Vermischtes.
Z Ueberseeische Ballonfahrt. Die weiteste Fahrt über See hat der englische Ballon „Mannnut" gemacht, trotzdem er seine Ausgabe, von England nach Rußland zu gelangen, nicht lösen konnte. Die beiden Luftschiffer melden: Wir wurden von London in der Richtung nach Jarmouth an der Ostküste Englands getrieben und von hier über die Nordsee. Wir durchkreuzten die Ostsee an einer der breitesten Stellen nnd passierten die Nordspitze von Dänemark. Später verloren wir die Richtung der Fahrt durch einen Nebel und landeten in Brockau in Schweden. Unsere Geschwindigkeit war sehr groß. Die Landung erfolgte bei heftigem Sturm und gestaltete sich sehr schwierig. Die von dem Ballon zurückgelegte Entfernung von London bis Brockau in Schweden beträgt 965 ffw. Die Insassen landeten, indem sie am Schleppseil hinabglitten. Der Ballon wurde im Walde mit beschädigter Gondel aufgefunden.
Z Kurz vor dem Tode getraut. In einer Vorstadt von Bern soll nach dem Daily Erpreß ein sterbender Pole aus einer Tragbare in die Kirche gebracht worden seins?), um sich mit einer Landsmännin trauen zu lassen. Der. Bräutigam erwiderte die Fragen des Priesters mit schwacher Stimme und starb wenige Stunden nach der Trauung. Er war politischer Gefangener in einein russischen Gefängnis gewesen, entkam aber nach der Schweiz. Auch seine junge Frau beteiligte sich an der revolutionären Bewegung in Russisch- Polen.
8 Eine Millionärin als Einbrecherin. Aus New-Dork wird gemeldet: Raffkes, der jüngste Theaterheld, der Amateureinbrecher, hat im Leben seinen Rivalen gefunden; aber kein Mann ist es, der die Phantasie der Bühnendichter in den Schatten stellt, sondern eine Frau, eine junge, hübsche und reiche Fran, eine der beliebtesten Persönlichkeiten der Gesellschaft von Milwaukee, die Gattin des Millionärs Charles I. Romadke. Seit Monaten wurde in Chicago im vornehmsten Villenviertel eine Reihe geheimnisvoller Einbrüche verübt, ohne daß es der Polizei gelang, den Tätern auf die Spur zu kommen. Endlich lenkten einige winzige Verdachtsmomente die Aufmerksamkeit der Behörde auf die junge Dame aus Milwaukee. Man begann sie zu überwachen, und bald stellte es sich heraus, das Mrs. Romadke nachts auf Einbrecherabenteuer ausging. Ihre Verhaftung bestätigte alles; sie gestand, daß sie ihre Freunde beraubt habe, eine „unsichtbare Macht" habe sie dazu getrieben. Der Reiz und die Neuheit ihrer mitternächtigen Unternehmungen übten eine solche Anziehungskraft auf sie aus, daß sie nicht zu widerstehen vermochte. Bei einein entlassenen, alten Zuchthäusler, einen: Neger, nahm sie in aller Form Unterricht, und später wurde der Lehrer ihr Gehilfe und Komplice. Materielle Sorgen haben zu diesen abenteuerlichen Nachtfahrten nicht beigetragen, denn Mrs. Romadke erhält von ihrem Gatten alljährlich 8000 Mk. für ihre Toiletten, mehrere tausend Mark Nadelgeld, sie hat ihr Automobil und allen Luxus, den sie wünscht. „Ich weiß nicht, wie ich dazu kam," sagte sie weinend bei ihrer Verhaftung. „Ich konnte nicht anders. Ich weiß nicht, warum ich es tat. Ich weiß auch, daß ich Strafe verdiene, aber mein Herz blutet bei dem Gedanken an mein kleines Baby, meine Evelyn. Alles, was ich brauchte, hatte ich, und dazu noch den besten Mann der Welt." Die Beute, die Mrs. Romadke bei ihren Einbrüchen gernacht hat, wird von der Polizei auf 40 000 Mk. geschätzt.
