnungsjahr zur Fertigstellung des zweiten Luftschiffes und zur Fortführung des Betriebes bis Ende Mai dem Grafen Zeppelin ein Betrag in der ange- sorderten Höhe von 400,000 Mk. zur Verfügung gestellt werden.

Das Zentrum, das seine Hoffnung auf die Zer­trümmerung des Blocks bis auf weiteres hat in den Rauch­fang hängen müssen, überstürzt sich geradezu mit Beweisen für sein Dasein, um darzutnn, daß das Zentrum, auch ohne Regierungspartei zu sein, ein sehr mächtiger Faktor in unserem politischen Leben ist. Seinen Mittelstands-Anträgen, die den Reichstag während zweier Tagessitzungen beschäftigten, sind andere Initiativanträge gefolgt, die ihrer Art nach weniger auf die Zustimmung der Verb. Regierungen als auf diejenige der Linken des Reichstags zu rechnen scheinen. So soll das Wahlgeheimnis, für das erst unlängst vom

Reichskanzler weitere Garantieen geschaffen wurden, noch schärfer gewahrt werden, die Reichsbeamten sollen das un­eingeschränkte Recht der Vereinsbildung erhalten, das Koalitionsrecht der Arbeiter soll ausgebaut und befestigt werden. Das Zentrum scheint danach entschlossen zu jein, feine Oppositionsstellung zu verschärfen.

König Leopold vonBelgienist ängstlich daraus bedacht, die gewaltigen Summen, die ihm ans dem Kongo­staat zufließen, derartig anzulegen und zu verwenden, daß seine Töchter, vor allem Prinzessin Luise und die Gräfin Lonyay, nach seinem Tode so gut wie keine Hinterlassenschaft mehr vorfinden. Namentlich die zahlreichen Gläubiger der Prinzessin Luise werden eines Tages von der Taffache recht unangenehm berührt sein. Als Prinzessin Stefanie im Jahre 1900 dem Grasen Lonyay die Hand reichte, begann der König seine Pläne auszuführen. Er machte selbstverständlich aus rein edlen und patriotischen Gründen, wie er sagte, der Nation ein Geschenk. Der König hat in Gemeinschaft mit seinem inzwischen verstorbenen Bruder, dem Grafen von Flandern und seiner unglücklichen Schwester Charlotte, die in Geistesumnachtung fiel, eine großartige Besitzung in den Ardennen von seinen Eltern geerbt. Der König ließ darauf ein glänzendes Schloß errichten, das er der Schlafwagen­gesellschaft vermietete. Kurz nach der ihm so verhaßten Hei­rat der Prinzessin Stefanie vermachte der König die gesamte Besitzung, obgleich sie zumteil seiner geisteskranken Schwester gehörte, sowie eine bedeutende Summe zum Unterhalt der Liegenschaft, dem belgischen Volk. Als Vater von drei Töchtern hatte er aber nach dem belgischen Gesetz nur das Verfügungsrecht über ein Drittel seines Vermögens. Also wurde 1903 ein neues Gesetz eingebracht, das dem König das volle Verfügungsrecht gab, d. h. dem König die Macht verlieh, so gut es irgend geht, seine Töchter vollends zu ent­erben. Das Gesetz und das Vermächtnis wurde von Kam­mer und Senat angenommen. Inzwischen erwarb der König ungezählte Millionen im Kongostaat. Wohin damit? Um auch sie seinen Töchtern zu entziehen, erfand er dieKron- domäne". Die Krondomäne ist jenes gewaltige Gebiet im Kongostaat, das zehnmal so groß wie Belgien ist und das der König selbst nach der Annexion des Kongostaates durch Belgien, für sich zu behalten wünscht. DieseKrondomäne" konnte nun plötzlich alles vollbringen. Die Krondomäne baute Schlösser in Tervuren, in Lasten, in Brüssel, sie baute einen Triumphbogen und sie erwarb umfangreiche Immo­bilien in ganz Belgien. Mit einem Wort: alles Geld, was der König erübrigte, wurde in die Krondomäne gesteckt, der zukünftigen privaten Erblassenschaft also entzogen. Ein Teil der herrlichen Besitzungen im Süden Frankreichs dient der vielgenannten Dame Lacroir, der Freundin des Königs, mit ihren Kindern zum zeitweisen Aufenthalt. Nach einem belg­ischen Blatt hat der König versucht, bei der französischen Re­gierung durchzusehen, daß auch diese Güter auf die Kron­domäne des Kongostaates überschrieben werden. Frankreich erkannte jedoch den vagen Begriff der Krondomäne nicht an und verweigerte die Genehmigung. Also ließ der König die Güter auf den Namen seines Leibarztes Dr. Thiriar ein­tragen. In letzter Zeit befürchtete aber der König, durch so viele Prozesse und Prozeßandrohungen gewitzigt, daß nach seinem Tode etwa Erben auftreten könnten, die auf dem Prozeßweg dem Dr. Thiriar seinen angeblichen Besitzstand streitig machen könnten. Das wollte der König vermeiden. Außerdem lag ihm auch noch etwas anderes auf dem Herzen. Also schickte er Herrn Caillaur, seinen Vertrauensmann, an die französische Regierung und machte ihr folgendes ver­lockendes Angebot. Nämlich: ein Teil der königlichen Güter im Süden Frankreichs sollte nach seinem Tode für Franzosen und Belgier, die im französischen oder belgischen Kongo­staatsdienst sich eine Krankheit zugezogen haben, als Ge­nesungsheim dienen. Der andere Teil der Güter aber sollte einer Person und deren Kindern, die der König noch näher bezeichnen werde, überlassen werden. Man sieht, der König hat doch ein gutes Herz, das nur seine eigenen Wege geht! Die französische Regierung war kaltherzig genug, auch diesen Wunsch abzuschlagen.