8 Eine Bekämpfung des Hagels mit Hilfe von Luftballons. Ueber den Wert des sogenannten Wetterschießens, der Verhinderung von Hagelwetter durch Böllerschüsse, sind die Meinungen noch sehr geteilt. Die in manchen Gegenden mit den: Wetterschießen erzielten mangelhaften Ergebnisse sind zürn Teil darauf zurückgesührt worden, daß die Wirkung der Schüsse nicht hoch genug in der erforderlichen Stärke sich be
merkbar macht, um den gewünschten Einfluß auf die Wetterwolken ausüben zu können. Diesen Uebelstand wollen, nach Mitteilung des Prometheus (Verlag von Rudolf Mückenberger in Berlin VV. 10), zwei belgische Offiziere, Marga und Adhömar, dadurch beseitigen, daß sie durch „Hagelschutzballons" die Explosivstoffe möglichst nahe an die gefährlichen Wolken herantragen lassen und sie erst in der erwünscht erscheinenden Höhe zur Explosion bringen. Nach ihren Angaben hat der bekannte französische Ballonsabrikant Louis Godard zwei Ballons gebaut, deren nach oben spitze Form einmal ein schnelles, möglichst senkrechtes Aufsteigen ermöglichen und dann auch das leichte Abstichen etwa fallenden Hagels, Schnees oder Regens befördern soll. Die Ballons haben bei 1,6 in Durchmesser einen Inhalt von ca. 2,3 vbw, sie wiegen 1,5 bss und können, da sie eine Auftriebskraft von 2,5 Kg besitzen, eine Ladung von 750 gr tragen, wenn noch 250 §r als Auftriebsreserve gerechnet werden. Die Ladung wird in beliebig großer Entfernung unterhalb des Ballons befestigt, sodaß man beim Schuß, der durch Zeitzünder erfolgt, den Ballon mit zerstören oder ihn andererseits auch erhalten kann. — Selbst wenn die Schüsse von: Ballon aus wirksamer sein sollten, als die von der Erde aus Mörsern oder Böllern abgefeuerten, so dürfte die Methode doch viel zu teuer sein, als daß sie allgemein Anwendung finden könnte.
Kurzer Getreide-Wochenbericht der Preisberichtstelle des Deutschen Landwirtschaftsrats vom 8. bis 14. Oktober.
Die Berichtswoche nahm einen sehr erregten Verlauf. Anlaß zu der zeitweise stürmischen Aufwärtsbewegung gaben beunruhigende Nachrichten aus Indien und Australien und die damit zusammenhängende Kauflust Englands, sowie niedrigere amerikanische und kanadische Ernteschätzungen. Ernste Befürchtungen hinsichtlich der Herbstbestellung erweckte außerdem in einer Reihe von Produktionsgebieten der trockene Witterungsgang, dem Deutschland immerhin eine wesentliche Besserung der Kartoffelernte zu verdanken hat. Eine weitere Folge der Trockenheit besteht in dem sich an der Donau bemerkbar machenden Futtermangel, dem man in Ungarn durch Erlaß eines Ausfuhrverbotes entgegenzuwirken beabsichtigt. In Serbien besteht ein solches bereits, während Rumänien von ähnlichen Maßnahmen bisher Abstand nahm. Auch von einer beabsichtigten Ermäßigung des Weizenzolles in Italien war die Rede. Jedenfalls rechtfertigen die geschilderten Verhältnisse die immer mehr um sich greifende Erregung, die sich auch im Preisgange der deutschen Märkte lebhaft wiederspiegelt, ohne daß mit der ungefähr 10 Mark betragenden Wertbesserung eine Annäherung an das ausländische Preisniveau erreicht werden konnte. Auch bei Roggen ist der Wertunterschied zwischen ausländischem und inländischem Produkt trotz der zuletzt stattgefundenen Anspannung der Berliner Lieferungspreise um 8—4'/- Mk. noch immer zu groß, um Ankäufe von russischem Roggen möglich erscheinen zu lassen, und von den früher gemachten Abschlüssen gelangt infolge andauernder Rückkäufe nur wenig zur Ablieferung. Für Hafer zeigt der Süden und Westen lebhafteres Interesse; auch der Export stellte größere Ansprüche, denen das Jnlandsangebot gegenwärtig nicht gewachsen ist. Diese Knappheit ist nicht nur auf die Feldarbeiten zurückzusühren, sondern scheint auch eine Folge stärkeren Verbrauchs an Stelle von Mais und Gerste zu sein- Diese beiden Artikel haben in der letzten Woche weitere scharfe Preissteigerungen erfahren, durch welche die Kauflust, namentlich bei Mais, dessen Ankünfte zuletzt weniger befriedigen, zeitweise beeinträchtigt wurde.
Es stellten sich die Preise für inländisches Getreide am letzten Markttage in Mark pro 1000 Kg. je nach Qualität, wobei das Mehr (->-) bezw. Weniger (—) gegenüber der der Vorwoche in Klammern () deigefügt ist, wie folgt:
Frankfurt a.
Mannheim
Straßburg
Stuttgart
München
M.
Weizen 845 (A-6>/-) 252 (-ff13) 252>/-(-P7'/-) 245 (-)
252 (st-6)
Roggen 215 (-s-8)
222 (-P7) 217'/st^2</-) 210 (-)
210 (-P4)
Hafer 191 (-1-1)
193 (-s-1) 207V-(st-2'/2) 197V-(-i-2V-) 202 (A-1)
ff Tübinger,, 16. Okt. Die Obstpreise steigern sich hier von Tag zu Tag. Auf dem sogenannten Kelternplatz, wo hauptsächlich inländisches Obst zum Verkauf angeführt wird, kosten Mostäpfel 7.50-8.20 Mk., gemischtes Obst 7.50 Mk., Birnen 7-7.60 Mk., Bahnobst gilt 6.70-7 Mk.
Herbstnachrichten.
* 'UcliHingen cr. K., 15. Oktober. Alles verkauft. Preise gestiegen bis zu 185 und 190 Mk. pro 3 bl. Letzte Anzeige.
* Keikbronn, 16. Okt. Stadtkelter. Die Lese ist in vollem Gang. Es wurden erzielt für Weiß-Gewächs 169, 168—190 Mk., für Rot-Gewächs 183-200 Mk. Tie Käufe kamen rasch zu stände, doch ist noch ziemlich Vorrat vorhanden.
* SorrtHeirn, 16. Oktober. Rotwein ausverkauft zum Preis von 175, 180, 182 -185 Mk. pro Eimer. Schiller- und Weißweine nur noch kleinere Reste zum Preis von 170—175 Mk. pro Eimer. WeißrieSling noch zu haben zum Preis von 195-200 Mark vro
Eimer.
* Kaberfchkacht O.A. Brackenheim, 14. Oktober. Heute Verkauf lebhaft zu 168-175 Mk. pro 3 KI. Immer roch ziemlich Vorrat sehr guter nur in Berglagen erzeugter Rotwein.
* Schwaigern, 15. Oktober. Heute mittag alles rasch verkauft. Die Preise bewegen sich zwischen 167 und 180 Mk
* Krlenbach, 15. Oktober. Verkauf heute sehr lebhaft. P erse von 180-210 Mk. pro 3 bl. Noch ziemlich Vorrat. Es wird auf unsere prima Weißriesltnger Weine aufmerksam gemacht.
- LSrvenstein, 16. Oktober. Lese in vollem Gange. Kaufe mit 165, 167 und 170 Mk. pro Eimer. Reissach alles verkauft. Bittelhof noch ca. 30 Eimer feil. Auch hier noch schöne Reste zu haben. Quantität schlägt durchweg zurück.