DieNordd. Allg. Ztg." widmet dem verstorbenen König Oskar von Schweden einen Nachruf, in dem es heißt: Die tiefe Trauer, in die das schwedische Volk um den Heimgegangenen Monarchen versetzt worden ist, wird in Deutschland weithin in warmem Mitempfinden geteilt. Ist mit König Oskar II. doch ein Fürst von der irdischen Welt geschieden, der uns Deutschen nicht nur durch eine

ungetrübte freundschaftliche Gestaltung und Erhaltung der Beziehungen zwischen der uns stammverwandten nordischen Nation und Deutschland stets eine sympathische Erscheinung gewesen ist. In 35jähriger, von Mühe und Sorge erfüllter Regierung hat König Oskar seine besten Kräfte für das Gemeinwohl eingesetzt und sich in gleichem Maße der Festig­ung des Ansehens seines Reiches und der Förderung wirt­schaftlicher Wohlfahrt wie der Pflege und Bereicherung der geistigen Interessen gewidmet. Blieb ihm auch manche bittere Enttäuschung nicht erspart, so vermochte er doch am Abend seines reichen Lebens mit innerer Befriedigung auf die während seiner Regierung vollbrachten Kulturwerke zu blicken. Die allgemeine menschliche Teilnahme erhält bei uns Deutschen besondere Vertiefung durch die herzliche Teilnahme und nahe Verwandtschaft, die den verewigten Monarchen mit unserem Kaiserhause verknüpften, wie durch die nationalen und tu lture l len Bande, die beide Völker mit einander verbinden.

Die Dumaverhandlungen, die jetzt glücklich bei dem eigentlichen Beratungsstoff der Session angelangt sind, werden voraussichtlich den Frieden des russischen Reiches nicht stören. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß es nicht viele Dinge im heiligen Rußland gäbe, deren parla­mentarische Erörterung einen Sturm im ganzen Lande ver­ursachen würde. Aber die gehorsame Duma wird ihre Budgetberatung eben den Erfordernissen des Landes gemäß einrichten. Und da ist wohlwollendes Schweigen häufig zweckdienlicher und der Regierung jedenfalls angenehmer als unvorsichtiges Reden. In der Finanzverwaltung, in der Administration des Heeres, der Flotte, der Eisenbahnen, in der Landesverwaltung, überall, wohin man blickt, Korrup­tion und Unterschleife. Die skandalösen Umtriebe im Eisen­bahnwesen konnten vertuscht werden. Von dem Schlendrian russischer Verwaltung hat dagegen die weite Oeffentlichkeit durch die jüngsten Unfälle von Schiffen in den russischen Gewässern Kenntnis erhalten. Die Schuldigen an der Havarie der ZarenjachtStandard" wurden vor einigen Tagen erst bestraft. Jetzt ist schon wieder ein russisches Schiff, der MinenkreuzerUffuriez" auf ein Riff ausgelaufen, so daß zwei große Lecks entstanden. Wenn das so fort geht, kommt Rußland trotz der kolossalsten Aufwendungen zu keinem Ersatz der im Japan-Kriege vernichteten Kriegsflotte. Wie lange wohl die grandiose Bummelei in der Herstellung genauer Seekarten noch andauern wird!

Deutscher Reichstag.

Berlin, 10. Dezember.

Der Montag war der erste Tag der Beratung des Reichsvereinsgesetzes. Die Beratung verlief recht harmlos. Staatssekretär v. Bethmann hob hervor, daß die verbündeten Regierungen ehrlich gearbeitet und sich auf praktische, ver­nünftige Vorschläge beschränkt hätten. Um die Vorlage nicht zu sehr zu belasten, seien die Frage der Berufsvereine und des Verbindungsrechts unberührt geblieben. Dagegen habe man den Frauen das Vereinsrecht gewährt. Schwierig war die Behandlung der Jugend nach den Ausführungen des Staatssekretärs. Da die Jugend schon vielfach vor der Mündigkeit erwerbstätig sei, könne man diese Altersgrenze für den Besuch von Versammlungen nicht mehr aufrecht er­halten. Der Verhetzung müsse Gutes entgegengesetzt werden. Die Befugnisse der Polizei seien eingeschränkt. Der Staats­sekretär begründete dann die Notwendigkeit des 8 7, wonach in der Regel die deutsche Sprache die Versammlungssprache sein soll. Abg. Dietrich (kons.) hielt die Vorlage für eine brauchbare Grundlage und wollte die Beschlüsse der Kom­mission abwarten. Bedenken hatte er gegen die Zulassung von Personen unter 18 Jahren zu Versammlungen. Das sei eher unvernünftig als liberal. Von dem Sprachen­paragraphen müßten so loyale Bürger wie Litauer und Masuren ausgenommen werben. Abg. Trimborn (Ztr.) verwarf eine Vorlage, die Ausnahmebestimmungen wie 8 7 enthalte. Die getroffenen Verbesserungen seien eigentlich selbstverständlich, die wundeste Stelle sei, daß auch private Versammlungen, die sich mit öffentlichen Dingen beschäftigen, vor der Polizei nicht sicher sein sollen. Das kennzeichne die Polizeiseele des Staatssekretärs. Abg. Hieber (natlib.) freute sich, daß wir endlich ein einheitliches Vereinsgesetz für ganz Deutschland erhalten sollen, und war im allgemeinen mit dem Entwurf einverstanden. Einzelheiten könnten in der Kommission erledigt werden. Daß auch das Recht der Berufsvereine geregelt werden müsse, sei ohne Frage. Abg.

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