* Wunöeksbeirn a. W., 15. Oktober. Heute Kaufe zu 150-180 Mk. für Mittellagen, 200 Mk. für Kasberger. Immer noch Vorrat; Lese geht morgen zu Ende. Verkauf der Gesellschaftsweine Freitag 18. Oktober, nachmittags 2 Uhr im Saale zum Ochsen.
» Gberstenfelö, 15. Oktober. Lese morgen beendigt. Gestern weitere Käufe zu 175 und 180 Mk. Vorrat besonders an größeren Resten ca. 150 bl.
' Jelörennach, 15. Oktober. Viehmarkt. Zufuhr: 111 Kühe und Kalbinnen, 24 Ochsen und Stiere, 75 Rinder, 16 Kälber, zusammen 228 Stück. Handel lebhaft. Preise unverändert wie beim letzten Markt, also ständig.
ff Korb, 16. Okt. Gestern war hier der sogmannte Kirch- weihmarkt. Das Bild des Warenmarktes war das übliche: viel Angebot und wenig Kauflust; dagegen waren die Ladenbesitzer zufrieden. Auf dem Viehmarkte war der Handel bei zurückgehenden Preisen gut, dagegen wurde auf dem Schweinemarkt ein großer Umsatz erzielt. Preise der Milchschweine 20—30 Mk. per Paar.
ff Stuttgart, 16. Oktober. Der heutigen Ledermesse in der Gewerbehalle waren etwa 700 Zentner zugefüyrt. Gleich zu Beginn der Messe wurde eine Anzahl Käufe abgeschlossen, dann flaute das Geschäft ob und erst gegen den Schluß der Messe herrschte wieder regere Kauflust. Tie Preise stellten sich per Pfund: Sohlleder 1.30 bis 1.50 Mk., Wildvacheleder 1.30 bis 140 Mk., Wildoberleder I». 2.10 bis 2.20 Mk., Wildoberleder IIu. 1.60 bis 1.80 Mk., Schmalleder 1.80 bis 2 Mk., Kalbleder 2.80 bis 3.30 Mk., Zaum- Zeug- und Roßleder 1.50 bis 1.60 Mk., Schafleder 15 bis 30 Mk. per zehn Stück.
ff Stuttgart, 15. Oktober. (Schlachtviehmarkt.) Zugctrieben 24 Ochsen, 91 Bullen, 244 Kalbeln und Kühe, 229 Kälber, 917 Schweine. Verkauft: 24 Ochsen, 84 Bullen, 153 Kalbeln und Kühe, 229 Kälber, 774 Schweine. Unverkauft: 0 Ochsen, 7 Bullen, 91 Kalbeln und Kühe, 0 Kälber, 143 Schweine. — Erlös aus ' - Kilo Schlachtgewicht: Ochsen: 1. Qualität, ») ausgemästete von 83 bis 84 Pfg., 2. Qualität, b) fleischige und ältere von — bis — Pfg, — Bullen (Farren): 1. Qualität,») vollfleischige von 70 bis 71 Pfg., 2. Qualität, b) altere und weniger fleischige von 68 bis 69 Big., Stiere u. Jungrinder- 1. Qualität, a) ausgemästete von 81 bis 53 Pfg.,
2. Qualität, b) fleischige von 79 bis 81 Pfg., 3. Qual., o) gei trg ere von 77 bis 78 Pfg.; — Kühe: 1. Qualität, ») junge gemästete von —Pfg., 2. Qualität, b) ältere gemästet von 60 bis 70 Pfg.,
3. Qualität, o) geringere von 40 bis 50 Pf., — Kälber: 1. Qualität ») beste Saugkälber von 82-85 Pfg., 2. Qual., b) gute Saugkälber von 80-82 Pfg., 3. Qual., o) geringere Saugkälber von 77 bis 79 Pfg.; — Schweine: 1. Qual. ») junge fleischige vor 65 bis 67 Pfg., 2. Qualität, b) schwere fette ron 63 bis 65 Pfg., 8. Qual geringere (Sauen) von 66 bis 59 Pfg. — Verlauf des Merkt, s: mäßig belebt.
Handel und Verkehr.
Obstberichte.
* Kakrv, 16. Oktober. Die Obstpreise sind in diesem Jahre hoch. Auf dem Bahnhof kosten Mostäpfel 6.80 Mk. per Zentner. Für einheimisches Obst wird auf dem Wald 7 Mk. per Zentner bezahlt. Beim gebrochenen Obst stellt sich der Zentner auf 12 Mk.
Voraussichtliches Wetter
an: Freitag, den 18. Oktober 1907 :
Ziemlich wolkig, kein wesentlicher Niederschlag, mäßig kühl.
? rantwörtlich,r Redakteur: Ludwig Lauk, Altensteig.
„Daran fehlt es aber eben, Mijnheer Whitney, und daran wirds fehlen, solange ich lebe."
„Oho, Mejusser Marij, einen Mann wie mich schlägt man doch nicht so ohne weiteres ans, man kann doch nicht einfach Nein sagen auf den Antrag eines ehrenwerthen Mannes."
„Aber ein Kavalier, ein Gentleman wird eine Dame Wohl nicht nach den Gründen ihrer Ablehnung fragen."
„Aber Gründe müssen sie doch haben, und wie gesagt, mit Ihren: Vater bin ich einig. Wenn da nur nicht der deutsche Kartenkünstler dahinter steckt."
„Mister Whitney, ich verbiete Ihnen in meiner Gegenwart über den Grafen Rieneck derartige Ausdrücke zu gebrauchen, der Graf ist nicht zur Stelle und kann sich nicht Vertheid igen."
„Dann übernehmen also Sie seine Vertheidigung? Nun, da halte ich es doch an der Zeit, Ihren Herrn Vater über den wechren Charakter seines Gastes aufzukiären."
„Das Hütte gar keinen Zweck, Mister Whitney, denn der Graf verläßt dieser Tage Pietersfarm. Sie haben sich doch sogar seine Begleitung erbeten auf Ihrer Reise nach den Zout- Pansbergen. Ich durchschaue Sie ja, Mister Whitney, Sie denken daß zwischen dem Grafen und mir etwas von Liebe gesprochen worden sei, und Sic streben danach, ihn so schnell als möglich von hier zu entfernen."
„lind wenn dem so wäre, Mejusser Marij, so müßten Sie mir immerhin dankbar sein, daß ich so über Ihr Glück wache."
„Ich bedarf dieser Bewachung nicht und wünsche sie auch nicht, ich weiß ganz genau selbst, was mir zum Glück dient und was nicht. Aber gehen Sie immer hin, erzählen Sie meinem Vater, was Sie über den Grafen wissen, wenn Sie aber glauben, daß Sie dadurch bei nur das Geringste erreichen, so irren Sie sich, denn wissen Sie, bis jetzt sind Sie mir nur gteichgittig, aber ich habe Sie immer als Ehrenmann achten können. Wenn Sie sich aber als Denunzianten entpuppen, dann werde ich Sie verachten, und nun wäre es mir lieb, wenn sie niir den Pavillon allein überließen."
Whitney stand einen Augenblick tief betroffen, er wußte nicht, was er sagen sollte. Er bewegte die Lippen hin und
her, als ob er sprechen wollte, aber cs wurde nur ein eigen- thümliches Knurren hörbar, und wie ein geschlagener Hund entfernte er sich, denn es mochte ihn: doch gerathener erscheinen, augenblicklich in der Sache nichts zu thun, sondern lieber im Geheimen zu wirken, und auf die eine oder andere Weise den deutschen Eindringling unschädlich zu machen.
Als Whitney gegangen war, überließ sich Marij einem behaglichen Träumen, und es war vielleicht kein Zufall, daß der Mann, an den sie am meisten dachte, gerade in den: Augenblick den Pavillon betrat, wo sein Bild in den lebhaftesten Farben vor ihrer Seele stand.
„Sie hatten mir erlaubt, Mejusser Marij, mit Ihnen die deutschen Zeitschriften durchzusehen. Es ist schon solange her, daß ich von meinem Vaterlande nichts gehört und gesehen habe, und man ist doch so ein armes, simpeles Menschenkind, daß man stets mit seinem Herzen an der Scholle hängt, aus der man mit seinen .Kinderfüßchen hernmgetollt ist. Ich kann mich nicht zu der Anschauung bekehren, das Vaterland sei nichts, es ist doch etwas. Wirklich, ich treffe mich bei der ganz ungewohnten Empfindung des Heimwehs."
„Lassen Sie die Empfindung unmodern sein, Woldemar, sie ist schön und edel. Ter Mensch muß sein Vaterland lieben, er muß nicht wie der Engländer in der ganzen Wett hernmschweifen und sich überall zu Hause fühlen, wo es Geld zu verdienen giebt."
„So sprechen Sie, eine Frau?"
„Warum soll ich es nicht? Glauben Sie, die Frauen hätten keine Vaterlandsliebe?"
„Ich glaube, daß eine andere Liebe den Frauen Alles ersetzen müßte. Ich meinte das Vaterland einer echten deutschen Frau — das Volk der Buren fühlt doch deutsch und ist vom deutschen Stamme — müßte doch das Herz des Mannes sein, den sie liebt. Würden Sie einem geliebten Manne nicht über den Ozean folgen?"
Er sah Ihr eindringlich in die Augen, und Marij, die ans seiner Frage etwas wie eine Erklärung herausgehört hatte, überstrahlte ihn mit einem warmen Blick.
„Ja, Woldemar, einen: geliebten Manne würde ich folgen bis ans Ende der Welt."
„So und nicht anders habe ich Sie mir auch vorgestellt."
Das kam eigentlich etwas kalt aus dem Munde Rienecks, und Marij empfand es auch, denn sie wandte sich ab und brachte ein Convotut Zeitschriften, das sie auf den Tisch legte, und nun begannen die Beiden zu lesen.
Plötzlich wurde Rieneck leichenblaß, seine Hand begann zu zittern und er starrte mit großen vergeisterten Augen aus ein Vildniß.
Marij erschrak heftig:
„Was ist Ihnen denn, um Gotteswillen, sind Sie krank?"
„Nein, Mejusser Marij, ich bin ganz gesund."
„Haben Sie etwas in der Zeitschrift gelesen, das Sie erschreckte? Ist Ihnen einer Ihrer Lieben gestorben?"
„So etwas mag es Wohl sein. Es ist mir ein Ideal gestorben."
lind nun ließ er das Blatt sinken. Marij trat hinter ihn und sah die in einem Wappenornament vereinigten Bilder eines sehr hübschen Mannes in Dragonernniform und einer auffallend schönen Dame, deren lockiges Haupt ein Diadem schmückte, darunter stand: Fürst von Birkenau und seine junge Gemahlin Beatrix, geb. Prinzessin von Waldenburg. Der Text zu den Bildern besagte, daß der Fürst seine Gemahlin Lei dem Bankett für ihren Bruder, den Prinzen Lrmfried, der nach Ostasien abgereist sei, kennen gelernt habe. Der junge Fürst hatte gleich eine Leidenschaft zu der Prinzessin gefaßt, die von ihrer Seite auch erwidert wurde, und da von den beiderseitigen Familien keine Einwendungen gemacht wurden, so konnte die Hochzeit nach ganz kurzer Ver- lobnngszeit folgen. Das junge Paar war sofort nach der Vermählung nach Kairo abgcreist, nu: sich den: Chef der Familie, dem kranken Fürsten Philipp Ludwig von Waldenburg vor- znstellen. Danach wollte der Fürst, der trotz seiner Jugend ein Geograph von wissenschaftlichen: Ruf war nnd schon ein vorzügliches Werk über Arabien geschrieben, nach dem Sudan in das Gebiet der Derwische reisen, nnd seine junge Gattin ließ es sich nicht nehmen, ihn zu begleiten. Das alles sagte der Text, der unter den beiden Bildern stand.
(Fortsetzung folgt.)